OGH 7Ob609/83

OGH7Ob609/8317.11.1983

SZ 56/167

Normen

ABGB §863
AVG §10
EisbEG §22
Tir. StrG §55
ABGB §863
AVG §10
EisbEG §22
Tir. StrG §55

 

Spruch:

Im gerichtlichen Verfahren über die Festsetzung der Enteignungsentschädigung ist auch über die Vorfrage zu entscheiden, ob ihm ein vor der Verwaltungsbehörde geschlossenes Entschädigungsübereinkommen entgegensteht. Ob im beiderseitigen Einverständnis mit dem Sachverständigengutachten ein Entschädigungsübereinkommen zu erblicken ist, ist nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles zu beurteilen. Zum Abschluß eines Übereinkommens vor der Verwaltungsbehörde über die Höhe der Enteignungsentschädigung reicht eine (schlüssig erteilte) Verhandlungsvollmacht nicht aus

OGH 17. 11. 1983, 7 Ob 609/83 (LG Innsbruck 4 R 14/83; BG Innsbruck 3 Nc 208/82)

Text

Der Antragsteller begehrt die Neufestsetzung einer dem Land Tirol auf Grund des Tir. Straßengesetzes auferlegten Enteignungsentschädigung. Er hält dem Einwand des Antragsgegners Land Tirol, daß er sich in der Enteignungsverhandlung durch seinen Sohn als Vertreter mit der vom Sachverständigen genannten Entschädigung einverstanden erklärt habe, entgegen, sein Sohn sei zu einer solchen Erklärung nicht bevollmächtigt gewesen.

Der Erstrichter wies den Antrag wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurück.

Nach seinen Feststellungen waren zunächst der 85 Jahre alte Antragsteller und sein Sohn bei der Verhandlung im Hause des Antragstellers anwesend. Der Antragsteller meldete sich am Beginn als der Gründeigentümer, zog sich aber dann vom Verhandlungsgespräch zurück. In der Folge wirkte daran im wesentlichen nur noch sein Sohn mit. Der Antragsteller erwähnte nicht und erweckte auch nicht den Eindruck, daß sein Sohn berechtigt sei, in seinem Namen zu verhandeln, sondern überließ ihm die Verhandlungsführung. Die Verhandlung über die Festsetzung der Enteignungsentschädigung wurde dann in einem naheliegenden Gasthaus fortgesetzt. Dem Antragsteller war bekannt, daß dabei auch über die Höhe der festzusetzenden Entschädigung entschieden werde. Auch zu dieser Verhandlung erschien nur mehr der Sohn des Antragstellers, der sich nach Abschluß der Verhandlung mit den angebotenen Entschädigungsbeträgen einverstanden erklärte und das entsprechende Protokoll unterfertigte. Er war der Meinung, daß er in dieser Frage seinen Vater vertreten könne. Ob und wieweit tatsächlich ein Bevollmächtigungsverhältnis mit einem bestimmten Auftrag vorlag, konnte der Erstrichter nicht feststellen.

Nach der Rechtsansicht des Erstrichters komme im vorliegenden Fall § 10 Abs. 4 AVG zur Anwendung, wonach die Behörde von einer ausdrücklichen Vollmacht eines einschreitenden Vertreters absehen könne, wenn es sich um die Vertretung durch amtsbekannte Familienmitglieder handle und Zweifel über Bestand und Umfang der Vertretungsbefugnis nicht obwalten. Weil der Antragsteller seinem Sohn die Verhandlungsführung überlassen und dieser gegenüber dem Leiter der Verhandlung den Eindruck erweckt habe, zur Vertretung seines Vaters bevollmächtigt zu sein, habe die Behörde mit Recht die Vollmachtserteilung annehmen dürfen. Der auf diese Weise abgeschlossene Vergleich über die Höhe der Entschädigung schließe eine Neufestsetzung durch den Außerstreitrichter aus. Das Rekursgericht hob diesen Beschluß auf und trug dem Erstgericht eine neue Entscheidung nach Ergänzung des Verfahrens auf. Es billigte zwar die Rechtsansicht des Erstrichters, daß eine Einigung der Parteien über die Höhe des Entschädigungsbetrages einer gerichtlichen Festsetzung der Entschädigung entgegenstehe, hielt aber auf der Grundlage der erstgerichtlichen Tatsachenfeststellungen eine auch nur schlüssig erteilte Vollmacht für nicht iS des § 10 Abs. 4 AVG zweifelsfrei erwiesen, zumal nach den gemäß § 10 Abs. 2 AVG subsidiär heranzuziehenden Vorschriften des bürgerlichen Rechtes für den Abschluß eines Vergleiches, wie er hier im Falle der Einigung über die Enteignungsentschädigung anzunehmen wäre, eine Spezialvollmacht oder aber eine Generalvollmacht verbunden mit einer Gattungsvollmacht erforderlich gewesen wäre. Eine solche Vollmacht sei in der Überlassung der Verhandlungsführung an den Sohn nicht zu erblicken. Das Verfahren sei jedoch in der Richtung ergänzungsbedürftig, ob bei der Entschädingsverhandlung nach dem Vorliegen einer ausdrücklichen oder schlüssigen Spezialvollmacht gefragt worden sei.

Der Oberste Gerichtshof gab dem Revisionsrekurs des Antragsgegners nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Zunächst muß untersucht werden, ob die Frage nach einem in der Enteignungsverhandlung vor der Verwaltungsbehörde geschlossenen Entschädigungsübereinkommen überhaupt im Außerstreitverfahren geprüft werden kann. Nach der Entscheidung SZ 47/66 wäre das nicht der Fall, weil eine entgegen einem Übereinkommen erfolgte bescheidmäßige Festsetzung der Enteignungsentschädigung im Verwaltungsweg angefochten werden müsse und die Unterlassung einer solchen Anfechtung zur Folge habe, daß der Enteignungsbescheid mit allen seinen rechtlichen Konsequenzen der allein maßgebliche Rechtsakt sei.

Das Tiroler Straßengesetz vom 28. 9. 1950, LGBl. 1951/1, enthält nur wenige Bestimmungen über das Enteignungsverfahren und die Festsetzung der Enteignungsentschädigung. Nach § 54 Abs. 1 TirStrG entscheidet die Landesregierung mit Enteignungsbescheid über die Notwendigkeit, den Gegenstand und den Umfang der Enteignung. Nach § 55 Abs. 1 TirStrG wird die Höhe der in Geld zu leistenden Entschädigung nach Anhören eines oder mehrerer beeideter Sachverständiger durch die Landesregierung festgesetzt. Nach Abs. 5 derselben Bestimmung können der Enteignete und der Antragsteller innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Enteignungsbescheides die endgültige Festsetzung der Entschädigung im außerstreitigen Verfahren beim Bezirksgericht begehren. Neben diesen Bestimmungen sind gemäß Art. 13 Verwaltungsentlastungsgesetz, BGBl. 1925/277, die Verfahrensvorschriften des Eisenbahnenteignungsgesetzes anzuwenden, weil diese Bedarfsgesetzgebung iS des Art. 11 Abs. 2 B-VG auch für die sonst unter die Landesgesetzgebung fallenden Materien gilt (Kühne - Hofmann - Nugent - Roth, EisbEG 17 f., 21 f.; EvBl. 1979/78; JBl. 1984, 34; vgl. auch VfGH Slg. 3061/1956). In Anwendung des § 22 Abs. 1 EisbEG ist demnach die infolge einer Enteignung zu leistende Entschädigung gerichtlich nur festzustellen, sofern sie nicht durch ein zulässiges Übereinkommen zwischen dem Enteigner und dem Enteignenden bestimmt wird. Der Abschluß einer solchen gütlichen Vereinbarung vor der Enteignungsbehörde ist auch im § 58 Abs. 1 TirStrG beim Fall der Rückübereignung ausdrücklich erwähnt. Aus dem Zusammenhang der angeführten Bestimmungen ergibt sich, daß hier so wie nach dem Bundesstraßengesetz 1971, BGBl. Nr. 286, ein vor der Verwaltungsbehörde geschlossenes Entschädigungsübereinkommen einer behördlichen Festsetzung der Enteignungsentschädigung vorgeht und eine solche unzulässig macht. Andererseits kann der Außerstreitrichter zur Feststellung der endgültigen Höhe der Enteignungsentschädigung angerufen werden, wenn die Verwaltungsbehörde eine solche Entschädigung bescheidmäßig festgesetzt hat.

Diese Rechtslage ist allerdings nicht unbestritten. Kühne, Zur Enteignung für Bundesstraßen, ÖJZ 1981, 141, 144 ff., meint, ein Verwaltungsbescheid dieser Art sei im Falle eines vorher geschlossenen Übereinkommens nichtig und unbeachtlich. Brunner, Zur Enteignung für Bundesstraßen - Anfechtung von Entschädigungsübereinkommen, ÖJZ 1981, 426, 432, hält dem jedoch mit Recht entgegen, daß die Unzuständigkeit der Behörde deren Ausspruch zwar im Verwaltungswege bekämpfbar macht und seine Anfechtbarkeit auch nach Eintritt der Rechtskraft gemäß § 68 Abs. 4 lit. a AVG begrundet, daß aber der in Rechtskraft erwachsene Entschädigungsausspruch so lange, bis er etwa nach § 68 Abs. 4 AVG behoben wird, dem Rechtsbestand angehört, sodaß auch die Anrufung des Außerstreitgerichtes zulässig ist.

Damit ist aber die Frage noch unbeantwortet, ob der Außerstreitrichter im Falle der Festsetzung einer Enteignungsentschädigung durch die Verwaltungsbehörde an deren Annahme, ob ein Übereinkommen über die Entschädigung vorliegt, gebunden ist. Der Hinweis der Entscheidung SZ 47/66 auf Krzizek, Das öffentliche Wegerecht 248, reicht dafür nach der zutreffenden Ansicht von Brunner, Enteignung für Bundesstraßen 50, nicht aus, weil jener Autor an der fraglichen Stelle nicht das Entschädigungsübereinkommen, sondern ein im Zuge des Verfahrens abgeschlossenes Übereinkommen über den Enteignungsgegenstand behandelt. Nur in einem solchen Fall ist klar, daß der behördliche Rechtsakt einer rechtskräftigen Enteignung einen vorher geschlossenen Kaufvertrag gegenstandslos macht und der maßgebliche Rechtsakt für den Eigentumserwerb ist (Brunner, Enteignung für Bundesstraßen 62 mwN). Nur diesen Fall betrifft auch die in SZ 47/66 weiters bezogene Entscheidung EvBl. 1969/306. Hier handelt es sich hingegen um einen Enteignungsbescheid, der nur in der Frage der Enteignungsentschädigung mit einem allfälligen Entschädigungsübereinkommen kollidiert. Dieser Fall, der nach Brunner, Enteignung für Bundesstraßen 56, sogar häufig vorkommt, weil die Behörde zu Unrecht das Zustandekommen eines zulässigen Übereinkommens verneint oder trotz Kenntnis vom Zustandekommen eines solchen bescheidmäßig über die Entschädigung entschieden hat, ist zwar ebenfalls dadurch charakterisiert, daß der Verwaltungsbescheid in an sich unzulässiger Weise über eine privatrechtliche Regelung zwischen den Parteien hinweggegangen ist, zugleich aber auch durch das Recht der Parteien, die Festsetzung der Enteignungsentschädigung durch den Antrag an den Außerstreitrichter außer Kraft zu setzen.

In diesem Zusammenhang stellt sich allerdings die Frage, ob die Anrufung des Außerstreitrichters auch den Grund des Anspruches auf Entschädigung, hier also die Unzulässigkeit einer behördlichen Festsetzung wegen des Vorliegens eines Übereinkommens, umfassen kann. Auf diese Frage geben die Enteignungsgesetze keine ausdrückliche Antwort. § 20 BStG stellt der nach Abs. 3 im Verwaltungsverfahren anfechtbaren Entscheidung des Landeshauptmannes über die Notwendigkeit, den Gegenstand und den Umfang der Enteignung (Abs. 1) die durch Anrufung des Gerichtes außer Kraft tretende weitere Entscheidung im Enteignungsbescheid über die "Höhe der Entschädigung" gegenüber (Abs. 2). Ein Ausspruch oder auch nur die Vorfrage nach dem Grund des Entschädigungsanspruches ist in dieser Bestimmung nicht erwähnt. Das Tir. Straßengesetz folgt zwar in seinen §§ 54 Abs. 1 und 55 Abs. 1 dieser Diktion, spricht aber im § 55 Abs. 5 nur noch von der endgültigen Festsetzung der Entschädigung im außerstreitigen Verfahren. Nach dem gemäß § 20 Abs. 5 BStG und Art. 13 VEG für das gerichtliche Verfahren zur Ermittlung der Entschädigung im übrigen sinngemäß anzuwendenden § 22 Abs. 1 EisbEG ist hingegen die infolge einer Enteignung zu leistende Entschädigung gerichtlich nur festzustellen, sofern sie nicht schon durch ein zulässiges Übereinkommen bestimmt wird. Diese Bestimmung des EisbEG beruht allerdings auf der Besonderheit der Enteignung für Zwecke der Eisenbahnen, daß dort die Verwaltungsbehörde nur über die Enteignung entscheidet und die Festsetzung der Entschädigung immer dem Gericht vorbehalten bleibt, sofern keine Vereinbarung hierüber vorliegt (§ 16 Abs. 4, § 17 Abs. 1 und § 22 EisbEG).

Auch zu dieser Frage ist die Lehre widersprüchlich. Kühne, ÖJZ 1981, 145 f. gibt einem Entschädigungsübereinkommen der Parteien den absoluten Primat; das Übereinkommen präkludiere nach dem Prinzip der Priorität vertraglicher Einigung eine gerichtliche Entscheidung über die Entschädigungshöhe; iS der Entscheidung 8 Ob 156/69 sei der Antrag des Enteigneten auf gerichtliche Festsetzung der Enteignungsentschädigung zurückzuweisen, wenn ein bindendes Übereinkommen der Parteien vorliege. Aber auch eine Beurteilung der Vorfrage nach Bestand oder Nichtbestand eines Übereinkommens durch das Gericht sei ausgeschlossen; eine trotzdem vorgenommene Vorfragenbeurteilung habe auf den Bestand des mit Übereinkommen gestalteten Rechtsverhältnisses keine rechtliche Wirkung (aaO 148). Brunner, Enteignung für Bundesstraßen 44, 56 f., und ÖJZ 1981, 432, meint hingegen, der Ausspruch der Verwaltungsbehörde über den Grund der Entschädigung sei im Fall des unbeachtet gebliebenen Vorliegens eines Übereinkommens über die Entschädigung nur im Verwaltungsverfahren bekämpfbar und könne auch nach § 68 Abs. 4 AVG innerhalb der Dreijahresfrist des § 68 Abs. 5 AVG für nichtig erklärt werden, sofern nicht der Bescheid bereits durch die Anrufung des Gerichtes außer Kraft getreten sei. Seine Ansicht überzeugt allerdings insofern nicht, als damit ab der Anrufung des Gerichtes, obwohl dadurch der Bescheid außer Kraft tritt, eine Nachprüfung der Vorfrage überhaupt ausgeschlossen wäre. Brunner betont an anderer Stelle (Enteignung für Bundesstraßen 50) auch selbst, daß der Gesetzgeber an die Möglichkeit der Anfechtung einer behördlichen Feststellung des Zustandekommens eines Übereinkommens nicht gedacht hat und daß ohne ausdrückliche Vorschrift nicht angenommen werden könne, er habe den Enteignungsbehörden, obwohl er ihnen in der Entschädigungsfrage nur eine Vorentscheidungskompetenz eingeräumt habe, die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Übereinkommens über die Entschädigung endgültig zugewiesen. Brunner meint deshalb, daß über die Gültigkeit und Auslegung eines Übereinkommens die Gerichte im streitigen Verfahren zu entscheiden haben (aaO 51 mwN).

Nach den bisherigen Überlegungen können die Argumente der Entscheidung SZ 47/66 nicht überzeugen. Es ist wohl richtig, daß der Abschluß eines Entschädigungsübereinkommens einer behördlichen Festsetzung der Enteignungsentschädigung an sich entgegenstunde. Damit ist aber der nach dem oben Gesagten nicht seltene Fall noch nicht gelöst, daß eine Festsetzung durch die Behörde erfolgt und das Zustandekommen eines zulässigen Übereinkommens strittig ist. Vor allem bleibt die Frage erst zu lösen, ob ein solcher Streit im Rechtszug des Verwaltungsverfahrens entschieden werden muß oder nach Anrufung des Außerstreitrichters von diesem entschieden werden kann. Dabei bietet das Gesetz selbst, wie gesagt, nur ungenügende Anhaltspunkte. Es regelt ausdrücklich nur die Anfechtung zweier anderer Entscheidungsinhalte, nämlich einerseits des Ausspruches über die Notwendigkeit, den Gegenstand und Umfang der Enteignung, und andererseits der Bestimmung der Höhe der Entschädigung. Es bleibt demnach offen, welcher Anfechtung die in der Regel nicht ausdrücklich getroffene Entscheidung über den Grund des Entschädigungsanspruches unterliegt. Auch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts haben diese Frage noch nicht entschieden, sondern nur den umgekehrten Fall eine ungerechtfertigten Verweigerung des Entschädigungsausspruches (VfGH Slg. 7431/1974; VwGH Slg. 8712 A, 9703 A), ohne den der Außerstreitrichter nicht angerufen werden kann.

Nach der Ansicht des erkennenden Senates ist bei der Lösung der dargestellten Frage von drei unbestrittenen Grundsätzen des Enteignungsrechtes auszugehen: 1. Der Anspruch auf eine vom Enteigner an den Enteigneten zu leistende Entschädigung ist ein privatrechtlicher und ein Übereinkommen darüber demnach ein zivilrechtlicher Vertrag (Kühne, ÖJZ 1981, 144; Brunner, ÖJZ 1981, 426; 1 Ob 505/82; VfGH Slg. 8065, 1977; die gegenteilige Ansicht von Krzizek, Wegerecht 149 f., 247 f., betrifft andere Übereinkommen über die Kosten der Erhaltung einer öffentlichen Straße oder über die Grundabtretung selbst; ob sie für letztere zutrifft, kann hier dahingestellt bleiben); 2. Fragen des Zivilrechtes gehören, von verfassungsrechtlichen Gründen abgesehen (Kühne, Vollziehungszuständigkeiten im Enteignungs- und Entschädigungsverfahren, ÖJZ 1983, 533 f.), im Zweifel vor die ordentlichen Gerichte (§ 1 JN; Fasching I 61 f.). Eine Ausnahme müßte in dem hiefür erforderlichen "besonderen Gesetz" klar und unzweideutig zum Ausdruck kommen; die ausdehnende Auslegung von Vorschriften, die eine Zuständigkeit der Verwaltungsbehörden normieren, ist unzulässig (SZ 49/128; SZ 50/70 usw; VfGH Slg. 3614/1959). 3. Der Verwaltungsbescheid, mit dem trotz eines Parteienübereinkommens eine Enteignungsentschädigung festgesetzt wird, tritt mit der Anrufung des Außerstreitrichters zur Gänze außer Kraft (Rummel, Enteignungsentschädigung 178; vgl. § 20 Abs. 3 BStG).

Diese Rechtssätze sprechen in ihrem Zusammenhang deutlich dafür, auch den Grund des Entschädigungsanspruches und vor allem die Frage, ob ein zulässiges Übereinkommen einer behördlichen Festsetzung der Entschädigung entgegensteht, als Vorfrage der Entscheidung über die Höhe dieses Anspruches der Nachprüfung des Gerichtes zu unterwerfen. Die Frage, ob ein zulässiges Übereinkommen der Parteien vorliegt, war bereits eine Vorfrage der verwaltungsbehördlichen Bestimmung der Enteignungsentschädigung. Es wäre ein Wertungswiderspruch anzunehmen, daß die Verwaltungsbehörde diese Vorfrage für das Gericht bindend lösen könne, wenn die Entscheidung, die im Spruch nur die Bestimmung der Höhe der Entschädigung enthält, durch die Anrufung des Außerstreitrichters zur Gänze außer Kraft tritt. Damit liegt vielmehr auf der Hand, daß das Gericht dieselbe Vorfrage bei der Entscheidung über die Höhe der Entschädigung neuerlich zu prüfen hat. Bei Enteignungsverfahren nach dem EisbEG ergibt sich das aus dem Gesetz selbst, weil dort die Verwaltungsbehörde über die Entschädigung überhaupt nicht abzusprechen hat, sodaß alle damit zusammenhängenden Fragen notwendigerweise in die Kompetenz des Außerstreitrichters fallen. Aber auch andere, schon oben angedeutete Argumente sprechen für die dargestellte Rechtsansicht. Wenn nämlich der Gesetzgeber den Enteignungsbehörden in der Entschädigungsfrage nur eine Vorentscheidungskompetenz eingeräumt hat, sodaß diese Frage letztlich im streitigen Verfahren geklärt werden könnte (Brunner, Enteignung für Bundesstraßen 50; Kühne - Hofmann - Nugent - Roth, EisbEG 123; Gegenschluß aus § 30 EisbEG iVm. 20 Abs. 5 BStG; ebenso OGH JBl. 1979, 547), dann ist es weitaus näherliegend, im Falle der zur Höhe jedenfalls zulässigen Anrufung des Außerstreitrichters ihm auch schon die Entscheidung über die privatrechtliche Vorfrage zu überlassen. Ein Wertungswiderspruch läge auch darin, mit Brunner, ÖJZ 1981, 432, eine Anfechtbarkeit des im Verwaltungsverfahren trotz eines Entschädigungsübereinkommens erlassenen Bescheides gemäß § 68 Abs. 4 lit. a AVG nur bis zur Anrufung des Außerstreitrichters, womit der Verwaltungsbescheid außer Kraft tritt, anzunehmen und dennoch auch dem Außerstreitrichter eine Nachprüfung der privatrechtlichen Vorfrage nicht zu erlauben.

Aus allen diesen Gründen gelangt der erkennende Senat zur Ansicht, daß im Außerstreitverfahren auch die privatrechtliche Vorfrage zu prüfen ist, ob ein zulässiges Übereinkommen über die Enteignungsentschädigung einer behördlichen Festsetzung entgegensteht.

Im vorliegenden Fall steht in dieser Frage die vom Rekursgericht nach den bisherigen Feststellungen des Erstrichters verneinte gültige Bevollmächtigung des Sohnes des Antragstellers im Vordergrund. Der Rekurswerber meint, daß eine solche Vollmacht schon iS des bürgerlichen Rechtes anzunehmen sei, weil es nicht darauf ankomme, in welchem Umfang tatsächlich eine Vollmacht erteilt wurde, sondern auf den äußeren Erklärungstatbestand. Die Bestimmung des § 10 Abs. 4 AVG stehe deshalb nicht im Vordergrund. Aus dem Verhalten des Antragstellers vor der Behörde habe der Schluß gezogen werden dürfen, daß der Sohn des Antragstellers zur Vertretung bei der Enteignungsverhandlung bevollmächtigt sei. Diese Vollmacht habe auch den Abschluß eines Entschädigungsübereinkommens umfaßt, weil jedermann bekannt sei, daß im Einigungsfall ein Übereinkommen über den Hauptstreitpunkt der Höhe der Entschädigung abgeschlossen werde und für den Verhandlungsleiter nichts auf eine Einschränkung der Vollmacht hingewiesen habe.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden. Bei der Enteignungsverhandlung lag weder eine schriftliche Vollmacht iS des § 10 Abs. 1 erster Satz AVG vor noch auch eine ausdrückliche mündliche Bevollmächtigung nach § 10 Abs. 1 zweiter Satz AVG. Die Vollmacht konnte allerdings iS des § 863 ABGB auch durch schlüssige Handlungen erklärt werden (Mannlicher - Quell, Verwaltungsverfahren[8], I 740, E 10, 6 e; Hauer - Leukauf, Handbuch des österr. Verwaltungsverfahrens, E 19 zu § 10 AVG). Zweifel über Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnis waren in diesen Fällen aber gemäß § 10 Abs. 2 AVG nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes zu beurteilen. Schließlich konnte die Behörde gemäß § 10 Abs. 4 AVG von einer ausdrücklichen Vollmacht absehen, wenn es sich um die Vertretung durch amtsbekannte Familienmitglieder handelte und (wiederum) Zweifel über Bestand und Umfang der Vertretungsbefugnis nicht obwalteten. Im Falle solcher Zweifel war die Beibringung einer ausdrücklichen Vollmacht erforderlich (Mannlicher - Quell aaO 184 f.). Auf einen nicht geäußerten, seinem Verhalten entgegengesetzten Willen des Vertretenen kam es allerdings wegen des auch im Vertretungsrecht maßgeblichen "Empfängerhorizontes" nicht an (Rummel in Rummel, ABGB Rdz. 8 zu § 863, Strasser aaO Rdz. 44 zu § 1002). Der gutgläubige Erklärungsgegner wird demnach in seinem Vertrauen auf einen vom Vertretenen geschaffenen äußeren Tatbestand geschützt.

Der äußere, vom Antragsteller geschaffene Tatbestand ging aber hier nach der zutreffenden Ansicht des Rekursgerichtes nicht über eine Billigung der bloßen Vertretung bei der Entschädigungsverhandlung hinaus. Sein Verhalten beschränkte sich auf die Überlassung der Verhandlungsführung an seinen Sohn. Auch wenn der Antragsteller (nach den von ihm allerdings bekämpften Feststellungen des Erstrichters) wußte, daß bei der im Gasthaus fortgesetzten Verhandlung auch über die Höhe der Enteignungsentschädigung entschieden werden würde, hat er in keiner Weise zum Ausdruck gebracht, einen Anschein erweckt oder (in Kenntnis oder Erwartung einer Vereinbarung) geduldet, daß sein Sohn statt der zu erwartenden Entscheidung der Behörde ein Übereinkommen mit dem Enteigner über die Höhe der Entschädigung herbeiführen werde. Ob der Sohn des Antragstellers verpflichtet gewesen wäre, bei der Verhandlung auf das Fehlen einer Abschlußvollmacht hinzuweisen, kann dahingestellt bleiben. Allein der festgestellte Sachverhalt und das Fehlen einer klaren Vergleichsvollmacht mußten bei gehöriger Aufmerksamkeit Zweifel des Verhandlungsleiters und auch des Erklärungsgegners über den ausreichenden Umfang der Vertretungsbefugnis erwecken.

Entgegen der Meinung des Rekurswerbers ist die Unterscheidung zwischen einer bloßen Verhandlungsvollmacht und einer Vollmacht zum Abschluß eines Entschädigungsübereinkommens durchaus am Platz. Letzteres ist nach der zutreffenden Ansicht des Rekursgerichtes und auch des Rekurswerbers selbst wie ein Vergleich zu werten (§ 58 Abs. 1 TirStrG: "gütliche Vereinbarung vor der Enteignungsbehörde"), für dessen Abschluß nach § 1008 ABGB zwar nicht (wie das Rekursgericht annimmt) eine Spezialvollmacht, wohl aber eine Gattungsvollmacht erforderlich ist. Es ist wohl möglich, auch eine solche Vollmacht schlüssig zu erteilen (SZ 39/95); ein solcher Wille des Vollmachtsgebers muß aber ebenfalls iS des § 863 ABGB ohne jeden Zweifel erkennbar sein oder der von ihm zu vertretende äußere Anschein muß entsprechend weit gehen. Die Rekursbehauptung, daß die Aufrechterhaltung der Rechtsmeinung des Rekursgerichtes unannehmbare Folgen für die Rechtssicherheit hätte, trifft ebenfalls nicht zu. Die Behörde und der Enteigner müssen sich bloß an den gesetzlichen Auftrag halten, in jedem Zweifelsfall eine eindeutig umschriebene Vollmacht des Enteignungsgegners abzufordern.

Dahingestellt kann bleiben, ob bei der vom Rekursgericht angeordneten Verfahrensergänzung etwas "herauskommen" kann. Sie soll dem Rekurswerber bloß die Möglichkeit geben, das bisher noch nicht abschließend geprüfte Vorliegen einer (Spezial-, richtig) Gattungsvollmacht zu beweisen. Es steht ihm frei, auf eine solche Beweisführung zu verzichten.

Nur für den Fall der Bejahung einer entsprechenden Vollmacht des Sohnes des Antragstellers wäre gegebenenfalls mit den Parteien - die allerdings bisher übereinstimmend von einem vom Sohn des Antragstellers geschlossenen Übereinkommen ausgehen - die Frage zu erörtern, welche Bedeutung der hier nur erfolgten Zustimmung zum Sachverständigengutachten zukam. Der Hinweis im Verhandlungsprotokoll auf das erklärte Einverständnis der Parteien mit dem Verhandlungsergebnis ist nämlich mehrdeutig. Ob ein solches Einverständnis ein privatrechtliches Übereinkommen zwischen dem Enteigner und dem Enteigneten enthält, kann nur nach den Verhältnissen des Einzelfalles beurteilt werden. So hat der OGH in der Entscheidung 8 Ob 156/69 im Falle eines ao. Revisionsrekurses die Ansicht der Vorinstanzen (bloß) als nicht offenbar gesetzwidrig angesehen, daß ein wirksames Übereinkommen in dem besonderen Fall vorliege, in dem sich der Enteignete nach der Bekämpfung der von den Schätzleuten zunächst als angemessen angegebenen Entschädigung mit einem höheren Quadratmeterpreis einverstanden erklärte, der ihm nur für den Fall des Verzichtes auf gerichtliche Feststellung angeboten wurde. Im Falle der Entscheidung 5 Ob 579/79 wurde hingegen, wiederum bei der Entscheidung über einen ao. Revisionsrekurs, die Verneinung einer vergleichsweisen Regelung der Entschädigungssumme durch die Vorinstanzen ebenfalls als nicht offenbar gesetzwidrig bezeichnet, weil sich dort beide Parteien die gerichtliche Neufestsetzung ausdrücklich vorbehalten hatten. Wegen dieser verschiedenen Sachverhalte liegt der von Kühne, ÖJZ 1981, 145 f., behauptete Gegensatz zwischen beiden Entscheidungen, bei denen, wie gesagt, nur die Frage einer offenbaren Gesetzwidrigkeit zu prüfen war, in Wahrheit nicht vor. Entgegen seiner Ansicht ist auch keineswegs der Unterschied zwischen einer bloßen Zustimmung zum Sachverständigengutachten (auch wenn ihm dann die Verwaltungsbehörde bei der Festsetzung der Entschädigung folgt) und einer rechtsgeschäftlichen Willenseinigung (mit Verzicht auf eine spätere Überprüfung im Gerichtsverfahren) zu vernachlässigen (vgl. Brunner, ÖJZ 1981, 429). Es ist vielmehr Rummel, Enteignungsentschädigung 178 zu folgen, daß die Frage nach dem Vorliegen eines von den Parteien gewollten Entschädigungsübereinkommens eine nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles zu beurteilende Tatsachenfrage ist, deren rechtliche Beurteilung nach dem Grundsatz des § 863 Abs. 1 ABGB zu erfolgen hat (so immerhin auch Kühne aaO), sofern nicht die Verwaltungsbehörde richtigerweise auf eine klare ausdrückliche Entscheidung der Parteien drängt (Brunner aaO 430).

Im vorliegenden Fall ist der Ausspruch der Verwaltungsbehörde über die Enteignungsentschädigung insofern mehrdeutig, als "die für die enteigneten Grundflächen zu leistenden Entschädigungen wie folgt festgesetzt und die Parteienerklärungen (durch wörtliche Wiedergabe des Verhandlungsprotokolls) beurkundet" wurden. Der Bescheid enthält demnach wie das Protokoll neben der Bezeichnung der zu enteignenden Grundfläche und der Bewertung im Sachverständigengutachten bloß den Hinweis, daß der Vertreter der Landesstraßenverwaltung und der Sohn des Antragstellers (mit diesem Verhandlungsergebnis) "einverstanden" (gewesen) seien. Der Enteignungsbescheid läßt bei dieser Formulierung nicht klar erkennen, ob in dem hier strittigen Fall der Enteignung des Grundstückes des Antragstellers (als eines von vielen im Bescheid genannten Enteigneten) auf ein wirksames Entschädigungsübereinkommen verwiesen werden sollte oder aber trotz oder mangels eines solchen Übereinkommens eine Enteignungsentschädigung behördlich festgesetzt wurde. Diese Frage ist aus dem Bescheid nicht eindeutig zu klären, zumal ein doppelter Ausspruch in diesem Sinn nicht selten zu sein scheint (Brunner, Enteignung für Bundesstraßen 56). Auch das Protokoll über die Enteignungsverhandlung gibt keine weitere Auskunft. Der Hinweis auf ein Einverständnis mit einem Verhandlungsergebnis ist nämlich mehrdeutig. Bei der dargestellten Sachlage ist aber das Recht des Antragstellers auf Anrufung des Außerstreitrichters zu bejahen, weil Undeutlichkeiten im Verwaltungsbescheid nicht zu seinen Lasten gehen dürfen, wenn darin immerhin eine Festsetzung einer Enteignungsentschädigung ausgesprochen wurde.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte