European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0080NC00056.21H.1008.000
Spruch:
Der Antrag auf Delegierung wird abgewiesen.
Begründung:
[1] Das vor dem Handelsgericht Wien ***** über das Vermögen des Schuldners anhängige Insolvenzverfahren wurde nach rechtskräftig bestätigtem Zahlungsplan am 10. 7. 2019 aufgehoben. Mit Beschluss vom 11. 9. 2020 bewilligte das Insolvenzgericht über Antrag des Schuldners gemäß § 11 Abs 2 2. COVID‑9‑JuBG die Stundung der am 22. 5. 2020 fälligen ersten Zahlungsplanrate für die Dauer von neun Monaten. Einen neuerlichen Stundungsantrag vom 6. 4. 2021 bezüglich dieser Rate wies das Insolvenzgericht ab. Innerhalb der Rekursfrist beantragte der Schuldner die Bewilligung der Verfahrenshilfe einschließlich der vorläufig unentgeltlichen Beigebung eines Rechtsanwalts zur Erhebung eines Rechtsmittels. Dieser Antrag wurde vom Insolvenzgericht abgewiesen. Im Rekurs gegen diesen Beschluss beantragte der Schuldner die Delegation sämtlicher in erster und zweiter Instanz anhängigen Stundungsanträge nach § 11 Abs 1 2. COVID‑19‑JuBG an das sachlich zuständige Gericht in Salzburg. In diesen Verfahren sei die Durchführung von Verhandlungen geboten, weil zur inhaltlichen Beurteilung die Einvernahme des Schuldners zur Darlegung der wirtschaftlichen Beeinträchtigung infolge COVID und der persönlichen Behinderung an der Zahlung der Raten zweckmäßig wäre. Selbst ohne die Durchführung einer Verhandlung sei darauf hinzuweisen, dass der Schuldner seinen Wohnsitz in Salzburg habe und die Gläubigervertreter in Salzburg seien. Es sei daher im Interesse der Sachnähe, wenn die Verfahren in Salzburg geführt würden.
[2] Das Handelsgericht Wien, das eine Delegierung als nicht zweckmäßig erachtete, legte den Delegierungsantrag zur Entscheidung vor.
Rechtliche Beurteilung
[3] Der Delegierungsantrag ist nicht begründet.
[4] 1. Gemäß § 31 JN (zu dessen Anwendung im Insolvenzverfahren: RIS‑Justiz RS0046329) kann aus Gründen der Zweckmäßigkeit auf Antrag einer Partei anstelle des zuständigen Gerichts ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung bestimmt werden. Eine Delegierung soll allerdings nur den Ausnahmefall darstellen. Keinesfalls soll durch eine zu großzügige Handhabung der Delegierungsmöglichkeiten eine faktische Durchbrechung der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung hervorgerufen werden (RS0046441). Aus Zweckmäßigkeitsgründen soll die Delegierung vor allem dann angeordnet werden, wenn die Übertragung der Zuständigkeit an ein anderes Gericht eine wesentliche Verkürzung bzw Verbilligung des Verfahrens zu bewirken verspricht (RS0046333).
[5] 2. Auch wenn sich der Hauptwohnsitz des Schuldners schon seit August 2017 in Salzburg befindet, erscheint eine Delegation in Anbetracht des nunmehr fortgeschrittenen Verfahrensstadiums (nach Bestätigung des Zahlungsplans) nicht zweckmäßig. Sollte eine Einvernahme des Schuldners, insbesondere zu seinen Stundungsanträgen, entgegen der derzeitigen Einschätzung des Insolvenzgerichts doch noch erforderlich werden, könnte sie auch in Form einer Videokonferenz (nach § 3 Abs 1 Z 2 1. COVID‑19‑JuBG idF BGBl I 2021/1056 oder auch § 277 ZPO) bewerkstelligt werden. Dass gesundheitliche Beschwerden ein persönliches Erscheinen des Schuldners vor dem Handelsgericht Wien verhindern, hat er aber ohnedies nicht bescheinigt (vgl RS0046203). Vielmehr bestand laut Akteninhalt zuletzt sogar ein Nachsendeauftrag von der Salzburger Adresse des Schuldners an eine Wiener Adresse.
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