OGH 7Ob511/93(7Ob564/93)

OGH7Ob511/93(7Ob564/93)16.6.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hamid F*****, vertreten durch Dr.Erich Schwarz, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Josef St*****, vertreten durch Dr.Ernst Pallauf, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Leistung und Feststellung (Streitwert S 62.642,25) infolge Revisionsrekurses und Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Berufungsgerichtes vom 20.Mai 1992, GZ 21 R 96/92-17, womit infolge Berufung und Rekurs der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Salzburg vom 7.März 1991, GZ 15 C 976/90-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

1. Der Revisionsrekurs wird als unzulässig zurückgewiesen.

2. Der Revision der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 4.348,80 (darin S 724,80 an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war von 1974 bis 5.12.1989 (17.2.1990), zuletzt gegen einen monatlichen Zins von S 2.000,-- Mieter eines möblierten Zimmers im Ausmaß von 29 m2 im 1.Stock eines selbständigen, mehr als 100 Jahre alten Anbaues zum Haus Salzburg, Itzlinger Hauptstraße 55, mit dem Recht auf Mitbenützung eines im Erdgeschoß gelegenen WCs und Bades. Der Beklagte ist Eigentümer dieser Liegenschaft. Als 1987 aufgrund des desolaten Dachzustandes und sonstiger Abnützungserscheinungen der damalige Hausverwalter des Beklagten den Kläger zur Räumung aufforderte, versprach dieser eine Räumung bis 10.9.1987, zog aber nicht aus, sondern setzte sich mit dem Mieterschutzverband in Verbindung. Dieser forderte den Beklagten namens des Klägers zur Sanierung des Bestandobjektes auf. Im Rahmen des vom Kläger bei der Schlichtungsstelle eingeleiteten Verfahrens sprach die Baubehörde anläßlich einer Besichtigung am 13.10.1989 ein sofortiges Benützungsverbot für den Anbau aus. Im zu 13 C 2507/89 des Bezirksgerichtes Salzburg am 5.12.1989 geschlossenen Räumungsvergleich verpflichtete sich der Kläger, den gemieteten Raum bis spätestens 31.1.1990 zu räumen und geräumt zu übergeben. Der Kläger zog am 17.2.1990 in eine von ihm und seiner Gattin um S 6.302,50 angemietete Wohnung ein. Diese 58 m2 große moderne Wohnung verfügt über zwei Zimmer und Küche.

Der Kläger begehrt, den Beklagten zur Instandsetzung des gegenständlichen Anbaues, und danach zum Abschluß eines Mietvertrages über den früher gemieteten Raum zu einem monatlichen Mietzins von S 2.000,-- sowie ab Mai 1990 bis zur Wiederherstellung des früheren Bestandvertrages zur Refundierung des S 2.000,-- übersteigenden Mietzinses des Klägers, sohin zur Zahlung von monatlich S 4.302,50,-- zu verpflichten. Für den Fall der Abweisung des Hauptbegehrens erhob der Kläger das Eventualbegehren, den Beklagten schuldig zu erkennen, dem Kläger den Mietzinsmehraufwand von monatlich S 4.302,50 samt den damit verbundenen Betriebskosten zu bezahlen. Er brachte vor, der Beklagte habe trotz jahrelanger Aufforderung zur Mängelbehebung und unter Mißachtung baubehördlich aufgetragener Sanierungsarbeiten die ihm obliegende Verpflichtung zur Erhaltung des Bestandgegenstandes derart verletzt, daß dieser dadurch unbenützbar geworden sei. Der Beklagte habe daher dem Kläger alle Schäden, die ihm durch die notwendig gewordene teurere Anmietung einer anderen Wohnung entstanden seien, zu bezahlen.

In der letzten Tagsatzung vor Schluß der Verhandlung 1.Instanz begehrte der Kläger, den Beklagten zu einer weiteren Leistung von S 133.420,-- s.A. zu verpflichten. Für die dem Kläger vermietete Substandardwohnung hätte der Beklagte gemäß § 16 Abs.3 MG bzw. § 42 MRG nur einen monatlichen Mietzins von S 4,-- pro Quadratmeter, sohin monatlich nur S 80,-- verrechnen dürfen. Die darüber hinausgehenden, vom Beklagten geforderten Mietzinszahlungen habe der Kläger rechtsirrtümlich bezahlt.

Der Beklagte wendete ein, das Bestandverhältnis sei nicht den Bestimmungen des MRG unterlegen, weil ein Einfamilienhaus vorliege. Er habe mit dem Kläger bereits am 4.5.1987 die einvernehmliche Auflösung des Bestandverhältnisses und die Räumung der Wohnung vereinbart. Der Kläger habe sich in der Folge mit gerichtlichem Vergleich zur Räumung ohne Geltendmachung eines Wiederkehrsrechts verpflichtet. Damit seien die Rechtsverhältnisse zwischen den Streitteilen aus dem abgeschlossenen Bestandvertrag endgültig bereinigt worden. Die vom Beklagten bezahlten Mietzinse seien so gering gewesen, daß keine Mietzinsreserve angelegt habe werden können; der schlechte Zustand des gemieteten Raumes sei vom Kläger bei Bezug in Kauf genommen worden. Der Kläger begehre sittenwidrig die Mietzinsdifferenz für eine größere und modernere Wohnung.

Der Beklagte sprach sich gegen die Klagsausdehnung aus, da diese zu einer erheblichen Erschwerung und Verzögerung des Verfahrens führe.

Das Erstgericht wies das Haupt- und Eventualbegehren ab und ließ die Klagsausdehnung, wie der Begründung des Urteiles zu entnehmen ist, nicht zu. Durch das dem Kläger eingeräumte Recht, den desolaten Bestandgegenstand nach seinem Bedarf herzurichten, sei die Instandhaltungsverpflichtung des Beklagten aufgehoben worden. Als sich die Unwirtschaftlichkeit der Wiederherstellung herausgestellt habe, habe der Kläger dem Räumungsbegehren des Beklagten zugestimmt und mit dem in der Folge abgeschlossenen gerichtlichen Räumungsvergleich auf die nunmehr geltend gemachten Ansprüche verzichtet. Die Zulassung der Klagsausdehnung hätte zumindestens zu einer weiteren Verhandlung des schon spruchreifen Verfahrens geführt.

Das Berufungsgericht gab dem gegen die Nichtzulassung der Klagsausdehnung erhobenen Rekurs nicht Folge und erklärte die Erhebung des Revisionsrekurses für jedenfalls unzulässig. Es bestätigte das erstgerichtliche Urteil in der Hauptsache und erklärte (ohne Bewertungsausspruch) die (ordentliche) Revision für unzulässig. Es teilte die Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß mit dem Räumungsvergleich auch die vom Beklagten erhobenen Ansprüche mitverglichen worden seien. Die Zulassung der begehrten Klagsausdehnung hätte zu einer erheblichen Erschwerung bzw. Verzögerung der bereits spruchreifen Rechtssache geführt.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen die Bestätigung der Nichtzulassung der Klagsausdehnung erhobene Revisionsrekurs des Klägers ist unzulässig; die gegen die Entscheidung in der Hauptsache erhobene Revision des Klägers ist im Sinne des Aufhebungsantrages berechtigt.

Klagserweiterungen sind Klagsänderungen im Sinne des § 235 ZPO (vgl. Fasching LB2 Rz 1224). Im vorliegenden Fall liegt nicht nur eine quantitative, sondern auch eine qualitative Ausweitung des Begehrens vor. Das Gericht zweiter Instanz hat seine Bestätigung des erstinstanzlichen Beschlusses auf Nichtzulassung der Klagsänderung zutreffend als eine rekursgerichtliche Entscheidung erkannt, die gemäß § 528 Abs.2 Z 2 ZPO unanfechtbar ist, weil die Nichtzulassung einer Klagsänderung nicht einer Klagszurückweisung, mit der jede Verfolgung des erhobenen Anspruches in der gewählten Verfahrensart abgelehnt wird, gleichgehalten werden kann (vgl. 8 Ob 609/92, 1 Ob 44, 45/91 und 6 Ob 649, 1593/90). Der Revisionsrekurs erweist sich daher als jedenfalls unzulässig.

Gemäß § 1389 ABGB erstreckt sich ein Vergleich, der nur über eine besondere Streitigkeit geschlossen wurde, nicht auch auf andere Fälle. Die Bereinigungswirkung tritt in diesem Fall nur hinsichtlich jener Punkte, also hinsichtlich bestimmter Rechte oder Rechtsverhältnisse, ein. Vielfach werden allerdings Vergleiche geschlossen, die sich auf alle Streitigkeiten zwischen den Parteien erstrecken sollen (Generalvergleich, allgemeiner Vergleich); solche allgemeine Vergleiche erstrecken sich zwar auf Fälle, an die die Parteien nicht gedacht haben, nicht aber auf solche, an die sie nicht denken konnten (Ertl in Rummel2 Rz 1 zu § 1389 ABGB). Ein anläßlich der Auflösung eines Dauerschuldverhältnisses abgeschlossener Vergleich hat im Zweifel Bereinigungswirkung für alle aus diesem Dauerschuldverhältnis entspringenden wechselseitigen Rechte und Verbindlichkeiten (MietSlg 33.242). Wohl begründet ein Bestandvertrag ein Dauerschuldverhältnis (Würth in Rummel2 Rz 1 zu § 1090 ABGB). Bei dem von den Streitteilen im Verfahren 13 C 2507/89 des Bezirksgerichtes Salzburg abgeschlossenen Räumungsvergleich handelt es sich aber nicht um einen Vergleich "anläßlich der Auflösung eines Dauerschuldverhältnisses", sondern um einen solchen, bei dem nach Erlöschen des Bestandvertrages (im Sinne der Klagebehauptungen in jenem Verfahren) der auf Räumung der von ihm benützten Wohnung belangte Beklagte (hier: Kläger) sich allein zur Räumung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt verpflichtete. Von einem Generalvergleich, mit dem auch die nunmehr vom Kläger geltend gemachten Ansprüche bereinigt worden wären, kann daher keine Rede sein, zumal jeder Anhaltspunkt dafür fehlt, daß diese Ansprüche bei Abschluß des Räumungsvergleiches auch nur erwähnt worden wären. Die Abweisung des Klagebegehrens kann daher nicht auf diesen Vergleich gestützt werden.

Nun hat aber das Erstgericht festgestellt, daß jenes Haus, in dem sich die dem Kläger 1974 in Bestand gegebene Wohnung (das ihm im Bestand gegebenen Zimmer) befindet, schon in jenem Zeitpunkt in einem desolaten Zustand war, daß sich aber der Beklagte gegenüber dem Kläger nie zu besonderen Reparaturleistungen verpflichtet hat, sondern daß sich vielmehr nach den 1974 getroffenen Vereinbarungen der Kläger "um die Bewohnbarkeit kümmern", den Bestandgegenstand "nach seinem Bedarf herrichten" sollte, woraus es folgerte, daß die Erhaltungspflicht des Vermieters aufgehoben war. Das Erstgericht stellte weiters fest, daß der Kläger (ebenso wie der Mieter eines weiteren Bestandgegenstandes in dem Haus) 1987, als sich zeigte, daß der desolate Zustand des Hauses in Kürze "größere Schwierigkeiten vom Dach her auslösen könnte", dem Ansinnen des Beklagten, auszuziehen, "da sich größere Maßnahmen gegen den Gebäudeverfall nicht lohnten", zustimmte und auszuziehen versprach, wobei am 4.5.1987 schriftlich festgehalten wurde, daß die Räumung bis zum 30.9.1987 erfolgen sollte und der Kläger ersuche, ihm allenfalls diese Räumungsfrist zu verlängern.

Das Revisionsgericht vermag der Ansicht des Berufungsgerichtes, es ergebe sich aus dem Verhalten des Klägers im Jahre 1987 (noch) nicht zweifelsfrei sein Wille zur Auflösung des Bestandsverhältnisses, nicht beizupflichten. Was sonst als eine - einverständliche (vgl Würth in Rummel2, Rz 3 zu § 1112 ABGB) - Auflösung des Bestandverhältnisses soll es bedeuten, wenn der Beklagte den Kläger unter Hinweis auf den schlechten Bauzustand des Gebäudes ersucht, die Wohnung zu räumen und sich um eine andere Wohnung umzusehen (Beilage 3), und der Kläger darauf mitteilt (Beilage 2), er werde sich bemühen, die Wohnung bis zum 30.9.1987 zu räumen und um eine "Verlängerung" für den Fall ersucht, daß er bis dahin keine andere Wohnung erhalten haben sollte. Zwar könnte der Beklagte auf Grund dieser Erklärung allein nicht Exekution führen, sodaß er in der Folge, nachdem ihm bescheidmäßig aufgetragen worden war, die Benützung der (vom Kläger bewohnten) Räumlichkeiten zu Wohnzwecken unverzüglich einzustellen, gezwungen war, mit Räumungsklage gegen den Kläger vorzugehen, nachdem dieser die Wohnung bis dahin nicht geräumt hatte. Daß er die Räumung von irgendwelchen Voraussetzungen abhängig mache, wie insbesondere von der Instandsetzung der Gebäude, von einer neuerlichen Vermietung des Bestandgegenstandes an ihn nach Instandsetzung zu einem bestimmten Pauschalmietzins und vom Ersatz der Mehrkosten einer in der Zwischenzeit benützten Wohnung, ist weder dem Inhalt seines Schreibens (Beilage 2 vom 4.5.1987) zu entnehmen, noch auch hat der Kläger derartiges jemals behauptet. An derartige Umstände aber hätte der Kläger anläßlich seiner Zusage, die Wohnung zu räumen - und damit das Bestandverhältnis aufzulösen - durchaus denken können. Die 1987 zwischen den Streitteilen zustandegekommene Vereinbarung beinhaltet daher einen allgemeinen, ohne Vorbehalt der nunmehr geltend gemachten Ansprüche abgeschlossenen Vergleich.

Darauf, ob der Kläger im Jahr 1974 die Instandhaltung des Bestandgegenstandes vereinbarungsgemäß übernommen hat - die entsprechende Feststellung des Erstgerichtes wurde vom Kläger im Berufungsverfahren bestritten -, kommt es unter diesen Umständen nicht an. Der Kläger vermag im Hinblick auf die 1987 vereinbarte Auflösung des Bestandvertrages unter den aufgezeigten Umständen die in diesem Verfahren erhobenen Ansprüche nicht mehr geltend zu machen. Im Ergebnis zu Recht haben deshalb die Vorinstanzen das Klagebegehren abgewiesen, sodaß der Revision ein Erfolg zu versagen war.

Die Kostenentscheidung erfolgte nach den §§ 41, 50 ZPO.

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