European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0070OB00060.23H.0524.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Versicherungsvertragsrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.647,18 EUR (darin enthalten 274,53 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
[1] Der Kläger ist Wohnungseigentümer einer Eigentumswohnung in einem Haus und bei der Beklagten haushalts‑ und eigenheimversichert. Art 2 der vereinbarten „Allgemeinen Bedingungen für die Haushalt & Eigenheim Versicherung (ABHE 2017|EH07)“ (kurz: ABHE 2017) lautet auszugsweise:
„ARTIKEL 2
VERSICHERTE RISIKEN, ZUSÄTZLICHE DECKUNG UND VON DER VERSICHERUNG GEDECKTE SCHÄDEN
[...]
2. ELEMENTARGEFAHREN|STURM, [...]
2.1. STURM ist im Sinne dieser Versicherungsbedingungen Wind von einer Mindestgeschwindigkeit von 60 km/h […]
Die Versicherung umfasst den Schaden der direkten mechanischen Einwirkung des Sturmes, den durch eingestürzte oder getragene Sachen verursachten Schaden, sowie den durch das Eindringen von Niederschlag durch eine vom Sturm verursachte Öffnung entstandenen Schaden.
Falls in der Versicherungspolizze nicht anderweitig vereinbart, umfasst die Versicherung folgende Schäden nicht:
• […]
• von dem Eindringen von Niederschlag oder Anschwemmung durch irgendwelche Öffnungen, die nicht direkt durch Sturm oder durch den Einsturz von durch den Sturm umgestoßener oder getragener Sachen entstanden sind (z.B. durch ein offengelassenes oder angelehntes Fenster, wegen schlechter Konstruktion, schlechtem Material oder schlechter Ausführung von Fenstern und Türen).“
[2] Im August 2020 verursachte ein Unwetter/Sturm das Einknicken eines im Garten stehenden aufblasbaren Pools und den schwallartigen Austritt einer großen Menge an Pool-Wasser, das in einen Kellerfenster-Lichtschacht des Hauses schwemmte, durch das dortige – geschlossene – Kellerfenster in die Kellerräumlichkeiten eindrang und die geltend gemachten Schäden verursachte.
[3] Durch das Unwetter und den Sturm wurde das Wasser aus dem im Garten stehenden aufblasbaren Pool über den Rand des Pools gepeitscht, wodurch der Rand in Bewegung geriet, der Pool einknickte und dadurch der schwallartige Austritt einer großen Menge an Wasser verursacht wurde.
[4] Der Kläger begehrt vom beklagten Versicherer den durch den Sturm eingetretenen Schaden. Der Hergang sei ein versichertes Ereignis. Der Wasserdruck sei offenbar derart stark gewesen, dass die ordnungsgemäß geschlossenen Fenster im Keller soweit nachgegeben hätten, dass durch Ritzen Wasser eindringen habe können.
[5] Die Beklagte bestritt das Klagsvorbringen und wendete unter anderem einen Risikoausschluss ein.
[6] Das Erstgericht gab dem Zahlungsbegehren statt. Es erachtete das versicherte Risiko eines Sturmschadens für verwirklicht. Der Wassereintritt in die Kellerräumlichkeiten und der dortige Schaden seien durch das sturmbedingte, schwallartige Andrücken und Eindringen von Pool‑Wasser (nicht durch Niederschlagswasser) verursacht worden. Daher handle es sich um eine durch die Sturmböen über die geschlossenen Fenster ins Haus „getragene“ Wassermasse bzw um einen durch den sturmbedingt „eingestürzten“ Pool verursachten Schaden.
[7] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und wies das Klagebegehren ab. Rechtlich führte es aus, dass keine Versicherungsdeckung bestehe. Nach den ABHE 2017 umfasse die Versicherung den Schaden der direkten mechanischen Einwirkung des Sturmes, den durch eingestürzte oder getragene Sachen verursachten Schaden, sowie den durch das Eindringen von Niederschlag durch eine vom Sturm verursachte Öffnung entstandenen Schaden. Keine der drei Voraussetzungen sei verwirklicht. Im vorliegenden Fall fehle es – wie nach dem Sachverhalt der Entscheidung 7 Ob 110/11v – an einem Schaden aufgrund unmittelbarer – hier: „direkter“ – Einwirkung des Sturmes. Dass das Abfließen erheblicher Wassermengen aus einem instabil gewordenen Pool – mit der Folge, dass der Wasserdruck zum Eindringen des Pool‑Wassers durch das geschlossene Fenster in die Kellerräumlichkeiten geführt habe – einen Schaden durch „eingestürzte oder getragene Sachen“ darstelle, sei „schon rein sprachlich nicht ohne weiteres in Einklang zu bringen“. Zu berücksichtigen sei zudem die ausdrückliche Klarstellung von Schäden, die die Versicherung nicht umfasse. Um nicht unter den vereinbarten Ausschlusstatbestand zu fallen, bedürfe es (positiv formuliert) des Eindringens durch sturmbedingt entstandene Öffnungen, nämlich von „Öffnungen, die direkt durch den Sturm oder durch den Einsturz von durch den Sturm umgestoßener oder getragener Sachen entstanden“ seien. Zwar habe sich keine der im Risikoausschluss im Klammerausdruck genannten Möglichkeiten verwirklicht, diese Aufzählung sei aber nur beispielhaft und nicht abschließend. Vorliegend sei weder direkt durch den Sturm noch durch umgestoßene oder „getragene“ Sachen eine „Öffnung“ im Sinne des allgemeinen Sprachgebrauchs entstanden. Das allmähliche Einsickern des andrückenden Pool‑Wassers durch das grundsätzlich nach wie vor geschlossene Kellerfenster könne nicht als Versicherungsfall im Sinne der vorliegenden Bedingungslage erkannt werden. Zudem liege kein Eindringen von Niederschlag durch eine vom Sturm verursachte Öffnung vor, weil (vor allem) Pool‑Wasser durch das geschlossene Fenster eingedrungen sei und überdies fehle es am Eindringen durch eine durch den Sturm verursachte Öffnung.
[8] Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil der Oberste Gerichtshof Art 2.2.1. ABHE 2017, der für eine größere Anzahl von Kunden von Bedeutung sei, bisher noch nicht beurteilt habe.
[9] Dagegen richtet sich die Revision des Klägers mit dem Antrag, dem Klagebegehren stattzugeben. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
[10] Die Beklagte beantragt in der Revisionsbeantwortung die Zurückweisung der Revision, in eventu dieser nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[11] Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.
[12] 1. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach Vertragsauslegungsgrundsätzen auszulegen. Die Auslegung hat sich am Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers zu orientieren (RS0050063). Versicherungsbedingungen sind aus ihrem Zusammenhang heraus zu verstehen. Allenfalls bestehende Unklarheiten gehen gemäß § 915 ABGB zu Lasten des Versicherers (RS0008901 [insbesondere T10, T11, T12]).
[13] 2. Die allgemeine Umschreibung des versicherten Risikos erfolgt durch die primäre Risikobegrenzung. Durch sie wird in grundsätzlicher Weise festgelegt, welche Interessen gegen welche Gefahren versichert sind. Auf der zweiten Ebene (sekundäre Risikobegrenzung) kann durch einen Risikoausschluss ein Stück des von der primären Risikobegrenzung erfassten Deckungsumfangs ausgenommen und für nicht versichert erklärt werden. Der Zweck liegt darin, dass ein für den Versicherer nicht überschaubares und kalkulierbares Teilrisiko ausgenommen und eine sichere Kalkulation der Prämie ermöglicht werden soll. Mit dem Risikoausschluss begrenzt also der Versicherer von vornherein den Versicherungsschutz, ein bestimmter Gefahrenumstand wird von Anfang von der versicherten Gefahr ausgenommen (RS0080166 [insbesondere T10]; RS0080068).
[14] 3. Art 2 ABHE 2017 regelt nach seiner Überschrift „versicherte Risiken, zusätzliche Deckung und von der Versicherung gedeckte Schäden“.
[15] Nach Art 2.2.1. ABHE 2017 deckt die Versicherung (erstens) den Schaden der direkten mechanischen Einwirkung des Sturmes, (zweitens) den durch eingestürzte oder getragene Sachen verursachten Schaden, sowie (drittens) den durch das Eindringen von Niederschlag durch eine vom Sturm verursachte Öffnung entstandenen Schaden.
[16] 3.1. Dass der dritte Fall – das Eindringen von Niederschlag durch eine vom Sturm verursachte Öffnung – nicht vorliegt, weil vor allem Pool‑Wasser durch das geschlossene Fenster eindrang und auch keine durch den Sturm verursachte Öffnung bestand, ist im Revisionsverfahren kein Streitthema.
[17] 3.2. Der Oberste Gerichtshof hatte bislang Versicherungsbedingungen zu beurteilen, wonach Schäden versichert sind, die durch die „unmittelbare Einwirkung“ von Sturm eintreten. Nach ständiger Rechtsprechung wirkt Sturm dann unmittelbar, wenn er die zeitlich letzte Ursache des Sachschadens ist. „Unmittelbare Einwirkung“ ist zB, wenn versicherte Sachen durch den Druck oder den Sog aufprallender Luft beschädigt oder zerstört werden oder abhanden kommen, insbesondere wenn bewegliche Sachen umgeworfen oder aus erhöhter Position auf eine tiefer gelegene Fläche hinuntergeworfen werden und dadurch zerbrechen oder sonst beschädigt werden (RS0109771; 7 Ob 152/97x; 7 Ob 110/11v = RS0127591; 7 Ob 86/15w; 7 Ob 190/17t; 7 Ob 116/22t). Zu 7 Ob 110/11v hatte der Oberste Gerichtshof den Fall zu beurteilen, dass durch eine Beschädigung der Plastikhaut durch als Folge eines Sturmes herumfliegende Gegenstände der das Schwimmbecken stützende aufgeblasene Wulst so viel Luft verloren hatte, dass er einsackte und in der Folge ca 2 m³ Wasser aus dem Becken ausliefen. Das ausgetretene Wasser drang über den Lichtschacht eines geöffneten (gekippten) Kellerfensters in den Keller ein und überflutete ihn. Der Oberste Gerichtshof verneinte ein unmittelbares Einwirken des Sturmes, vielmehr sei das Wasser deshalb ausgetreten, weil eine Beschädigung an der Poolhaut vorgelegen habe, möge diese auch durch einen durch den Wind herumgewirbelten Gegenstand entstanden sein.
[18] Nach der hier zu beurteilenden Bedingungslage ist nach dem ersten Fall in Art 2.2.1. ABHE 2017 Voraussetzung, dass der Schaden durch eine „direkte mechanische Einwirkung des Sturmes“ entsteht. Voraussetzung ist damit, dass eine unmittelbare mechanische Einwirkung des Sturmes – etwa durch eine Sturmböe – den Schaden verursacht hat. Wenn auch Mitursächlichkeit genügt, so muss doch das unmittelbare Auftreffen des starken Windes bzw die mechanische Einwirkung der Naturgewalt „Sturm“ zum Schaden führen. Gegenständlich ist der Schaden im Keller aber nicht durch eine rein mechanische Einwirkung des Sturmes verursacht worden, sondern durch das Einknicken des aufblasbaren Pools, wodurch schwallartig Pool‑Wasser austrat. Damit ist dieser Versicherungsfall nicht erfüllt.
[19] Wenn der Kläger mit der Auslegung des Ausdrucks „direkte mechanische Einwirkung auf die Wirbelsäule“ in den Allgemeinen Bedingungen für die Unfallversicherung (vgl RS0082152) argumentiert, übergeht er, dass das dort versicherte Risiko mit dem gegenständlich zu beurteilenden Versicherungsfall keine Gemeinsamkeit aufweist und zudem hier die „direkte mechanische Einwirkung“ gerade durch den Sturm maßgeblich ist, während diese Naturgewalt in der Unfallversicherung keine spezielle Rolle spielt.
[20] 3.3. Ob das Abfließen erheblicher Wassermengen aus einem instabil gewordenen Pool – mit der Folge, dass der Wasserdruck zum Eindringen des Pool‑Wassers durch die geschlossenen Fenster in die Kellerräumlichkeiten führte – entsprechend dem zweiten Fall des Art 2.2.1. ABHE 2017 einen Schaden durch „eingestürzte oder getragene Sachen“ bildet und ob ein eingeknickter aufblasbarer Pool einer „eingestürzten“ Sache gleichzustellen ist, kann dahingestellt bleiben, weil der darin unmittelbar anschließend vereinbarte Risikoausschluss greift.
[21] Die Versicherung umfasst nicht Schäden durch das „Eindringen von Niederschlag oder Anschwemmung durch irgendwelche Öffnungen, die nicht direkt durch den Sturm oder durch den Einsturz von durch den Sturm umgestoßener oder getragener Sachen entstanden sind“. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, bedarf es, um nicht unter diesen Risikoausschluss zu fallen, (positiv formuliert) des Eindringens von Niederschlag oder Anschwemmung durch sturmbedingt entstandene Öffnungen, nämlich „Öffnungen, die direkt durch den Sturm oder durch den Einsturz von durch den Sturm umgestoßener oder getragener Sachen entstanden sind“. Die im Klammerausdruck angeführten Beispiele für diesen Risikoausschluss sind nicht abschließend (arg: zum Beispiel). Das allmähliche Einsickern ausgetretenen Pool-Wassers durch das geschlossene Kellerfenster ist von diesem Risikoausschluss umfasst und derartige Schäden sind daher vom Versicherungsschutz ausgenommen.
[22] Dem Risikoausschluss hält der Kläger nur entgegen, dieser sei infolge der allgemeinen Umschreibung des versicherten Risikos in Art 2.2.1. ABHE 2017 durch eine „anderweitige“ Vereinbarung ausgeschlossen worden. Dabei übersieht er, dass es nach Art 2.2.1. ABHE 2017 einer anderweitigen Vereinbarung in der Versicherungspolizze bedarf, damit dieser Risikoausschluss nicht zum Tragen kommt. Eine solche ausdrückliche Vereinbarung wurde aber nicht getroffen.
[23] 4. Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.
[24] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 und § 50 ZPO.
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