Spruch:
Der Berufung wird teilweise Folge gegeben.
Das Urteil des Berufungsgerichtes, dessen übriger Leistungsteil unbekämpft in Rechtskraft erwachsen ist, wird hinsichtlich der angefochtenen Abweisung eines Mehrbegehrens von EUR 1.988,16 samt 4 % Zinsen seit 13. August 2001 als Teilurteil bestätigt. Die Kostenentscheidung wird dem Endurteil vorbehalten. Hinsichtlich der Entscheidung über das Feststellungsbegehren und im Kostenpunkt wird das Urteil des Berufungsgerichtes aufgehoben und die Rechtssache in diesem Umfang zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten. Die Revisionsbeantwortung wird zurückgewiesen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin erlitt am 9. 1. 2000 bei einem Schiunfall einen Riss des vorderen Kreuzbandes und des medialen Seitenbandes im rechten Knie. Sie wurde noch am selben Tag im Unfallkrankenhaus L*****, dessen Rechtsträger die Beklagte ist, operiert. Dabei unterlief dem Chirurgen, der auch eine veraltete Behandlungsmethode verwendete, ein Kunstfehler: Das Kreuzband wurde an falscher Stelle fixiert, was Schmerzen verursachte und zu einer Bewegungseinschränkung des Knies führte. In der Folge mussten bei der Klägerin im Unfallkrankenhaus L***** und im Landeskrankenhaus E***** verschiedene ambulante und stationäre Behandlungen des betroffenen Kniegelenkes vorgenommen werden. Nach Arthroskopien am 30.3. 2000 und am 22. 9. 2000 wurde am 26. 6. 2001 neuerlich eine Arthroskopie vorgenommen. Es wurde eine Kreuzbandplastik durchgeführt und die Refixation des Kreuzbandes an falscher Stelle vom 9. 1. 2000 saniert. Bei einem „schicksalhaften" (nicht mehr durch den Kunstfehler bedingten) neuerlichen operativen Eingriff am 6. 12. 2001 wurde arthroskopisch eine Notchplastik mit Resektion eines Zyklops durchgeführt. Ein bei der Klägerin im rechten Knie jetzt noch bestehender Dauerschaden in Form einer Bewegungseinschränkung mit der Möglichkeit vorzeitiger posttraumatischer arthrotischer Veränderungen ist nicht Folge des Eingriffes vom 9. 1. 2000.
Bedingt durch die Fehlbehandlung wurde die Klägerin auch in der Haushaltsführung beeinträchtigt, was eine Haushaltshilfe (deren Kosten unstrittig mit EUR 8,72/Stunde zu veranschlagen sind) in folgendem Ausmaß erforderlich machte: 6 Wochen lang, während die Klägerin einen Gipsverband trug, 6 Stunden täglich; danach einen Monat lang 4 Stunden täglich und einen weiteren Monat lang zwei Stunden täglich; ferner während eines Rehabilitationsaufenthaltes von 23. 7. bis 8. 8. 2000 (17 Tage) und eines stationären Aufenthaltes im Landeskrankenhaus E***** von 21. 9. bis 26. 9. 2000 (6 Tage) von 6 Stunden täglich.
Die Klägerin begehrte von der Beklagten aus dem Titel des Schadenersatzes zuletzt (nach Klagsausdehnung und -einschränkung) EUR 27.492,64 sA, welcher Betrag neben Schmerzengeld, Fahrt-, Besuchs- und Heilungskosten sowie einen Verdienstentgang noch „Pflegekosten" (gemeint Kosten einer Haushaltshilfe) in Höhe von EUR 10.324,48 enthält. Weiters erhob die Klägerin ein Begehren auf Feststellung der Haftung der Beklagten „für alle Schäden aus der Behandlung, die nicht dem derzeitigen Stand der Medizin entspricht, zu 100 %". Das Erstgericht erkannte die Beklagte schuldig, der Klägerin EUR 20.571,16 samt 4 % Zinsen seit 13. 8. 2001 zu bezahlen. Das Mehrbegehren von EUR 6.921,48 samt 4 % Zinsen seit 13. 8. 2001 wies es ab. Die vom Erstgericht weiters beabsichtigte Abweisung des Feststellungsbegehrens blieb im Urteilsspruch irrtümlich unerwähnt. Seine Sachverhaltsfeststellungen, die - soweit im Revisionsverfahren noch wesentlich - bereits eingangs zusammengefasst wiedergegeben wurden, beurteilte das Erstgericht hinsichtlich des Begehrens auf Ersatz der Kosten einer Haushaltshilfe dahin, der Verletzer habe auch die Kosten einer vorfallsbedingten Vermehrung der Bedürfnisse der Geschädigten zu ersetzen, wozu die Kosten einer Haushaltshilfe zählten. Für insgesamt 534 Stunden (das ist die Stundenanzahl ohne Berücksichtigung des stationären Aufenthaltes der Klägerin vom 21. 9. bis 26. 9. 2000) stehe der Klägerin bei einem unstrittigen Stundenlohn von EUR 8,72 aus diesem Titel ein Betrag von EUR 4.656,-- zu.
Das Feststellungsbegehren sei in Ermangelung des Vorliegens eines durch den Ersteingriff (die Fehlbehandlung) verursachten Dauerschadens abzuweisen gewesen.
Das von der Klägerin (die die Abweisung des Feststellungsbegehrens und eines Mehrbegehrens von EUR 5.179,68 sA an Kosten einer Haushaltshilfe bekämpfte) angerufene Berufungsgericht änderte die Entscheidung der ersten Instanz dahin ab, dass es der Klägerin weitere EUR 313,92 sA (insgesamt demnach EUR 20.885,08 sA) zusprach und das Ersturteil im Übrigen bestätigte (hinsichtlich der Abweisung des Feststellungsbegehrens in Form einer „Maßgabebestätigung"). Das Berufungsgericht traf auf Grund des schriftlichen Sachverständigen-Gutachtens und die im Rechtshilfeweg durchgeführte Erörterung dieses Gutachtens noch folgende Tatsachenfeststellungen:
„Spätfolgen, die zwar wenig wahrscheinlich sind, aber nicht ausgeschlossen werden können, waren bereits durch die Läsion zum Zeitpunkt des Unfalles vorprogrammiert. Die Durchführung der Kreuzbandplastik am 26. 6. 2001 wäre auch ohne den Behandlungsfehler der Leute der Beklagten erforderlich geworden".
Den so ergänzten Sachverhalt beurteilte das Berufungsgericht rechtlich dahin, der Klägerin sei ein rechtliches Interesse im Sinne des § 228 ZPO an der Feststellung der Haftung der Beklagten für zukünftige Schäden aus dem Behandlungsfehler der Leute der Beklagten abzusprechen, sei doch nicht damit zu rechnen, dass das von der Beklagten zu vertretende Ereignis künftige, derzeit noch nicht bezifferbare Schäden zur Folge haben könnte. Das Erstgericht habe das Feststellungsbegehren daher im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Soweit die Klägerin einen weiteren Zuspruch von EUR 5.179,68 aus dem Titel der Haushaltshilfe anstrebe, sei ihr insofern beizupflichten, als auf Grundlage der Feststellungen des Erstgerichtes auch für die Zeit des stationären Aufenthaltes im Krankenhaus E***** von 21. bis 26. 9. 2000, also für 6 Tage, die Kosten einer Haushaltshilfe im Umfang von 6 Stunden täglich zuzuerkennen seien. Der Zuspruch aus diesem Titel erhöhe sich somit um EUR 313,92 (36 Stunden à EUR 8,72). Darüber hinaus stehe der Klägerin aber kein weiterer Ersatz aus diesem Titel zu, sei doch vom Erstgericht unbekämpft festgestellt worden, dass die Klägerin sowohl am 29. 9. 2000 als auch am 25. 10. 2000 schmerz- und beschwerdefrei und von 9. 10. 2000 bis 4. 3. 2001 nicht mehr im Krankenstand gewesen sei. Für die Annahme, sie sei auch zwischen dem Rehabilitationsaufenthalt und dem Krankenhausaufenthalt bzw danach bis Ende 2000 in der Haushaltsführung eingeschränkt gewesen, bestünden keine Anhaltspunkte. Für das Jahr 2001 habe die Klägerin keine Kosten einer Haushaltshilfe mehr begehrt. Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 4.000,--, nicht jedoch EUR 20.000,-- übersteige. Weiters sprach es zunächst aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil in erster Linie die Lösung der nicht revisiblen Tatfrage streitentscheidend gewesen sei. Es änderte diesen Ausspruch auf Antrag der Klägerin gemäß § 508 Abs 1 ZPO aber dahin ab, dass es die Revision doch für zulässig erklärte. Nach der neuesten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes sei ein Feststellungsinteresse im Sinn des § 228 ZPO lediglich zu verneinen, wenn künftig eintretende Schäden aus einem bestimmten Schadensereignis schlechthin und absolut auszuschließen seien. Die bloße Feststellung, es seien weitere Schmerzen „nicht zu erwarten", rechtfertige die Abweisung eines Feststellungsbegehrens nicht. Es sei daher nicht von der Hand zu weisen, dass entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes ein Feststellungsinteresse der Klägerin zu bejahen sein könnte.
Die Klägerin macht in der Revision unrichtige rechtliche Beurteilung der Sache und Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens geltend und beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung „an die Untergerichte" zu verweisen. In eventu möge das angefochtene Urteil dahin abgeändert werden, dass dem Feststellungsbegehren stattgegeben werde und ein weiterer Zuspruch in Höhe von EUR 1.988,16 erfolge. Die Revision ist im Hinblick auf das Feststellungsbegehren zulässig und insoweit im Sinne einer Aufhebung und Rückverweisung der Rechtssache an das Berufungsgericht auch berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Keine Berechtigung kommt der Revision hingegen betreffend das Begehren auf Zuerkennung eines weiteren Betrages von EUR 1.988,16 aus dem Titel des Ersatzes von Haushaltshilfekosten zu. Diesbezüglich ist allein die Tatfrage entscheidend, ob die Klägerin auch noch zwischen dem Rehabilitationsaufenthalt und der stationären Behandlung im Landeskrankenhaus E***** (also zwischen 9. 8. 2000 und 21. 9. 2000) sowie nach diesem Krankenhausaufenthalt (also ab 27. 9. 2000) bis zum Jahresende 2000 (für das Jahr 2001 hat die Klägerin Haushaltshilfekosten nicht begehrt) in der Haushaltsführung eingeschränkt war. Das Berufungsgericht hat diese Tatfrage verneint. Dies kann vom Obersten Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, nicht überprüft werden. Der von der Klägerin angestrebte Zuspruch eines weiteren Betrages von EUR 1.988,16 aus diesem Titel kommt daher nicht in Betracht. Die - insbesondere auch die Feststellungen, sie sei sowohl am 29. 9. 2000 als auch am 25. 10. 2000 schmerz- und beschwerdefrei gewesen, in Frage stellenden - Ausführungen der Klägerin im Rahmen der Mängelrüge stellen den (unzulässigen) Versuch dar, die nicht revisible Beweiswürdigung der Vorinstanzen zu bekämpfen.
Insoweit ein weiterer Zuspruch von EUR 1.988,16 begehrt wird, muss
die Revision daher erfolglos bleiben.
Zum Feststellungsbegehren:
Die Feststellungsklage nach § 228 ZPO setzt das rechtliche Interesse des Klägers an der alsbaldigen gerichtlichen Feststellung eines Rechts- oder Rechtsverhältnisses voraus. Nach ständiger Rechtsprechung ist die Feststellung der Ersatzpflicht für künftige Schäden aus einem schädigenden Ereignis zulässig (Fasching in Fasching/Konecny2 III § 228 Rz 55 mwN uva). Wie der Oberste Gerichtshof bereits in zahlreichen Entscheidungen (vgl 2 Ob 232/06s) dazu ausgesprochen hat, ist ein Feststellungsinteresse schon dann zu bejahen, wenn die Möglichkeit offen bleibt, dass das schädigende Ereignis auch künftig einen Schaden verursachen könnte (10 Ob 79/05y; 2 Ob 162/05w; 4 Ob 46/06b uva; RIS-Justiz RS0038976), insbesondere weil Dauerfolgen bestehen oder weil die Möglichkeit von Spätfolgen nicht gänzlich mit Bestimmtheit ausgeschlossen werden kann (RIS-Justiz RS0038976 [T20]). Eine Feststellungsklage ist daher selbst dann begründet, wenn feststeht, dass „Dauerfolgen nicht zu erwarten" sind (2 Ob 29/05m, RIS-Justiz RS0038976 [T21]) oder dass mit zukünftig eintretenden unfallskausalen Schäden „nicht zu rechnen" sei (2 Ob 119/04w; 2 Ob 40/04b, RIS-Justiz RS0039018 [T20]), weil in solchen Fällen ein späterer Schaden nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann (10 Ob 79/05y; 4 Ob 46/06b ua). Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, rechtfertigt der bei der Klägerin bestehende Dauerschaden (Bewegungseinschränkung mit der Möglichkeit vorzeitiger posttraumatischer arthrotischer Veränderungen) ein Begehren auf Feststellung der Haftung der Beklagten für künftige Schäden nicht, weil feststeht, dass dieser Dauerschaden nicht auf die von der Beklagten zu vertretende Fehlbehandlung vom 9. 1. 2000 zurückzuführen ist. Auf den vom Berufungsgericht festgestellten Umstand, dass Spätfolgen (also andere Folgen, als der bereits vorhandene Dauerschaden) nicht ausgeschlossen werden können, ließe sich das gegen die Beklagte gerichtete Feststellungsbegehren dann stützen, wenn diese Spätschäden zumindest teilweise auch auf den der Beklagten vorzuwerfenden Kunstfehler zurückzuführen wären. Diesbezüglich erscheint die vom Berufungsgericht getroffene Feststellung, solche Spätfolgen seien bereits „durch die Läsion zum Zeitpunkt des Unfalles" (dh die von der Klägerin beim Schiunfall erlittene Verletzung) „vorprogrammiert" gewesen, allerdings unklar. Denkbar ist einerseits, dass damit zum Ausdruck gebracht werden sollte, dass etwaige Spätfolgen zur Gänze die von der Klägerin am 9. 1. 2000 erlittene Verletzung zur Ursache hätten. Ebenso möglich ist aber eine Interpretation, wonach eine Neigung zu oder die Möglichkeit von Spätschäden auf Grund der Unfallsverletzung bereits vorhanden war, durch die der Beklagten anzulastende Fehlbehandlung aber verstärkt werde.
Um die Berechtigung des Feststellungsbegehrens verlässlich beurteilen zu können, ist es erforderlich, diese Unklarheit zu beseitigen. Damit erweist sich die Aufhebung der zweitinstanzlichen Entscheidung als unumgänglich. Das Berufungsgericht wird im fortzusetzenden Verfahren - allenfalls mit Hilfe des medizinischen Sachverständigen - Klarheit zu schaffen haben, ob nicht auszuschließende Spätschäden (zumindest teilweise) auch Folge und Auswirkung des von der Beklagten zu vertretenden Kunstfehlers sein können. Sollte dies der Fall sein, wäre ein Feststellungsbegehren auf Haftung der Beklagten für aus der Fehlbehandlung resultierende künftige Schäden grundsätzlich berechtigt. Dass die ärztliche Behandlung der Klägerin am 9. 1. 2000 selbstverständlich dem damaligen Stand der Medizin und nicht „dem derzeitigen" zu entsprechen hatte, bedarf keiner weiteren Erörterung. Der betreffende Einwand der Beklagten gegen die von der Klägerin gewählte Formulierung des Feststellungsbegehrens wäre daher zu beachten.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Die Aussprüche betreffend die Kosten beruhen auf § 52 Abs 1 und 2
ZPO.
Die Revisionsbeantwortung der Beklagten ist verspätet. Hat das Berufungsgericht - wie hier - dem Revisionsgegner nach § 508 Abs 5 ZPO die Einbringung einer Revisionsbeantwortung freigestellt, so ist die Revisionsbeantwortung gemäß § 507a Abs 3 Z 1 ZPO beim Berufungsgericht einzubringen. Die Mitteilung des Berufungsgerichtes, dass der Beklagten die Beantwortung der Revision freigestellt werde (§ 507a Abs 2 Z 2 ZPO), wurde dem Beklagtenvertreter am 15. 3. 2007 zugestellt. Die irrtümlich zunächst beim Erstgericht eingebrachte (am 11. 4. 2007 persönlich überreichte) Revisionsbeantwortung langte beim Berufungsgericht am 13. 4. 2007, also am Tag nach Ablauf der vierwöchigen Notfrist des § 507a Abs 1 ZPO ein. Sie muss daher zurückgewiesen werden.
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