OGH 7Ob54/24b

OGH7Ob54/24b28.8.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätinnen unddie Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Dr. Weber und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K* T*, vertreten durch die Vogl Rechtsanwalt GmbH in Feldkirch, gegen die beklagte Partei U* AG, *, vertreten durch Dr. Bertram Grass und Mag. Christoph Dorner, Rechtsanwälte in Bregenz, wegen 45.819,59 EUR sA sowie 5.003,62 EUR sA (kapitalisierte Zinsen), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 24. Jänner 2024, GZ 4 R 193/23y‑78, mit dem das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 18. August 2023, GZ 7 Cg 9/21z‑67, abgeändert wurde, beschlossen und zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0070OB00054.24B.0828.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Versicherungsvertragsrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

 

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

I. Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung einschließlich des in Rechtskraft erwachsenen klageabweisenden Teils als Teilurteil zu lauten hat:

„1. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 17.648,17 EUR binnen 14 Tagen zu bezahlen.

2. Das Mehrbegehren des Inhalts, die beklagte Partei sei weiters schuldig, der klagenden Partei 28.171,42 EUR samt 4 % Zinsen ab dem Tag der Klageeinbringung sowie 443 EUR an kapitalisierten Zinsen samt 4 % Zinseszinsen ab dem Tag der Klageeinbringung zu bezahlen, wird abgewiesen.

3. Betreffend dieses Teilbegehren wird die Kostenentscheidung der Endentscheidung vorbehalten.“

 

II. Im darüber hinausgehenden Umfang (Zinsenbegehren in Höhe von 4 % Zinsen aus 65.401,17 EUR ab dem Tag der Klageeinbringung bis zum 8. April 2021 und 4 % Zinsen aus 17.648,17 EUR seit 9. April 2021 sowie 4.570,62 EUR an kapitalisierten Zinsen samt 4 % Zinseszinsen aus 11.254,42 EUR ab dem Tag der Klageeinbringung bis zum 8. April 2021 und 4 % Zinseszinsen aus 4.570,62 EUR seit 9. April 2021) werden die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben und die Rechtssache insoweit zur neuerlichen Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

III. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Zwischen den Streitteilen besteht eine Eigenheimversicherung für das Wohnhaus der Klägerin. Am 25. April 2018 kam es in diesem Wohnhaus zu einem Brand, bei dem das Obergeschoss ausbrannte.

[2] Der Versicherungsantrag vom 24. April 2015 hat folgenden auszugsweisen Inhalt:

„Zuhause & Glücklich Eigenheimversicherung mit Wertanpassung

[…]

Zuhause & Glücklich Eigenheimversicherung mit Unterversicherungsverzicht laut Bedingungen (UV0) zum Neubauwert 232.260,00

Berechnungsgrundlage – Innenfläche [...]

Wohnhaus: 60 m² ebenerdig

60  m² Mansarde

[…]

Zuhause & Glücklich Wohnungsversicherung mit Unterversicherungsverzicht

Gesamter Wohnungsinhalt zum Neuwert 66.540,00

Deckungsvariante PREMIUM [...]

• Erweiterte Privathaftpflicht für Personen und Sachschäden 3.000.000,00

• Nebenkosten 13.308,00

Selbstbeteiligung in jedem Schadensfall: keine

Berechnungsgrundlage – Innenfläche:

60  m² ebenerdig

60 m² Mansarde

[...]

Gültige Bedingungen und Vertragsklauseln: FF3 A96 T1 FC42 FF47 FC47 […]“

[3] Die der Klägerin aufgrund ihres Antrags zugestellte Polizze wurde im Jahr 2018 wertangepasst. Siehat folgenden auszugsweisen Inhalt:

„Zuhause & Glücklich Eigenheimversicherung

[…]

Haftungshöchstsumme in EUR

Wohnhaus 247.810,00

mit Unterversicherungsverzicht

Neubauwert

Berechnungsgrundlage:

Ebenerdig: 60 m² Innenfläche

Mansarde: 60  m² Innenfläche

[…]

Nebenkosten laut Bedingungen 49.562,00

Deckungsvariante „premium“

Versichert gilt

- Feuer

[...]

Zuhause & Glücklich Wohnungsversicherung

Gesamter Wohnungsinhalt 69.920,00

Neuwert

Berechnungsgrundlage:

Ebenerdig: 60 m² Innenfläche

Mansarde: 60  m² Innenfläche

[…]

Nebenkosten wie Aufräumungs‑ und Reinigungskosten, etc gemäß den Bedingungen 13.984,00

Kein Selbstbehalt im Schadenfall

[...]

Gültige Vertragsklauseln: Klauseln wie Vorpolizze“

[4] Wenn dem Versicherungsvertrag die richtige Quadratmeteranzahl für das Erdgeschoss und das Obergeschoss des Wohnhauses der Klägerin zugrundegelegt worden wäre, hätte zum Zeitpunkt des Schadenseintritts die Versicherungssumme für das Gebäude 291.650 EUR und für den Wohnungsinhalt (Inventar) 84.570 EUR betragen. Die Haftungshöchstsummen für die Nebenkosten des Gebäudeschadens hätten 58.330 EUR und für die Nebenkosten des Inventarschadens 16.914 EUR betragen.

[5] Die Klipp & Klar‑Bedingungen für die Zuhause & Glücklich Eigenheimversicherung FF 47, Deckungsvariante „Premium“, lauten auszugsweise:

Die Leistung der Versicherung – Artikel 10

1. Sachversicherung

Im Rahmen des Vertrages ersetzen wir den Schaden bis zu den auf der Polizze und in den vorliegenden Bedingungen angegebenen Höchsthaftungssummen.

[...]

Der Versicherungsnehmer erwirbt den Anspruch auf Zahlung des die Zeitwertentschädigung übersteigenden Teiles nur insoweit, als die Verwendung der Entschädigung zur Wiederbeschaffung oder Wiederherstellung von Gebäuden innerhalb dreier Jahre nach dem Schadenfall sichergestellt ist.

[…]

■  Wir ersetzen:

Den Schaden, der durch die unmittelbare Einwirkung der versicherten Gefahren oder deren unvermeidliche Folge entsteht, das heißt die Wiederherstellungskosten (Neuwertentschädigung) am Tag des Schadens.

- Zur Wiederherstellung verwendbare Reste werden gemäß ihrem Wert angerechnet.

Restwerte, die nicht wiederverwendet werden und nicht mehr als 20 % des Ersatzwertes betragen, gelten als verloren. Eine – auch nur teilweise – Wiederverwendung wird bei der Ersatzleistung angerechnet.

- Behördliche Wiederaufbaubeschränkungen bleiben auf die Bewertung von Gebäuderesten ohne Einfluss.

- Ist die Wiederherstellung an der bisherigen Stelle behördlich verboten, so genügt die Wiederherstellung an anderer Stelle innerhalb der Europäischen Union.

- Wird das Gebäude nicht innerhalb dreier Jahre ab dem Schadentag wieder aufgebaut, erfolgt die Entschädigung nach dem Zeitwert.

[...]

Wertgrundlagen – Artikel 12

Grundlage für die Festsetzung der Höchsthaftungssumme und der Prämienberechnung ist je nach Berechnungsmethode entweder die Quadratmeteranzahl der Innenfläche des Gebäudes unter Berücksichtigung der Bauausführung (Keller, Stockwerke und Mansarde) oder die bebaute Fläche unter Berücksichtigung der Anzahl der Stockwerke (vom Keller bis zum Dach). […]

[...]

Wichtig:

Nur eine korrekt ermittelte Höchsthaftungssumme schützt vor Unterversicherung!

[…]

■ Wird die Höchsthaftungssumme nicht auf diese Art ermittelt […] und ist die Höchsthaftungssumme geringer als der Versicherungswert (das ist der Neubauwert zum Zeitpunkt des Schadens) ergibt sich eine Unterversicherung. Die Leistung vermindert sich […]

[...]“

[6] Die Klipp & Klar‑Bedingungen für die Zuhause & Glücklich Wohnungsversicherung FC 47, Deckungsvariante „Premium“, lauten auszugsweise:

Die Leistung der Versicherung – Artikel 11

1. Sachversicherung

Im Rahmen des Vertrages ersetzen wir den Schaden bis zu den auf der Polizze und in den vorliegenden Bedingungen angegebenen Höchsthaftungssummen.

[...]

Ebenfalls werden nach einem ersatzpflichtigen Schaden – im Rahmen der Höchsthaftungssumme für den Wohnungsinhalt – ersetzt:

[…]

Kosten für eine Ersatzwohnung [...] und bei Eigenheimen den Mietwert bis EUR 15.000,- für höchstens zwölf Monate, wenn die Beschränkung auf den benutzbar gebliebenen Teil nicht zugemutet werden kann.

[…]

Wertgrundlagen – Artikel 14

[…]

Wohnungen in Eigenheimen (Ein- oder Zweifamilienwohnhäuser):

Grundlage für die Festsetzung der Höchsthaftungssumme und der Prämienberechnung ist je nach Berechnungsmethode entweder die Quadratmeteranzahl der Innenfläche des Gebäudes unter Berücksichtigung der Bauausführung (Keller, Stockwerke und Mansarde) oder die bebaute Fläche unter Berücksichtigung der Anzahl der Stockwerke (vom Keller bis zum Dach). […]

Wichtig:

Nur eine korrekt ermittelte Höchsthaftungssumme schützt vor Unterversicherung!

[…]

■ Wird die Höchsthaftungssumme nicht auf diese Art ermittelt […] ergibt sich eine Unterversicherung. Die Leistung vermindert sich […]

[…]“

[7] Der Neuwertschaden für das Gebäude beträgt im Ergebnis brutto 284.052,89 EUR. Die tatsächlich angefallenen Kosten für die Wiederherstellung des Gebäudes betrugen 248.862,52 EUR (inkl USt).

[8] Die Beklagte leistete Zahlungen für den Gebäudeschaden von 278.442 EUR, für Gebäudenebenkosten von 49.478,56 EUR, für den Inventarschaden (Wohnungsinhalt) von 73.241 EUR, für Nebenkosten zum Inventarschaden von 13.728,16 EUR und für Mietkosten von 13.400 EUR.

[9] Die Klägerin begehrte Zahlung von 45.819,59 EUR sA sowie 5.003,62 EUR an kapitalisierten Zinsen samt Zinseszinsen. Sie habe Anspruch auf Ersatz des Neuwertschadens für das Gebäude samt Nebenkosten sowie des Inventarschadens samt Nebenosten und Mietkosten in Höhe des Klagebetrags. Zusätzlich stünden ihr Zinsen ab einem Monat nach Anzeige des Versicherungsfalls zu. Die Annahme der falschen Quadratmeteranzahl für das Wohnhaus habe die Beklagte zu vertreten. Die Versicherungs-bedingungen, nach welchen die Entschädigungsleistung mit der Versicherungssumme limitiert sei, seien weder im Antrag noch in der Polizze erwähnt und daher nicht Vertragsbestandteil. Der damalige Vermittler hätte im Übrigen darauf hinweisen müssen, dass im Schadensfall nicht der ganze Schaden ersetzt werde, was er aber nicht getan habe. Der Klägerin stehe der Neuwertschaden für das Gebäude in der ermittelten Höhe zu, unabhängig davon, zu welchem Preis sie die Wiedererrichtung tatsächlich vorgenommen habe. Die günstigere Wiedererrichtung sei auf das Verhandlungsgeschick der Klägerin und den Umstand zurückzuführen, dass sie das Haus nicht in der Qualität wiedererrichtet habe, welche vor dem Schaden bestanden habe. Sie habe daher unabhängig von den tatsächlichen Baukosten Anspruch auf den Neuwert.

[10] Die Beklagte beantragt Klageabweisung. Sie lasse sich die Falschermittlung der Fläche des Wohnhauses zurechnen. Darüber hinaus hätten sie bzw ihr Vermittler aber keine Pflichten verletzt. Auch wenn der Neuwert zu ersetzen sei, gälten die vereinbarten Höchstentschädigungssummen, was sich aus den vereinbarten Bedingungen ergebe. Im Übrigen sei die Ersatzleistung der Beklagten mit dem tatsächlichen Gebäudeschaden limitiert. Die Beklagte habe insgesamt bereits mehr bezahlt, als der Klägerin zustehe, weshalb die Klage abzuweisen sei.

[11] Das Erstgericht verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von 37.087,72 EUR sA sowie kapitalisierten Zinsen von 5.003,62 EUR samt Zinseszinsen und wies ein Mehrbegehren von 8.731,87 EUR sA ab.

[12] Im Versicherungsantrag finde sich kein Hinweis darauf, dass ein Schaden nur bis zur Höhe der Versicherungssumme ersetzt werde, sondern sei dort ein Unterversicherungsverzicht angeführt. Dies könne nur so verstanden werden, dass der gesamte Schaden auch dann gedeckt werde, wenn die Versicherungssummen zur Schadensabdeckung nicht ausreichten. Erst in der Polizze sei auf Versicherungsbedingungen hingewiesen worden, weshalb der Antrag von der Polizze abweiche und die Beschränkung auf die Höchstversicherungssummen nicht gültig vereinbart worden sei. Im Übrigen sei bei der Klägerin der Eindruck erweckt worden, dass sie im Schadenfall die gesamten Schäden ersetzt erhalte. Der Klägerin stünde an sich nur jener Betrag zu, den sie tatsächlich ausgegeben habe. Die Arbeiten seien aber noch nicht vollständig abgeschlossen und die Klägerin beabsichtige, diese noch auszuführen, weshalb sie Anspruch auf Ersatz der gesamten Wiederherstellungskosten habe. Insgesamt belaufe sich der Anspruch der Klägerin auf 465.377,44 EUR. Abzüglich der Zahlungen der Beklagten ergebesich ein Restanspruch von 37.087,72 EUR. Der Beklagten stehe auch der Ersatz der Zinsen zu, weil sie die Zahlungen nicht fristgerecht geleistet habe.

[13] DasBerufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung der Klägerin nicht, jener der Beklagten hingegen Folge und änderte die erstgerichtliche Entscheidung im Sinn einer gänzlichen Klageabweisung ab.

[14] Entgegen der Ansicht des Erstgerichts werde bereits im Antrag auf die Versicherungsbedingungen hingewiesen, sodass diese Vertragsbestandteil seien. Darüber hinaus seien die Begriffe Höchstversicherungssumme sowie Unterversicherung gängige Begriffe im Zusammenhang mit dem Abschluss von Versicherungen und allgemein bekannt. Der Begriff der Unterversicherung als auch die Bedeutung eines Verzichts darauf werde überdies in den jeweiligen Bedingungen nachvollziehbar erklärt. Ob die Klägerin diesbezüglich subjektiv eine andere Ansicht gehabt habe, sei unerheblich, weil sie diese bei Vertragsabschluss der Beklagten gegenüber nicht offen gelegt habe. Die Leistungsverpflichtung der Beklagten sei daher mit den vereinbarten Höchsthaftungssummen begrenzt. Im Übrigen lasse sich die Beklagte zurechnen, dass bei Antragstellung von einer zu geringen Quadratmeterfläche des Wohnhauses ausgegangen worden sei und sich damit entsprechend höhere Höchstversicherungssummen ergäben. Ersatzfähig sei aber nur der tatsächliche Aufwand. Der Versicherer könne daher einen Abzug vornehmen, wenn die Wiederbeschaffung weniger gekostet habe. Die gesamte der Klägerin zustehende Versicherungsleistung betrage 408.676,52 EUR. Da die Beklagte bereits mehr als diesen Betrag gezahlt habe, sei das Klagebegehren abzuweisen. Zu den kapitalisierten Zinsen würden zwar Feststellungen fehlen, allerdings seien die begehrten Zinsen mit der Zahlung der Beklagten ohnehin auch abgegolten.

[15] Gegen diese Entscheidung richtet sich die RevisionderKlägerin mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass ihr 41.872,48 EUR sA sowie 4.570,62 EUR an kapitalisierten Zinsen samt Zinseszinsen zugesprochen werden. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[16] Die Beklagte beantragt in ihrer vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsbeantwortung, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[17] Die Revision ist zur Wahrung der Rechtssicherheit zulässig, sie ist auch teilweise berechtigt.

1. Haftungshöchstsummen

[18] 1.1. Bei Auslegung einer Willenserklärung nach den §§ 914 ff ABGB ist zunächst vom Wortsinn in seiner gewöhnlichen Bedeutung auszugehen, dabei aber nicht stehen zu bleiben, sondern der Wille der Parteien, das ist die dem Erklärungsempfänger erkennbare Absicht des Erklärenden, zu erforschen (RS0017915).

[19] Das Berufungsgericht hat zutreffend erkannt, dass bereits im Versicherungsantrag auf die hier relevanten Bedingungen hingewiesen wurde, was die Revision auch nicht in Zweifel zieht. Der Versicherungsantrag der Klägerin war– entgegen der Ansicht der Revision – durch die Verwendung des Begriffs „Unterversicherung“ in Zusammenhang mit den Begriffen „Neubauwert“ und „Neuwert“ aber auch nicht missverständlich formuliert, finden sich doch dort neben den Begriffen Neubauwert und Neuwert die Zahlen „232.260,00“ sowie „66.540,00“ und wird daran anschließend die Grundlage für deren Berechnung angeführt, sodass für den durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmer klar sein muss, dass der Versicherungsschutz damit ziffernmäßig begrenzt wird. Dass mit den Begriffen „Versicherungssumme, Höchstversicherungssumme oder Höchsthaftungssumme“ jener Betrag gemeint ist, welcher bei Vorliegen eines Versicherungsfalls maximal zur Auszahlung gelangt, muss dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer ebenfalls klar sein, sind diese Begriffe doch einerseits im Zusammenhang mit dem Abschluss einer Versicherung allgemein bekannt und ergibt sich andererseits schon aus dem Wortlaut deren Funktion als ziffernmäßige Begrenzung des Versicherungsschutzes. Im Übrigen widerspricht es auch den berechtigten Deckungserwartungen des durchschnittlichen Versicherungsnehmers, dass der Versicherer der Höhe nach „unbegrenzt“ leistet. Entgegen der Ansicht der Revision besteht daher gar kein Widerspruch zwischen Versicherungsantrag und Polizze, sodass § 5 Abs 2 VersVG schon deshalb nicht zur Anwendung kommt.

[20] 1.2. Das Berufungsgericht hat sich entgegen der Ansicht der Revision mit dem behaupteten Beratungsfehler des Agenten der Beklagten auseinandergesetzt. Dessen Rechtsansicht, dass eine Aufklärungspflicht im konkreten Fall nur bestanden hätte, wenn die Klägerin eine unzutreffende Meinung geäußert oder wenn dem Versicherungsagenten aus den Äußerungen der Klägerin klar erkennbar gewesen wäre, dass sie über einen für sie ganz wesentlichen Vertragspunkt eine irrige Vorstellung gehabt habe, ist auch zutreffend (vgl RS0106980; RS0080141). Dass diese Voraussetzungen hier vorliegen würden, behauptet die Klägerin in ihrer Revision gar nicht.

[21] Die in der Revision angeführte Entscheidung des deutschen Bundesgerichtshofs (BGH IV ZR 171/09 = r + s 2011, 250) betraf den Umfang von Beratungspflichten in Bezug auf den „Versicherungswert 1914, der ungewöhnlich schwierige Bewertungsfragen aufwirft“ und ist daher nicht einschlägig.

[22] 1.3. Zusammengefasst sind im vorliegenden Gebäudeversicherungsvertrag die Haftungshöchstsummen wirksam vereinbart worden. Dabei gesteht die Beklagte zu, dass aufgrund eines Fehlers ihres Agenten bei der Antragstellung von einer zu geringen Quadratmeterfläche des Wohnhauses ausgegangen wurde und sich für die richtige Quadratmeterzahl entsprechend höhere Höchst-versicherungssummen ergeben. Diese sind im Revisionsverfahren unstrittig und betragen für das Gebäude 291.650 EUR, für den Wohnungsinhalt (Inventar) 84.570 EUR, für die Nebenkosten des Gebäudeschadens 58.330 EUR und für die Nebenkosten des Inventarschadens 16.914 EUR.

2. Wiederherstellungskosten

[23] 2.1. Für die Bemessung des Ersatzumfangs des Gebäudeschadens ist die konkret gewählte Ausgestaltung der Wiederherstellungsklausel maßgeblich (Saria in Fenyves/ Perner/Riedler [2021] § 97 VersVG Rz 26):

[24] 2.2. Wenn der Versicherungsnehmer nach der Bedingungslage den Anspruch auf Zahlung des die Zeitwertentschädigung übersteigenden Teils der Entschädigung nur insoweit erwirbt, als dieser Teil zusammen mit der Zeitwertentschädigung den Wiederherstellungs-aufwand nicht übersteigt, kommt es darauf an, in welchem Umfang der Wiederherstellungsaufwand die Entschädigung verbraucht; maßgebend ist demnach der tatsächliche Aufwand. Der Versicherer kann danach einen Abzug vornehmen, wenn die Wiederbeschaffung weniger gekostet hat (RS0081820; 7 Ob 7/84; 7 Ob 28/92 [insoweit zustimmend Grassl‑Palten, RdW 1994, 41]; 7 Ob 230/07k).

[25] 2.3. Sofern in den Versicherungsbedingungen hingegen keine diesbezüglichen Einschränkungen vorgesehen sind, ist unabhängig von einem allenfalls niedrigeren tatsächlichen Wiederherstellungsaufwand die nach der Wiederherstellungsklausel zustehende Entschädigung in vollem Umfang zu leisten; zahlt daher der Versicherungsnehmer weniger als die festgestellten Wiederbeschaffungskosten, so kommt das ihm zugute (vgl RS0121821; 7 Ob 262/05p; Kath/Kronsteiner/Kunisch/ Reisinger/Wieser, HB Versicherungsvertragsrecht I Rz 1774).

[26] 2.3. Die vorliegende Wiederherstellungsklausel und jene in 7 Ob 262/05p sind annähernd wortgleich. Dass dort vom „Wiederbeschaffungspreis“ die Rede ist, ergibt sich daraus, dass die dortige Klausel die Zerstörung bzw Entwendung beweglicher Sachen betraf. Damit ist aber kein anderes Begriffsverständnis gemeint. Folglich ist auch im vorliegenden Fall unabhängig von einem allenfalls niedrigeren tatsächlichen Wiederherstellungsaufwand die nach der Wiederherstellungsklausel zustehende Entschädigung in vollem Umfang zu leisten. Dafür spricht auch, dass nach der Rechtsprechung der durch die Sicherstellung der Wiederherstellung fällig gewordene Anspruch auf die Neuwertspitze auch dann besteht, wenn sich später herausstellen sollte, dass trotz Sicherstellung in der Folge die Wiederbeschaffung unterbleibt (RS0121821; 7 Ob 134/22i). Zahlt somit der Versicherungsnehmer weniger als die festgestellten Wiederbeschaffungskosten, so kommt das ihm zugute. Dies bedeutet im vorliegenden Fall, dass die Klägerin Anspruch auf Ersatz des Neuwertschadens für das Gebäude in Höhe von 284.052,89 EUR hat, die in der zugrundezulegenden Versicherungssumme von 291.650 EUR gedeckt ist.

3. Anspruchshöhe

[27] 3.1. Im vorliegenden Fall setzt sich der Anspruch der Klägerin aus mehreren selbständigen Schuldposten zusammen: Der Neuwertschaden des Gebäudes beträgt 284.052,89 EUR. Bezüglich der übrigen Posten lässt sich die Neuwertentschädigung den Feststellungen nicht zweifelsfrei entnehmen. Dies ist jedoch unerheblich, weil die Beklagte bezüglich dieser Posten in der Berufung ohnehin zugestand, dass sie die jeweilige Haftungshöchstsumme zu ersetzen hat.Der Klägerin stehen daher an Nebenkosten des Gebäudeschadens 58.330 EUR, an Inventarschaden (Wohnungsinhalt samt Mietkosten) 84.570 EUR und an Nebenkosten des Inventarschadens 16.914 EUR zu.

[28] 3.2. Gemäß § 1415 Satz 2 ABGB sind die einzelnen Schuldposten den jeweils darauf gewidmeten Zahlungen der Beklagten gegenüberzustellen (vgl RS0034703; Stabentheiner/Kolbitsch-Franz in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.05 § 1415 Rz 7). Die Beklagte leistete Zahlungen für den Gebäudeschaden von 278.442 EUR, für Gebäudenebenkosten von 49.478,56 EUR, für den Inventarschaden (Wohnungsinhalt) von 73.241 EUR, für Nebenkosten zum Inventarschaden von 13.728,16 EUR und für Mietkosten von 13.400 EUR. Da für den Inventarschaden und die Mietkosten nach den Versicherungsbedingungen zusammen nur einmalig die Haftungshöchstsumme von 84.570 EUR für den Wohnungsinhalt zur Verfügung steht (vgl Art 11.1. AVB FC 47), sind diese als ein Posten zu werten.

[29] 3.2. Somit errechnet sich unter Berücksichtigung der Zahlungen der Beklagten folgender Restanspruch der Klägerin:

 

 

 

 

 

Posten

Anspruch

Zahlung

Restanspruch

Gebäudeschaden

284.052,89 EUR

278.442 EUR

5.610,89 EUR

Nebenkosten Gebäudeschaden

58.330 EUR

49.478,56 EUR

8.851,44 EUR

Inventarschaden samt Mietkosten

84.570 EUR

86.641 EUR

(73.241 + 13.400)

0 EUR

Nebenkosten Inventarschaden

16.914 EUR

13.728,16 EUR

3.185,84 EUR

Gesamt

 

 

17.648,17 EUR

    

 

[30] Das Klagebegehren besteht daher in der Hauptsache mit 17.648,17 EUR zu Recht.

4. Zinsen

[31] 4.1. Nach § 94 Abs 1 VersVG stehen dem Versicherungsnehmer in der Feuerversicherung nach Ablauf eines Monats seit der Anzeige des Versicherungsfalls Zinsen in Höhe von 4 % der Entschädigung zu (vgl zur Anwendbarkeit dieser Norm auf kombinierte Verträge, mit denen – wie hier – eines der in § 82 VersVG angeführten Risiken versichert wird: Saria in Fenyves/Perner/Riedler [2021] § 94 VersVG Rz 2 mwN). Die Klägerin macht Zinsen ab 25. Mai 2018 geltend. Es steht allerdings nicht fest, wann die Klägerin der Beklagten den Versicherungsfall angezeigt hat, sodass der Beginn des Zinsenlaufs nicht beurteilt werden kann.

[32] 4.2. Die Klägerin begehrt bis zum Tag der Klagseinbringung Zinsen als kapitalisierten Betrag in Höhe von (zuletzt) 4.570,62 EUR samt Zinseszinsen. Dass der Klägerin kapitalisierte Zinsen samt Zinseszinsen zustehen, hat die Beklagte zu keinem Zeitpunkt bestritten. Allerdings weist sie zutreffend darauf hin, dass es dazu der Feststellungen bedürfe, aus denen sich die geltend gemachte Summe ableiten lasse. Um die Höhe der Zinsen berechnen zu können, sind daher insbesondere Feststellungen zum Zeitpunkt der geleisteten Zahlungen erforderlich. Nur so kann beurteilt werden, in welchem Zeitraum die Forderung der Klägerin in welcher Höhe aushaftete und zu verzinsen ist.

[33] 4.3. Das Zinsenbegehren kann daher mangels ausreichender Feststellungsrundlage nicht abschließend beurteilt werden.

5. Ergebnis

[34] Die Revision ist daher teilweise berechtigt. Die Entscheidungen der Vorinstanzen waren wie aus dem Spruch ersichtlich als Teilurteil abzuändern und im darüber hinausgehenden Umfang (Zinsenbegehren) aufzuheben.

6. Kosten

[35] 6.1. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 und Abs 4 ZPO.

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