European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0070OB00072.20V.0424.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Die beklagte Kaufinteressentin hatte sich gegenüber der klagenden Maklerin zur Zahlung einer Vermittlungsprovision von 3 % des Kaufpreises zzgl 20 % MwSt (insgesamt 31.320 EUR) und zwar auch für den Fall der Ablehnung des Vertragsabschlusses ohne wichtigen Grund oder bei Vereitelung des Abschlusses gegen Treu und Glauben verpflichtet. Die zu § 7 Abs 2 MaklerG zum Entfall des Provisionsanspruchs im Fall des Unterbleibens der Ausführung des Geschäfts entwickelte Rechtsprechung gilt auch für eine – hier erfolgte – einvernehmliche Vertragsauflösung, sofern sie aus nicht vom Auftraggeber zu vertretenden objektiv wichtigen Gründen erfolgte (RS0062829 [T8]).
2. Die Frage, ob ein wichtiger und nicht vom Auftraggeber zu vertretender Grund dafür vorlag, das Rechtsgeschäft nicht auszuführen bzw von diesem zurückzutreten, kann nur auf den Einzelfall bezogen beantwortet werden, sodass eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nur bei einer groben Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht vorliegt (vgl RS0118180 [T8]). Der letztgenannte Fall ist hier nicht gegeben:
3.1. Der Oberste Gerichtshof hat schon wiederholt ausgesprochen, dass dem Vermittler kein Provisionsanspruch zusteht, wenn eine einvernehmliche Auflösung des Vertrags wegen eines dem Rechtsgeschäft anhaftenden Wurzelmangels (Irrtum, Zwang, List) erfolgte (vgl RS0029675).
3.2. Im vorliegenden Fall war zwar der Verkäufer – wie sich dies aufgrund der Begutachtung im nunmehrigen Verfahren ergab – zum Zeitpunkt der Erteilung der Verkaufsvollmacht am 29. 6. 2015 tatsächlich nicht geschäftsunfähig. Darauf kommt es aber nicht an. Infolge Registrierung der Angehörigenvollmacht für den Verkäufer– nur wenige Monate davor am 30. 1. 2015 – durfte die Beklagte sachlich begründete Bedenken an der Geschäftsfähigkeit des Verkäufers haben, setzte doch die Angehörigenvollmacht eine psychische Krankheit oder geistige Behinderung der Person voraus, wonach diese sogar Rechtsgeschäfte des täglichen Lebens nicht selbst besorgen kann. Im Hinblick auf die zeitliche Nähe zwischen Registrierung der Angehörigenvollmacht und der Erteilung der Verkaufsvollmacht sowie im Hinblick auf das fortgeschrittene Alter des Verkäufers musste die Beklagte auch nicht ernstlich damit rechnen, dass sich dessen Geisteszustand bis zur Vollmachtserteilung nennenswert verbessert haben würde. Bei einem geplanten Liegenschaftserwerb um 870.000 EUR sind begründete Zweifel an der Geschäftsfähigkeit des Verkäufers ein ganz wesentlicher Umstand, der den Geschäftsabschluss als äußerst riskant erscheinen und einen Rechtsstreit über die Gültigkeit des Rechtsgeschäfts sowie die Notwendigkeit und Risken einer Leistungsrückabwicklung befürchten lässt. Es trifft zwar zu, dass die Beklagte keine nähere Aufklärung über besagten Umstand betrieb. Doch das Bezweifeln der Geschäftsfähigkeit des Vertragspartners und schon das Verlangen nach einem überzeugenden, insbesondere urkundlichen Nachweis dafür bedeuten – bei überdies zweifelhaften Erfolgsaussichten eines solchen Vorgehens – einen Übergriff in den zutiefst persönlichen Privatbereich des Vertragspartners und kann deshalb als nur sehr eingeschränkt zumutbar angesehen werden. Letztlich hätte nur die Einholung eines Gutachtens einigermaßen verlässlich die Zweifel am Wiedererlangen der Geschäftsfähigkeit des Verkäufers beseitigen können, was aber beiden Parteien unzumutbar ist. Es geht hier – im Gegensatz zur Rechtsmeinung der Klägerin – eben nicht um ein allgemeines Vertragsrisiko bei betagteren Menschen, sondern um die Beseitigung von berechtigten Zweifeln an der Genesung von einem dokumentierten Gesundheitszustand. Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte hält sich die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, der beklagten Käuferin sei die Übernahme des Risikos eines Wurzelmangels nicht zumutbar und es liege darin ein objektiv wichtiger, nicht vom Auftraggeber zu vertretender Grund zur einvernehmlichen Vertragsauflösung, im den Gerichten einzuräumenden Bewertungsspielraum und ist nicht korrekturbedürftig.
4. Die Klägerin vermag daher das Vorliegen der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht aufzuzeigen. Ihre Revision ist daher nicht zulässig und zurückzuweisen. Einer weitergehenden Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
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