OGH 2Ob29/05m

OGH2Ob29/05m17.2.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Jensik und Dr. Veith als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Wolfgang F*****, und 2. Waltraud F*****, ebendort, beide vertreten durch Mag. Dr. Johann Etienne Korab, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei A*****, vertreten durch Dr. Alexander Neuhauser, Rechtsanwalt in Wien, wegen (hinsichtlich des Erstklägers) EUR 9.925,36 sA und Feststellung (Streitinteresse EUR 4.360,37) und (hinsichtlich der Zweitklägerin) EUR 11.456,80 sA und Feststellung (Streitinteresse EUR 4.360,37) über die Revision der erstklagenden Partei (Revisionsinteresse EUR 4.360,37) gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 3. Juni 2004, GZ 15 R 261/03t-35, womit infolge der Berufungen sämtlicher Parteien das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 29. Oktober 2003, GZ 20 Cg 100/01z-29, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Teilurteil des Berufungsgerichtes wird im Umfang der Abweisung des Feststellungsbegehrens der erstklagenden Partei aufgehoben; gleichzeitig wird auch das Urteil des Erstgerichts in diesem Umfang aufgehoben und die Rechtssache insoweit zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an dieses zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Am 5. 12. 1999 ereignete sich ein Verkehrsunfall zwischen dem vom Erstkläger gelenkten PKW, in dem die Zweitklägerin Beifahrerin war, und einem bei der beklagten Partei haftpflichtversicherten weiteren PKW. Hinsichtlich der beiderseitigen Verschuldensvorwürfe am Unfallshergang liegt noch keine abschließende (rechtskräftige) Entscheidung vor, weil das Berufungsgericht das Ersturteil insoweit ohne Rechtskraftvorbehalt aufgehoben und die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen hat.

Bei diesem Unfall wurden beide Kläger schwer verletzt (der Erstkläger erlitt ua einen Speichen- und Ellenbruch links mit zweimaliger Operationsnotwendigkeit), wobei das Erstgericht hinsichtlich des vom Erstkläger gestellten Feststellungsbegehrens, das allein noch Gegenstand des Revisionsverfahrens ist, die - im Berufungsverfahren unbekämpft gebliebene - Feststellung traf, dass „Dauerfolgen nicht zu erwarten sind."

Beide Vorinstanzen wiesen das Feststellungsbegehren des Erstklägers ab, wobei das Berufungsgericht hiezu in seinem Teilurteil ausführte, dass der Erstkläger, wenn er hiegegen (in der Berufung) ins Treffen führe, unfallkausale Dauerfolgen seien bloß „ohne neuerliche Verletzung" nicht zu erwarten und damit „nicht ausgeschlossen", hiemit nicht vom festgestellten Sachverhalt ausgehe und sohin seine Rechtsrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt habe. Das Berufungsgericht sprach hiezu überdies zunächst aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Über Antrag des Erstklägers nach § 508 ZPO änderte das Berufungsgericht diesen Ausspruch dahin ab, dass die Revision doch zulässig sei, weil sich aus der wiedergegebenen Feststellung nicht ableiten lasse, dass weitere Schäden mit Sicherheit auszuschließen seien.

In seiner Revision führt der Rechtsmittelwerber aus, dass es für die Bejahung des Feststellungsinteresses eines Klägers ausreiche, dass sich aus der Feststellung nicht mit Sicherheit ergebe, dass künftige Schäden aus dem schädigenden Ereignis ausgeschlossen seien. Demgemäß wird der Antrag gestellt, die bekämpfte Entscheidung dahin abzuändern, dass auch dem Feststellungsbegehren des Erstklägers Folge gegeben werde; hilfsweise werden auch Aufhebungsanträge gestellt.

Die beklagte Partei hat nach Freistellung eine Revisionsbeantwortung erstattet, in welcher der Antrag gestellt wird, dem gegnerischen Rechtsmittel keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zufolge Abweichens des Gerichtes zweiter Instanz von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zulässig und im Sinne des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrages auch berechtigt.

Nach ständiger Rechtsprechung ist die Einbringung einer (schadenersatzrechtlichen) Feststellungsklage - welche nicht nur dem Ausschluss der Gefahr der Anspruchsverjährung, sondern auch der Vermeidung späterer Beweisschwierigkeiten und der Klarstellung der Haftungsfrage dem Grunde und dem Umfang nach dient - ua immer dann zulässig, wenn unfallbedingte, jedoch erst künftig entstehende Ersatzansprüche nicht auszuschließen sind, also die Möglichkeit künftiger Unfallschäden besteht; insbesondere weil die Unfallfolgen noch nicht abgeklungen sind und eine weitere ärztliche Behandlung notwendig ist; Dauerfolgen bestehen oder wenn die Möglichkeit von Spätfolgen nicht gänzlich und mit Bestimmtheit ausgeschlossen werden kann (ausführlich Danzl/Gutiérrez-Lobos/Müller, Schmerzengeld8 219 f; RIS-Justiz RS0038976). Zur Bejahung des Feststellungsinteresses im Sinne des § 228 ZPO genügt dabei bereits der allgemeine Hinweis, dass weitere Schäden aus dem Schadensereignis (etwa derzeit noch nicht abschätzbare Schmerzen) nicht mit Sicherheit auszuschließen sind; ein Feststellungsinteresse ist daher schon dann zu bejahen, wenn nur die Möglichkeit offen bleibt, dass das schädigende Ereignis den Eintritt eines künftigen Schadens verursachen könnte (Danzl/Gutiérrez-Lobos/Müller, aaO mwN). In diesem Sinne hat der Oberste Gerichtshof bereits in seiner Entscheidung 2 Ob 187/00i (JBl 2001, 107) ausgesprochen, dass das Feststellungsinteresse schon dann gegeben ist, wenn nur die Möglichkeit offen bleibt, dass das schädigende Ereignis den Eintritt eines künftigen Schadens verursachen könnte; zu 2 Ob 119/04w wurde ausgesprochen, dass aus der (bloßen) Feststellung, dass „mit zukünftig eintretenden Schäden nicht zu rechnen ist", sich nicht mit Sicherheit ergebe, dass künftige Schäden nicht (doch) eintreten werden, weshalb das Feststellungsinteresse bejaht wurde (so auch Danzl/Gutiérrez-Lobos/Müller aaO FN 799 mwN).

Davon ist auch hier auszugehen. Aus der (bloßen) Feststellung, dass Dauerfolgen „nicht zu erwarten" sind, ergibt sich - ebensowenig wie im Fall der Entscheidung 2 Ob 119/04w - nicht mit Sicherheit, dass künftige Schäden nicht eintreten werden, weshalb das Feststellungsinteresse auch des Erstklägers (jenes der Zweitklägerin wurde bereits von den Vorinstanzen rechtskräftig bejaht) gegeben ist. Es war daher insoweit seinem Rechtsmittel Folge zu geben, allerdings bloß im Sinne des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrages, weil vor der Klärung der Verschuldensfrage im zweiten Rechtsgang noch nicht über das Ausmaß des Feststellungsanspruches des Erstklägers abgesprochen werden kann.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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