Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Gläubigerin S*****‑AG hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.
Text
Begründung
Mit Beschluss vom 1. 7. 2011 wurde über das Vermögen des Schuldners das Insolvenzverfahren eröffnet und der Revisionsrekurswerber zum Insolvenzverwalter bestellt.
Wesentlicher Bestandteil der Masse war eine mit Absonderungsrechten belastete Liegenschaft des Schuldners, die der Insolvenzverwalter mit gerichtlich genehmigtem Kaufvertrag zum Preis von 360.000 EUR zuzüglich Umsatzsteuer veräußerte. Im Verteilungsentwurf war vorgesehen, die nach §§ 30 ff EStG mit 15.470,33 EUR errechnete Immobilienertragssteuer vorab aus der Sondermasse zuzuweisen. Die Absonderungsgläubigerin sprach sich gegen eine Qualifikation der Immobilienertragssteuer als Sondermassekosten aus.
Das Erstgericht bestimmte die Kosten der besonderen Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Sondermasse mit insgesamt 93.903,88 EUR, darin enthalten die Immobilienertragssteuer, und sprach aus, dass diese Kosten aus den Nutzungen und dem Erlös der Sondermasse vor der Absonderungsgläubigerin zu befriedigen seien. Die mit 1. 4. 2012 eingeführte Immobilienertragssteuer sei den Realsteuern näher als den Personen‑Subjektsteuern, weshalb sie nach der herrschenden höchstgerichtlichen Rechtsprechung zu den Sondermassekosten gehöre.
Das Rekursgericht gab dem von der Absonderungsgläubigerin erhobenen Rechtsmittel Folge und änderte den Beschluss des Erstgerichts dahin ab, dass es die Sondermassekosten unter Ausschluss der Immobilienertragssteuer bestimmte.
Die herrschende Rechtsprechung habe angesichts des bei der Zuordnung von Masseforderungen zu einer Sondermasse bestehenden Interessenskonflikts zwischen Absonderungs‑ und allgemeinen Insolvenzgläubigern die Richtschnur entwickelt, dass Realsteuern den Sondermassekosten, direkte Personen-Subjektsteuern aber der allgemeinen Masse zuzuordnen seien. Eine Steuerschuld aus der Aufdeckung stiller Reserven anlässlich der Verwertung eines Absonderungsgutes sei nach diesem Konzept ebenso keine Sondermasseforderung wie die bei Verwertung einer zur Masse gehörenden Liegenschaft anfallende Spekulationssteuer.
Die Immobilienertragssteuer falle im Zusammenhang mit der Veräußerung von Grundstücken an und belaste das durch die Veräußerung erzielte Einkommen, nämlich im Wesentlichen den Unterschiedsbetrag zwischen dem Veräußerungserlös und den seinerzeitigen Anschaffungskosten plus allfälligem Herstellungsaufwand, mit einem fixen Steuersatz von 25 %. Sowohl bei privaten als auch bei betrieblichen Liegenschaftsveräußerungen sei aber auf Antrag eine Regelbesteuerung nach dem allgemeinen Tarif möglich. Es handle sich daher um eine Einkommensteuer, deren Zusammenhang mit dem gesamten Vermögen des Steuerpflichtigen zwar durch den Pauschalsatz und eingeschränkte Verlustabsetzmöglichkeiten abgeschwächt, aber durch die in allen Fällen mögliche Option auf die Regelbesteuerung und die Steuerwirksamkeit von Veräußerungsverlusten im Betriebsvermögen nach den allgemeinen Regeln der Gewinnermittlung doch in einem nicht zu vernachlässigenden Ausmaß gegeben sei, was die allgemeine Insolvenzmasse als Adressatin der Steuerforderung nahelege.
Dafür spreche auch die zeitliche Komponente des Entstehens des Veräußerungsgewinns, der bei Verwertung des Absonderungsgutes in der Regel auch durch die Aufdeckung stiller Reserven lukriert werde. Diese reale Wertsteigerung sei in den meisten Fällen schon sukzessive vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetreten, auch wenn die Steuerschuld erst durch die Veräußerung ausgelöst werde.
Besonderes Gewicht komme aber dem Umstand zu, dass eine Qualifikation der Immobilienertragssteuer als Sondermassekosten wohl zu einer Verletzung des in § 11 Abs 1 IO verankerten Grundsatzes führen würde, dass sich die Rechtsposition der Absonderungsgläubiger nicht durch das Insolvenzverfahren verschlechtern dürfe. In einem außerhalb des Insolvenzverfahrens geführten Versteigerungsverfahren wäre die Immobilienertragssteuer aber keine Vorzugspost iSd § 216 Abs 1 Z 1 IO iVm § 120 Abs 2 Z 4 EO und würde den Befriedigungsfonds der Pfandgläubiger nicht schmälern. Würde davon bei der freihändigen Veräußerung von Liegenschaften im Insolvenzverfahren abgegangen, müssten diese in Hinkunft regelmäßig am (berechtigten) Widerspruch der Absonderungsberechtigten nach § 120 Abs 2 IO scheitern und für derartige Liegenschaften nur mehr der Weg der gerichtlichen Veräußerung offenstehen.
Die Immobilienertragssteuer sei auch nicht mit der aus einer fruchtbringenden Anlage des Veräußerungserlöses zu entrichtenden Kapitalerstragssteuer, die von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung den Sondermassekosten zugeordnet worden sei, vergleichbar. Diese Kapitalertragssteuer falle unabhängig vom übrigen Massevermögen nur aus Einkünften der Sondermasse an und vermindere deren Früchte.
Entsprechend der Zweifelsregel des § 47 Abs 3 IO sei davon auszugehen, dass sich die Immobilienertragssteuer auf die allgemeine Masse bezieht.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der Entscheidungsgegenstand 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur insolvenzrechtlichen Qualifikation der 2012 eingeführten Immobilienertragssteuer noch nicht vorliege und diese Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung sei.
In seinem Revisionsrekurs strebt der Insolvenzverwalter die Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichts an. Die Absonderungsgläubigerin beantragt in ihrer Gegenschrift, dem Rechtsmittel des Insolvenzverwalters keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist aus den vom Rekursgericht dargelegten Gründen zulässig, er ist aber nicht berechtigt.
Der erkennende Senat erachtet die Ausführungen des Rechtsmittelwerbers für nicht stichhältig, hingegen die rechtliche Beurteilung des Rekursgerichts für zutreffend, sodass auf diese verwiesen werden kann (§ 510 Abs 3 ZPO). Ergänzend ist festzuhalten:
1. Gemäß § 30a Abs 1 EStG unterliegen Einkünfte aus der Veräußerung von Grundstücken iSd § 30 leg cit einem besonderen Steuersatz von 25 % und sind bei der Berechnung der Einkommensteuer des Steuerpflichtigen weder beim Gesamtbetrag der Einkünfte noch beim Einkommen zu berücksichtigen. Anstelle des besonderen Steuersatzes kann nach § 30a Abs 2 EStG auf Antrag für sämtliche Einkünfte, die dem besonderen Steuersatz nach Abs 1 unterliegen, der allgemeine Steuertarif angewendet werden (Regelbesteuerungsoption).
Diese mit dem 1. Stabilitätsgesetz 2012 am 1. 4. 2012 in Kraft getretene Bestimmung ersetzte die in § 30 ff EStG alt geregelte „Spekulationssteuer“, die ebenfalls Einkünfte aus Liegenschaftsveräußerungen traf, jedoch (neben den weiterhin geltenden Ausnahmen nach § 30 Abs 2 EStG) generell Veräußerungen nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums (Spekulationsfrist) ab der Anschaffung von der Steuerpflicht ausnahm. Ein besonderer Steuersatz war nicht vorgesehen.
2. Der erkennende Senat hat bereits in seiner Entscheidung 8 Ob 87/10t klargestellt, dass die in § 30 EStG (alt) geregelte Steuer auf den Spekulationsgewinn nicht zu den Sondermassekosten zählte. Personen‑Subjektsteuern, wie die Einkommensteuer oder die Körperschaftssteuer, sind grundsätzlich der allgemeinen Masse zuzurechnen, weil sie auch nach den allgemeinen Einkommensverhältnissen des jeweiligen Steuerpflichtigen zu bezahlen sind und dabei zahlreiche auf die gesamte Masse bezughabenden Momente Bedeutung haben.
Der Oberste Gerichtshof hat zudem in ständiger Rechtsprechung betont, dass die Stellung der Absonderungsgläubiger nicht verschlechtert werden darf und im Zweifel jedenfalls von einer Zugehörigkeit der Kosten zur allgemeinen Masse auszugehen ist (8 Ob 87/10t; 8 Ob 113/06k, SZ 2006/185 = ZIK 2007/94). Der Wert des verpfändeten Absonderungsgutes darf für den Pfandgläubiger nicht durch Einflüsse aus dem sonstigen Vermögen und wie sich das Absonderungsgut dort darstellt, in unabsehbarer Weise verzerrt werden.
3. Die im Revisionsrekurs zitierten älteren Literaturmeinungen sind, soweit daraus Gegenteiliges abzuleiten wäre, durch die Entscheidung 8 Ob 87/10t als überholt anzusehen.
Ebensowenig lässt sich die vom Revisionsrekurs angestrebte Rechtsfolge mit der Entscheidung 8 Ob 66/08a zur (abgesondert erhobenen) Kapitalertragsteuer begründen. Der erkennende Senat hatte darin nicht die Besteuerung eines Erlöses aus der Veräußerung einer Liegenschaft, sondern aus deren ‑ im Regelfall aber allein dem Absonderungsgläubiger zum Vorteil gereichenden (8 Ob 113/06k) ‑ Nutzungen zu beurteilen (vgl Hämmerle, Müssen Pfandgläubiger für die Immobilienertragssteuer aufkommen? ZIK 2012, 176; Weissel, Einkommensteuer als Sondermasseforderung? ZIK 2012, 67). Ein allein auf den Einhebungsmodus der Immobilienertragssteuer als Abzugssteuer fokussierter, aber ihren Entstehungsgrund ausblendender Blickwinkel (Kanduth‑Kristen, Liegenschaftsveräußerungen nach dem 1. StabG 2012 ‑ ist die Einkommensteuer nun doch eine Sondermasseforderung? ZIK 2012, 87) wird daher dem Problem der ausgewogenen Verteilung der mit der Verwertung des Schuldnervermögens verbundenen Belastungen zwischen allgemeinen Insolvenz- und Absonderungsgläubigern nicht gerecht.
Bereits das Rekursgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass der grundsätzliche Charakter einer Personen-Subjektsteuer bei der Immobilienertragssteuer durch die geänderte Einhebungsart und den besonderen Steuersatz noch nicht verlorengegangen ist, weil die Regelbesteuerungsoption nach wie vor offensteht. Der Umstand, dass gegenüber der vormaligen Spekulationssteuer nunmehr keine allgemeine Steuerbefreiung durch Zeitablauf mehr besteht, bildet keinen substantiellen Unterschied zur früheren Rechtslage, der eine andere Qualifikation der Steuerforderung im Insolvenzverfahren rechtfertigen könnte.
4. Die von der Gläubigerin in ihrer Rechtsmittelbeantwortung befürwortete Beurteilung der Immobilienertragssteuer als Konkurs‑(Insolvenz‑)Forderung muss daran scheitern, dass der die Steuerpflicht auslösende Sachverhalt (§ 46 Z 2 IO) in der Realisierung eines gestiegenen Liegenschaftswerts durch die Veräußerung besteht, mag auch der Wertzuwachs als solcher großteils bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetreten sein.
5. Ein Kostenersatz findet im Insolvenzverfahren grundsätzlich nicht statt (§ 254 Abs 1 Z 1 IO).
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