OGH 7Ob688/88

OGH7Ob688/8810.11.1988

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I*** Gesellschaft m.b.H., Wien 13., Gloriettegasse 8, vertreten durch Dr. Michael Mohn, Rechtsanwalt in Wien, sowie der auf Seite der Klägerin beigetretenen Nebenintervenienten

1.) Dipl.Ing. Werner S*** und 2.) Dipl.Ing. Egbert F***, beide Salzburg, Reichenhaller Straße 6, vertreten durch Dr. Franz Kreibich und Dr. Alois Bixner, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei O*** B*** AN DER G***, vertreten

durch Dr. Martin Stock und Dr. Friedrich Hofmann, Rechtsanwälte in Zell am See, sowie die auf Seite der Beklagten beigetretene Nebenintervenientin M***, K*** & Co Baugesellschaft m.b.H., Linz, Sophiengutstraße 20, vertreten durch Dr. Walter Haslinger u.a., Rechtsanwälte in Linz, wegen S 533.670,-- s.A., infolge Rekurses der auf Seite der beklagten Partei beigetretenen Nebenintervenientin gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 1. Juni 1988, GZ 3 R 63/88-22, womit das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 17. Dezember 1987, GZ 1 Cg 110/86-15, zum Teil aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Verfahrens vor dem Obersten Gerichtshof sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Firma M***, K*** & Co Baugesellschaft m.b.H. hat im Auftrag der Beklagten einen der Gemeinde dienenden und von dieser gehaltenen Abwasserkanal errichtet. Der im Eigentum der Republik Österreich stehende Flußbauhof liegt im Bereich des Bauabschnittes 3 des Abwasserkanales. Nach Kanalaushub und Einbau sogenannter Spundwände traten plötzlich Risse in der dem Kanal zugewandten Außenmauer des Flußbauhofes auf. Am 25. März 1983 fand eine Besichtigung dieser Schäden durch den Bürgermeister der Beklagten, zwei Vertretern der Firma M*** sowie die von der Beklagten beauftragten Ingenieurkonsulenten Dipl.Ing. F*** und P*** statt. Es wurden Sicherungsmaßnahmen besprochen und eine Sanierung nach Stillstand der Setzungen in Aussicht genommen. Die Teilnehmer der Besprechung bekannten sich übereinstimmend dazu, daß dem Grundeigentümer und Benützer des Flußbauhofes keine Kosten erwachsen dürfen und der Bauherr des Abwasserkanals die Beklagte ist. Bereits im Jahre 1970 hatte der Ingenieurkonsulent für das Bauwesen Dipl.Ing. Werner S*** mit der Beklagten einen Vertrag über die Projektierung und die Bauleitung für die Wasserversorgungsanlage Bruck an der Glocknerstraße/Quellenzuleitung Wölferquelle geschlossen. Die ihm übertragene Bauleitung umfaßte unter anderem die Ausschreibung aller Leistungen und die Erstellung von Vergabevorschlägen, die Verhandlungen mit den Firmen und die Ausarbeitung und anschließende Vereinbarung von Liefer- oder Werkverträgen.

Nach Stillstand der Setzungen und Untersuchung informierten Dipl.Ing. S*** und Dipl.Ing. F*** im Zuge der Vorbereitungen für die Ausschreibung der Sanierung den Bürgermeister der Beklagten dahin, daß die Sanierung unumgänglich sei um eine Verschlechterung des Bauzustandes des Flußbauhofes zu verhindern. Sie forderten verschiedene Firmen, darunter auch die Klägerin auf, Anbote für die Sanierung zu erstellen. Die aufgrund der Ausschreibung eingegangenen Anbote wurden am 12. September 1985 beim G*** B*** in Gegenwart des Gemeindesekretärs und des Bürgermeisters eröffnet. Am 30. September 1985 wurde ein Vertreter der Klägerin telefonisch davon informiert, daß die G*** B*** der Klägerin den Auftrag zur Sanierung des Flußbauhofes erteilt habe. Im Anschluß an diese mündliche Auftragserteilung begann die Klägerin mit den Sanierungsarbeiten. Eine schriftliche Auftragserteilung ist nicht erfolgt.

In der Folge lehnte die Beklagte die Bezahlung der Sanierungsarbeiten ab.

Mit der vorliegenden Klage werden (nach nicht mehr bekämpfter Abweisung eines Teilbetrages von S 4.095,48 s.A.) an Kosten der Sanierung ein Betrag von S 533.670,-- s.A. verlangt. Die Beklagte wendete unter anderem mangelnde passive Klagslegitimation ein.

Das Erstgericht hat das Klagebegehren mit der Begründung abgewiesen, nach § 39 der Salzburger Gemeindeordnung bedürfen mit einer Gemeinde abgeschlossene Verträge zu ihrer Gültigkeit der Schriftform. Mangels Einhaltung dieser Formvorschrift sei es zu keinem wirksamen Vertrag zwischen den Streitteilen gekommen. Mangels eines behaupteten Verschuldens der Beklagten an den Schäden am Bauhof könne die Klägerin ihren Anspruch auch nicht aus dem Titel des Schadenersatzes geltend machen.

Das Berufungsgericht hat die Entscheidung des Erstgerichtes in dem oben aufgezeigten Umfang unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes bezüglich der Unwirksamkeit des abgeschlossenen Werkvertrages wegen Fehlens der Schriftform. Der Anspruch der Klägerin wäre jedoch gemäß § 1042 ABGB dann gerechtfertigt, wenn eine nachbarrechtliche Verpflichtung der Beklagten zum Schadenersatz gegenüber der Republik Österreich bestanden hätte. Ein solcher aus § 364 ABGB abzuleitender nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch wäre vom Verschulden unabhängig, würde jedoch voraussetzen, daß die Beklagte zur Zeit des Schadenseintrittes Eigentümerin des Grundstückes war, auf dem jener Abschnitt des Kanales liegt, dessen Errichtung zu den Schäden am Flußbauhof geführt habe. Diesbezüglich fehle es an Feststellungen. Im übrigen wäre auch bei Bejahung dieses Umstandes die Sache noch nicht spruchreif, weil die Höhe des geltend gemachten Anspruches nicht geprüft worden sei.

Rechtliche Beurteilung

Der von der Nebenintervenientin M***, K*** & Co

Baugesellschaft m.b.H. gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes erhobene Rekurs ist nicht gerechtfertigt.

Die Rechtsansicht der Untergerichte, daß mit einer Salzburger Gemeinde abgeschlossene Verträge zu ihrer Wirksamkeit gemäß § 39 der Salzburger Gemeindeordnung der Schriftform bedürfen, wird von der Klägerin nicht bekämpft. Sie behauptet lediglich weiterhin die Verfassungswidrigkeit dieser Bestimmung. Dem kann sich allerdings der Oberste Gerichtshof ebensowenig anschließen, wie das Berufungsgericht. Bezüglich der Gültigkeit eines Vertrages mit einer Gemeinde verweist § 867 ABGB auf die diesbezüglichen politischen Gesetze, worunter auch die Gemeindeordnungen der jeweiligen Bundesländer fallen. Die Gemeindeordnungen regeln die Vertretungsbefugnis für die Gemeinden. Sie enthalten Formvorschriften für von der Gemeinde abzuschließende Verträge. Verstöße gegen die Formvorschriften bewirken in der Regel Nichtigkeit, soweit es sich um gesetzlich vorgeschriebene Formen handelt. Bestimmungen über die Unterfertigungsbefugnisse sind in diesen Fällen als Vertretungsregeln zu verstehen. In den entsprechenden Normen sind die Form und die Vollmachtsfrage meistens miteinander verbunden. Entgegen verschiedener Lehrmeinungen wird nach herrschender Ansicht in der vorgeschriebenen Form eine vollmachtsbegrenzende Wirkung erblickt, die eine sachlich gerechtfertigte Privilegierung der Gemeinde darstellt (vgl. Rummel Rz 11 zu § 867, Wilhelm, Die Vertretung der Gebietskörperschaften im Privatrecht, 182 f).

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 39 der Salzburger Gemeindeordnung bestehen demnach nicht.

Geht man also davon aus, daß jener Werkvertrag, aus dem die Klägerin in erster Linie ihren Anspruch ableitet, mangels Einhaltung der vorgeschriebenen Schriftform nicht rechtswirksam zustandegekommen ist, so scheidet ein vertraglicher Entgeltanspruch der Klägerin aus. Selbstverständlich kann dort, wo die Wirksamkeit eines Vertrages von der Einhaltung bestimmter Formvorschriften abhängig gemacht wird, das konkludente Zustandekommen eines Vertrages nach § 863 ABGB bei Verletzung der Formvorschriften nicht in Frage kommen. Wer mit einer Gemeinde einen Vertrag schließt, muß die für ihre Willensbildung geltenden öffentlich-rechtlichen Bestimmungen beachten und sie auch dann gegen sich gelten lassen, wenn er sie nicht gekannt hat (EvBl. 1980/174, SZ 43/213 u.a.). Der Schutz des Vertrauens auf einen äußeren Tatbestand kommt insoweit nicht in Betracht (SZ 48/71, SZ 47/59 u.a.). Selbst wenn man einen solchen Schutz, im Widerspruch zur oberstgerichtlichen Judikatur, nicht zur Gänze ausschließen wollte, würde er dort seine Grenzen finden, wo ordnungsgemäß kundgemachte Organisationsnormen nach außen Handlungsbeschränkungen von Gemeindeorganen vorsehen, die über keine allgemeine Vertretungsmacht im Außenverhältnis verfügen (Verwaltungsgerichtshof ZfVB 1982/787, ZfVB 1981/922 u.a.). Zutreffend verweist das Berufungsgericht jedoch auch darauf, daß die Klägerin ihren Anspruch nicht ausschließlich auf den mit der Beklagten abgeschlossenen Vertrag, sondern auch auf bereicherungsrechtliche Bestimmungen (hier § 1042 ABGB) gestützt hat. Einem solchen Anspruch würde die Unwirksamkeit des abgeschlossenen Vertrages nicht entgegenstehen. Die im Rekurs genannten Belegstellen (Koziol-Welser, nunmehr I8, 401 und RdW 1984, 9) behandeln ganz allgemein die Rückforderung bei Unmöglichkeit oder Unerlaubtheit. Eine solche Rückforderung wird hier nur dann für unzulässig erachtet, wenn die Rückforderungsmöglichkeit dem Zweck der die Ungültigkeit begründenden Norm widersprechen würde. Falls also das Verbotsgesetz nur die Entstehung durchsetzbarer Verpflichtungen verhindern will, ohne eine tatsächlich vorgenommene Vermögensverschiebung zu mißbilligen, so begründet die Nichtigkeit für sich allein keinen Rückforderungsanspruch.

Im vorliegenden Fall verfolgt, wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, § 39 der Salzburger Gemeindeordnung den Zweck, die Gemeinden vor unüberlegten Vertragsabschlüssen zu schützen und insbesondere für die Gemeinde klare Verhältnisse bezüglich bestehender Verträge zu schaffen. Keinesfalls will diese Bestimmung aber verhindern, daß die Gemeinden zu ihrem Nutzen gemachte Aufwendungen kostenlos erhalten. Demnach spricht der Zweck der erwähnten Bestimmung nicht gegen das Bestehen von Bereicherungsansprüchen.

Ob § 1042 ABGB auch im reinen zweipersonalen Verhältnis anwendbar ist, muß hier nicht geprüft werden, weil hier ein solches rein zweipersonales Verhältnis nicht gegeben ist. Vielmehr hat die Klägerin eine Verpflichtung erfüllt, die die Beklagte gegenüber einem Dritten gehabt hätte. Sie hat also eine fremde Schuld erfüllt. Was den animus obligandi anlangt, so entspricht es nunmehr der Lehre und ständigen Rechtsprechung (Rummel Rz 6 zu § 1042, SZ 57/121 u.a.), daß dieser vermutet wird. Die Rückforderung ist nur ausgeschlossen, wenn die Leistung nachweislich in der Absicht erbracht wurde, keinen Ersatz zu verlangen, z.B. in Schenkungsabsicht. Daß eine solche Absicht seitens der Klägerin bestanden hätte, wurde in diesem Verfahren von niemandem behauptet. Fest steht, daß eine im Eigentum der Republik Österreich stehende Anlage durch Einwirkungen beim Bau des von der Klägerin betriebenen Abwasserkanals beschädigt worden ist. Nach § 364 ABGB war also die Republik Österreich berechtigt, den Ersatz des zugefügten Schadens zu verlangen. Hiebei handelt es sich, zumal der Schaden im Zusammenhang mit einer Anlage im Sinne des § 364 a ABGB verursacht worden ist, um einen verschuldensunabhängigen Ausgleichsanspruch (Spielbüchler in Rummel Rz 18 zu § 364, SZ 48/15 u.a.). Entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes ist allerdings für einen solchen Ersatzanspruch nicht erforderlich, daß der Betreiber der Anlage, deren Bau die schädliche Auswirkung verursacht hat, auch Eigentümer des Grundes war, auf dem die Anlage betrieben wird. Vielmehr ist der Störer und schlechthin jeder ersatzpflichtig, dem die Immision wegen seiner Beziehung zum imitierenden Grundstück zugerechnet wird. Dieser Anspruch richtet sich also nicht nur gegen den Grundeigentümer, sondern gegen jeden, der das Grundstück für seine Zwecke benutzt (Spielbüchler in Rummel Rz 5 zu § 364, SZ 42/159, SZ 41/84, SZ 38/106 u.a.). Daß die Beklagte Betreiberin des für ihre Zwecke errichteten Abwasserkanales war und ist, steht fest. Demnach bedarf es in dieser Richtung keiner weiteren Erörterung oder Feststellung mehr. Vielmehr traf die Beklagte gemäß § 364 ABGB unabhängig von ihrem Verschulden die Haftung für den durch den Abwasserkanal der Republik Österreich zugefügten Schaden. Von einer Verjährung dieses Anspruches kann keine Rede sein, weil durch die Leistung der Klägerin der Ersatzanspruch der Republik Österreich innerhalb der Verjährungsfrist befriedigt worden ist und demnach gerade durch diese Leistung nicht mehr besteht. Es verbleibt nur noch der Ersatzanspruch der Klägerin nach § 1042 ABGB, der keinesfalls verjährt sein kann.

Ungeachtet des Umstandes, daß die vom Berufungsgericht aufgezeigte Frage nicht mehr erörterungsbedürftig ist, erweist sich jedoch die Aufhebung des erstgerichtlichen Urteiles als richtig, weil die Höhe des Klagsanspruches bisher nicht geprüft wurde. Im Ergebnis mußte daher der angefochtene Beschluß bestätigt werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.

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