European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1986:0080OB00022.86.0417.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes mit der Maßgabe wiederhergestellt wird, daß der Punkt 2) ihres Spruches zu lauten hat:
"2) Der Klagsanspruch besteht - soweit die Zahlung von Schmerzengeld begehrt wird - dem Grunde nach mit zwei Dritteln zu Recht und mit einem Drittel nicht zu Recht".
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt dem Endurteil vorbehalten.
Entscheidungsgründe:
Am 4. 5. 1983 ereignete sich gegen 19 Uhr auf der Bundesstraße 18 im Gemeindegebiet von Traisen bei Km 55,5 (Freilandstraße) ein Verkehrsunfall, an dem der Kläger als Halter und Lenker des Mopeds mit dem Kennzeichen N * und der Erstbeklagte als Halter und Lenker des PKW mit dem Kennzeichen N * beteiligt waren. Die Zweitbeklagte ist der Haftpflichtversicherer des letztgenannten Kraftfahrzeuges. Der Erstbeklagte fuhr mit seinem PKW auf das im Bereich der Fahrbahnmitte zum Stillstand gebrachte Moped des Klägers auf. Dabei wurde der Kläger schwer verletzt. Wegen dieses Verkehrsunfalles wurde gegen die beiden beteiligten Lenker zu U 365/83 des Bezirksgerichtes Lilienfeld ein Strafverfahren eingeleitet. Es wurde gegen den Kläger gemäß § 90 StPO eingestellt; der Erstbeklagte wurde rechtskräftig gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Im vorliegenden Rechtsstreit begehrte der Kläger aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes aus diesem Verkehrsunfall die Verurteilung der Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung von S 205.997,10 s.A. Überdies stellte er ein auf Feststellung der Haftung der Beklagten zur ungeteilten Hand für alle zukünftigen Schäden aus diesem Verkehrsunfall gerichtetes Feststellungsbegehren. Das Leistungsbegehren des Klägers umfaßt S 200.000,- Schmerzengeld, S 2.705,10 Verdienstentgang bis Ende August 1983, S 1.792,- Besuchskosten der Ehegattin und S 1.500,- Kleiderschaden. Dem Grunde nach stützte der Kläger sein Begehren im wesentlichen auf die Behauptung, daß den Erstbeklagten das Alleinverschulden an diesem Verkehrsunfall treffe. Der Kläger sei mit seinem Moped auf der Bundesstraße18 in Richtung Traisen gefahren und habe zu dem links der Straße gelegenen Sportplatz fahren wollen. Er habe zu diesem Zweck sein Moped zur Fahrbahnmitte eingeordnet und habe dann in der Fahrbahnmitte angehalten, wo er absteigen wollte, um das Moped neben einem dort befindlichen Stiegenaufgang zum Sportplatz hinunterzuschieben. Der gleichfalls in Richtung Traisen fahrende Erstbeklagte habe aus Unaufmerksamkeit das Moped des Klägers in der Fahrbahnmitte nicht rechtzeitig wahrgenommen und sei auf dieses Fahrzeug aufgefahren.
Die Beklagten wendeten dem Grunde nach ein, das Alleinverschulden an diesem Verkehrsunfall treffe den Kläger. Der Erstbeklagte habe mit seinem PKW bei Annäherung an die Unfallstelle eine Geschwindigkeit von maximal 60 km/h eingehalten. Der Kläger sei mit seinem Moped aus einer von rechts kommenden Seitenstraße in die Bundesstraße 18 eingefahren, sei auf ihrer rechten Fahrbahnseite einige Meter in Richtung Traisen gefahren und dann plötzlich und ohne Handzeichen nach links abgebogen, so als ob er auf den links der Straße gelegenen Sportplatz zufahren hätte wollen. Der Erstbeklagte habe, als er den Kläger in die Bundesstraße 18 einbiegen gesehen habe, sofort die Geschwindigkeit seines Fahrzeuges vermindert und zum Überholen des Klägers angesetzt. Nach dem Ansetzen zum Überholen - der Erstbeklagte sei bereits in der Fahrbahnmitte gefahren - sei der Kläger plötzlich und für den Erstbeklagten vollkommen unerwartet nach links abgebogen. Der Erstbeklagte habe trotz sofortiger Reaktion und Vollbremsung den Zusammenstoß nicht mehr vermeiden können. Der Höhe nach anerkannten die Beklagten nur einen Schmerzengeldanspruch des Klägers von S 150.000,-; die übrigen Leistungsansprüche sind der Höhe nach unbestritten.
Das Erstgericht erkannte mit Teil- und Zwischenurteil die Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig, dem Kläger S 3.998,07 s.A. zu bezahlen und wies das Mehrbegehren des Klägers auf Zahlung eines weiteren Betrages von S 1.999,03 s.A. ab (Punkt 1 des Urteilsspruches). Es entschied, daß der Klagsanspruch - soweit die Zahlung von Schmerzengeld begehrt wird - dem Grunde nach mit zwei Dritteln zu Recht besteht (Punkt 2 des Urteilsspruches).
Das Erstgericht stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:
Die Fahrbahn der Bundesstraße 18 ist im Unfallbereich 8,15 m breit. Die geometrische Fahrbahnmitte ist durch eine gut sichtbare Leitlinie gekennzeichnet; nahe den Asphalträndern befinden sich Randlinien. In Fahrtrichtung der beteiligten Lenker gesehen befindet sich etwa 200 m vor der Unfallstelle eine Fahrbahnkuppe. Von dieser führt die Fahrbahn geradeaus bis zur Unfallstelle und mehrere hundert Meter darüber hinaus. Zur Unfallstelle hin besteht ein auslaufendes Längsgefälle; im Bereich der objektivierten Verzögerungsspuren des PKW des Erstbeklagten beträgt das Längsgefälle nur noch ca. 2 %. Die Unfallstelle liegt außerhalb des Ortsgebietes. In ihrem Bereich mündet von rechts eine Zufahrt zur Gölsensiedlung trichterförmig in die Bundesstraße 18 ein. Etwa 14 m nach der Kollisionsstelle in Richtung Traisen befindet sich außerhalb der Fahrbahn der Bundesstraße 18 auf der südlichen Seite (in Fahrtrichtung der Beteiligten gesehen links) ein Stiegenabgang, der über die neben der Straße befindliche Böschung zum Traisendamm führt. Diese Wiesenböschung verläuft in einem Winkel von ca. 25 Grad relativ steil zum Traisendamm. In Fahrtrichtung der Streitteile gesehen befindet sich vor dieser Stiege eine "wilde" Zufahrt zum Traisendamm, bei der es sich nur um eine Geländefläche handelt, die einfach durch einspurige Fahrzeuge zum Hinunterfahren benützt wird. Wegen der Steilheit der Böschung und dieser "wilden" Zufahrt besteht für Verkehrsteilnehmer, die auf der Bundesstraße 18 in Richtung Traisen fahren, bis zum Erreichen dieser Zufahrt keine Möglichkeit, sie wahrzunehmen. Erkennbar ist lediglich die Stiege.
Eine örtliche Straßenbeleuchtung ist entlang der Bundesstraße 18 bis zur Unfallstelle nicht vorhanden. Lediglich auf der Zufahrtsstraße zur Gölsensiedlung befindet sich auf einer Verkehrsinsel rund 10 m von der Mitte der Bundesstraße 18 entfernt auf der nördlichen Seite ein Lichtmast, der zwei Doppelneonleuchten trägt. Diese leuchten aber überwiegend den Bereich der Zufahrtsstraße aus.
Der Kläger fuhr mit einer nicht feststellbaren Geschwindigkeit auf der Bundesstraße 18 von Wiesenfeld kommend in Richtung Traisen (Westen). Er benützte zunächst die rechte Fahrbahnhälfte mit einem Seitenabstand von etwa 1 m zur rechten Straßenbegrenzung. Ca. 90 m vor der Kollisionsstelle begann der Kläger, nachdem er sich überzeugt hatte, daß kein Nachfolgeverkehr kam, sich zur Straßenmitte einzuordnen. Ca. 70 m vor der Unfallstelle war dieser Vorgang des Einordnens abgeschlossen. In der weiteren Folge beobachtete der Kläger den Nachfolgeverkehr bis zur Unfallstelle nicht. Bei der Kollisionsstelle, die rund 14 m vor dem Stiegenabgang zum Traisental und etwa im Bereich der Mitte des rechtsseitig gelegenen Einmündungstrichters der Zufahrt zur Gölsensiedlung liegt, hielt der Kläger sein Moped an. Dabei befand er sich mit dem Heck seines Mopeds 40 bis 50 cm rechts der Leitlinie, sohin vom rechten Fahrbahnrand 3,6 bis 3,7 m entfernt. Die Mopedlängsachse bildete zur Straßenlängsachse einen Winkel von maximal 10 Grad (entgegen dem Uhrzeigersinn). Bereits vor der Kollision hatte der Erstbeklagte sein Fahrzeug zum Stehen gebracht und sich mit dem linken Fuß auf der Straße abgestützt. Er beabsichtigte, von seiner Stillstandsposition das Fahrzeug über die linke Fahrbahnhälfte der Bundesstraße 18 (in seiner Fahrtrichtung gesehen), das daran anschließende Bankett und die beschriebene "wilde" Zufahrt zum Traisendamm hinunterzuschieben. Da zur Unfallszeit Dunkelheit herrschte, war am Moped des Klägers die Fahrzeugbeleuchtung eingeschaltet.
Der Erstbeklagte lenkte seinen PKW ebenfalls auf der Bundesstraße 18 aus Richtung Hainfeld in Richtung Traisen. Er hatte das Abblendlicht eingeschaltet und fuhr mit einer Geschwindigkeit von 81 km/h. Um innerhalb der durch das Abblendlicht ausgeleuchteten Sichtstrecke von 50 m anhalten zu können, hätte der Erstbeklagte nur mit einer Geschwindigkeit von 75 km/h fahren dürfen. Als der Erstbeklagte die Eisenbahnbrücke überfuhr, also Sicht auf das Moped des Klägers hatte, hatte der Kläger sein Einordnen zur Fahrbahnmitte bereits abgeschlossen und fuhr etwa 50 cm rechts der Leitlinie. Infolge mangelnder Aufmerksamkeit bemerkte der Erstbeklagte den Kläger erst knapp 38 m vor Erreichen des Kollisionsortes, wo er sich zu einer Vollbremsung unter gleichzeitigem Linksziehen des Wagens entschloß. Der PKW des Erstbeklagten zeichnete Blockierspuren vor der Kollision von 17,5 m und nach der Kollision von 13,4 m. Die Kollisionsgeschwindigkeit dieses Fahrzeuges betrug 57 km/h. Zum Zeitpunkt der Kollision befand sich die rechte vordere Fahrzeugbegrenzung des PKW 3,4 m vom rechten Fahrbahnrand und knapp 70 cm von der Leitlinie entfernt. Die Kollision zwischen dem Heckteil des Mopeds und dem PKW fand im äußerst rechten Teil der Stirnseite des PKW im Bereich des rechten Scheinwerfers statt. Am Moped erfolgte der Anstoß im Heckbereich, insbesondere am Gepäcksträger und im Bereich des Hinterrades. Durch den Zusammenstoß wurde der Kläger auf den Wagenvorbau des PKW aufgeschaufelt, zerschlug die Windschutzscheibe und wurde dann wieder vom PKW abgeworfen. Der Kläger erlitt einen Bruch des linken Schien- und Wadenbeines und dadurch Schmerzen in einem derzeit noch nicht bestimmbaren Ausmaß. Vom Moped zeichnete sich unmittelbar von der Kollisionsstelle beginnend eine Radierspur in der Länge von knapp 8 m ab, die ziemlich genau im Bereich der Fahrbahnmitte endete. Die Endlage des Mopeds befand sich rund 36 m nach der Kollisionsstelle im Bereich der linken Fahrbahnbegrenzung.
Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß das Fahrmanöver des Klägers weder als Einbiegen nach links noch als Zufahren zum linken Fahrbahnrand qualifiziert werden könne. Sein Verhalten, nämlich das Zum-Stillstand-Bringen seines Mopeds 40 bis 50 cm rechts der Leitlinie, könne nur als Halten im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 27 StVO gewertet werden. Ein Anhalten nach § 2 Abs. 1 Z 26 StVO komme deshalb nicht in Frage, weil es nicht durch die Verkehrslage veranlaßt worden sei und sonstige wichtige Umstände, die das Fahrzeug oder dessen Lenker im Verkehr unmittelbar betroffen hätten, nicht vorgelegen seien. Die Motivation für die Fahrtunterbrechung des Klägers sei darin zu sehen, daß er sein Fahrzeug in der festgestellten Position zum Stillstand gebracht habe, um es von dort über die linke Fahrbahnhälfte zu einem Ziel außerhalb der Straße zu schieben. Der Kläger habe durch das Halten seines Fahrzeuges im Bereich der Fahrbahnmitte gegen die Vorschriften des § 23 Abs. 1 und Abs. 2 StVO verstoßen. Alternativ hätte er sich dann rechtmäßig verhalten, wenn er sein Fahrzeug am rechten Fahrbahnrand angehalten, sich sodann über die Verkehrslage vergewissert und das Moped dann quer über die Straße geschoben hätte. Im übrigen habe der Kläger mit seiner Fahrlinie auch gegen die allgemeine Fahrordnung des § 7 StVO verstoßen.
Dem Erstbeklagten sei vorzuwerfen, daß er eine relativ überhöhte Fahrgeschwindigkeit eingehalten habe, die den Sichtverhältnissen nicht angepaßt gewesen sei. Weiters habe er die im Straßenverkehr erforderliche Aufmerksamkeit vermissen lassen, weil er bereits auf 200 m das Rücklicht des Mopeds wahrnehmen hätte können, das sich zu diesem Zeitpunkt bereits knapp rechts der Leitlinie befunden haben müsse. Ungeachtet dessen, daß für ihn im Hinblick auf diesen Umstand eine unklare Verkehrssituation vorgelegen sei, habe er seine Geschwindigkeit nicht verringert und sich erst rund 38 m vor Erreichen des Kollisionsortes zur Vollbremsung entschlossen. Unter diesen Umständen erscheine eine Verschuldensteilung im Verhältnis von 2 : 1 zu Gunsten des Klägers gerechtfertigt. Dem Kläger seien daher zwei Drittel seines der Höhe nach unbestrittenen Schadens an Verdienstentgang, Besuchskosten und Kleiderschaden zuzusprechen, während über das Schmerzengeldbegehren nur mit Zwischenurteil in diesem Sinne abgesprochen werden könne. Dieses Urteil wurde von beiden Streitteilen mit Berufung bekämpft.
Mit dem angefochtenen Urteil gab das Berufungsgericht der Berufung der Beklagten keine Folge. Hingegen gab es der Berufung des Klägers Folge und änderte die Entscheidung des Erstgerichtes dahin ab, daß es die Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung von S 5.997,10 s.A. verurteilte und entschied, daß der Klagsanspruch - soweit Schmerzengeld begehrt wird - dem Grunde nach zu Recht besteht. Das Berufungsgericht sprach aus, daß die Revision zulässig sei.
Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich und führte rechtlich im wesentlichen aus, das beabsichtigte Fahrmanöver des Klägers entspreche nicht einem Zufahren im Sinne des § 7 Abs. 4 StVO, weil der Kläger sein Moped nicht am linken Fahrbahnrand abstellen, sondern in die "wilde" Zufahrt zum Sportplatz einbiegen habe wollen. § 13 StVO schränke den Begriff "Einbiegen" nicht auf Manöver an bestimmten Örtlichkeiten (Kreuzungen, Einfahrten) ein. Bei einem Moped handle es sich nach § 2 Z 14 und § 3 Abs. 1 KFG um ein Kraftfahrzeug. Eine Verpflichtung des Lenkers eines Motorkraftrades, zum Zweck des Einbiegens in ein links gelegenes Grundstück, aber auch selbst zum Zweck des Zufahrens zum linken Fahrbahnrand, am rechten Fahrbahnrand vom Motorkraftrad abzusteigen und dann als Fußgänger dieses Fahrzeug quer über die Fahrbahn zu schieben, bestehe nicht; vielmehr hätten die Regeln der §§ 11 bis 13 StVO zu gelten. Dem Umstand, daß es sich um eine "wilde" Zufahrt gehandelt habe, komme keine rechtliche Bedeutung zu, da das Einordnen zur Fahrbahnmitte unter Abgabe eines Fahrtrichtungsänderungszeichens mit dem linken Arm von einem nachfolgenden Verkehrsteilnehmer nur dahingehend ausgelegt werden dürfe, daß der so Eingeordnete zu welchem Zweck immer die Fahrtrichtung nach links ändern werde. Aus diesem Grund müsse an ihm rechts vorbeigefahren werden (§ 17 Abs. 1 StVO). Bei einem Fahrmanöver, wie es der Kläger beabsichtigt habe, sei allerdings besondere Vorsicht geboten. Der Kläger hätte daher vor Überqueren der linken Fahrbahnhälfte sich nochmals über den nachfolgenden Verkehr vergewissern und vor Beginn seines Linkszuges auch nochmals ein Handzeichen mit dem linken Arm geben müssen. Daß er dies unterlassen habe, falle ihm aber nicht zur Last, weil er noch vor Beginn des auf die linke Fahrbahnhälfte führenden Bogens auf dem rechten Fahrstreifen vom PKW des Erstbeklagten erfaßt worden sei. Er habe das Einbiegemanöver noch nicht begonnen und sein Fahrzeug angehalten gehabt. Das Zum-Stillstand-Bringen des Mopeds an der Unfallstelle könne nicht als Verstoß gegen § 23 Abs. 1 und Abs. 2 StVO gewertet werden, weil es durchaus zulässig erscheine, zur Vergewisserung über den Nachfolgeverkehr vor Beginn des auf die linke Fahrbahnhälfte führenden Bogens sein Fahrzeug anzuhalten. Dem Kläger könne auch nicht zum Vorwurf gemacht werden, daß er nach dem ersten ca. 80 m vor der Unfallstelle gegebenen Handzeichen, mit dem er die Linkseinbiegeabsicht angezeigt habe, kein weiteres gesetzt habe, da ein ununterbrochenes Handzeichen vom Beginn des Einordnens bis zur Ausführung des Einbiegens nicht erforderlich sei. Das Alleinverschulden am Zustandekommen des Unfalles treffe daher den Erstbeklagten, der auf das vom Kläger ordnungsgemäß zum Linkseinbiegen eingeordnete angehaltene Moped aufgefahren sei.
Seinen Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision im Sinne des § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO begründete das Berufungsgericht damit, daß eine Rechtsprechung über das Verhalten, das bei einem Fahrmanöver, wie es der Kläger durchgeführt habe, geboten sei, fehle.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten. Sie bekämpfen es aus dem Revisionsgrund der "unrichtigen rechtlichen Beurteilung" mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, "daß eine Verschuldensteilung im Ausmaß von 2 : 1 zu Gunsten der Beklagten ausgesprochen werde"; hilfsweise stellen sie einen Aufhebungsantrag.
Der Kläger beantragt, der Revision keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Vorwegzunehmen ist, daß der wiedergegebene Revisionsantrag der Beklagten hinreichend bestimmt im Sinne des § 506 Abs. 1 Z 2 ZPO ist, weil er nach den im vorliegenden Fall gegebenen Umständen im Zusammenhang mit den übrigen Revisionsausführungen eindeutig und zweifelsfrei erkennen läßt, was die Beklagten mit ihrem Rechtsmittel anstreben, nämlich die Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen dahin, daß dem Kläger nur ein Betrag von S 1.999,03 s.A. zugesprochen und sein auf Zahlung eines weiteren Betrages von S 3.998,07 s.A. gerichtetes Mehrbegehren abgewiesen werde und daß der Klagsanspruch, soweit die Zahlung von Schmerzengeld begehrt wird, dem Grunde nach nur mit einem Drittel als zu Recht bestehend und mit zwei Dritteln als nicht zu Recht bestehend erkannt werde.
Die Revision ist zulässig und auch sachlich zum Teil berechtigt.
Gemäß § 503 Abs. 2 ZPO kann im Fall einer Zulassungsrevision die Revision nur begehrt werden, weil das Urteil des Berufungsgerichtes auf der unrichtigen Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechtes oder des Verfahrensrechtes beruht, der erhebliche Bedeutung im Sinne des § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO zukommt.
Soweit die Beklagten in ihrem Rechtsmittel ausführen, daß der Kläger sein Moped unter den festgestellten Umständen nicht im Bereich der Fahrbahnmitte zum Stillstand hätte bringen dürfen, machen sie zutreffend die unrichtige Lösung einer derartigen Rechtsfrage des materiellen Rechtes durch das Berufungsgericht geltend.
Denn nach den Feststellungen der Vorinstanzen brachte der Kläger sein Moped im Bereich der Fahrbahnmitte zum Stillstand, um dort vom Fahrzeug abzusteigen und es über die linke Fahrbahnhälfte der Bundesstraße und die "wilde" Zufahrt zum Traisendamm hinunterzuschieben. Der Kläger hatte also keinesfalls die Absicht, zum linken Fahrbahnrand zuzufahren oder mit seinem Fahrzeug auf eine links der Fahrbahn gelegene Fläche zu fahren (siehe dazu ZVR 1977/70; ZVR 1981/79 ua.), sondern er brachte es ohne verkehrsbedingte Notwendigkeit zum Stillstand, um vom Fahrzeug abzusteigen und es ohne Ausnützung seiner Motorkraft von der Fahrbahn wegzuschieben.
In diesem Zum-Stillstand-Bringen des Mopeds des Klägers kann aber entgegen der vom Berufungsgericht vertretenen Rechtsansicht ein Anhalten im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 26 StVO nicht erblickt werden. Denn dieses setzt das durch die Verkehrslage oder durch sonstige wichtige Umstände erzwungene Zum-Stillstand-Bringen eines Fahrzeuges voraus. Als solche wichtige Umstände gelten nur jene, die das betreffende Fahrzeug oder dessen Lenker im Verkehr unmittelbar betreffen, also etwa plötzlich auftretende Schmerzen, drohende Ohnmacht, auch ein plötzlich aufgetretener oder unmittelbar drohender Fahrzeugdefekt (ZVR 1979/292; ZVR 1980/250; ZVR 1983/169; ZVR 1984/129 uva.). Da im vorliegenden Fall nach den Feststellungen der Vorinstanzen das Zum-Stillstand-Bringen des Mopeds des Klägers weder durch die Verkehrslage noch durch sonstige wichtige Umstände erzwungen war, sondern ausschließlich auf Grund des durch solche Umstände nicht beeinflußten freien Willens des Klägers erfolgte, die Fahrt an dieser Stelle zu beenden, kann es nicht als Anhalten im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 26 StVO, sondern muß es als Halten im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 27 StVO qualifiziert werden.
Daß der Kläger aber durch das Halten seines Mopeds im Bereich der Fahrbahnmitte die Vorschriften des § 23 Abs. 1 und Abs 2 StVO verletzte, bedarf keiner weiteren Begründung und wurde vom Erstgericht durchaus zutreffend erkannt. Der Schutzzweck dieser Bestimmungen liegt gerade darin, die Fahrbahn möglichst weitgehend für den Verkehr freizuhalten und kein Verkehrshindernis inmitten der Fahrbahn aufkommen zu lassen (ZVR 1969/236 ua.). Der Kläger hat schuldhaft diese Schutznormen verletzt und den Beweis, daß sich der Unfall in gleicher Weise auch ohne diese Schutzgesetzverletzung ereignet hätte, weder angetreten noch erbracht.
Es trifft ihn daher zweifellos ein Mitverschulden an dem eingetretenen Unfall, dessen Gewicht allerdings durch das des Fehlverhaltens des Erstbeklagten, der nicht nur entgegen der grundlegenden Vorschrift des § 20 Abs. 1 StVO nicht auf Sicht, sondern darüber hinaus auch noch so unaufmerksam fuhr, daß er auf das im Bereich der Fahrbahnmitte befindliche Moped des Klägers verspätet und unzureichend reagierte, deutlich überwogen wird. Unter diesen Umständen erscheint die vom Erstgericht vorgenommene Verschuldensteilung im Verhältnis von 2 : 1 zu Gunsten des Klägers durchaus angemessen.
Es war daher in teilweiser Stattgebung der Revision der Beklagten die Entscheidung des Erstgerichtes mit der aus dem Spruch ersichtlichen Maßgabe wiederherzustellen; es entsprach zweifellos dem Entscheidungswillen des Erstgerichtes, den Schmerzengeldanspruch des Klägers dem Grunde nach nicht nur mit zwei Dritteln als zu Recht, sondern auch mit einem Drittel als nicht zu Recht bestehend zu erkennen.
Der Vorbehalt der Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 393 Abs. 4 und § 52 Abs. 2 ZPO.
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