Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung
Rechtliche Beurteilung
1. Die geltend gemachten Verfahrensmängel liegen ‑ wie der Oberste Gerichtshof geprüft hat ‑ nicht vor.
Die Klägerin wirft dem Erstgericht einen Verstoß gegen die Begründungspflicht vor. Diese Rüge betrifft das erstinstanzliche Verfahren. Das Berufungsgericht hat das Vorliegen eines derartigen Verfahrensmangels mit nachvollziehbarer Begründung verneint. Angebliche Verfahrensmängel, deren Vorliegen das Berufungsgericht verneint hat, können in der Revision nicht neuerlich geltend gemacht werden (RIS‑Justiz RS0042963).
Mit der Behauptung, das Erstgericht habe sich über wesentliche Verfahrensergebnisse hinweggesetzt, weshalb dem Ersturteil die erforderlichen Tatsachenfeststellungen (zur Beurteilung der Zahlungsunfähigkeit) nicht klar und zweifelsfrei zu entnehmen seien, versucht die Klägerin neuerlich, die Negativfeststellungen des Erstgerichts zum Zeitpunkt des Bestehens einer Liquiditätslücke bzw einer rechnerischen Überschuldung (jeweils vor der Konkurseröffnung) zu bekämpfen. Fragen der Beweiswürdigung können an den Obersten Gerichtshof allerdings nicht mehr herangetragen werden (RIS‑Justiz RS0042903).
Auch ein Mangel des Berufungsverfahrens liegt im gegebenen Zusammenhang nicht vor. Die Entscheidung des Berufungsgerichts über eine Beweisrüge ist mängelfrei, wenn es sich mit dieser befasst, die Beweiswürdigung des Erstgerichts überprüft und nachvollziehbare Überlegungen über die Beweiswürdigung anstellt und in seinem Urteil festhält (RIS‑Justiz RS0043150; RS0043268).
Das Berufungsgericht hat sich mit der Beweisrüge der Klägerin zu den angesprochenen Negativfeststellungen näher auseinandergesetzt und mit schlüssigen Argumenten unter anderem festgehalten, dass konkrete Feststellungen zur wirtschaftlichen Situation der Gesellschaft vor Eröffnung des Konkurses anhand der Beweisergebnisse nicht hätten getroffen werden können und sich die Klägerin auf Tatsachenebene auch gar nicht dagegen gewendet, sondern nur auf die Beweislast verwiesen habe. Außerdem seien die von der Klägerin begehrten Ersatzfeststellungen nicht geeignet gewesen, zu einem anderen Ergebnis zu führen.
Den Anforderungen an eine mängelfreie Überprüfung der Beweiswürdigung hat das Berufungsgericht damit Genüge getan.
2. In rechtlicher Hinsicht beruft sich die Klägerin im Revisionsverfahren auf eine Schutzgesetzverletzung nach § 69 KO (nunmehr IO) und dazu vor allem auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu 3 Ob 99/10w. Der geschädigte Kläger habe das objektive Tatbestandsmerkmal der Zahlungsunfähigkeit zu beweisen. Dem Beklagten stehe der Gegenbeweis einer bloßen Zahlungsstockung offen. Dafür müsse eine ex ante‑Prüfung ergeben, dass eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür bestanden habe, dass der Schuldner in einer kurzen Frist alle seine (fälligen) Schulden zahlen könne. Die fortwährende Nichtzahlung von rückständigen Sozialversicherungsbeiträgen in Verbindung mit einer Exekutionsführung stelle ein ausreichendes Indiz für das Bestehen von Zahlungsunfähigkeit dar. Damit gelte der Beweis für das Vorliegen der Zahlungsunfähigkeit als erbracht. Mit dem Nachweis der Uneinbringlichkeit fälliger Schulden sei bei bestehendem späteren Zusammenbruch der Gesellschaft prima facie auch schon der Nachweis der Zahlungsunfähigkeit erbracht.
3.1 Nach der Entscheidung 3 Ob 99/10w ist Zahlungsunfähigkeit im Sinn des § 66 KO (nunmehr IO) gegeben, wenn der Schuldner mehr als (rund) 5 % aller fälligen Schulden nicht begleichen kann. Es muss somit eine Liquiditätslücke (Unterdeckung) von mehr als 5 % der fälligen Schulden feststehen. Ob (bei Bejahung der relevanten Liquiditätslücke) nur eine Zahlungsstockung vorliegt, richtet sich danach, ob der objektive Zustand der Zahlungsunfähigkeit voraussichtlich einen Dauerzustand bildet oder dieser nur kurzfristiger Natur ist. Ohne Hinzutreten besonderer Umstände, also im Durchschnittsfall, ist von einer Frist von drei Monaten auszugehen, bis zu deren Ablauf mit hoher Wahrscheinlichkeit die Zahlungsstockung (nach Aufstellung eines geeigneten Liquiditätsplans zur Begleichung aller Schulden) behoben sein muss. Eine längere Frist, höchstens etwa fünf Monate, setzt voraus, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit der Beseitigung der Liquiditätsschwäche zu rechnen ist.
3.2 Der Beweis des Tatbestandsmerkmals der Zahlungsunfähigkeit durch den Kläger erfordert somit den Nachweis, dass der Schuldner zum relevanten Zeitpunkt mehr als 5 % aller fälligen Schulden nicht zahlen konnte, also eine Liquiditätslücke von über 5 % bestand.
4.1 Die zitierte Entscheidung betrifft insolvenzrechtliche Anfechtungsklagen des Insolvenz‑ verwalters gegen einen Gläubiger als Anfechtungsgegner. Im Anlassfall stellt sich hingegen die Frage nach einer Insolvenzverschleppung durch Verletzung der Konkursantragspflicht. Nach § 69 Abs 1 KO (nunmehr IO) hat der Schuldner spätestens binnen 60 Tagen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit die Konkurseröffnung zu beantragen. Dabei handelt es sich um ein Schutzgesetz (RIS‑Justiz RS0065125; RS0027441).
Richtig ist, dass auch der Tatbestand der Insolvenzverschleppung an den Eintritt der Zahlungsunfähigkeit anknüpft. Es erweist sich daher als sachgerecht und entspricht auch der Rechtsprechung, den vom geschädigten Kläger zu erbringenden Nachweis der objektiven Verletzung des Schutzgesetzes (vgl dazu RIS‑Justiz RS0112234) auf den Eintritt der objektiven Zahlungsunfähigkeit, also das Vorliegen der relevanten Liquiditätslücke zum relevanten Zeitpunkt zu beziehen und den Beklagten mit dem Gegenbeweis der bloßen Zahlungsstockung zu belasten (2 Ob 117/12p).
4.2 Die Klägerin hat im Anlassverfahren den Nachweis der objektiven Zahlungsunfähigkeit, also des Bestehens einer relevanten Liquiditätslücke zu einem bestimmten Zeitpunkt vor der letztlich erfolgten Konkurseröffnung, nicht erbracht. Die Negativfeststellungen, wonach nicht festgestellt werden könne, zu welchem Zeitpunkt vor Konkurseröffnung einerseits die liquiden Mittel der Gesellschaft nicht ausgereicht haben, um die Schulden der Gesellschaft zu befriedigen, und andererseits die Schulden der Gesellschaft die rechnerischen Liquidationswerte überstiegen haben, wirken sich zu Lasten der Klägerin aus.
4.3 Die Vorinstanzen sind mit der Klägerin davon ausgegangen, dass die fortwährende Nichtzahlung von rückständigen Sozialversicherungsbeiträgen in Verbindung mit der Exekutionsführung die Zahlungsunfähigkeit „indiziere“, also einen Anhaltspunkt in dieser Hinsicht schaffe.
Die weitere Schlussfolgerung der Klägerin, dass das angesprochene Indiz für den Beweis des Vorliegens der Zahlungsunfähigkeit genüge, steht mit der Rechtsprechung allerdings nicht im Einklang. Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass mehrere Exekutionen, auch eines Sozialversicherungsträgers, für sich allein im Allgemeinen nicht auf die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners schließen lassen (vgl 6 Ob 622/95; 1 Ob 136/03m). Ähnlich begründet die Säumigkeit der Gesellschaft bei Offenlegung des Jahresabschlusses keine Vermutung der Zahlungsunfähigkeit (vgl 8 Ob 118/11b).
4.4 Auch besteht für den von der Klägerin argumentierten prima facie‑Beweis, wonach mit dem Nachweis der Uneinbringlichkeit fälliger Schulden bei späterem Zusammenbruch der Gesellschaft schon der Nachweis der Zahlungsunfähigkeit erbracht sei, kein Raum.
Der prima facie‑Beweis wird zugelassen, wenn objektiv typische, also auf allgemein gültigen Erfahrungssätzen beruhende Geschehnisabläufe für den vom Anspruchswerber zu beweisenden Umstand sprechen. Der Anscheinsbeweis dient aber nicht dazu, Lücken der Beweiswürdigung durch Vermutungen auszufüllen (2 Ob 67/12k). Zudem wird der prima facie‑Beweis in Fällen als sachgerecht angesehen, in denen konkrete Beweise vom Beweispflichtigen billigerweise nicht erwartet werden können und daher ein allgemeiner, also für jedermann in vergleichbarer Weise bestehender Beweisnotstand vorliegt (8 Ob 18/14a). Außerdem muss die nach den allgemeinen Grundsätzen beweispflichtige Partei ihrer eigenen Behauptungs‑ und Beweispflicht im zumutbaren Maß nachgekommen sein.
Beitragsrückstände, selbst wenn sie exekutiv betrieben werden, begründen ‑ jedenfalls ohne Darstellung der konkreten Relation zu den der Gesellschaft zur Verfügung stehenden und in angemessener Frist beschaffbaren liquiden Mitteln ‑ keinen allgemeinen gültigen Erfahrungssatz im Hinblick auf die Zahlungsunfähigkeit und genügen daher nicht für die hier in Rede stehende Reduzierung des Beweismaßes. Das Berufungsgericht hat dazu zutreffend darauf hingewiesen, dass trotz Erörterung offengeblieben sei, wann die von der Klägerin angeführten Exekutionsverfahren anhängig gemacht wurden, welchen Verlauf sie nahmen und ob (Teil‑)Zahlungen geleistet wurden. Im gegebenen Zusammenhang kann auch nicht von einem allgemeinen Beweisnotstand ausgegangen werden.
Ob im jeweiligen konkreten Einzelfall aufgrund der ermittelten Beweisergebnisse dem Kläger der Beweis der relevanten Liquiditätslücke zum relevanten Zeitpunkt gelungen ist, betrifft die Beweiswürdigung.
4.5 Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass ein berechtigter Schadenersatzanspruch auch bei einer Schutzgesetzverletzung (hier Insolvenzverschleppung) einen Verschuldensvorwurf gegenüber dem Beklagten voraussetzt. Dies erfordert die Erkennbarkeit der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft für einen sorgfältig handelnden Organwalter.
Die Beurteilung des Berufungsgerichts, aufgrund der realistischen Möglichkeit eines Gesamtverkaufs der Gesellschaft samt Zusage der Übernahme aller Schulden hätte der Beklagte berechtigt erwarten dürfen, die Gesellschaftsschulden begleichen zu können, stellt keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung dar.
5. Insgesamt zeigt die Klägerin mit ihren Ausführungen keine erhebliche Rechtsfrage auf. Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen.
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