European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2010:E94202
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Begründung:
Der Antragsteller ist Eigentümer der Liegenschaft EZ *, GB * mit einer Gesamtfläche von 554 m². Die Liegenschaft ist als Parkschutzgebiet gewidmet; zulässig ist die Errichtung eines maximal 7,5 m hohen Gebäudes mit einer maximalen Gebäudetiefe von 15 m innerhalb einer auf dem Flächenwidmungsplan bezeichneten Teilfläche der Liegenschaft. Das annähernd rechteckige Grundstück des Antragstellers hat eine stark geneigte Hanglage Richtung Süden, es ist bewaldet, unbebaut und dient offenkundig zur Freizeitnutzung. Schmale Wege führen durch das stark bewachsene Gelände.
Mit Bescheid des Amts der Wiener Landesregierung vom 27. 5. 2003 wurde die Enteignung durch Einräumung einer Teilflächen dieser Liegenschaft betreffenden Tunnelservitut ohne Bauverbot auf Dauer zur Duldung der Errichtung, des Bestands und des Betriebs einer unterirdischen Eisenbahnanlage, die in geschlossener Bauweise errichtet wird, verfügt. Der von der Antragsgegnerin geplante Eisenbahntunnel berührt eine Fläche von 435 m² der Liegenschaft des Antragstellers. Die Tunneloberkante wird etwa 24 m unter dem Gelände liegen. Der Verkehrswert des vom Tunnelservitut unbelasteten Grundstückswerts beträgt 93 EUR/m², er wurde jedoch von den Parteien der Höhe nach mit 255 EUR/m² der Grundstücksfläche außer Streit gestellt. Die Tunnelanlage wird voraussichtlich im Jahr 2013 in Betrieb genommen. Im eisenbahnrechtlichen Bewilligungsbescheid sind für die Immissionen durch Erschütterungen, Körperschall und elektromagnetische Felder Grenzwerte und Auflagen festgelegt. Ob sich beim Betrieb der Tunnelanlage Veränderungen der Immissionen oder andere Nachteile wie etwa Einsturz‑ oder Brandgefahr ergeben, lässt sich derzeit nicht bestimmen.
Das Erstgericht verpflichtete die Antragsgegnerin, dem Antragsteller eine Enteignungsentschädigung von 3.300 EUR zu leisten. Zu ersetzen sei gemäß § 4 Abs 1 EisbEG der objektive Vermögensnachteil im Sinn des außerordentlichen Werts des besonderen Interesses. Auch die zwangsweise Einräumung der Tunnelservitut sei entschädigungsfähig. Der Sachverständige habe zulässigerweise die Vergleichswertmethode gewählt und dies ausführlich begründet. Daher sei vom Freigrundwert auszugehen. Nachvollziehbar habe der Sachverständige den von ihm vorgenommenen pauschalen prozentuellen Abschlag von 3 % begründet. Auszugehen sei vom Grundwert der Servitutsstreifenfläche. Die Regelentschädigung von 5 % des Grundwerts dieser Servitutsstreifenfläche sei vom Sachverständigen anhand von sieben individuellen Kriterien an den konkreten Fall angepasst worden.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsteller gegen diesen Beschluss in der Hauptsache nicht Folge. Die Wahl des Wertermittlungsverfahrens obliege dem Sachverständigen; dessen Gutachten sei begründet und nachvollziehbar. Der Sachverständige habe überzeugend begründet, dass für die Wertminderung nur die mit der Servitut belastete Fläche der Liegenschaft heranzuziehen sei. Durch die Tunnelservitut seien lediglich 78,5 % der Fläche der Liegenschaft betroffen, sodass nicht der Freigrundwert der gesamten Liegenschaft als Bemessungsgrundlage heranzuziehen sei. Aufgrund der Widmung der Liegenschaft des Antragstellers als Parkschutzgebiet sei diese nur eingeschränkt bebaubar, sodass für die Wertminderung zutreffend ein geringerer Prozentsatz von 3 % herangezogen worden sei. Die Berücksichtigung des Immissionspotentials bei der Preisbildung durch Marktteilnehmer habe der Sachverständige berücksichtigt.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Der Oberste Gerichtshof habe zwar in der Entscheidung 2 Ob 282/05t ausgesprochen, dass die durch die Einräumung einer Tunnelservitut eintretende merkantile Wertminderung der auf der Liegenschaft befindlichen Wohnung zu prüfen sei. Es fehle jedoch Rechtsprechung, nach welchen Grundsätzen dies zu geschehen habe.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs des Antragstellers mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben.
Die Antragsgegnerin beantragte die Zurück‑ bzw Abweisung des Revisionsrekurses.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage gemäß § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig. Der Oberste Gerichtshof ist an den Zulässigkeitsausspruch des Rekursgerichts gemäß § 71 Abs 1 AußStrG nicht gebunden.
I. Die Auswahl der Methode zur Ermittlung des Verkehrswerts, wofür gemäß § 3 Abs 1 LBG insbesondere das Vergleichs‑, das Ertrags‑ und das Sachwertverfahren in Betracht kommen, hat danach zu erfolgen, welche Methode am besten den Umständen des Einzelfalls gerecht wird. Gemäß § 7 Abs 1 LBG hat der Sachverständige selbst die geeignete Methode unter Beachtung des jeweiligen Stands der Wissenschaft und der im redlichen Geschäftsverkehr bestehenden Gepflogenheiten auszuwählen, wenn ihm das Gericht nicht eine bestimmte Bewertungsmethode vorgibt, was hier nicht der Fall war. § 3 Abs 1 LBG enthält somit keine abschließende Aufzählung der zulässigen Bewertungsverfahren (RIS‑Justiz RS0109006; 9 Ob 74/08k; 6 Ob 171/09d).
Die Auswahl der Methode kann im Enteignungsverfahren nur dann als eine nicht nur dem Tatsachenbereich zuzurechnende Frage vom Obersten Gerichtshof überprüft werden, wenn das Rekursgericht die vom Erstgericht gewählte Methode ohne Änderung der Sachverhaltsgrundlage aufgrund rein abstrakter Argumente modifiziert und dadurch zu anderen Ergebnissen gelangt als das Erstgericht. Sonst gehört die Ermittlung des Verkehrswerts dem für den Obersten Gerichtshof nicht überprüfbaren Tatsachenbereich an, es sei denn, sie beruhte auf mit den Gesetzen der Logik oder der Erfahrung unvereinbaren Schlussfolgerungen (9 Ob 74/08k).
II. Die vom Sachverständigen hier gewählte Methode, die Wertminderung in Bezug zum reinen Bodenwert anzusetzen und auf die üblicherweise im Wiener U‑Bahn‑Bau erfolgten Entschädigungen zurückzugreifen (die als prozentueller Abschlag vom Wert der tatsächlich in Anspruch genommenen Grundstücksfläche erfolgen), dies aber vergleichend auf die gegenständliche Liegenschaft abzustimmen, widerspricht weder den Gesetzen der Logik, noch beruht sie auf mit der Erfahrung unvereinbaren Schlussfolgerungen. Soweit bei anderen Sachverhalten eine ‑ zusätzliche ‑ Wertminderung der verbleibenden, von der Servitut nicht unmittelbar in Anspruch genommenen Grundstücksteile feststellbar und daher auch zu berücksichtigen war (RIS‑Justiz RS0057972), lässt dies nicht den zwingenden Schluss zu, dass dies auch im Anlassfall möglich sein müsste. Im Übrigen verkennt der Revisionsrekurswerber, dass der Sachverständige zwar die Minderung des Werts der von der Servitut betroffenen Fläche als wesentlich erachtet, diese aber als Bemessungsgrundlage für die Ermittlung der Wertminderung der gesamten Liegenschaft heranzieht.
Auch die weiteren Ausführungen des Antragstellers werfen keine Rechtsfragen auf, sondern beziehen sich ausschließlich auf den vom Obersten Gerichtshof nicht überprüfbaren Tatsachenbereich.
Der Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen.
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