OGH 8Nc41/03a

OGH8Nc41/03a30.10.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer, Dr. Spenling und Dr. Kuras und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek als weitere Richter über den Antrag der Bank A***** AG, ***** vertreten durch MMag. Dr. Michael Michor, Mag. Walter Dorn, Rechtsanwälte in Villach, auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Bruno D***** C*****, infolge Anzeige eines negativen Kompetenzkonfliktes durch das Bezirksgericht Villach zu 18 S 74/03h den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Als das zur Entscheidung über die im Spruch genannte Konkursantragssache zuständige Gericht wird das Bezirksgericht Innere Stadt Wien bestimmt, dessen Beschlüsse vom 16. 4. 2003, GZ 63 Se 8/03z-3, und vom 22. 8. 2003, GZ 63 Se 8/03z-10, aufgehoben werden.

Text

Begründung

Die Antragstellerin brachte am 3. 4. 2003 den Konkurseröffnungsantrag beim Handelsgericht Wien ein. Sie brachte vor, der Antragsgegner sei Alleingesellschafter und handelsrechtlicher Geschäftsführer der D***** Sportwagen Handels GmbH mit Sitz in 1010 Wien. Er betreibe als Alleingesellschafter eine unternehmerische Tätigkeit. Mit Beschluss vom 11. 4. 2003 erklärte sich das Handelsgericht Wien für sachlich unzuständig und überwies den Konkurseröffnungsantrag gemäß § 44 JN dem Bezirksgericht Innere Stadt Wien. Der Antragsgegner sei als geschäftsführender Alleingesellschafter einer GmbH kein Unternehmer.

Mit Beschluss vom 16. 4. 2003 sprach das Bezirksgericht Innere Stadt Wien seine sachliche Unzuständigkeit aus und überwies den Konkurseröffnungsantrag gemäß § 44 JN an das Handelsgericht Wien mit der Begründung, aus einem Firmenbuchauszug vom 7. 4. 2003 zu FN ***** ergebe sich, dass der Antragsgegner protokollierter Einzelkaufmann und somit Unternehmer sei.

Das Handelsgericht Wien führte Erhebungen durch. Aus diesen Erhebungen ergab sich, dass der Antragsgegner bis 26. 6. 2002 an einer Adresse in 1100 Wien hauptwohnsitzgemeldet war. Vom 26. 6. 2002 bis 14. 4. 2003 scheint im zentralen Melderegister als Hauptwohnsitz des Antragsgegners eine Adresse in 1010 Wien auf. Seit 14. 4. 2003 ist der Antragsgegner in Villach hauptwohnsitzgemeldet. Eine Einvernahme des Antragsgegners durch das Bezirksgericht Villach als Rechtshilfegericht ergab, dass der Antragsgegner tatsächlich im April 2003 nach Villach übersiedelte, wobei er sich noch am Übersiedlungstag behördlich ummeldete. Ferner ergibt sich aus seiner Einvernahme, dass seine Einzelfirma Ende 2001 "stillgelegt" wurde, wobei noch im Jahr 2003 Restbestände abverkauft wurden. Einzelposten an Ersatzteilen sind noch vorhanden. Eine Firmenliegenschaft des Einzelunternehmens soll demnächst verkauft werden. Das Beschäftigungsverhältnis zu den Angestellten wurde Ende 2001 gelöst. Nach Durchführung dieser Erhebungen leitete das Handelsgericht Wien den Akt - ohne neuerliche Beschlussfassung - an das Bezirksgericht Innere Stadt Wien zur weiteren Erledigung (Weiterüberweisung an das BG Villach oder LG Klagenfurt oder Zustellung beider Unzuständigkeitsbeschlüsse an die Parteien) mit dem Hinweis darauf weiter, dass die Rücküberweisung vom überwiesenen Gericht an das überweisende Gericht unzulässig sei.

Mit Beschluss vom 22. 8. 2003 sprach das Bezirksgericht Innere Stadt Wien seine örtliche Unzuständigkeit aus und überwies die Konkurssache an das BG Villach mit der Begründung, dass der Antragsgegner nunmehr laut seinen eigenen Angaben in Landskron wohne.

Das Bezirksgericht Villach erklärte sich mit Beschluss vom 11. 9. 2003 für unzuständig und legte nach Rechtskraft sämtlicher im Verfahren ergangener Beschlüsse (deren Zustellung erst das BG Villach veranlasste) den Akt gemäß § 47 JN dem Obersten Gerichtshof vor. Das Bezirksgericht Innere Stadt Wien habe den Überweisungsbeschluss an das BG Villach zu einem Zeitpunkt gefasst, als dieses den Akt bereits mit Beschluss an das Handelsgericht Wien rücküberwiesen habe. Das Bezirksgericht Innere Stadt Wien habe daher einen Beschluss in einem fremden Akt gefasst, zudem noch durch den funktionell unzuständigen Rechtspfleger. Der Antragsgegner habe am 3. 4. 2003 seinen Aufenthalt noch in Wien und nicht im Sprengel des BG Villach gehabt. Wolle man die sachliche Zuständigkeit des Bezirksgerichtes für die Entscheidung über den Konkursantrag bejahen, so sei das BG Villach jedenfalls örtlich unzuständig. Die sachliche Zuständigkeit des Bezirksgerichtes sei zudem fraglich, weil Liquidationsmaßnahmen noch zum Betrieb des Unternehmens gehörten.

Rechtliche Beurteilung

Die in den Sprengeln verschiedener Oberlandesgerichte gelegenen Gerichte haben jeweils rechtskräftig ihre Unzuständigkeit ausgesprochen. Die Voraussetzungen des § 47 JN für die Entscheidung des Kompetenzkonfliktes durch den Obersten Gerichtshof sind gegeben. Nach Lehre und Rechtsprechung entfaltet auch ein unrichtiger, aber in Rechtskraft erwachsener Überweisungsbeschluss Bindungswirkung (RIS-Justiz RS0046135; RS0046391, Ballon in Fasching2 I § 47 JN Rz 17). Das gilt grundsätzlich auch für den Fall, dass das Adressatgericht seinen Unzuständigkeitsbeschluss noch vor Eintritt der Rechtskraft des Überweisungsbeschlusses gefasst hat (6 Nc 24/98x). Für das Konkursverfahren ist aber - wie der erkennende Senat bereits ausgesprochen hat (8 Nd 2/00; 8 Ob 20/02b), aus § 63 Abs 1 KO abzuleiten, dass der Gesetzgeber gerade der für die effektive und rasche Abwicklung des Konkursverfahrens bedeutsamen Nähe des Konkursgerichtes zum Betriebsort besonderes Gewicht beigemessen hat. Daraus ist zu folgern, dass gemäß § 46 Abs 1 JN nur die die sachliche Zuständigkeit betreffende rechtskräftige Unzuständigkeitsentscheidung bindend ist (8 Nd 2/00 mN auf 8 Nd 3/96 und 8 Nd 4/96; 8 Ob 20/02b), während - zumindest im Konkursverfahren - ein rechtskräftiger Beschluss auch des überweisenden Gerichtes über die örtliche Unzuständigkeit dessen Überprüfung im Rahmen der Entscheidung eines negativen Kompetenzkonfliktes nicht hindert.

Daraus folgt für den vorliegenden Fall, dass die - lediglich die sachliche Zuständigkeit verneinende - Unzuständigkeitsentscheidung des Handelsgerichtes Wien für das Bezirksgericht Innere Stadt Wien bindend war und demnach die Rücküberweisung an das Handelsgericht Wien unstatthaft war. Die im Beschluss des BG Villach aufgeworfene Frage der Kompetenz des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien zur Fassung des (zweiten) Unzuständigkeitsbeschlusses und der beschlossenen Überweisung an das BG Villach bedarf deshalb keiner näheren Erörterung.

Aus dem eindeutigen Wortlaut des § 182 KO ist zu folgern, dass - wenn der Schuldner kein Unternehmen betreibt - Konkursgericht das zum Zeitpunkt der Antragstellung örtlich zuständige Bezirksgericht ist. Da der Antragsgegner zu diesem Zeitpunkt seinen Hauptwohnsitz noch in Wien hatte, ist daher die örtliche Zuständigkeit des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien zu bejahen, weil nachträgliche Änderungen der die örtliche Zuständigkeit bestimmenden Umstände auch im Insolvenzverfahren unbeachtlich sind (RdW 1990, 256 mwN). Ausgehend davon, dass die sachliche Zuständigkeit infolge der bindenden Entscheidung des Handelsgerichtes Wien inhaltlich nicht zu überprüfen ist (weshalb dahingestellt bleiben kann, ob der Antragsgegner seinen Unternehmensbetrieb bereits beendet hatte - vgl dazu Mohr in Konecny/Schubert § 182 KO Rz 4) in Verbindung damit, dass der Antragsgegner zum maßgeblichen Antragszeitpunkt seinen ordentlichen Wohnsitz in Wien hatte, ist daher das Bezirksgericht Innere Stadt Wien als das zur Entscheidung über die Konkursantragssache zuständige Gericht zu bestimmen. Die Unzuständigkeitsbeschlüsse des BG Innere Stadt Wien sind aufzuheben (RIS-Justiz RS0046377).

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