OGH 1Ob674/87

OGH1Ob674/8711.11.1987

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Kodek und Dr. Redl als weitere Richter in der Vormundschaftssache Johannes R***, geboren 27. Februar 1967, infolge Revisionsrekurse des Johannes R***, Wien 18., Martinstraße 18, vertreten durch Dr. Walter Schuppich, Dr. Werner Sporn, Dr. Michael Winischhofer und Dr. Martin Schuppich, Rechtsanwälte in Wien, und des ehemaligen Vormundes Ludwig P***, Versicherungsvertreter, Wien 12., Edelsinnstraße 18/4, vertreten durch Dr. Peter Rudeck, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 11. August 1987, GZ. 43 R 400/87-301, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 17. April 1987, GZ. 8 P 214/80-291, teils bestätigt und teils aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs des Johannes R*** wird nicht Folge gegeben.

Dem Revisionsrekurs des ehemaligen Vormundes wird Folge gegeben. Punkt 7 des erstgerichtlichen Beschlusses wird aufgehoben und dem Erstgericht auch hiezu eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Text

Begründung

Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 10. Jänner 1984, ON 189, wurde nach dem Ableben der Mutter Edenhild R*** Ludwig P*** zum Vormund des am 27. Februar 1967 geborenen Johannes R*** bestellt. Am 23. März 1984 ersuchte der Vormund um Freigabe eines Betrages von S 12.000 für den Unterhalt des Minderjährigen. Er erhalte derzeit weder eine Waisenpension noch Unterhaltsbeträge vom Vater. Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 4. Juni 1984, ON 213, wurde der Vormund ermächtigt, von einem Sparbuch des Mündels den Betrag von S 12.000 als Ersatz für bereits getätigte Auslagen zu beheben. Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 6. März 1985, 8 A 57/84-22, wurde der vom Gerichtskommissär erstattete Endausweis mit einem Aktivstand von S 492.928,51 abhandlungs- und pflegschaftsgerichtlich genehmigt. Nach Punkt 5 des Mantelbeschlusses wurde der Vormund ermächtigt, von einem Sparbuch den Betrag von S 41.065 zwecks Begleichung von ausgewiesenen Begräbniskosten, Fernmeldegebühren, Mietzinsen, Sachverständigengebühr und der Gebühr des Gerichtskommissärs zu beheben. Der Nachlaß wurde dem Minderjährigen mit Einantwortungsurkunde vom selben Tag zur Gänze eingeantwortet. Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 23. Juli 1985, ON 235, wurde der Vormund ermächtigt, den Betrag von S 51.038 zur Bezahlung der vorgeschriebenen Erbschaftssteuer und zur Anschaffung einer Heimorgel von einem Sparbuch zu beheben. Nach Eintritt der Volljährigkeit legte der Vormund, der zu einer jährlichen Rechnungslegung weder aufgefordert worden war noch eine solche erstattet hatte, am 29. April 1986 die Schlußrechnung (ON 251). Schon in dieser wies er darauf hin, daß auch diverse Ausgänge wie Telefongespräche und Fahrten, die einzig durch die Vormundschaft bedingt gewesen seien, zu berücksichtigen seien, er aber keine Unterlagen beibringen könne. Mit Beschluß des Erstgerichtes vom 10. September 1986, ON 266, wurden die mit den Beschlüssen des Erstgerichtes vom 6. März 1985, 8 A 57/84-22, und vom 23. Juli 1985, ON 235, angeordneten Sperren der Sparbücher, Sparbriefe und Wertpapierdepots aufgehoben. Der Vormund übergab dem Vertreter des Volljährigen am 15. Mai 1986 eine Reihe in seiner Verwahrung befindlicher, zum Teil dem Gericht bisher nicht bekannt gewesener Sparbücher.

Das zur Erledigung der Schlußrechnung berufene Erstgericht stellte fest, welche Bankguthaben des Volljährigen mit Stichtag vom 27. Februar 1986 vorhanden waren; die Einnahmen des Vormundes für den Verrechnungszeitraum (10. Jänner 1984 bis 27. Februar 1986) betrügen S 186.840 (Waisenpension rund S 75.890, Unterhaltszahlungen des Vaters rund S 100.950, Zuwendungen von Ermeline E*** S 7.000, Verkaufserlös von Verlassenschaftsgegenständen S 3.000); es sprach aus, daß dem Mündel vom Vormund in diesem Zeitraum Unterhalt in der Höhe der Eingänge aus Waisenpensionen und Unterhaltszahlungen gewährt worden und daß ein Betrag von S 51.038 für die Anschaffung einer Heimorgel und Zahlung der Erbschaftssteuer verwendet worden sei. Es trug dem Vormund auf, an Johannes R*** binnen vier Wochen den Betrag von S 22.000 zu bezahlen. Dieser Betrag errechne sich aus den oben angeführten Einnahmen von S 3.000 und S 7.000 sowie dem vorschußweise gewährten Betrag von S 12.000, der durch Pensionsnachzahlungen später gedeckt worden sei. Eine Entlastung wurde dem Vormund nicht erteilt.

Dieser Beschluß wurde sowohl von Johannes R*** als auch vom ehemaligen Vormund mit Rekurs bekämpft. Der Vormund führte aus, daß das Gericht nicht berücksichtigt habe, daß ihm durch den Zuzug des Mündels finanzielle Belastungen durch zusätzliche PKW-Fahrten und durch die von ihm und seiner Gattin anläßlich der durch die Aufnahme des Mündels in den Familienverband notwendig gewordene Übersiedlung erbrachten Leistungen entstanden seien. Johannes R*** beantragte, als weitere Einnahmen die vom Vormund bezogene Familienbeihilfe von S 31.500, den Verkaufserlös von Gegenständen des Verlassenschaftsverfahrens mit S 12.000 statt S 3.000 und Zuwendungen seiner Tante Ermeline E*** statt S 7.000 mit S 12.000 festzustellen; weiters seien Abhebungen des Vormundes aus den Sparbüchern mit S 26.503,67 zu berücksichtigen. Der Betrag von S 51.038 für die Anschaffung einer Heimorgel und die Zahlung der Erbschaftssteuer des Minderjährigen sei nicht aus den laufenden Einnahmen bezahlt worden. Der monatlich für ihn aufgewendete Unterhalt sei mit S 5.500 anzunehmen. Dem seinerzeitigen Vormund sei daher die Rückzahlung des Betrages von S 133.343,67 aufzuerlegen. Das Rekursgericht gab dem Rekurs des ehemaligen Vormundes nicht, dem des Johannes R*** teilweise Folge. Es hob den Beschluß des Erstgerichtes, soweit Einnahmen und Ausgaben im Verrechnungszeitraum festgestellt wurden, auf und trug dem Erstgericht in diesem Punkt nach Verfahrensergänzung eine neuerliche Entscheidung auf. Den Punkt 7 des Beschlusses (Rückzahlungspflicht des Vormundes in der Höhe von S 22.000) bestätigte es. Es führte aus, dem Rekurs des ehemaligen Vormundes könne entnommen werden, daß er - ohne einen bestimmten Betrag zu nennen - ein Begehren auf Zuerkennung einer Belohnung und Ersatz ihm entstandener Auslagen anstrebe. Ein solches Begehren habe er in erster Instanz aber nicht gestellt, der angefochtene Beschluß sei auch nicht zu dieser Frage ergangen, so daß seinem Rekurs ein Erfolg zu versagen sei. Bei den Einnahmen aus dem Verkauf von Verlassenschaftsgegenständen sei nur der tatsächlich erzielte Kaufpreis einzusetzen. Ob der Vormund pflichtwidrig Gegenstände verschleudert habe, sei bei Prüfung der Schlußrechnung nicht zu prüfen. Solche Ansprüche könnten nur im Rechtsweg geltend gemacht werden. Ob Ermeline E*** dem Vormund insgesamt S 7.000 oder S 12.000 vorschußweise zur Deckung des Unterhaltes übergeben habe, werde auf Grund weiterer vom Erstgericht vorzunehmender ergänzender Erhebungen festzustellen sein. Die Familienbeihilfe sei gemäß § 12 a FamL*** kein Einkommen des Kindes. Der Vormund sei daher nicht verrechnungspflichtig. Gegen die vom Erstgericht angenommenen monatlichen Unterhaltsauslagen von S 7.000 bestünden keine Bedenken. Zutreffend rüge der Rekurs des Johannes R*** aber, daß der Betrag von S 51.038, zu dessen Behebung der Vormund vom Gericht ermächtigt worden sei, nicht noch einmal aus den laufenden Einkünften als Ausgaben verrechnet werden könne. Die Verwendung dieses Betrages und des auf Grund einer Genehmigung des Verlassenschaftsgerichtes behobenen Betrages von S 41.065 werde zu überprüfen sein. Sollte sich im ergänzenden Verfahren die Schlußrechnung derart erstellen, daß ein Passivum zu Lasten des Vormundes bestehe, habe es dabei sein Bewenden zu haben; über die Rückzahlungspflicht selbst sei im Rechtswege zu entscheiden. Diese Rechtslage werde durch die im Punkt 7 der angefochtenen Entscheidung unbekämpft ausgesprochene Rückzahlungsverpflichtung nicht verändert. Gegen diesen Beschluß richten sich die Revisionsrekurse des ehemaligen Vormundes und des Johannes R***. Der ehemalige Vormund beantragt, den Punkt 7 des erstgerichtlichen Beschlusses ersatzlos aufzuheben, Johannes R***, den Beschluß des Rekursgerichtes zwar zu bestätigen, aber auszusprechen, daß die monatlichen laufenden Einnahmen an Waisenpensionen und Unterhaltszahlungen nur S 5.876 betragen haben, diesen stünden Ausgaben für seinen Unterhalt in derselben Höhe gegenüber; ferner möge dem Erstgericht die Rechtsansicht überbunden werden, daß die Herausgabe des in der Hand des seinerzeitigen Vormundes befindlichen Vermögens an Johannes R***, soweit in der Schlußrechnung ein solches Passivum zu Lasten des Vormundes festgestellt wird, im außerstreitigen Verfahren zu verfügen sei und, sofern der Vormund diesem Auftrag keine Folge leiste, im außerstreitigen Verfahren auch durchzusetzen sei.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs des ehemaligen Vormundes ist berechtigt, inhaltlich zum Teil auch der Revisionsrekurs des Johannes R***.

Gemäß § 238 ABGB sind auf die Rechnungslegung des Vormundes die Bestimmungen über die Rechnungslegung der Eltern eines mj. Kindes anzuwenden. Nach § 150 Abs 1 ABGB haben die Eltern über das Vermögen des mj. Kindes dem Gericht jährlich Rechnung zu legen, über die Erträgnisse jedoch nur, soweit sie nicht für den Unterhalt des Kindes verwendet worden sind. Für die Erledigung der Rechnung des Vormundes gelten die Vorschriften der §§ 204 bis 206, 208 bis 215 AußStrG. Nach § 262 ABGB ist der Vormund verbunden, längstens innerhalb zweier Monate nach geendigter Vormundschaft dem Gericht seine Schlußrechnung zu übergeben; der Vormund erhält vom Gericht nach gepflogener Richtigkeit eine Urkunde über die redlich und ordentlich geführte Verwaltung seines Amtes. Die Schlußrechnung ist normalerweise nur die letzte der im Sinne des § 238 ABGB periodisch zu erstellenden Abrechnungen (SZ 49/21; Pichler in Rummel, ABGB, Rz 2 zu §§ 261 bis 263; Wentzel-Piegler in Klang2 I/2, 478 f.); fand aber eine periodische Rechnungslegung überhaupt nicht statt und befreite das aus der Vormundschaft getretene Mündel den Vormund von der gerichtlichen Erstattung der Schlußrechnung nicht (§ 215 Abs 3 AußStrG), so hat sie sich wie im vorliegenden Fall über den gesamten Zeitraum der Vormundschaft zu erstrecken. Das Gericht hat die Rechnung gemäß § 208 AußStrG materiell genau zu überprüfen (JBl. 1968, 92; Knell, Die Kuratoren im österreichischen Recht 221). Diese Überprüfung hat, wie die detaillierten Vorschriften der §§ 209, 210 AußStrG zeigen, im Vormundschaftsverfahren zu erfolgen. Eine Verweisung auf den Rechtsweg ist, wie Johannes R*** in seinem Rechtsmittel zutreffend ausführt, ausgeschlossen (EvBl. 1962/180; EvBl. 1959/365; SZ 11/184; GlUNF 3953; Knell aaO 222, 275; Wentzel-Piegler aaO 437).

Gemäß § 263 ABGB, § 217 Abs 1 AußStrG hat das Gericht dem Volljährigen sein Vermögen zu übergeben und, soweit es sich in den Händen des Vormundes befindet, diesen anzuweisen, die Übergabe zu pflegen und sich darüber binnen einer angemessenen Frist auszuweisen. Die Anweisung der Vermögensübergabe des in den Händen des Vormundes befindlichen Vermögens nach § 217 Abs 1 AußStrG hat in vollstreckbarer Form zu erfolgen (GlU 3777; Knell aaO 276, Pichler aaO Rz 3 zu § 263). Ein Gegenstand der Rechnungslegung und damit der Schlußrechnung sind aber jedenfalls, wenn Mündelvermögen vorhanden ist und der Verwaltung des Vormundes unterliegt (3 Ob 625/83), auch Aufwandersatzansprüche, Ansprüche auf Entgelt und allenfalls Belohnung des Vormundes. Aufwandersatzansprüche fallen nur dann nicht darunter, wenn sie der gesetzliche Vertreter daraus ableitet, daß er, obwohl eine Ermächtigung des Vormundschaftsgerichtes erforderlich gewesen wäre, ohne solche Genehmigung die Geschäfte geführt hat (EFSlg. 15.531; SZ 25/270). Einen solchen Aufwandersatz macht der ehemalige Vormund aber nicht geltend. Er machte, wenn auch nicht ziffernmäßig bestimmt, entgegen den aktenwidrigen Ausführungen des Rekursgerichtes bereits in erster Instanz die Verminderung eines allfälligen bei ihm sich erübrigenden Kassarestes durch Verrechnung der ihm infolge der Führung der Vormundschaft erwachsenen Mehrauslagen, insbesondere an Fahrtspesen, geltend. Diese bilden einen zulässigen Inhalt der Vormundschaftsrechnung (Knell aaO 220); solche Ansprüche unterliegen der materiellen Prüfungspflicht des Gerichtes nach § 208 AußStrG; allerdings billigt das Gesetz dem Gericht bei geringfügigen Anständen eine gewisse Großzügigkeit zu (§ 211 AußStrG). Die widersprüchlich beantwortete Frage, ob bei Bestimmung von Entgelt, Auslagenersatz oder Belohnung in der Schlußrechnung, die nicht durch in Händen des ehemaligen Vormundes befindliche Mittel gedeckt sind, das Vormundschaftsgericht einen gegen das Mündel ergehenden Exekutionstitel zu schaffen hat (so VfSlg. 2782/1954; Pichler aaO Rz 4 zu §§ 266, 267 ABGB; aA RPflSlgE 1959/3006; EvBl. 1950/389; Knell aaO 232; Wentzel-Piegler aaO 493) muß hier nicht beantwortet werden. Zu klären ist vielmehr nur, ob und in welcher Höhe sich ein Kassarest in Händen des ehemaligen Vormundes befindet, nicht aber, ob das Mündel nach erreichter Volljährigkeit zur Bezahlung von Auslagen des Vormundes exekutiv verpflichtet werden soll. Der Beschluß des Rekursgerichtes ist mit einer offenbaren Aktenwidrigkeit behaftet, wenn er annimmt, der Vormund habe die Berücksichtigung von Mehrauslagen in erster Instanz nicht begehrt und zum Gegenstand seiner Schlußrechnung gemacht. Infolge der Aufhebung des Punktes 5 des Beschlusses des Erstgerichtes über die Höhe der Einnahmen und der Ausgaben innerhalb des Verrechnungszeitraumes fehlt es derzeit überhaupt an Grundlagen, einen noch offenen Kassarest feststellen zu können. Dem Revisionsrekurs des ehemaligen Vormundes ist daher Folge zu geben, Punkt 7 des Beschlusses des Erstgerichtes aufzuheben und diesem die neuerliche Entscheidung, die bei Feststellung eines offenen Kassarestes auch den exekutiven Auftrag zu dessen Herausgabe an den volljährig Gewordenen zu umfassen haben wird, aufzutragen. Soweit Johannes R*** in seinem Revisionsrekurs entgegen seinen Ausführungen im Rekurs nunmehr behauptet, die Summe der Waisenpensionen und Unterhaltszahlungen hätte monatlich nicht S 7.000, sondern nur S 5.876 betragen, er aber ohnedies konzediert, daß auch dieser Betrag letztlich rechnungsfrei für seinen Unterhalt verwendet werden konnte, ist nicht ersichtlich, wie er durch die anderslautenden Annahmen der Vorinstanzen in seiner Rechtssphäre beschwert sein könnte.

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