OGH 7Ob58/19h

OGH7Ob58/19h18.9.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Hon.‑Prof. Dr. Höllwerth, Dr. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** B*****, vertreten durch Vogl Rechtsanwalt GmbH in Feldkirch, gegen die beklagte Partei F***** AG, *****, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Herausgabe, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 18. Dezember 2018, GZ 1 R 123/18t‑17, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 26. Juni 2018, GZ 61 Cg 31/17i‑13, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0070OB00058.19H.0918.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 1.017,90 EUR (darin enthalten 169,65 EUR an USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

 

Begründung:

Das Erstgericht verpflichtete die Beklagte, Zug um Zug gegen Zahlung/Sicherstellung von 4 EUR betreffend die beiden Lebensversicherungsverträge Abschriften zu übermitteln bzw Informationen zu erteilen über die Klauselverzeichnisse, den Langtext der Klauseln und die Allgemeinen und Besonderen Bedingungen. Das Mehrbegehren, auch über die Versicherungsanträge, die Einzahlungsdaten (Datum und Höhe) und die Summe der Einzahlungen, Wertstand der Verträge zum letzten Jahr bzw Monatsultimo und sämtliche Erklärungen, welche über den Inhalt der Versicherungsanträge in Bezug auf die gegenständlichen Versicherungsverhältnisse abgegeben wurden, Abschriften zu übermitteln bzw Informationen zu erteilen, sowie sämtliche Eventualbegehren wies es ab.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers gegen die Abweisung seines Mehrbegehrens und seiner Eventualbegehren nicht Folge. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil – soweit ersichtlich – höchstgerichtliche Rechtsprechung dazu fehle, ob und wenn ja unter welchen Voraussetzungen ein Versicherungs-unternehmen über § 3 VersVG und § 18b VAG (aF) bzw § 253 VAG 2016 hinaus und auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses zur Auskunft verpflichtet werden könne.

Die Revision ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Die Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO):

Rechtliche Beurteilung

1. Der Kläger geht auf die vom Berufungsgericht formulierte Zulassungsfrage in seiner Revision nicht erkennbar ein. Aus dieser ergeben sich daher die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht.

2.1. Das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage ist überdies nach dem Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel durch den Obersten Gerichtshof zu beurteilen (7 Ob 207/18v; 7 Ob 254/18f; vgl RS0112921; RS0112769). Eine im Zeitpunkt der Einbringung des Rechtsmittels tatsächlich aufgeworfene erhebliche Rechtsfrage fällt weg, wenn die bedeutsame Rechtsfrage durch eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs bereits vorher geklärt wurde (RS0112921 [T5]).

2.2. Der Fachsenat hat in dem von beiden Parteien in ihren Rechtsmittelschriften angesprochenen, zum Zeitpunkt der zweitinstanzlichen Entscheidung noch nicht veröffentlichten Urteil 7 Ob 221/17a bereits über ein gleichartiges Begehren auf Übermittlung von Abschriften entschieden. Er ist dabei (ua) zum Ergebnis gekommen, dass der Nebenleistungsanspruch nach § 3 VersVG während des Vertrags jederzeit besteht, nach seiner Beendigung nur bis zur vollständigen Abwicklung, also so lange, bis keine Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag mehr geltend gemacht werden können, solche also noch nicht verjährt sind. Der Versicherungsnehmer muss in der Klage darlegen, dass ihm noch ein Anspruch aus dem Versicherungsvertrag zustehen könnte (RS0132316). Der Versicherer hat nach Treu und Glauben bei bekannt unklarer Rechtslage seiner Nebenleistungspflicht nach § 3 VersVG jedenfalls so lange nachzukommen, bis Klarheit durch Gesetz und/oder Judikatur geschaffen wird. Er muss es dem Versicherungsnehmer ermöglichen, seine Rechtsposition zu wahren, wofür die Kenntnis der in § 3 VersVG genannten Urkunden Voraussetzung sein kann (RS0132317).

2.3. Die Frage, wann der auch hier in Frage stehende Nebenleistungsanspruch verjährt und ob allenfalls für die Geltendmachung der Nebenleistungspflicht nach § 3 VersVG eine absolute Frist gilt, wenn innerhalb dieser keine Anhaltspunkte für den Versicherer bestehen, dass danach noch ein Rechtsanspruch des Versicherungsnehmers bestehen könnte, musste in der Entscheidung 7 Ob 221/17a nicht näher untersucht werden. Diese Frage ist auch im vorliegenden Kontext nicht entscheidungsrelevant und kann daher dahingestellt bleiben.

2.4. Der Fachsenat hat in der Entscheidung 7 Ob 221/17a den beklagten Versicherer (ua) verpflichtet, dem klagenden Versicherungsnehmer Abschriften über sämtliche Erklärungen des Versicherungsnehmers zu übermitteln, welche über den Inhalt des Versicherungsvertrags in Bezug auf das betreffende Versicherungsverhältnis abgegeben wurden. Die Vorinstanzen haben hier (ua auch) diesen Teil des Klagebegehrens mangels ausreichender Bestimmtheit abgewiesen. Diese Rechtsansicht ist hier aber – unabhängig von der Frage der Verjährung eines solchen Nebenleistungsanspruchs – deshalb nicht zu überprüfen, weil der Kläger diese Frage zu einem insoweit selbständigen Teil des Klagebegehrens in seiner Revision nicht mehr aufgreift (vgl RS0043338).

3.  Dass dem Versicherungsnehmer auf der Grundlage des § 3 VersVG kein Anspruch auf Bekanntgabe der Einzahlungsdaten (Datum und Höhe) und der Summe der Einzahlungen sowie des Wertstands des Vertrags zum letzten Jahres- und Monatsultimo, hat der Fachsenat in der Entscheidung 7 Ob 221/17a bereits geklärt. Dazu werden in der Revision keine substanziellen Gegenargumente vorgetragen.

4. Soweit das Begehren des Klägers auf die Bekanntgabe der Summe der Einzahlungen abstellt, hat es das Erstgericht infolge Erfüllung abgewiesen. Warum diese Ansicht unzutreffend sein soll, wird in der Revision nicht ausgeführt. Es ist daher nicht mehr zu erörtern, ob der Kläger insoweit einen „Rechnungslegungsanspruch“, den er nach seinem erstinstanzlichen Vorbringen im Übrigen gerade nicht geltend machen wollte, auf Basis des nicht vor dem Erstgericht, sondern erstmals in der Berufung geltend gemachten § 1426 ABGB ableiten könnte.

5. Zu den von den Vorinstanzen herangezogenen Gründen für die Abweisung der hilfsweise geltend gemachten Eventualbegehren nimmt der Kläger in seiner Revision nicht mehr Stellung. Auf diese Eventualbegehren ist daher ebenfalls nicht einzugehen.

6. In welcher Höhe Kostenersatz für die begehrte Übermittlung von Abschriften angemessen ist, bedarf deshalb keiner Beurteilung, weil im Umfang der Klagestattgebung der vom Kläger insoweit angebotene Kostenersatz unbekämpft in Rechtskraft erwachsen ist und für die Abweisung der Mehrbegehren auf Abschriftenübermittlung die Höhe des vom Kläger angebotenen Kostensersatzes nicht entscheidungswesentlich war.

7.1. Der Kläger macht insgesamt keine erhebliche Rechtsfrage geltend. Die Revision ist daher nicht zulässig und folglich zurückzuweisen.

7.2. Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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