OGH 7Ob526/87

OGH7Ob526/875.3.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuderna, Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Renate B***, Angestellte, Himberg, Erber-Promenade 7/4/3, und 2. Elisabeth B***, Angestellte, Wien 6., Mollardgasse 39-41/2/4/14, beide vertreten durch Dr. Otto Schuhmeister, Rechtsanwalt in Schwechat, wider die beklagte Partei Adolf K***, Pensionist, Wimpassing, Kirchengasse 5, vertreten durch Dr. Rupert Faltl, Rechtsanwalt in Schwechat, wegen Feststellung (Streitwert S 500.000,-), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 25. November 1986, GZ 11 R 251/86-22, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 20. August 1986, GZ 53 Cg 21/86-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte ist schuldig, den Klägerinnen die mit S 15.874,65 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 1.443,15 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerinnen sind Töchter der am 7.7.1985 ohne Hinterlassung einer letztwilligen Verfügung verstorbenen Erika K***. Diese war zum Zeitpunkt ihres Todes mit dem Beklagten verheiratet. Zwischen dem Beklagten und der Verstorbenen war seit 6.11.1984 ein von Erika K*** anhängig gemachtes, auf Verschulden des Beklagten gestütztes Ehescheidungsverfahren anhängig, das nach ihrem Tod nicht wegen der Verfahrenskosten fortgesetzt wurde. Eine Entscheidung in der Hauptsache war noch nicht ergangen. Mit der vorliegenden Klage begehren die Klägerinnen die Feststellung, daß dem Beklagten kein gesetzliches Erbrecht nach Erika K*** zustehe, weil diese gegen ihn eine Scheidungsklage eingebracht habe und dieses Verfahren mit einer Scheidung aus dem Verschulden des Beklagten geendet hätte, wäre Erika K*** nicht vor rechtskräftigem Abschluß des Verfahrens verstorben. Die Vorinstanzen haben dem Klagebegehren stattgegeben, wobei das Erstgericht eine Reihe von Verfehlungen des Beklagten feststellte, aus denen es den Schluß zog, die Ehe wäre aus dem Verschulden des Beklagten geschieden worden (siehe die diesbezüglichen Feststellungen des Erstgerichtes auf den Seiten 89 bis 93 d.A.). Rechtlich vertraten die Vorinstanzen die Ansicht, nach § 759 Abs. 2 ABGB stehe dem überlebenden Ehegatten auch dann kein gesetzliches Erbrecht und kein Anspruch auf das gesetzliche Vorausvermächtnis zu, wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes auf Scheidung oder Aufhebung der Ehe zu klagen berechtigt war und die Klage erhoben hatte, soferne im Fall der Scheidung oder Aufhebung der Ehe der beklagte Ehegatte als schuldig anzusehen wäre. Beweispflichtig sei diesbezüglich derjenige, der das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten bestreitet. Es dürften nur solche schwere Eheverfehlungen berücksichtigt werden, die der Erblasser schon zur Stützung seines Scheidungsbegehrens geltend gemacht hatte oder deren Geltendmachung zumindestens seinem Willen entsprochen hätte. Der Anspruch nach § 759 Abs. 2 ABGB sei unabhängig davon gegeben, ob der das Erbrecht des Ehegatten bestreitende Erbe das Scheidungsverfahren wegen der Kosten fortgesetzt habe oder nicht. Die festgestellten Eheverfehlungen des Beklagten seien in ihrer Gesamtheit als derart schwer zu beurteilen, daß sie die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden des Beklagten gerechtfertigt hätten. Hiebei spiele es keine Rolle, daß zwei der geltend gemachten Eheverfehlungen bereits verfristet gewesen seien, weil im Hinblick auf den Umstand, daß innerhalb der Frist des § 57 Abs. 1 EheG eine Reihe schwerer Eheverfehlungen gesetzt worden sind, auch die verfristeten oder verziehenen Eheverfehlungen geltend gemacht hätten werden können. Die vom Beklagten gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes wegen § 503 Z 3 und 4 ZPO erhobene Revision ist nicht gerechtfertigt. Die Ausführungen zu der behaupteten Aktenwidrigkeit sind nahezu unverständlich. Es spielt keine Rolle, daß der Beklagte seine seinerzeitige Privatanklage nicht gegen seine Ehegattin, sondern gegen den angeblichen Ehebrecher gerichtet hat, weil in dieser Privatanklage ein Ehebruch mit der Ehegattin des Beklagten behauptet worden ist. Demnach enthält die Privatanklage tatsächlich eine Beschuldigung der Ehegattin des Beklagten. Desgleichen richtet sich die Beschuldigung des Beklagten im Strafverfahren U 88/85 des Bezirksgerichtes Schwechat auch gegen seine Ehegattin. Daß er diese wegen ihres damaligen Zustandes als für gänzlich unschuldig gehalten hätte, kann keiner der beiden Beschuldigungen entnommen werden. Vielmehr hat der Beklagte in den beiden genannten Verfahren eindeutig zum Ausdruck gebracht, daß er seiner Ehegattin zumindest schwere Verfehlungen durch eine derartige Volltrunkenheit vorwarf, daß es zum außerehelichen Geschlechtsverkehr mit einem anderen Mann gekommen sei. Diese Vorwürfe wurden in dem dortigen Verfahren als nicht erwiesen angenommen. Auch im vorliegenden Verfahren sind die Vorinstanzen von unberechtigten Vorwürfen des Beklagten ausgegangen. Soweit sich die Revision gegen diese Beurteilung richtet, handelt es sich um eine unzulässige Bekämpfung der vorinstanzlichen Tatsachenfeststellungen.

Rechtliche Beurteilung

Ob zwei der dem Beklagten vorgeworfenen Eheverfehlungen seinerzeit durch seine Ehegattin verziehen worden sind, kann hier unerörtert bleiben, weil, entgegen der in der Revision vertretenen Rechtsansicht, auch verziehene Eheverfehlungen gemäß § 59 Abs. 2 EheG zur Unterstützung nicht verfristeter und nicht verziehener Eheverfehlungen herangezogen werden können (EFSlg. 43.673, 31.700, 22.854 u.a.).

Mit der Rechtsrüge unternimmt der Beklagte weitgehend den unzulässigen Versuch einer Bekämpfung der vorinstanzlichen Tatsachenfeststellungen. Daß es keine Ehefeverfehlung darstellte, wenn sich der Beklagte während aufrechter Ehe nach Frauenbekanntschaften umsah, kann wohl er selbst nicht im Ernst meinen. Irgendeinen Anhaltspunkt für die Richtigkeit oder Gutgläubigkeit der Diebstahlsanzeige des Beklagten gegen seine Ehegattin hat das Verfahren nicht erbracht.

Zutreffend verweist das Berufungsgericht darauf, daß es sich bei der Behauptung, die Ehegattin des Beklagten habe durch ein Testament vom 5.2.1985 sämtliche Eheverfehlungen verziehen, um eine unzulässige Neuerung handelt. Durch die Einführung des § 483 a ZPO wurde die Zulässigkeit von Neuerungen im Ehescheidungsverfahren beseitigt (Fasching Zivilprozeßrecht Rz 1679). Dies gilt auch für die Geltendmachung eines Mitschuldantrages, weil die seinerzeitige Zulassung derartiger Anträge im Berufungsverfahren nur mit dem Fehlen eines Neuerungsverbotes im Ehescheidungsverfahren begründet worden ist. Durch den Wegfall der diesbezüglichen Bestimmung des § 76 der 1. DVzEheG ist auch die Möglichkeit der erstmaligen Geltendmachung eines Mitschuldantrages in der Berufung beseitigt worden. Aus diesem Grunde muß auf die diesbezüglichen Behauptungen des Beklagten nicht eingegangen werden.

Daß der Verlust des Erbrechtes des Ehegatten nach § 759 Abs. 2 ABGB von einer Fortsetzung des anhängig gemachten Ehescheidungsverfahrens wegen der Prozeßkosten abhängig wäre, kann der genannten Gesetzesbestimmung nicht entnommen werden. Vielmehr hat nach dieser Gesetzesstelle der Erbe, der das Erbrecht des Ehegatten bestreitet, nur zu beweisen, daß der Erblasser zur Zeit seines Todes auf Scheidung oder Aufhebung der Ehe zu klagen berechtigt war und die Klage erhoben hatte, sofern der Ehegatte im Falle der Scheidung oder Aufhebung der Ehe als schuldig anzusehen wäre. Das Recht des Erben nach § 759 Abs 2 ABGB kann nicht davon abhängig sein, ob er das durch den Tod des einen Ehegatten in der Hauptsache erledigte Scheidungsverfahren bezüglich der Kosten fortsetzt oder ob er aus welchem Grunde immer, etwa wegen voraussichtlicher Uneinbringlichkeit der Kosten, eine solche Fortsetzung unterläßt (vgl. Welser in Rummel Rz 3 zu § 759). Im übrigen kann auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanzen verwiesen werden. Nach den getroffenen Feststellungen hat der Beklagte eine Reihe schwerer Eheverfehlungen begangen, wie die mehrfachen Versuche, sich anderen Frauen unsittlich zu nähern, die versuchte Kontaktaufnahme zu anderen Frauen, die grundlose Verdächtigung seiner Ehegattin wegen Ehebruchs und Diebstahls, die Anschwärzung seiner Ehegattin bei Behörden und anderen Stellen wegen verschiedener angeblicher Verfehlungen sowie die gröblichen Beschimpfungen der Verstorbenen. In ihrer Gesamtheit sind diese Verfehlungen derart schwerwiegend, daß sie ohne weiters zu einer Scheidung der Ehe aus dem Verschulden des Beklagten gereicht hätten. Einen Mitschuldantrag hat der Beklagte im Ehescheidungsverfahren nicht gestellt.

Die Vorinstanzen haben daher richtig erkannt, daß die Voraussetzungen des § 759 Abs. 2 ABGB gegeben sind. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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