OGH 7Ob518/56

OGH7Ob518/5626.10.1957

SZ 30/65

Normen

ABGB §364c
ABGB §1233
ABGB §1236
EO §9
EO §88
GBG §10
GBG §126
ZPO §528
ABGB §364c
ABGB §1233
ABGB §1236
EO §9
EO §88
GBG §10
GBG §126
ZPO §528

 

Spruch:

Der dem Judikate 56 neu zugrunde liegende Gedanke, daß unter einer bestätigenden Entscheidung nur eine vollständige Bestätigung zu verstehen ist, gilt auch im Grundbuchsverfahren. Auf Grund eines nur gegen den einen Hälfteeigentümer des unbeweglichen ehelichen Gemeinschaftsgutes erwirkten Exekutionstitels kann in die dem anderen Hälfteeigentümer (Ehegatten) zugeschriebene Liegenschaftshälfte nicht Exekution geführt werden.

Plenarentscheidung vom 26. Oktober 1957, 7 Ob 518/56.

I. Instanz: Bezirksgericht Freistadt; II. Instanz: Landesgericht Linz.

Text

Zur Hereinbringung seiner vollstreckbaren Forderung von 12.000 S samt Kosten in der Höhe von 40 S, 188 S 30 g, 12 S 50 g, 123 S 47 g, 20 S und 172 S 09 g war dem betreibenden Gläubiger Dr. S. bereits früher mit den Beschlüssen vom 17. März 1954, E 160/54 (204/54), vom 25. Mai 1954 (490/54) und vom 22. Jänner 1955, E 38/55 des Bezirksgerichtes Freistadt wider den Verpflichteten Josef St. die Exekution mittels zwangsweiser Pfandrechtsbegründung ob den dem Verpflichteten zugeschriebenen Liegenschaftshälften EZ. 12 und 185 KG. K. bewilligt worden.

Im Sinne eines neuerlichen Exekutionsantrages bewilligte das Erstgericht dem betreibenden Gläubiger gegen denselben Verpflichteten zur Hereinbringung der oben erwähnten Forderungen und zur Hereinbringung weiterer Kosten sowie der mit 22 S 10 g bestimmten Kosten des Exekutionsantrages die Exekution mittels zwangsweiser Pfandrechtsbegründung auch auf den der Gattin des Verpflichteten, Maria St., zugeschriebenen Hälften der vorbezeichneten Liegenschaften, dies im Hinblick auf die behauptete, aus dem Hinweis auf einen Ehepakt im Grundbuch ersichtliche, zwischen den Ehegatten St. vereinbarte Gütergemeinschaft.

Auf den Rekurs der Gattin des Verpflichteten, Maria St., bestätigte das Rekursgericht den erstgerichtlichen Beschluß hinsichtlich der vollstreckbaren Forderung von 12.000 S samt Kosten in der Höhe von 40 S, 188 S 30 g, 12 S 50 g, 123 S 47 g, 20 S und 172 S 09 g sowie hinsichtlich der nicht angefochtenen Kosten des Exekutionsantrages von 22 S 10 g; hinsichtlich der weiteren Kosten wies das Rekursgericht den Exekutionsantrag ab. Diese Abweisung ist von der betreibenden Partei nicht angefochten worden.

Der Plenarsenat des Obersten Gerichtshofes gab dem Revisionsrekurs der Maria St. Folge und wies den Exekutionsantrag, soweit er sich auf ihre Liegenschaftshälfte bezog, ab.

Rechtliche Beurteilung

Aus der Begründung:

Der dem Judikate 56 neu zugrunde liegende Gedanke, daß von einer bestätigenden Entscheidung nur dann gesprochen werden könne, wenn die Entscheidung vollständig bestätigt werde, hat wie im Bereich des Außerstreitverfahrens (JBl. 1956 S. 76) in gleicher Weise auch im Bereich des gemäß § 88 Abs. 2 EO. für die Bewilligung und den Vollzug der Einverleibung eines Zwangspfandrechtes geltenden Grundbuchsgesetzes analog Anwendung zu finden. Da das Rekursgericht den erstgerichtlichen Beschluß teilweise abänderte, ist seine Entscheidung mit Revisionsrekurs anfechtbar.

Die Wirkungen einer Gütergemeinschaft, die schon bei Lebzeiten der Eheleute wirken soll, sind im ABGB. nicht geregelt.

Diese von Wellspacher (Das Vertrauen auf äußere Tatbestände S. 259) als "gewaltig und bedauerlich" bezeichnete Gesetzeslücke hat zur Folge, daß die Judikatur und ebenso das Schrifttum zu dieser Einrichtung unsicher und widerspruchsvoll sind, so daß heute wie vor mehr als 150 Jahren mit gutem Grund von der "verworrenen Lehre von der ehelichen Gütergemeinschaft" (dies der Titel eines im Jahre 1799 erschienenen Werkes von Scherer) gesprochen werden könnte.

Immerhin wird aber von der überwiegenden Lehre und Rechtsprechung anerkannt, daß kraft Gewohnheitsrechtes (Verkehrsübung) die Vereinbarung einer Gütergemeinschaft unter Lebenden folgende für die Lösung der hier in Betracht kommenden exekutionsrechtlichen Fragen bedeutsame Wirkungen erzeugt:

A) Haftung jedes der Ehegatten für die Schulden des anderen mit

seinem Anteil am Gemeinschaftsgut (vgl. Ehrenzweig 2. Aufl. II/2 S. 153 ff.; Lenhoff in Klang 1. Aufl. III 670; Weiss in Klang 2. Aufl. V 792; GerZ. 1907 S. 262, GlUNF. 2803, GlUNF. 7010, SZ. XII 101, SZ. XVIII 179, SZ. XIX 98, SZ. XIX 198, SZ. XXV 247 u. a. m.). Im vorliegenden Fall ist die wechselseitige Haftung zur ungeteilten Hand übrigens in dem Ehe- und Übergabsvertrag vom 21. Jänner 1953 ausdrücklich vereinbart worden.

B) Wechselseitige Verfügungsbeschränkung beider Ehegatten der Art,

daß keiner einseitig über seinen Anteil am Gemeinschaftsgut verfügen kann. Diese ehegüterrechtliche Verfügungsbeschränkung erlangt dingliche Wirkung, also Wirkung gegen Dritte, durch Eintragung ins Grundbuch. Es ist nicht erforderlich, daß in den Gütergemeinschaftsvertrag die wechselseitige Verpflichtung zur Unterlassung einseitiger Verfügungen ausdrücklich aufgenommen werde. In welcher Weise die Gütergemeinschaft zu verbüchern ist, damit die kraft Gewohnheitsrechtes in der Gütergemeinschaft unter Lebenden steckende wechselseitige Verfügungsbeschränkung gegen Dritte wirke, ist eine im Schrifttum und in der Judikatur widerspruchsvoll behandelte Frage. Die Judikatur schwankt, ob ein bloßer Hinweis auf Ehepakte im Hauptbuch zur Herstellung einer dinglichen Wirkung nach Art eines Verfügungsverbotes gemäß § 364c ABGB. genüge. Die Entscheidung JBl. 1948 S. 347 hat unter ausdrücklicher Ablehnung der gegenteiligen Entscheidung SZ. VI 168 einen solchen Hinweis "zwar nicht als vorbildlich, aber doch als ausreichend" erkannt.

Das Rekursgericht vertritt die Ansicht, daß die bereits rechtskräftig gewordene Exekutionsbewilligung bloß in die dem Ehemann zugeschriebene Hälfte des Gemeinschaftsgutes unzulässig gewesen sei und dies auch an sich für die jetzt vom betreibenden Gläubiger angestrebte Exekution in die der Ehefrau zugeschriebene Hälfte gelten müsse. Der der bereits bewilligten Exekution anhaftende Mangel wäre aber durch die nachträgliche Bewilligung der Exekution auf die der Ehefrau zugeschriebene andere Hälfte behoben worden, und darum, weil nunmehr durch die zweite Exekutionsbewilligung die Belastung der gesamten Liegenschaften mit dem Zwangspfandrecht hergestellt würde, wäre auch die nunmehr beantragte Exekutionsführung in die "andere Hälfte" zulässig.

Für die Beantwortung der vom Rekursgericht der rechtlichen Beurteilung der vorliegenden Exekutionssache vorwiegend zugrunde gelegten Frage, ob in eine gütergemeinschaftliche Liegenschaftshälfte für sich allein Exekution geführt werden könne, kommt es nicht nur darauf an, ob die unter Lebenden bestehende Gütergemeinschaft so verbüchert ist, daß damit die ihr nach der Verkehrsübung innewohnende wechselseitige Verfügungsbeschränkung in einer für die Wirksamkeit gegen Dritte (ähnlich wie dies ein Veräußerungs- und Belastungsverbot nach § 364c ABGB. herbeiführt) ausreichenden Weise zum Ausdruck kommt, sondern es muß noch ein zweites Erfordernis erfüllt sein, von dem im folgenden zu sprechen sein wird.

In Hinsicht auf das Vorliegen des ersten Erfordernisses mangelt es aber an Feststellungen über den Wortlaut der die Gütergemeinschaft betreffenden Eintragung im B-Blatt des Grundbuches; ein den Wortlaut der Eintragung wiedergebendes Grundbuchslustrum liegt nicht vor. Über diese Feststellungslücke kann aber hinweggegangen werden, weil die Bewilligung der Exekution auf die dem Ehemann zugeschriebene Liegenschaftshälfte rechtskräftig geworden ist und die Exekutionsführung in die Liegenschaftshälfte der Ehefrau ohne Rücksicht auf den Wortlaut der die Gütergemeinschaft betreffenden Eintragung mangels eines gegen sie erwirkten Exekutionstitels unzulässig ist.

Immerhin sei aber doch die Frage der rechtlichen Möglichkeit der Exekutionsführung nur in eine Hälfte des Gemeinschaftsgutes kurz gestreift. Wäre die Gütergemeinschaft in einer Form eingetragen, die ihr Wirkung gegen Dritte nach Art eines Verfügungsverbotes nach § 364c ABGB. verliehe, so wäre im vorliegenden Fall allerdings die Exekutionsführung nur in die Hälfte des Gemeinschaftsgutes, die dem Ehemann zugeschrieben ist, als unzulässig zu beurteilen; die Unzulässigkeit wäre aber nicht darin gelegen, daß sich die Exekution nur auf die eine Liegenschaftshälfte beschränkt hat, sondern darin, daß in die dem einen Ehegatten zugeschriebene Hälfte nur auf Grund eines gegen ihn allein ergangenen Exekutionstitels ohne gleichzeitige Verurteilung des anderen Ehegatten vollstreckt würde. Die wechselseitige Mitberechtigung der Ehegatten, die sich in der wechselseitigen Verfügungsbeschränkung äußert, schließt ebenso wie ein vertragsmäßiges Verfügungsverbot nach § 364c ABGB. nur die einseitige Verfügung, also die Verfügung ohne die Zustimmung des durch das Verbot Begünstigten, aus (vgl. für den Bereich des § 364c ABGB. den Plenarbeschluß SZ. XV 17). Beim exekutiven Pfandrecht tritt an die Stelle der Zustimmung der an den anderen Ehegatten gerichtete Leistungsbefehl. Das gegen die Exekutionsführung in die dem einen Ehegatten zugeschriebene Hälfte des Gemeinschaftsgutes bestehende Hindernis, das aus der Verfügungsbeschränkung zugunsten des anderen Eheteils folgt, würde durch dessen Verurteilung zur selben Leistung gebrochen werden.

Die entscheidende Frage geht im vorliegenden Fall aber nicht dahin, ob nur in beide Hälften des Gemeinschaftsgutes zusammen Exekution geführt werden kann - ein in dieser Richtung bestehendes Hindernis wäre übrigens, wie das Berufungsgericht zutreffend annimmt, durch die nachträgliche, die zweite Hälfte des Gemeinschaftsgutes ergreifende Exekution behoben -, sondern dahin, ob auf Grund eines gegen den einen Hälfteeigentümer des unbeweglichen Gemeinschaftsgutes erwirkten Exekutionstitels in die dem anderen Eheteil zugeschriebene Hälfte vollstreckt werden kann. Diese Frage ist entgegen der Entscheidung EvBl. 1956 Nr. 4 zu verneinen.

Erwägungen, ob das unbewegliche Gemeinschaftsgut in einem dem österreichischen Recht sonst fremden (vgl. SZ. XXV 192) Gesamthandeigentum stehe, sind müßig; denn die Ehegatten sind im vorliegenden Fall auf je eine Hälfte des Liegenschaftsbesitzes als Miteigentümer eingetragen, und das Grundbuchsrecht, auf das § 88 EO. für die Bewilligung und den Vollzug eines exekutiven Pfandrechtes verweist, kennt nach seinem § 10 nur ein Miteigentum nach Quoten, woraus folgt, daß dann, wenn im Grundbuch Miteigentum eingetragen ist, dessen Deutung als Gesamthandeigentum im Sinne eines condominium plurium in solidum ausgeschlossen ist. Allerdings ist nicht schlichtes Miteigentum eingetragen, sondern bezieht die Eintragung irgendwie den Gütergemeinschaftsvertrag. Selbst wenn aber, was nicht festgestellt ist, diese Bezugnahme so eindeutig wäre, daß daraus die ehegüterrechtliche Gebundenheit ohne jeden Zweifel hervorginge, hätte dies nur die Bindung der Miteigentümer, nicht aber ein Gesamthandverhältnis zur Folge.

Nach § 9 EO. kann gegen einen anderen als den im Exekutionstitel genannten Verpflichteten Exekution nur geführt werden, wenn durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden bewiesen ist, daß die aus dem Titel hervorgehende Verpflichtung auf denjenigen übergegangen ist, gegen den sich die Exekution richten soll. Daß sich aus der wechselseitigen Haftung zur ungeteilten Hand ebensowenig wie aus einer ehegüterrechtlichen Beschränkung der Miteigentümer die Möglichkeit einer Titelumschreibung nach § 9 EO. ergibt, liegt auf der Hand. Damit auf Grund des Titels gegen den einen Ehegatten in den dem anderen Ehegatten zugeschriebenen Teil des unbeweglichen Gemeinschaftsgutes Exekution geführt werden kann, wäre eine positivrechtliche Bestimmung erforderlich, wie sie im Bereich der offenen Handelsgesellschaft - zwar nicht für die Exekution in das Gesellschaftsvermögen (einer solchen Bestimmung bedurfte es nicht, weil der Exekutionstitel gegen die Gesellschaft alle Gesellschafter umfaßte), wohl aber in das Privatvermögen der Gesellschafter - bis zur Einführung der 4. EVzHGB. durch § 11 EO. statuiert war und wie sie im Bereich der ehegüterrechtlichen Gemeinschaft im deutschen Recht durch § 740 der DZPO. in der Fassung des Gleichberechtigungsgesetzes vom 18. Juni 1957, DRGBl. I S. 609, in der Weise normiert ist, daß ein Exekutionstitel gegen den allein verwaltenden Ehegatten zur Zwangsvollstreckung in das Gesamtgut genügt, während bei gemeinschaftlicher Verwaltung die Zwangsvollstreckung in das Gemeinschaftsgut nur zulässig ist, wenn beide Ehegatten zur Leistung verurteilt sind. Es kann auch die in der Entscheidung EvBl. 1956 Nr. 4 vertretene Auffassung nicht aufrechterhalten werden, es sei nicht einzusehen, warum eine Klage gegen den anderen Ehegatten notwendig sein sollte, diese sei vielmehr völlig überflüssig, für ihre Notwendigkeit ließe sich nichts ins Treffen führen. Wäre diese Auffassung richtig, so bliebe jemand, in dessen Vermögen Exekution geführt wird, ungehört. Schon der der Entscheidung SZ. XXV 247 zugrunde liegende Sachverhalt zeigt aber deutlich, daß der andere Ehegatte durch Scheingeschäfte und durch eine auf Grund eines Scheingeschäftes geführte Exekution benachteiligt werden kann. Bei dieser nunmehr vom Obersten Gerichtshof abgelehnten Ansicht bliebe es dem anderen Ehegatten aber nicht nur versagt, seine Einwendungen im Prozeß vorzubringen, es wäre ihm auch die Geltendmachung von Oppositions- oder Impugnationsgrunden im Exekutionsverfahren versagt, da er ja nicht Verpflichteter nach § 6 oder § 9 EO. wäre, sondern ein Dritter. Als solchem stunde ihm zwar die Widerspruchsklage nach § 37 EO. offen, aber aus einem Gründe, der sich schon im Zeitpunkt der Exekutionsbewilligung aus dem Grundbuch ergibt. Deshalb darf die Exekution nicht von vorneherein bewilligt werden.

Beigefügt sei noch, daß in Konsequenz der Entscheidung EvBl. 1956 Nr. 4 übrigens die zur Erwirkung eines inhaltlich gleichen Exekutionstitels gegen den anderen Ehegatten gerichtete Klage, wenn sie wirklich völlig überflüssig wäre, wegen mangelnden Rechtsschutzbedürfnisses abgewiesen werden müßte. Dies aber stunde im Widerspruch mit der ständigen Praxis des Obersten Gerichtshofes, die allgemein die Leistungsklage gegen anderen Ehegatten auch dann zuläßt, wenn dem Gläubiger gegen den einen Ehegatten bereits ein Judikatsanspruch zusteht (vgl. SZ. XII 101, SZ.

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