European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0080OB00110.21S.0830.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der erstbeklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 833,88 EUR (darin 138,98 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
[1] Der Kläger wurde als Gast eines von der Erstbeklagten, einer im Bundesland Salzburg etablierten Freiwilligen Feuerwehr, im Rahmen einer mehrtägigen „Feuerwehrsternfahrt“ veranstalteten Zeltfests vom Zweitbeklagten, der dort als Securitymitarbeiter eines beauftragten Drittunternehmens tätig war, im Zuge einer tätlichen Auseinandersetzung verletzt. Er begehrt von beiden Beklagten Schadenersatz und die Feststellung ihrer Haftung für künftige Folgen seiner erlittenen Verletzungen.
[2] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren gegenüber beiden Beklagten unter unbekämpfter Abweisung des Mehrbegehrens teilweise statt. Der Kläger habe sich ein gleichteiliges Mitverschulden an dem Vorfall anrechnen zu lassen, weil er die Auseinandersetzung durch sein aggressives und beleidigendes Verhalten provoziert habe.
[3] Das Berufungsgericht gab der Berufung derBeklagten teilweise Folge und wies hinsichtlich der Erstbeklagten das Klagebegehren ab.
[4] Als Freiwilliger Feuerwehr nach Salzburger Landesrecht komme der Erstbeklagten gemäß § 36 Abs 8 Sbg FeuerwehrG 2018 nur eingeschränkte Rechts-persönlichkeit zu, und zwar zur selbstständigen Führung einer Kassa und zur Wahrung der für die Kassaführung notwendigen Rechte und Pflichten. Die Veranstaltung eines Zeltfests sei davon nicht erfasst. Im Übrigen sei der gesetzliche Rechtsträger der Freiwilligen Feuerwehr die Gemeinde. Die Erstbeklagte sei daher für die Klagsansprüche nicht passiv legitimiert.
[5] Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil sich seine Entscheidung zwar in weiten Bereichen an der ständigen Rechtsprechung orientieren habe können, zur Reichweite der Rechtspersönlichkeit der Freiwilligen Feuerwehren nach Salzburger Landesrecht aber höchstgerichtliche Judikatur fehle.
Rechtliche Beurteilung
[6] Die gegen den abweisenden Teil dieser Entscheidung erhobene, von der Erstbeklagten beantwortete Revision der klagenden Partei ist aus den vom Berufungsgericht dargelegten Gründen zur Klarstellung der Rechtslage zulässig. Sie ist aber nicht berechtigt.
[7] 1. Die Revision stützt sich zunächst auf den Rechtsgrund der Aktenwidrigkeit und führt dazu aus, es wäre dem Berufungsgericht verwehrt gewesen, die Passivlegitimation der Erstbeklagten zu prüfen, weil sie keinen entsprechenden Einwand erhoben habe.
[8] Aktenwidrigkeit haftet einer Entscheidung jedoch nur dann an, wenn die für die richterliche Willensbildung bestimmenden Verfahrenserklärungen oder Beweisergebnisse in der Begründung der Entscheidung in Abweichung vom Inhalt der Niederschriften, Eingaben oder Beilagen dargestellt wurden (RIS‑Justiz RS0043397). Eine solche Abweichung macht die Revision nicht geltend.
[9] Richtig ist, dass die Frage der Aktivlegitimation oder Passivlegitimation in der Regel nur auf Einwendung und nicht von Amts wegen zu prüfen ist. Es müssen jedoch nur die Tatsachen vorgebracht werden, aus denen sich in rechtlicher Beurteilung der Mangel der Sachlegitimation ergibt (RS0065553).
[10] Ob im Hinblick auf den Inhalt der Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist, ist eine Frage des Einzelfalls (RS0042828). Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass die Frage der landesgesetzlich definierten Grenzen der Teilrechtsfähigkeit der Erstbeklagten und damit ihre Sachlegitimation aufgrund ihrer vorgebrachten und auch unstrittigen Eigenschaft als Freiwillige Feuerwehr im Rahmen der Berufung releviert werden konnte, hält sich im Rahmen des ihm bei der Einzelfallprüfung offenstehenden Ermessensspielraums.
[11] 2. In ihrer Rechtsrüge vertritt die Revision den Standpunkt, dass die Erstbeklagte bei der Veranstaltung des Feuerwehrfests im Rahmen ihrer Teilrechtsfähigkeit gehandelt und das Berufungsgericht ihre Passivlegitimation zu Unrecht verneint habe.
[12] 2.1. Die maßgebliche Rechtslage nach dem Sbg FeuerwehrG 2018 lautet, soweit für das Verfahren wesentlich, wie folgt:
„§ 1
(1) Die Feuerwehren sind einheitlich gestaltete und von geschulten Kräften geführte Gemeinschaften als Einrichtung der Gemeinden oder bestimmter Betriebe.
(2) Feuerwehren im Sinn dieses Gesetzes sind die Freiwillige Feuerwehr, die Berufsfeuerwehr, die Betriebsfeuerwehr und die Pflichtfeuerwehr. (...)
§ 2 Aufgaben der Feuerwehr
(1) Die Feuerwehren haben die Aufgabe, bei Katastrophen und öffentlichen Notständen aller Art, insbesondere bei Bränden und Unglücksfällen, die Gefahren abzuwehren, die der Allgemeinheit, einzelnen Personen oder in größerem Umfang Sachen oder Tieren drohen, sowie Schäden zu beheben, die aus solchem Anlass entstanden sind (Einsatz). Den Feuerwehren obliegt es auch, für solche Notstände nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften vorzusorgen. Die Feuerwehren können Aktivitäten zur Pflege der Erhaltung der für die Einsatzfähigkeit erforderlichen Gemeinschaft setzen. Sie können weiters nach Maßgabe dieses Gesetzes technische und persönliche Leistungen erbringen, für die sie ihrer Einrichtung nach besonders geeignet sind.
(2) Die Feuerwehren haben für die Aus‑ und Fortbildung ihrer Mitglieder Sorge zu tragen.
(3) Der Dienstbetrieb ist so zu gestalten, dass die ständige und rasche Einsatzbereitschaft gewährleistet ist.
§ 3
(1) Jede Gemeinde, in der keine Berufsfeuerwehr besteht, hat eine leistungsfähige und den örtlichen Verhältnissen entsprechend ausgerüstete Freiwillige Feuerwehr gemäß den nachstehenden Bestimmungen aufzustellen. Diese ist eine Einrichtung der Gemeinde und handelt bei der Erfüllung ihrer Aufgaben im Auftrag des Bürgermeisters bzw der Bürgermeisterin. (...)
§ 36
(1) Die Kosten des Feuerwehrwesens tragen, sofern nicht anderes bestimmt ist, die Rechtsträger der Feuerwehren und der Landesfeuerwehrverband nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen.
(2) Die Beschaffung und Erhaltung der für die Freiwillige Feuerwehr, die Berufsfeuerwehr und die Pflichtfeuerwehr nach den örtlichen Verhältnissen erforderlichen persönlichen Ausstattung und sachlichen Ausrüstung ist Aufgabe der Gemeinde. Alle daraus entstehenden Kosten hat, soferne nicht anderes bestimmt ist, die Gemeinde zu tragen.
(...)
(8) Jede Freiwillige Feuerwehr ist berechtigt, selbstständig eine Kassa zu führen. Zur Wahrung der für die Kassaführung notwendigen Rechte und Pflichten kommt den Freiwilligen Feuerwehren eine eigene Rechtspersönlichkeit zu. Die Kasse dient insbesondere der Kameradschaftspflege. Mit ihr können auch Beiträge zu Beschaffung von Einsatzmitteln geleistet werden. Zur näheren Ausgestaltung der Kassaführung hat der Landesfeuerwehrrat eine eigene Richtlinie zu beschließen.“
[13] Nach den Gesetzesmaterialien (ErläutRV 122 Blg SbgLT 15. GP 6, S 26) zu § 2 Sbg FeuerwehrG 2018 wurde aufgrund der Rechtsprechung im Zusammenhang mit dem Unfallversicherungsschutz in Schadensfällen in das Gesetz neu eingefügt, dass die Feuerwehren zur Wahrung ihrer Aufgaben Aktivitäten zur Pflege der Erhaltung der für die Einsatzfähigkeit erforderlichen Gemeinschaft setzen können. So sollen vom Versicherungsschutz auch die Aktivitäten zur Pflege der Erhaltung der für die Einsatzfähigkeit erforderlichen Tätigkeiten (wie bspw gesellige, kameradschaftliche und sportliche Aktivitäten) mit umfasst sein.
[14] Zu § 36 Abs 8 Sbg FeuerwehrG 2018 wird in den zitierten Erläuterungen (S 37) ausgeführt, dass jede Freiwillige Feuerwehr selbstständig eine Kasse führen könne, die insbesondere der Kameradschaftspflege diene. In dem zur Führung dieser Kasse notwendigen Umfang werde den Freiwilligen Feuerwehren eine eigene Rechtspersönlichkeit eingeräumt. Als Vorbild diene § 5 Kärntner Feuerwehrgesetz, das betreffend das Feuerwehrwesen eine dem Bundesland Salzburg vergleichbare Regelung treffe. Detailbestimmungen seien durch eine Richtlinie des Landesfeuerwehrrats zu beschließen.
[15] Der in den Materialien zitierte § 5 Kärntner FeuerwehrG lautet in seiner ab 16. 11. 2018 geltenden Fassung: „(4) Jede Freiwillige Feuerwehr ist berechtigt, selbstständig eine Kameradschaftskasse zu führen. In dem Umfang, der zur Wahrung der für die Kassaführung notwendigen Rechte und Pflichten erforderlich ist, kommt den Freiwilligen Feuerwehren Rechtspersönlichkeit zu.“ Mit Inkrafttreten am 1. 4. 2021 wurde diese Bestimmung des Kärntner FeuerwehrG 2021 dahin abgeändert, dass der letzte Satz nunmehr lautet: „In dem Umfang, der zur Wahrung der für die Kassaführung notwendigen Rechte und Pflichten erforderlich ist, sowie zur Durchführung von Veranstaltungen und Sammlungen für diesen Zweck kommt den Freiwilligen Feuerwehren Rechtspersönlichkeit zu.“ In den Erläuterungen der Regierungsvorlage zum Kärntner FeuerwehrG 2021, S 11, wird zu dieser Änderung ausgeführt: „(...) Die Rechtspersönlichkeit zur Führung einer Kameradschaftskasse soll präzisiert und den Feuerwehren soll zukünftig Rechtspersönlichkeit zur Durchführung von Veranstaltungen und Sammlungen für Zwecke der Kameradschaftspflege und Finanzierung zukommen. Damit würde die Verantwortlichkeit der Gemeinden, insbesondere für die Feuerwehrfeste, wegfallen.“
[16] Eine Änderung des § 36 Abs 8 Sbg FeuerwehrG 2018 ist seit dessen Inkrafttreten nicht erfolgt.
[17] Die aufgrund der Ermächtigung in § 36 Abs 8 Sbg FeuerwehrG erlassenen Richtlinien des Landesfeuerwehrverbands Salzburg haben auszugsweise folgenden Wortlaut:
„2. Organisation
Jede Freiwillige Feuerwehr ist berechtigt, selbstständig eine Kassa zu führen. Diese Kassa kann auch zweckmäßigerweise aus mehreren Subkassen bestehen, zB für den Bereich Kameradschaftspflege, Beschaffung von Einsatzmittel, usw.
Die Kassaführung ist nach den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Buchführung (Einnahmen/Ausgabenrechnung) durchzuführen. (...)
3. Zeichnungsberechtigung bei Bankinstituten
Zeichnunsberechtigt ist der jeweilige Bezirksfeuerwehrkommandant für seine Bezirkskasse, der Ortsfeuerwehrkommandant für seine Kassen auf Ortsebene bzw bei Löschzügen der jeweilige Löschzugskommandant (...).“ Geregelt werden in den Richtlinien ferner die Bestellung und Aufgaben des Kassiers und der zu bestellenden Rechnungsprüfer.
[18] 2.2. Beschränken Gesetz oder Verordnung die Rechtsfähigkeit von juristischen Personen öffentlichen Rechts, so können Vertretungshandlungen nur innerhalb der Grenzen der Teilrechtsfähigkeit zugerechnet werden. Darüber hinaus kann die juristische Person nicht verpflichtet oder berechtigt werden und können auch Vertrauensschutzerwägungen keine vertragliche Bindung rechtfertigen (U. Neumayr/Perner in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.03 § 867 Rz 5; Barth/Dokalik/Potyka, ABGB [MTK]26 § 26 ABGB). Rechtsgeschäfte außerhalb der gesetzlich vorgegebenen Zwecke oder solche, die den aus derartigen Geschäften erworbenen Deckungsfonds überschreiten, sind materiell unwirksam, sofern sie nicht als Rechtsgeschäfte des Rechtsträgers der Einrichtung außerhalb deren Teilrechtsfähigkeit umzudeuten sind, weil die Organe der Einrichtung in Wahrheit mit entsprechender Vertretungsbefugnis für den Rechtsträger eingeschritten sind (RS0106921; Barth/Dokalik/Potyka aaO).
[19] 2.3. Die den Freiwilligen Feuerwehren nach dem Sbg FeuerwehrG 2018 eingeräumte Teilrechtsfähigkeit bezieht sich auf die Kassaführung.
[20] Im Rahmen dieser Teilrechtsfähigkeit sind sie daher befugt, auf eigene Rechnung Geld einzunehmen, zu verwahren, auf einem dazu eröffneten Bankkonto einzulegen und den gesetzlich definierten Zwecken dienende Ausgaben daraus zu tätigen. Nur in diesem Rahmen bewegen sich auch die Ausführungsrichtlinien des Landesfeuerwehrrats.
[21] Der erkennende Senat teilt die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass die Veranstaltung einer mehrtägigen, über die Landesgrenzen hinaus beworbenen und für die Öffentlichkeit zugänglichen Sternfahrtveranstaltung mit Zeltfest und Live‑Konzert nicht unter den Begriff der Kassaführung zu subsumieren ist und über den Rahmen der in § 36 Abs 8 Sbg FeuerwehrG 2018 definierten Teilrechtsfähigkeit hinausgeht.
[22] 2.4. Die Revision verweist zur Stützung ihres Rechtsstandpunkts auf § 5 des Kärntner FeuerwehrG, das nach der Regierungsvorlage dem Gesetzgeber als Vorbild für die Definition der Teilrechtsfähigkeit in § 36 Abs 8 Sbg FeuerwehrG 2018 gedient habe. Aus den Materialien zur Novelle des Kärntner FeuerwehrG im Jahre 2021, mit der die Teilrechtsfähigkeit der Freiwilligen Feuerwehren in Kärnten um die Zwecke der Durchführung von Veranstaltungen und Sammlungen ergänzt wurde, schließt der Revisionswerber, dass diese Änderung nur der Präzisierung der bestehenden Rechtslage gedient habe und als authentische Interpretation der ursprünglichen Bestimmung zu verstehen sei. Er leitet daraus ab, dass auch § 36 Abs 8 Sbg FeuerwehrG 2018 in diesem Sinne auszulegen sei.
[23] Die Revision gibt die zitierten Materialien zur Novelle des Kärntner FeuerwehrG 2021 allerdings sinnstörend verkürzt wieder. Sie übergeht völlig die ihrer Argumentation entgegenstehenden weiteren Erläuterungen, die betonen, dass den Feuerwehren „zukünftig“ Rechtspersönlichkeit zur Durchführung von Veranstaltungen und Sammlungen für Zwecke der Kameradschaftspflege und Finanzierung zukommen solle, und dass damit die bestehende Verantwortlichkeit der Gemeinden, insbesondere für die Feuerwehrfeste, wegfallen würde.
[24] Für eine rückwirkende, die Intention des Klägers stützende Interpretation der hier maßgeblichen Bestimmung des Sbg FeuerwehrG 2018 ist daraus nichts zu gewinnen. Dagegen spricht nicht zuletzt, dass der Salzburger Landesgesetzgeber bisher keine Veranlassung gesehen hat, auf die Änderung der von ihm zum Vorbild genommenen älteren Kärntner Rechtslage seinerseits mit einer entsprechenden Novellierung des § 36 Abs 8 Sbg FeuerwehrG 2018 zu reagieren.
[25] 3. Der Revision des Klägers war daher keine Folge zu geben. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 und 50 ZPO.
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