Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden mit Ausnahme der unbekämpft gebliebenen Abweisung des Zinsenmehrbegehrens von 4 % aus S 1.634,30 vom 11.3.1993 bis 16.12.1993 durch das Urteil des Gerichtes zweiter Instanz aufgehoben. Die Rechtssache wird im angefochtenen Umfang zur neuerlichen Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die Klägerin, die bei der beklagten Partei einen 1-Tages-Schipaß gelöst hatte, wurde am 2.1.1993 im Bereich des Zuganges zur Talstation des Lärchenkogelsesselliftes auf der Planai bei Schladming bei einem Schiunfall verletzt. Sie wurde vom Nebenintervenienten Hermann M*****, der während seiner Schiabfahrt außerhalb des abgegrenzten Zugangsbereiches gestürzt war, zu Boden gerissen.
Die Klägerin begehrte insgesamt S 55.800 samt 4 % Zinsen aus S 41.434,30 ab 11.3.1993 bis 16.12.1993 zuzüglich 4 % Zinsen aus S
55.800 ab 17.12.1993, wovon S 51.000 auf Schmerzengeld, insgesamt S
4.300 auf die beschädigte Schiausrüstung und Kleidung und S 500 auf den erlittenen Verdienstentgang entfielen. Die beklagte Partei habe ihre Schutz- und Verkehrssicherungspflichten verletzt, weil sich der von der beklagten Partei ausgepflockte Zugang zum Sessellift im Bereich der FIS-Abfahrt Planai befinde, so daß die beklagte Partei damit rechnen habe müssen, daß Schifahrer auf dieser Abfahrt zu Sturz kommen. Der Zugangsbereich sei nicht ordnungsgemäß abgesichert gewesen. Die zwischen den Pflöcken gespannten Seile seien ungeeignet gewesen, die im Zugangsbereich wartenden Personen vor gestürzten Schifahrern zu schützen. Es seien an der Unfallstelle anstatt vier Seilen lediglich drei Seile zwischen den Pflöcken gespannt gewesen. Weil das unterste Seil gefehlt habe, sei es möglich gewesen, daß Hermann M***** unter den Seilen durchgerutscht sei.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Das Alleinverschulden treffe den gestürzten Schifahrer, der im Hinblick auf die Pistenverhältnisse und auf sein Fahrkönnen eine überhöhte Geschwindigkeit gewählt habe. Der Wartebereich vor dem Sessellift liege nicht am Fuß eines steilen Hanges. Im Einfahrtsbereich von der Piste zum Zugang seien entsprechende Hinweisschilder, hier langsam zu fahren, angebracht gewesen. Die Talstation des Sesselliftes sei ordnungsgemäß ausgeführt und im Rahmen einer Kommissionierung im Jahr 1989 für in Ordnung befunden worden. Die Pflöcke samt den Seilen hätten lediglich Leitfunktion. Selbst wenn das unterste Seil vorhanden gewesen wäre, wäre der Schifahrer dennoch in den Zugangsbereich gerutscht.
Der Nebenintervenient behauptete, er habe eine angemessene Geschwindigkeit eingehalten, so daß ihn kein Verschulden am Unfall treffe.
Der Höhe nach wurde nur die Schmerzengeldforderung bestritten.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf folgende Feststellungen:
Gegen 15,15 Uhr befand sich die Klägerin im Wartebereich des Lärchkogelliftes. Die Umsperrung der Talstation dieses Liftes wird durch 1,2 m hohe Holzsteher, die mit Schutzpolstern ummantelt und mit Plastikseilen miteinander verbunden waren, gebildet. Während zum Unfallszeitpunkt die Leiteinrichtung, die gemäß der Schleppliftrichtlinien der Republik Österreich aus dem Jahr 1982 die Benützer an die Einstiegstelle führen und einen abgekürzten Zugang verhindern soll, im östlichen Absperrungsfeld aus drei Seilen bestand, wurde die Südabsperrung um ein weiteres Seil im unteren Bereich ergänzt. Der Abstand zwischen den Seilen betrug jeweils 35 cm. Bei einer Schneelage von 40 cm hätte sich ein viertes, unterstes Seil auf gleicher Höhe mit der Schneegrenze befunden. Der Schneestand zum Unfallszeitpunkt war jedoch niedriger. Im Ostfeld befanden sich deswegen nur drei Seile, weil die Absperrung zwei- bis dreimal wöchentlich entfernt wurde, damit auch der Wartebereich vom Pistengerät präpariert werden konnte. Ein Schifahrer im Sturz kann jedoch auch durch eine 35 cm große Lücke hindurchrutschen. Die Leiteinrichtung entspricht der Betriebsbewilligung. Eine Ergänzung durch Fangnetze ist nicht üblich.
Die FIS-Abfahrt Planai weist im Sichtbereich der Talstation (200 m) am steisten Stück ein Gefälle von durchschnittlich 30 % auf, welches hierauf auf 15 % abfällt und letztendlich bei der Absperrung mit 0 % ausläuft.
Hermann M*****, ein guter Schifahrer, der auch selbst Schiunterricht erteilt, hatte die Absicht, zum Lärchkogellift zuzufahren. Er setzte oberhalb der Leiteinrichtung des Wartebereiches bei sehr hoher Geschwindigkeit (ca 50 km/h) zu einem Rechtsschwung an, glitt hiebei ca 15 m oberhalb des Wartebereiches auf einer eisigen Stelle der präparierten Piste aus und kam zu Sturz. Er rutschte bergabwärts mit den Schiern voraus und unter dem Seil der Leiteinrichtung des Warteraumes hindurch, wo er auf die Klägerin aufprallte.
An der Unfallstelle, also im Zugangsbereich zum Lärchkogellift, hat sich noch nie ein derartiger Unfall zugetragen.
Das Erstgericht vertrat die Ansicht, daß die beklagte Partei zwar Schutz- und Sorgfaltspflichten gegenüber der Klägerin infolge des mit ihr geschlossenen Beförderungsvertrages träfen. Diese dürften auf Schipisten jedoch nicht überspannt werden. Die Leiteinrichtung der Zugangsstelle sei auf 200 m sichtbar und durch Schilder angezeigt gewesen. Sie habe sich auch an keiner gefährlichen oder steilen Stelle befunden. Schifahrer müßten deren Umfahrung bewältigen. Andernfalls treffe sie selbst das Verschulden. Vor Schifahrern, die aus Verschulden anderer Schifahrer verletzt würden, müsse der Liftbetreiber die im Warteraum stehenden Liftbenützer nicht schützen.
Das Gericht zweiter Instanz gab der Berufung der Klägerin - mit Ausnahme eines geringfügigen Zinsenteilbegehrens - Folge und änderte das Urteil im wesentlichen im Sinn einer Klagsstattgebung ab. Es traf ergänzende Feststellung über die von der Klägerin erlittene Verletzung und deren Schmerzperioden und führte in rechtlicher Hinsicht aus: Es falle in den Rahmen der die beklagte Partei als Liftunternehmer treffenden Schutzpflichten, den Liftbenützern einen sicheren Zugang zur Betriebsanlage zu gewährleisten. Als Zugang sei der Bereich der Talstation anzusehen, der als Zugang für die Liftbenützer durch anzubringende Leiteinrichtungen abgegrenzt und zur Verfügung gestellt werde. Die beklagte Partei habe dafür sorgen müssen, daß die beim Lift auf die Beförderung wartenden Schifahrer nicht gefährdet oder geschädigt werden. Aufgrund der konkreten Ausgestaltung des Zugangsbereiches zur Lärchkogelsesselbahn sei es möglich gewesen, daß zu Sturz gekommene Schiläufer über den westlichen Pistenrand hinaus in den Stauraum rutschen hätten können. Selbst wenn sich bisher kein solcher Unfall ereignet gehabt habe, hätte die beklagte Partei mit einem Abkommen gestürzter Pistenbenützer in den Wartebereich rechnen müssen. Daß sie die Möglichkeit eines Anpralles für gegeben erachtet habe, zeige sich schon durch die Ummantelung der Holzsteher mit Schutzpolstern. Es könne nicht als ein Überspannen von Verkehrssicherungspflichten angesehen werden, wenn die beklagte Partei das Unterlassen der Bewahrung der Wartenden vor naheliegenden Gefahren - mit einem Abrutschen von auf der Piste aufgrund von Fahrfehlern oder eisigen Stellen Gestürzter sei immer zu rechnen gewesen - durch geeignete Vorkehrungen - hier würden sich Fangnetze anbieten - zum Vorwurf gemacht werde. Die Errichtung einer adäquaten Absicherung, deren Gefahrenmoment für die Pistenbenützer wohl als erheblich geringer anzusehen sei als jenes, das für die in der Warteschlange befindlichen von stürzenden Schiläufern ausgehe, würde auch der "flüssige Schilauf" in keiner Weise beeinträchtigt.
Das Gericht zweiter Instanz sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei, weil eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage der den Pistenhalter im Zugangs- und Wartebereich einer Liftstation fallenden Absicherungspflicht fehle.
Die Revisionen der beklagten Partei und des Nebenintervenienten sind zulässig und im Sinne einer Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Das auch bei Unfällen beim Betrieb von Sesselliften anzuwendende EKHG (vgl § 2 Abs 1 EKHG und § 1 Eisenbahngesetz) kommt hier nicht zum Tragen, weil der gegenständliche Unfall nicht auf die betriebseigentümliche Gefahr zurückzuführen war und ohne unmittelbaren Zusammenhang mit dem Beförderungsvorgang erfolgte (vgl ZVR 1981/220; SZ 24/9; ZVR 1960/207).
Die Vorinstanzen haben die von Lehre und Rechtsprechung entwickelten Grundsätze der Haftung des Pistenhalters und des Schiliftbetreibers grundsätzlich zutreffend wiedergegeben (vgl die Zusammenfassung bei Reischauer in Rummel, ABGB2, Rz 24 e ff, insbesondere auch Rz 24 h zu § 1319a. Zu diesen Pflichten gehört auch, daß der Zugang zur Einstiegstelle an einer möglichst gefahrlosen Stelle angelegt und, falls erforderlich, entsprechend abgesichert wird. Darüber, wie dies im Einzelfall konkret zu geschehen hat, lassen sich aber keine generellen Aussagen treffen. Wird der Zugangs- und Wartebereich in schwierigem Gelände angelegt, wo vernünftige Schifahrer nicht ohne zwingenden Grund längere Zeit verweilen würden, weil dort die Kollisionsgefahr mit stürzenden oder außer Kontrolle geratenen Schifahrern naheliegt, wird die Haftung des Schiliftbetreibers wohl ohne weiteres zu bejahen sein. Andererseits ist dem Liftbetreiber zuzubilligen, daß die Liftstation und damit auch der Zugangsbereich sinnvollerweise im Pistenbereich oder nahe der Piste zu situieren ist, weil der Schifahrer nach Beendigung seiner Abfahrt einen möglichst bequemen und mühelosen Zugang zur Aufstiegshilfe erwartet. Es würde auch zu weit führen, in jedem Fall die Anbringung von Fangnetzen zu verlangen. Ist etwa genügend Auslauf vorhanden, liegt die Station entsprechend außerhalb der angelegten bzw präparierten Piste oder ist für eine entsprechende Umleitung der ankommenden Schifahrer gesorgt, werden unter Umständen keine weiteren Absicherungsmaßnahmen erforderlich sein. Zu berücksichtigen ist dabei auch, daß derartige Absicherungsmaßnahmen dem oft unterschiedlichen Besucheraufkommen Rechnung zu tragen haben und die erforderliche Pflege des Zugangsbereiches nicht behindern dürfen, sodaß allzu ausgedehnte und stabile Schutzvorrichtungen hinderlich sein könnten.
Ob im vorliegenden Fall der Verpflichtung, Gefahren im Zugangsbereich zur Liftanlage möglichst hintanzuhalten, Rechnung getragen wurde, läßt sich nach den bisher getroffenen Feststellungen nicht abschließend beurteilen. Die Tatsache allein, daß die Begrenzungspflöcke mit Schutzpolstern ummantelt waren, stellt noch kein Indiz dafür dar, daß dort mit dem Aufprall von unkontrolliert talwärts fahrenden oder bei der Abfahrt stürzenden Schifahrern gerechnet werden mußte. Da grundsätzlich jedes im näheren und weiteren Pistenbereich geschaffene künstliche Hindernis eine Gefahrenquelle für abfahrende Schifahrer darstellt und vor allem auch zum Lift zugehende Personen zu Sturz kommen und sich an einem Leitpflock verletzen könnten, entsprach es durchaus der allgemeinen Sorgfaltspflicht des Liftbetreibers, diesen Gefahren durch die Ummantelung der Pflöcke mit Schutzpolstern zu begegnen (vgl etwa ZVR 1989/140 und 4 Ob 1585/95). Eine Rechtsvorschrift dahin, daß der Liftbetreiber verpflichtet wäre, den Zugang vom Lift in einer ganz bestimmten Weise zu kennzeichnen - etwa wieviele Seile zwischen den Pflöcken gespannt werden müssen und welchen Abstand sie zueinander aufzuweisen haben - existiert nicht. Es kann daher in dem Umstand, daß an der Unfallstelle im Gegensatz zu den anderen Feldern des ausgepflockten Liftzuganges nur drei anstatt vier Seile vorhanden waren und das unterste Seil fehlte, entgegen der Ansicht der Klägerin noch keine Schutzgesetzverletzung erblickt werden.
Für den Rechtsstandpunkt der beklagten Partei spricht, daß der gekennzeichnete Zugangsbereich für abfahrende Schifahrer offenbar bereits aus 200 m Entfernung einsehbar war und daß darauf durch Schilder hingewiesen worden war, wie sich den diesbezüglichen, im Rahmen der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes enthaltenen Feststellungen entnehmen läßt. Weitere entscheidungswesentliche Einzelheiten, nämlich ob oder wieweit der durch Leiteinrichtungen den Liftbenützern aufgezwungene Zugangs- und Wartebereich in die Abfahrtspiste hineinragte, in welcher Ausdehnung die Abfahrtspiste gekennzeichnet und präpariert war, wie die Hangneigung zur Unfallstelle hin beschaffen war, in welcher Entfernung das Gelände flacher wurde, und in welchem Umfang ein "Auslauf auf 0" für ein gefahrloses Abschwingen vorhanden war, lassen sich den Feststellungen nicht entnehmen. Die Beweisergebnisse zur Beschaffenheit der Umgebung der Unfallstelle zur Unfallszeit, insbesondere die Befundaufnahme anläßlich des vom Erstgericht durchgeführten Lokalaugenscheines und die vom Sachverständigen deponierten Wahrnehmungen haben zum Teil keinen Eingang in die die Unfallstelle nur mit knappen Worten beschreibenden erstgerichtlichen Feststellungen gefunden.
Daß ein stürzender Schifahrer in eine beim Lift wartende Gruppe rutscht, wird sich nie ganz vermeiden lassen. Ob aber der Wahrscheinlichkeitsgrad, daß wartende Schifahrer an der vorliegenden Unfallstelle solcherart verletzt werden könnten, in dem vorliegenden Fall zu einer anderen Situierung, einer Umgestaltung oder besonderen Absicherung der Zugangsstelle Anlaß geben hätten müssen, läßt sich ohne genauere Kenntnis der Örtlichkeit nicht beurteilen. Die entsprechenden Feststellungsmängel werden daher im fortgesetzten Verfahren zu beseitigen sein.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.
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