OGH 8Ob246/74

OGH8Ob246/7417.12.1974

SZ 47/149

Normen

ABGB §901
ABGB §1168
ABGB §1447
ABGB §901
ABGB §1168
ABGB §1447

 

Spruch:

Der Besteller kann sich gegenüber dem Entgeltanspruch des Unternehmers nicht auf das Nichtvorhandensein oder Wegfallen einer - wenngleich typischen - Vertragsvoraussetzung berufen, die sich auf Tatsachen der eigenen Sphäre bezieht

Wenn dem Besteller des Werkes die Erwirkung der erforderlichen Baubewilligung obliegt, bildet deren Nichterlassung einen auf Seite des Bestellers liegenden Umstand, der die Werksausführung verhindert

OGH 17. Dezember 1974, 8 Ob 246/74 (HG Wien 1 R 62/74; BGHS Wien 4 C 1316/71)

Text

Die Kläger beauftragten mit Werkauftrag Nr. 989 vom 11. September 1969 das beklagte Unternehmen, an ihrem Hause in F Eternitverkleidungsarbeiten im umfange von 140 m2 zum Werklohn von 27.720 S vorzunehmen. Sie leisteten am 24. Oktober 1969 die bedungene Anzahlung in der Höhe von 8316 S (30% des Werklohnes).

Sie begehrten mit der vorliegenden Klage die Rückzahlung dieser Anzahlung im wesentlichen mit folgender Begründung: Die Eternitverkleidung sei von der Baubehörde nicht genehmigt worden; die Beklagte hätte ihre Warnpflicht verletzt; der Werkvertrag sei namens der Kläger von Oberamtsrat H der Marktgemeinde P im Einvernehmen mit der Beklagten aufgelöst worden. Es sollte der Beklagten der Auftrag zur Eindeckung des Hauses mit Welleternit erteilt werden, doch seien die Kläger nicht bereit gewesen, mit der Beklagten zu überhöhten Preisen abzuschließen.

Die Beklagte hat Klagsabweisung beantragt und im wesentlichen eingewendet: Es sei Sache der Kläger, sich rechtzeitig um die erforderliche Baubewilligung zu kümmern. Sie hätten einen entsprechenden Antrag nicht einmal eingebracht und bei zielstrebigem Vorgehen die Baubewilligung erlangen können. Der wahre Grund, warum die Kläger die in Auftrag gegebenen Arbeiten nicht durchführen lassen wollten, sei in dem Umstand zu erblicken, daß ihre laut Übergabsvertrag wohnungsberechtigte Großmutter die Eternitverkleidung ablehne. Die Beklagte wäre wohl einverstanden gewesen statt der Fassadenverkleidung eine Dacheindeckung durchzuführen, doch sei eine Vereinbarung hierüber am Widerstand der Klager gescheitert. Der leistungsbereiten Beklagten stunde daher der beschränkte Werklohn nach § 1168 ABGB in Höhe der empfangenen Anzahlung zu.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

F ist eine Ortschaft mit etwa 500 Einwohnern und etwa 70 Häusern und gehört zu den drei Marktgemeinden P, G und S. Die Grenzen zwischen den drei Marktgemeinden gehen direkt durch den Ort. Die Kläger haben ihr Grundstück im Gemeindegebiet P. Ihr Haus steht mit etwa 15 anderen in einem Landschaftsschutzgebiet etwa 1 km außerhalb des Ortskernes. In F gibt es Eternit-Hausverkleidungen, und zwar in dem Ortsteil, der zu G gehört. Die drei Häuser die zu S gehören, haben keine solche Eternitverkleidung. In dem Teil, der zur Marktgemeinde

P gehört, gibt es im Ortskern zwei bis drei Eternithausverkleidungen. Dagegen gibt es in der außerhalb des Ortskernes gelegenen Gruppe von etwa 15 Häusern, in der auch das Haus der Kläger steht, keine solche Verkleidungen.

Etwa 14 Tage nach der gegenständlichen Auftragserteilung fand bei den Klägern eine Kommissionierung wegen des geplanten Ausbaues ihres Hauses statt. Dabei kam auch die von ihnen vorgesehene Eternitverkleidung zur Sprache. Der Verhandlungsleiter Baumeister Ing. K aus F sagte, daß bei dieser Häusergruppe eine Eternitverkleidung nicht in Frage komme, im übrigen F allenfalls schon.

Im Hinblick auf diese Äußerung stellten die Kläger keinen Antrag auf die entsprechende Baubewilligung.

Nach dieser Kommissionierung berieten die Kläger, was nun zu tun sei. Ein günstiger Anhaltspunkt für die Auflösung des gegenständlichen Werkvertrages schien ihnen zu sein, daß die Großmutter des Erstklägers, die im Haus der Kläger ein verbüchertes Wohnrecht auf Lebenszeit hat, mit der Eternitverkleidung des Hauses nicht einverstanden war und erst durch die Kommissionierung von der geplanten Eternitverkleidung erfuhr. Gleichwohl übersandten die Kläger am 24. Oktober 1969 die bedungene Anzahlung. Am 5. Oktober 1969 hatten sie der Beklagten geschrieben, daß die Eternitverkleidung im Hinblick auf vorher erforderliche größere Reparaturen des Objektes in naher Zukunft nicht möglich sei. Mit Schreiben vom 6. Jänner 1970 wiesen sie auf das Untersagungsrecht der Großmutter hin und ersuchten, um die Anzahlung nicht umsonst geleistet zu haben, nur die Ostseite des Hauses zu verkleiden. Die Beklagte wies in ihrem Antwortschreiben darauf hin, daß sie wohl nur die verlegte Fläche in Rechnung stellen würde, aber den Auftrag nicht gleich um zwei Seiten des Hauses verringern könne. Der von den Klägern als Ratgeber herangezogene Bürgermeister T meinte, es wäre dumm, die Anzahlung verfallen zu lassen, und empfahl den Klägern, statt dessen lieber das Dach eindecken zu lassen, wobei die Anzahlung der Kläger für die Fassadenverkleidung Dacheindeckung angerechnet werden sollte. T sprach in diesem fernmündlich mit der Beklagten und nahm über das Gespräch folgenden Aktenvermerk auf:

"Laut tel. Rücksprache am 12. Juni 1970 um 16.28 h mit Hr. P gilt der Werksauftrag Nr. 989 vom 11. September 1969 als storniert. Es wurde vereinbart, daß an Stelle dieser Arbeiten die Eindeckung des Daches erfolgt." Nach dem Parteiwillen sollte im Falle des Zustandekommens eines Vertrages über die Dacheindeckung die für die Fassadenverkleidung geleistete Anzahlung auf den neuen Vertrag angerechnet werden. Ein solcher neuer Vertrag kam jedoch - trotz lang andauernder Verhandlungen - nicht zustande. Mit Schreiben vom 16. April 1971 lehnte der Rechtsvertreter der Kläger eine Auftragserteilung zur Dacheindeckung wegen überhöhten Kostenvoranschlags ab und forderte die Rückzahlung der hinsichtlich des Auftrages zur Fassadeneinkleidung geleisteten Anzahlung.

Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, daß eine Anrechnung der von den Klägern aus dem alten Vertrag geleisteten Anzahlung nur unter der Voraussetzung des Abschlusses eines neuen Vertrages erfolgen sollte, der aber nicht zustande gekommen sei. Ein vorbehaltloser Verzicht auf die Anzahlung sei nicht anzunehmen. Infolge Abgehens der Kläger vom ursprünglichen Werkvertrag sei ein Entgeltanspruch der Beklagten von 30% des Werklohnes (20% für bereits bezahlte Vertreterprovision und 10% reiner Verdienstentgang) nach § 1168 ABGB und der entsprechenden Vertragsbestimmung (30% bei "Arbeitsverweigerung" durch den Besteller) berechtigt. Das Erstgericht verneinte eine Verletzung der sogenannten Warnpflicht seitens des Unternehmers im Hinblick auf die örtlichen Verhältnisse, insbesondere auf das Vorhandensein bereits mehrerer fassadeneingekleideter Häuser im gleichen Ort. Es folgte im übrigen dem Sachverständigen-Gutachten, demzufolge Bedenken gegen die Eternitverkleidung nur rein ästhetischer Art seien und nicht den Landschaftsschutz beträfen. Es legte sowohl die fehlende Zustimmung der Großmutter zur Fassadenverkleidung als auch die Nichterlangung der Baubewilligung, für die die Kläger zu sorgen gehabt hätten, diesen als Umstände zur Last, die die Vertragserfüllung seitens der leistungsbereiten Beklagten verhindert hätten, und gelangten so zur Klagsabweisung.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kläger Folge und änderte das Ersturteil im Sinne der Klagsstattgebung ab.

Es übernahm die erstrichterlichen Feststellungen als unbedenklich und führte zur Rechtsfrage aus: Da der neue Werkvertrag über die in Aussicht genommene Dacheindeckung nicht zustande gekommen sei, sei lediglich das Schicksal des ursprünglichen Vertrages zu untersuchen. Dem Erstgericht sei wohl zuzustimmen, daß die verweigerte Zustimmung der Großmutter zur Fassadenverkleidung einen in der Sphäre der Kläger liegenden Umstand bilde. Diese Verweigerung sei jedoch erst nach der Mitteilung des Leiters der Bauverhandlung erfolgt, derzufolge die erforderliche Baubewilligung für die Fassadeneinkleidung keinesfalls in Frage käme. Die Kläger hätten sich darauf verlassen dürfen und wären nicht verhalten gewesen, aussichtslose Anträge zu stellen. Sei aber die erforderliche behördliche Bewilligung der Fassadeneinkleidung nicht erlangbar, dann sei damit die stillschweigend vereinbarte Vertragsgrundlage weggefallen bzw. die Werkausführung unmöglich geworden. Die Kläger seien daher berechtigt, vom Vertrag abzugehen, ohne daß dem Unternehmer hiefür irgendwelche Ansprüche zustehen würden. Dieser sei vielmehr verpflichtet, das bereits Empfangene herauszugeben.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten mit dem Antrag, es im Sinne der Wiederherstellung des Ersturteils abzuändern. Der Oberste Gerichtshof gab der Revision Folge und stellte das Urteil des Erstgerichtes wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Ausführungen der Revisionsbeantwortung geben Anlaß, zunächst festzuhalten, daß die - jederzeit mögliche - Stornierung des Werkvertrages durch den Besteller den Anspruch des Unternehmers auf Entgelt nicht beseitigt, sondern dessen beschränkten Entgeltanspruch unter den Voraussetzungen des § 1168 ABGB auslöst. Ein ausdrücklicher oder schlüssiger Verzicht des Unternehmers auf sein Entgelt ist nicht erfolgt. Vielmehr sollte nach dem vom Erstgericht festgestellten Parteiwillen die vom Unternehmer empfangene Anzahlung von 8316 S im Falle des Zustandekommens eines neuen Vertrages über die Dacheindeckung auf die dortigen Entgeltansprüche angerechnet werden. Da dieser neue Vertrag nicht zustande kam, hat es - wie die Vorinstanzen zutreffend dargelegt haben - bei den aus dem ursprünglichen Vertrag abzuleitenden Rechtsfolgen zu verbleiben.

Streitentscheidend ist somit, ob der Beklagten aus dem ursprünglichen Werkvertrag über die Fassadenverkleidung ein Entgeltanspruch in der Höhe des empfangenen Teilbetrages zusteht.

Die vom Berufungsgericht herangezogenen allgemeinen Grundsätze betreffend den Wegfall der Geschäftsgrundlage und den vorzunehmenden Risken bzw. Interessenausgleich sind auf den Werkvertrag nicht uneingeschränkt anzuwenden: Der Besteller kann sich gegenüber dem Entgeltanspruch des Unternehmers nicht auf das Nichtvorhandensein oder Wegfallen einer - wenngleich typischen - Vertragsvoraussetzung berufen, die sich auf Tatsachen der eigenen Sphäre bezieht (vgl. Gschnitzer in Klang[2] IV/1, 340). Nach der ausdrücklichen Anordnung des § 1168 ABGB gebührt dem leistungsbereiten Unternehmer das vereinbarte Entgelt, wenn die Werkausführung durch Umstände, die auf seiten des Bestellers liegen, unterblieben ist. Ob diese Umstände eine typische Vertragsvoraussetzung betreffen oder nicht, wird hiebei nicht unterschieden. Adler - Höller (in Klang[2] V, 402) erwähnen als Beispiele für auf seiten des Bestellers liegende Umstände im Sinne des § 1168 ABGB auch solche, die die typische Vertragsvoraussetzung betreffen: z. B., der Patient, der operiert werden soll, stirbt vor der Operation; oder das Haus, das ausgebessert werden soll, brennt vorher ab, usw.

Der beschränkte Entgeltanspruch des leistungsbereiten Unternehmers nach § 1168 ABGB hat zur Voraussetzung, daß die Vereitelung der Werkausführung in Umständen ihren Grund hat, die auf seiten des Bestellers liegen, sofern dem Unternehmer kein Verschulden unterlaufen ist (SZ 28/121; 1 Ob 176/74 u. a.). Daß der Beklagten unter den festgestellten Verhältnissen kein Verschulden anzulasten ist, hat das Erstgericht zutreffend dargelegt. Da die Kläger dagegen in ihren Rechtsmittelausführungen keine Argumente aufgeboten haben, genügt es, auf die vom Obersten Gerichtshof gebilligten Ausführungen des Erstgerichtes in diesem Belange zu verweisen.

Ausschlaggebend ist somit, ob die Umstände, die die Werkausführung unmöglich machten, der Sphäre des Bestellers zuzuordnen sind, in welchem Fall der Entgeltanspruch des Unternehmers zu Recht bestunde, oder ob sie in der Sphäre des Unternehmers oder in dem sogenannten neutralen Kreis liegen, was der Unternehmer zu vertreten hätte (Adler - Höller in Klang[2] V, 401).

Wenn die Kläger von der in Auftrag gegebenen Eternitverkleidung Abstand genommen haben, weil sie das Untersagungsrecht ihrer dinglich berechtigten Großmutter als gerechtfertigt ansahen, so ist dies ein in der Sphäre des Bestellers aufgetretener Hinderungsgrund, und zwar gleichgültig, ob ein derartiges Untersagungsrecht tatsächlich besteht oder nicht. Diese zutreffende Ansicht des Erstgerichtes wird vom Berufungsgericht nicht in Zweifel gestellt; doch vertritt das Gericht zweiter Instanz die Meinung, die Äußerung des Leiters einer - einen anderen Gegenstand betreffenden - Bauverhandlung, wonach mit der erforderlichen Baubewilligung betreffend die Eternitverkleidung keinesfalls gerechnet werden könnte, die Kläger zur Vertragsauflösung ohne Entgeltzahlung berechtige. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Vorweg ist festzuhalten, daß eine derartige Mitteilung weder einem abweislichen Bescheid der Baubehörde gleichzuhalten ist, noch eine ausreichende Grundlage für die vom Berufungsgericht vorgenommene Beurteilung der Aussichtslosigkeit eines entsprechenden Antrages auf Baubewilligung bildet. Eine solche Beurteilung könnte nur nach Klärung der objektiven Voraussetzungen für die Bewilligung bzw. für die Versagung derselben erfolgen. Im vorliegenden Fall bedarf es jedoch einer solchen nicht. Adler - Höller ordnen in Klang[2] V, 402, den auf Seite des Bestellers liegenden Umständen im Sinne des § 1168 ABGB ausdrücklich auch den Fall zu, daß der Bauherr für den Bau, den er seinem Baumeister vergeben hat, die Baubewilligung nicht erlangte. Im Hinblick auf die durch Art. 378 des Schweizer ZGB in diesem Belange gleichartige Regelung sei darauf hingewiesen, daß auch die Schweizer Lehre und Rechtsprechung ein Verbot der Baubehörde als einen beim Besteller eingetretenen Zufall beurteilt (vgl. Berner, Komm. VI/2 Obligationsrecht, 3. Teilband, 549; Schweizer JZ 1954, 361 und die dort angeführte Literatur und Judikatur). Der erkennende Senat ist in Übereinstimmung mit den dargelegten Ansichten der Auffassung, daß dann, wenn dem Besteller - wie im vorliegenden Fall - die Erwirkung der erforderlichen Baubewilligung obliegt, deren Nichterlangung einen auf Seite des Bestellers liegenden Umstand bildet, der die Werksausführung vereitelt.

Das Erstgericht hat somit die Voraussetzungen für den beschränkten Entgeltanspruch des Unternehmers nach § 1168 ABGB mit Recht bejaht. Der Unternehmer hat der ihn treffenden Anrechnungspflicht im Sinne des § 1168 Abs. 12. Halbsatz ABGB dadurch Rechnung getragen, daß er das vereinbarte Entgelt um 70% kürzte. Daß sich der Unternehmer infolge Unterbleibens der Arbeit darüber hinaus mehr erspart oder absichtlich zu erwerben versäumt hätte, haben die hiefür behauptungs- und beweispflichtigen Besteller nicht dargetan.

Aus den angeführten Erwägungen war der Revision Folge zu geben und das Ersturteil wiederherzustellen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte