Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung
Gemäß § 16 Abs 4 AußStrG idF WGN 1997 iVm § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich die Zurückweisung eines ordentlichen Revisionsrekurses wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 14 Abs 1 AußStrG) auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.
Auch in Unterhaltssachen ist die Anrufung des Obersten Gerichtshofes vom Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage abhängig (EFSlg 73.538; 1 Ob 2349/96i uva; Purtscheller/Salzmann, Unterhaltsbemessung Rz 3 mwN). Eine erhebliche Rechtsfrage wird vom Rekursgericht darin erblickt, dass oberstgerichtliche Judikatur zur Problematik fehle, auf welche Dauer die Anspannung im Rahmen der Unterhaltsbemessung des § 140 ABGB erfolgen könne, nämlich "für welchen Zeitraum das zufolge pflichtwidrigen Verhaltens eines Elternteils ermittelte fiktive Einkommen zugrundegelegt werden kann, zumal wohl nicht ohne zeitliche Begrenzung - für die, soweit ersichtlich, von der Judikatur noch keine Kriterien entwickelt worden sind - davon ausgegangen werden kann, dass dem Unterhaltspflichtigen weiterhin das schuldhaft verlorene (voraussichtlich aber nicht mehr erzielbare) Einkommen auf Dauer zur Verfügung stünde". Der Revisionsrekurs wurde mit dieser Begründung zugelassen.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem Zulassungsausspruch des Rekursgerichtes, an den der Oberste Gerichtshof gemäß § 16 Abs 3 AußStrG, § 508a Abs 1 ZPO nicht gebunden ist, liegen die Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG allerdings nicht vor.
Gemäß § 140 Abs 1 ABGB haben die Eltern zur Deckung der ihren Lebensverhältnissen angemessenen Bedürfnisse des Kindes nach ihren Kräften anteilig beizutragen. Den Unterhaltspflichtigen trifft demnach die Obliegenheit, im Interesse seiner Kinder alle persönlichen Fähigkeiten, insbesondere seine Arbeitskraft, so gut wie möglich einzusetzen. Tut er dies nicht, so wird er so behandelt, als bezöge er Einkünfte, die er bei zumutbarer Erwerbstätigkeit hätte erzielen können (SZ 63/74 = EFSlg 62.022 mwN; RIS-Justiz RS0047686 mit zahlreichen Entscheidungsnachweisen; Purtscheller/Salzmann, Unterhaltsbemessung Rz 246 ff mwN; vgl auch Pichler in Rummel2 Rz 6 zu § 140 ABGB mwN; Schwimann, Unterhaltsrecht 53).
Eine Anspannung auf tatsächlich nicht erzieltes Einkommen darf dann erfolgen, wenn den Unterhaltsschuldner ein Verschulden daran trifft, dass er keine - oder keine die Unterhaltspflichten deckende - Erwerbstätigkeit ausübt. Das Verschulden kann in vorsätzlicher Unterhaltsflucht (absichtlichem Mindererwerb, um sich der Unterhaltszahlung zu entziehen) bestehen, es genügt aber auch (leicht) fahrlässige Herbeiführung des Einkommenmangels durch Außerachtlassung pflichtgemäßer zumutbarer Einkommensbemühungen (Schwimann aaO 54 f). Maßstab hiefür ist stets das Verhalten eines pflichtbewussten, rechtschaffenen Familienvaters (SZ 63/74; RIS-Justiz RS0047495; Purtscheller/Salzmann aaO Rz 247 und 255 E 11), wobei auch der Umfang der Sorgepflichten von Bedeutung ist (RIS-Justiz RS0047568). Gestatten die Ausbildung und die persönlichen Fähigkeiten die Erzielung eines angemessenen Einkommens, dann muss ein mit einem unerzwungenen Berufswechsel verbundener Einkommensverlust zur Anspannung des betreffenden Elternteils führen; eine Schmälerung des Unterhaltsanspruches des Kindes kommt - anders als bei Schmälerung des Einkommens des Unterhaltspflichtigen durch einen wegen besonderer Umstände erzwungenen Berufswechsel - nicht in Betracht (RIS-Justiz RS0047360). Der Oberste Gerichtshof hat bereits ausgesprochen, dass sich der Unterhaltspflichtige nicht seinen Verpflichtungen dadurch entziehen darf, dass er ohne trifftigen Grund seine bisherige gut entlohnte Beschäftigung aufgibt und dadurch den Unterhalt der Kinder gefährdet. Ein Berufswechsel mag dem Vater im Rahmen seiner Erwerbsfreiheit zwar unbenommen bleiben; er darf aber Änderungen in seinen Lebensverhältnissen, die mit Einschränkungen seiner Unterhaltspflichten verbunden wären, nur insoweit vornehmen, als dies bei gleicher Sachlage ein pflichtbewusster Familienvater getan hätte (SZ 63/74; Purtscheller/Salzmann aaO Rz 255 E 2 und E 11 mwN; Schwimann aaO 55); dies gilt auch für den geschiedenen ehelichen Vater (RIS Justiz RS0047590). Wäre der Unterhaltspflichtige bei nach seinen Kenntnissen und Fähigkeiten erzielbarem Einkommen zu Unterhaltsleistungen imstande, die über die Deckung des Regelbedarfes des unterhaltsberechtigten Kindes hinausgehen, so ist seine Leistungskraft auch über den Regelbedarf hinaus anzuspannen (RIS-Justiz RS0047487). Die Anspannung darf allerdings nicht zu einer bloßen Fiktion führen, sondern muss immer auf der hypothetischen Feststellung beruhen, welches reale Einkommen der Unterhaltspflichtige in den Zeiträumen für die die Unterhaltsbemessung erfolgt, unter Berücksichtigung seiner konkreten Fähigkeiten und Möglichkeiten bei der gegebenen Arbeitsmarktlage in der Lage wäre (RIS-Justiz RS0047579).
Die Auffassung des Rekursgerichtes, auf Grund der Umstände des vorliegenden Falles sei eine Anspannung des Vaters auf ein im Hinblick auf seine nur um 10 % verminderte Leistungsfähigkeit entsprechend geringfügig unter seinem 1996 erzielten Einkommen von ca S 100.000,-- netto monatlich liegendes Einkommen zu bejahen, zumindest aber auf ein monatliches Nettoeinkommen von S 49.000,-- (das ihm auch unter Berücksichtigung der zusätzlichen Unterhaltspflichten Unterhaltsleistungen an die mj. Julia und Dorian in unveränderter Höhe von S 8.400,-- bzw S 7.300,-- monatlich ermöglichte), steht mit dieser Rechtsprechung im Einklang. Die Beantwortung der vom Rekursgericht als revisionsrekurswürdig erachteten Frage, wie lange ein Unterhaltspflichtiger anzuspannen sei, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab und stellt daher keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 14 AußStrG dar. Die vom Rekursgericht iSd § 14 Abs 1 AußStrG als erheblich angesehene Rechtsfrage stellt daher keinen tauglichen Revisionsrekursgrund dar, zumal dem Rekursgericht bei Beantwortung der Frage der Anspannung jedenfalls keine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen ist.
Aber auch vom Revisionsrekurswerber selbst wird eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 14 AußStrG weder aufgezeigt, noch - was genügen würde (vgl 6 Ob 527, 528/92; 1 Ob 2349/96i; 1 Ob 2349/96i ua) - auch nur aufgeworfen:
Inwiefern die Rechtsprechung bei der Anwendung der Anspannungstheorie auf selbständig erwerbstätige Unterhaltspflichtige, wie der Revisionsrekurswerber behauptet, uneinheitlich sein soll, wird nicht näher erläutert und ist auch nicht zu erkennen.
Die weitere, vom Revisionsrekurswerber als erheblich angesehene Frage, wie die "bei selbständig erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen geradezu typischen Einkommensschwankungen" bei der Unterhaltsbemessung zu berücksichtigen seien, stellt sich im vorliegenden Fall gar nicht, da "typische Einkommensschwankungen" nicht feststehen und letztendlich das durchschnittliche Jahreseinkommen maßgeblich ist. Mangels Präjudizialität ist auf diese Rechtsfrage daher nicht einzugehen (Kodek in Rechberger2 Rz 1 zu § 508a ZPO; 3 Ob 115/98b uva).
Schließlich wird vom Revisionsrekurswerber noch das Fehlen einer einheitlichen Rechtsprechung zur Frage, "welcher konkrete Berechnungszeitraum bei der Heranziehung des Einkommens als Unterhaltsbemessungsgrundlage gilt", als Revisionsgrund ins Treffen geführt. Auch dies stellt aber keine erhebliche Rechtsfrage dar, weil es von der Kasuistik des Einzelfalles abhängt, welcher Beobachtungszeitraum erforderlich ist, um die Einkommenssituation des Unterhaltspflichtigen ausreichend beurteilen zu können.
Das von der zweiten Instanz zugelassene Rechtsmittel ist demnach mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG gemäß § 16 Abs 3 AußStrG iVm § 508a Abs 2 ZPO zurückzuweisen.
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