OGH 8Ob103/15b

OGH8Ob103/15b29.10.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner, die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn sowie die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr als weitere Richter in der Pflegschaftssache des am 19. Februar 2002 geborenen mj D***** K*****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Mutter N***** K*****, vertreten durch Mag. Helmut Hawranek, Rechtsanwalt in Graz, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 31. August 2015, GZ 2 R 245/15m‑245, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0080OB00103.15B.1029.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Der gegen den stattgebenden Teil des Beschlusses des Rekursgerichts gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs der Mutter ist nicht zulässig, weil darin keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG angesprochen wird.

1. Die Entscheidung des Erstgerichts, von einer persönlichen Anhörung des mittlerweile 13‑jährigen Kindes abzusehen, wurde vom Rekursgericht geprüft, aber nicht als Verfahrensmangel beurteilt.

Der bereits in zweiter Instanz verneinte Mangel kann grundsätzlich keinen Revisionsrekursgrund mehr bilden (RIS‑Justiz RS0050037, RS0030748). Gründe des Kindeswohls, die ausnahmsweise eine Berücksichtigung erfordern würden (RIS‑Justiz RS0050037 [T5, T8]; 2 Ob 153/12g; 4 Ob 81/13k), werden im Rechtsmittel auch nicht dargelegt.

Das Kind wurde zuletzt im September 2014 im Rahmen eines ausführlichen Gesprächs mit dem Sachverständigen gehört, in dem es seine eigene Wahrnehmung der Situation und seine Wünsche für die Zukunft darlegen konnte (ON 204). Nach den Feststellungen waren die Voraussetzungen des § 105 Abs 1 2. Satz AußStrG für eine mittelbare Anhörung erfüllt.

2. Das Rekursgericht hat sich auch bereits mit dem Vorwurf befasst, dass eine persönliche Einvernahme der Mutter durch das Erstgericht unterblieben sei.

Der Grundsatz des Parteiengehörs erfordert im Außerstreitverfahren grundsätzlich nur, dass der Partei ein Weg eröffnet wird, auf dem sie ihre Argumente für ihren Standpunkt und überhaupt alles vorbringen kann, was der Verfolgung oder Abwehr eines Anspruchs dienen kann; dazu genügt auch die Möglichkeit einer schriftlichen Stellungnahme (RIS‑Justiz RS0006048 [T9, T10]).

Eine allfällige Verletzung des rechtlichen Gehörs bewirkt im Verfahren außer Streitsachen auch keine Nichtigkeit, sondern einen Verfahrensmangel, dessen Relevanz im Rechtsmittel darzulegen wäre (RIS‑Justiz RS0120213 [T17, T21]). Abgesehen davon, dass die Mutter der vom Erstgericht anberaumten Tagsatzung vom 21. 4. 2015, in der sie Gelegenheit zur persönlichen Darlegung ihres Standpunkts gehabt hätte, ohne Angabe von Gründen ferngeblieben ist, legt der Revisionsrekurs auch nicht dar, inwiefern gerade das Ergebnis ihrer persönlichen Anhörung für das Verfahrensergebnis entscheidend gewesen wäre.

3. Die im Revisionsrekurs erhobene Behauptung, es wären sämtliche Änderungen im Leben des Minderjährigen seit dem 6. 5. 2013 im Verfahren nicht berücksichtigt worden, ist angesichts des Gutachtens vom 17. 9. 2014, dem eine umfassende, in den Monaten August und September 2014 mit den Eltern, dem Kind und weiteren Bezugspersonen durchgeführte Befundaufnahme zugrundelag, aktenwidrig.

4. Entscheidungen über die Kindesobsorge stellen, sofern dabei auf das Kindeswohl ausreichend Bedacht genommen wurde, solche des Einzelfalls dar, denen keine grundsätzliche Bedeutung im Sinn des § 62 AußStrG zukommt. Dies gilt auch für eine Übertragung der Obsorge an den Kinder‑ und Jugendhilfeträger (RIS‑Justiz RS0115719 [T2, T7]).

Nach den Feststellungen der Tatsacheninstanzen, die sich auf ein ausführliches familienpsychologisches Sachverständigengutachten stützen, wäre das Wohl und die weitere Entwicklung des Kindes bei einer Belassung der bisherigen Obsorgeverhältnisse gefährdet. Die Mutter widersetzt sich beharrlich dem weiteren Verbleib des Kindes in der Pflegefamilie, in der es seit Jahren gut integriert ist, obwohl es ihr selbst an den für seine gedeihliche Weiterentwicklung im Einzelfall erforderlichen erzieherischen Kompetenzen mangelt. Der Vater des Kindes ist aus beruflichen Gründen nicht in der Lage, selbst die persönliche Obsorge auszuüben, strebt dies auch nicht an und hat den erstgerichtlichen Beschluss nicht bekämpft.

Unter diesen besonderen Umständen ist das rechtliche Ergebnis der Vorinstanzen jedenfalls vertretbar und bildet keine die Zulässigkeit des außerordentlichen Revisionsrekurses eröffnende grobe Fehlbeurteilung.

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