Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird nach Verfahrensergänzung eine neue Entscheidung aufgetragen.
Text
Begründung
Mit Beschluß vom 22.Dezember 1983 (ON 146) wurde über Antrag beider erbserklärter Erben Dr.Hans W***, Rechtsanwalt, Wien 1, Opernring 23, zum Verlassenschaftskurator bestellt. Zu seinem Aufgabenbereich gehörte unter anderem auch die Geltendmachung von Honorarforderungen des Erblassers, zu welchem Zweck er Handakte des Erblassers erhielt (ON 150). Mit Mantelbeschluß vom 11.März 1987 (ON 717) wurde unter anderem der Verlassenschaftskurator seines Amtes enthoben und mit Einantwortungsurkunde vom gleichen Tag (ON 718) der Nachlaß den bedingt erbserklärten Erben Dr.Robert P*** und Christa K*** je zur Hälfte eingeantwortet. Die Schlußrechnung des Verlassenschaftskurators ist noch nicht rechtskräftig erledigt (ON 823).
Am 22.April 1988 (ON 804) beantragte die Miterbin Christa K***, dem Verlassenschaftskurator aufzutragen, ihr die Handakte des Erblassers betreffend bestimmte bezeichnete Rechtssachen auszufolgen, da sie diese zur Fortsetzung der Verfahren benötige.
Das Erstgericht wies diesen Antrag mit der Begründung ab, daß der Rechtsanwalt auch nach Beendigung der Vertretung gemäß § 12 Abs 2 RAO niemals verpflichtet sei, der Partei die Handakte auszuhändigen.
Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes mit der Maßgabe, daß es den Antrag der Miterbin Christa K*** zurückwies. Nach der Auffassung des Rekursgerichtes sei das Abhandlungsgericht nach rechtskräftiger Einantwortung nicht befugt, den Verlassenschaftskurator zur Herausgabe von Handakten an einen Miterben zu verhalten. Auf das Eigentum gestützte Herausgabeansprüche seien nicht im außerstreitigen Verfahren geltend zu machen.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revisionsrekurs der Christa K*** ist ohne Beschränkung auf die Anfechtungsgründe des § 16 AußStrG zulässig. Fällt nämlich das Erstgericht - wie hier - eine Sachentscheidung und weist das Rekursgericht den Antrag dagegen aus formellen Gründen zurück, liegt keine bestätigende Entscheidung vor (7 Ob 26/87).
Der Revisionsrekurs ist auch berechtigt.
Der Verlassenschaftskurator ist der vom Gericht bestellte Verwalter und Vertreter des ruhenden Nachlasses. Die Verwaltung des Nachlasses hat er nach den für den Vormund geltenden Grundsätzen zu führen (Knell, die Kuratoren im österreichischen Recht 105). Es sind daher auch die für den Vormund geltenden Bestimmungen über die Legung einer Schlußrechnung und über die Übergabe des Vermögens nach Beendigung der Vormundschaft sinngemäß auf den Verlassenschaftskurator nach seiner Enthebung anzuwenden (vgl. Knell aaO 275). Der Verlassenschaftskurator hat daher nach seiner Enthebung und nach Einantwortung des Nachlasses das in seinen Händen befindliche Vermögen den Erben gegen Empfangsschein zu übergeben und sich darüber bei Gericht auszuweisen. Diese Vermögensübergabe ist im Verfahren außer Streitsachen durchzusetzen und das Verlassenschaftsgericht hat nötigenfalls den Verlassenschaftskurator zur Vermögensübergabe anzuweisen (§ 263 ABGB, § 217 Abs 1 AußStrG). Die Anweisung der Übergabe des in Händen des Verlassenschaftskurators befindlichen Vermögens nach § 217 Abs 1 AußStrG hat in vollstreckbarer Form zu erfolgen (1 Ob 674/87; GlU 3777; Knell aaO 276; Pichler in Rummel, ABGB, Rz 3 zu § 263). Vermögen ist hiebei im weitesten Sinn als die Summe der Gegenstände zu verstehen, die einer Person kraft Privatrechtstitels zustehen. Der Rechtsmittelwerberin ist daher darin beizupflichten, daß unter die Übergabepflicht des Verlassenschaftskurators auch die in seinen Händen befindlichen Handakte eines verstorbenen Rechtsanwaltes fallen, an denen der Erbe mit der Einantwortung Eigentum erworben hat. Nur die Übergabe solcher Handakte und nicht auch der Handakte des Verlassenschaftskurators hat die Rechtsmittelwerberin begehrt. Solche Handakte fallen nicht unter § 12 Abs 2 RAO, ihre Übergabe könnte daher vom Verlassenschaftskurator nicht unter Berufung auf diese Bestimmung verweigert werden.
Eine Vermögensausfolgung an den Erben im Sinne der §§ 263 ABGB und 217 Abs 1 AußStrG kann nur dann unterbleiben, wenn ihr im Einzelfall besondere Hindernisse entgegenstehen (vgl Rintelen, Grundriß des Verfahrens außer Streitsachen 103). Solche Hindernisse können auch rechtlicher Art sein. Dies ist etwa der Fall, wenn zwei Miterben mit der Einantwortung mangels Erbteilung Miteigentümer zu ideellen Anteilen an zum Nachlaß gehörigen Gegenständen geworden sind und weder eine Einigung der Miterben noch mangels Einigung eine Entscheidung des Außerstreitrichters darüber vorliegt, welchem der Miteigentümer die Gewahrsame zustehen soll (vgl Gamerith in Rummel, ABGB, Rz 1 und 11 zu § 833).
Im vorliegenden Fall wurde der Nachlaß des Verstorbenen, dessen Sohn Dr.Robert P*** und der Rechtsmittelwerberin je zur Hälfte eingeantwortet. Mangels Erbteilung sind daher beide durch die Einantwortung Miteigentümer zu ideellen Anteilen auch der Handakte des Erblassers geworden. Eine Anweisung an den Verlassenschaftskurator zur Ausfolgung an die Rechtsmittelwerberin käme daher nur dann in Betracht, wenn der Miterbe zustimmt. Dies wird im fortgesetzten Verfahren zu prüfen und auch dem Verlassenschaftskurator Gelegenheit zum Gehör zu geben sein. Demgemäß ist dem Revisionsrekurs Folge zu geben.
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