European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0070OB00048.22T.0824.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Dieklagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit 2.165,26 EUR (darin enthalten 360,88 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
[1] Der Zweitkläger ist Versicherungsnehmer, die Erstklägerin und die Drittklägerin sind Mitversicherte eines mit der Beklagten geschlossenen Rechtsschutzversicherungsvertrags. Diesem Vertrag, der vom Zweitkläger per 1. Oktober 2017 gekündigt wurde, lagen die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutz-Versicherung (ARB 2014) zugrunde. Diese lauten auszugsweise:
„ Artikel 3
Für welchen Zeitraum gilt die Versicherung? (Zeitlicher Geltungsbereich)
[...]
3. Wird der Deckungsanspruch vom Versicherungsnehmer später als 2 Jahre nach Beendigung des Versicherungsvertrages für das betreffende Risiko geltend gemacht, besteht kein Versicherungsschutz. Dieser Ausschluss gilt nicht, wenn der Versicherungsnehmer den Deckungsanspruch nach Kenntnis des Versicherungsfalles im Sinne des § 33 VersVG (siehe Anhang) unverzüglich geltend macht.
Artikel 8
Welche Pflichten hat der Versicherungsnehmer zur Sicherung seines Deckungsausspruchs zu beachten? (Obliegenheiten)
1. Verlangt der Versicherungsnehmer Versicherungsschutz, ist er verpflichtet
1.1. den Versicherer
1.1.1. unverzüglich, vollständig und wahrheitsgemäß über die jeweilige Sachlage aufzuklären,
[…]“
[2] Der Anhang der ARB 2014 enthält die wörtliche Wiedergabe der wesentlichen gesetzlichen Bestimmungen des VersVG, darunter auch des § 33 VersVG.
[3] Die Erstklägerin leidet seit 2013 an rezidivierenden Krampfanfällen, denen eine genetisch bedingte Ionenkanalstörung mit Hypomagnesiämie zugrunde liegt. Am 22. April 2016 kam es zu einem solchen Krampfanfall, worauf eine Behandlung durch die T* GmbH (in der Folge GmbH) erfolgte. Diese nicht lege artis erfolgte notärztliche Versorgung und Behandlung löste einen schweren Sauerstoffmangel sowie in weiterer Folge eine hypoxisch-ischämische Enzephalopathie bei der Erstklägerin aus; sie ist seitdem ein Pflegefall.
[4] Im Mai 2018 wandte sich der Zweitkläger erstmals an die T* Patientenvertretung (in der Folge Patientenvertretung), um mögliche Ansprüche aufgrund der Behandlung der Erstklägerin geltend zu machen. Er erteilte der Patientenvertretung die Vollmacht zur Vertretung der Erstklägerin als Patientin in dieser Angelegenheit. Die unentgeltliche Vertretung der Erstklägerin, vertreten durch den Zweitkläger, übernahmen Juristen der Patientenvertretung. Diese korrespondierten in der Folge mit der GmbH, welche zunächst eine Haftung ablehnte.
[5] Daraufhin erfolgten weitere Korrespondenzen und Abklärungen zwischen der GmbH und der Patientenvertretung, worauf die GmbH mit Schreiben vom 19. November 2018 auf die Einrede der Verjährung bis 31. Dezember 2019 verzichtete und nach Einlangen eines von der der Patientenvertretung beauftragten Gutachtens mit Schreiben vom 1. Juli 2019 ausführte, dass die Haftung dem Grunde nach nur zu jenem Teil anerkannt werde, der auf die Behandlung vom 22. April 2016 zurückzuführen sei, während eine Haftung für die Grunderkrankung und deren Folgen ausgeschlossen werde. In der Folge gab die Patientenvertretung ein kindermedizinisches Gutachten betreffend die Folgen der Fehlbehandlung in Auftrag, welches im Jahr 2019 erstattet wurde.
[6] Der Zweitkläger wurde bei einem Beratungsgespräch, welches zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt zwischen Ende des Jahres 2019 und Juni 2020 stattfand, von einem juristischen Mitarbeiter der Patientenvertretung gefragt, ob er in dieser Sache einen Rechtsanwalt oder eine Rechtsschutzversicherung habe. Nachdem der Zweitkläger antwortete, dass er aktuell eine Rechtsschutzversicherung bei der U* habe und davor bei der Beklagten versichert gewesen sei, riet ihm dieser Mitarbeiter, er solle sich einen Rechtsanwalt nehmen. Zu den Rechtsschutzversicherungen sagte der Mitarbeiter nichts weiter. Ungefähr im selben Zeitraum wandte sich der Zweitkläger zudem wegen eines anderen Sachverhalts an seinen derzeitigen Rechtsschutzversicherer. Im Zuge des dabei mit einem Mitarbeiter des Versicherers geführten Gesprächs erwähnte er auch den Schadensfall der Erstklägerin und meldete diesen, um allgemein zu erfahren und sich darüber zu informieren, ob der Rechtsschutzversicherer die Kosten für diesen Schadensfall und ein allfälliges Gerichtsverfahren übernehmen würde. Der Mitarbeiter teilte dem Zweitkläger aber sogleich mit, dass zum Schadenszeitpunkt noch kein Versicherungsschutz bestanden habe, weil der Zweitkläger zu diesem Zeitpunkt noch nicht bei der U* versichert gewesen sei. Empfehlungen oder dergleichen äußerte der Mitarbeiter gegenüber dem Zweitkläger nicht. Trotz dieser beiden Gespräche kam der Zweitkläger nicht auf den Gedanken, den Vorfall vom 22. April 2016 bei der Beklagten zu melden oder sich bei dieser über eine allfällige Deckung zu informieren.
[7] Spätestens Mitte des Jahres 2019 hatten der Zweitkläger und die Drittklägerin gesicherte Kenntnis davon, dass die Behandlung am 22. April 2016 nicht lege artis erfolgt war, sich hierdurch Schadenersatzansprüche der drei Kläger ergeben würden und insgesamt eine weitere rechtliche Auseinandersetzung mit der GmbH hierüber entstehen könnte. Allgemein war die Drittklägerin seit 2018 über die jeweiligen Schritte und Handlungen des Zweitklägers in dieser Sache und die wechselseitige Korrespondenz informiert.
[8] Nachdem die GmbH weitere Verjährungsverzichte bis 30. Juni 2021 abgab, machte sie den Klägern mit Schreiben vom 22. Juni 2020 ein Vergleichsangebot für den Zeitraum vom 22. April 2016 bis 6. Februar 2020 für Schmerzengeld und Betreuungsaufwand (Zahlung von 53.378,10 EUR). Aufgrund der Information über die Notwendigkeit einer pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung eines Vergleichsabschlusses wandte sich der Zweitkläger Ende des Jahres 2020 an das Bezirksgericht I* als zuständiges Pflegschaftsgericht. Am Amtstag wurde ihm von der Richterin geraten, sich an einen spezialisierten Rechtsanwalt zu wenden und mit diesem das Vergleichsangebot zu beraten, zumal die Sache „nicht ohne“ sei. Daraufhin wandte sich der Zweitkläger an die Arbeiterkammer, die ihm gewisse Rechtsanwälte empfahl. Im Januar 2021 kontaktierte er den nunmehrigen Klagsvertreter, den die Kläger schließlich mit ihrer Vertretung beauftragten. Mit Schreiben vom 12. Jänner 2021 richtete der Klagsvertreter erstmalig im Namen der Kläger ein Schreiben mit dem Ersuchen an die Beklagte, Rechtsschutz für eine vorerst außergerichtliche Schadensregulierung mit der GmbH zu gewähren. Vor diesem Zeitpunkt erfolgten keinerlei Meldungen an die Beklagte.
[9] Mit Schreiben vom 27. Jänner 2021 teilte die Beklagte mit, dass aufgrund von Art 3.3. ARB 2014 kein Versicherungsschutz bestehe, weil die Kläger später als zwei Jahre nach Beendigung des Versicherungsvertrags den Versicherungsfall gemeldet und die Beklagte auch nicht iSd § 33 VersVG unverzüglich informiert hätten.
[10] Die Kläger nahmen das von der GmbH unterbreitete Vergleichsanbot bislang nicht an, es erfolgten auch keine Zahlungen an die Kläger. Zuletzt gab die GmbH weitere Verjährungsverzichte – auch für Ansprüche des Zweitklägers und der Drittklägerin – bis 31. Dezember 2021 ab.
[11] Die Kläger begehren die Feststellung der Versicherungsdeckung. Die Obliegenheit, den Versicherer unverzüglich zu informieren, entstehe erst dann, wenn sich kostenauslösende Maßnahmen abzeichnen. Dies sei hier erst im Jänner 2021 der Fall gewesen. Bei Art 3.3. ARB 2014 handle es sich im Übrigen nicht um eine Risikobegrenzung, sondern um eine Obliegenheit, weshalb sich die Beklagte nach § 6 VersVG nicht auf Leistungsfreiheit stützen könne. Dem Zweitkläger sei nämlich kein grob fahrlässiger Verstoß gegen § 33 Abs 1 VersVG vorzuwerfen. Selbst bei Vorliegen von vorsätzlichem oder grob fahrlässigem Handeln stehe der Kausalitätsgegenbeweis offen. Die dem Zweitkläger als Obliegenheitsverletzung angelastete Vorgehensweise habe aber keinen Einfluss auf die Feststellung des Versicherungsfalls oder auf die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht der Beklagten gehabt. Die Bestimmung des Art 3.3. ARB 2014 sei im Übrigen ungewöhnlich gemäß § 864a ABGB, gröblich benachteiligend (§ 879 Abs 3 ABGB) sowie intransparent (§ 6 Abs 3 KSchG) und daher nicht anwendbar.
[12] Die Beklagte beantragt Klageabweisung. Es bestehe kein Versicherungsschutz, weil die Nachhaftungsfrist entsprechend Art 3.3. ARB 2014 bereits 2019 abgelaufen gewesen sei. Die erst am 12. Jänner 2021 erfolgte Schadensmeldung sei nicht unverzüglich erfolgt, da bereits nach Vorlage des intensivmedizinischen Gutachtens vom 27. Dezember 2018 die Sache als Versicherungsfall bekannt gewesen sei.
[13] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Bei Art 3.3. ARB 2014 handle es sich um einen Risikoausschluss und keine Obliegenheit. Art 3.3. Satz 2 ARB 2014 reduziere den Risikoausschluss und halte den Versicherungsschutz aufrecht, wenn der Versicherungsnehmer den Deckungsanspruch nach Kenntnis des Versicherungsfalls iSd § 33 VersVG unverzüglich geltend mache. Dabei handle es sich nicht um ein nachträgliches Entziehen des Versicherungsanspruchs, sondern um eine Verlängerung des grundsätzlich begrenzten Versicherungsschutzes für den Fall, dass der Versicherungsnehmer nicht früher Kenntnis vom Versicherungsfall gehabt habe. Ein Risikoausschluss in Form einer Ausschlussfrist sei zweifellos nachteilig für einen Versicherungsnehmer, jedoch weder gröblich benachteiligend noch objektiv ungewöhnlich und auch nicht intransparent. Ungewöhnlich oder gröblich benachteiligend sei eine Ausschlussfrist, wenn allein auf einen objektiven fristauslösenden Zeitpunkt abgestellt werde, was jedoch hier aufgrund des zweiten Satzes der Klausel nicht der Fall sei. Die Klausel sei auch nicht intransparent, weil der Verweis auf § 33 VersVG für den Verbraucher verständlich der Klarstellung diene, wann eine „Kenntnis des Versicherungsfalls“ vorliege. Der Verweis auf eine gesetzliche Bestimmung und deren Verwendung im Text einer Klausel führe ebenfalls nicht zu deren Intransparenz, wenn die Norm – wie hier – nicht nur zitiert werde, sondern sich auch ein Hinweis auf deren tatsächlich erfolgten Abdruck im Anhang finde. Der Versicherungsfall habe sich hier durch die fehlerhafte Behandlung am 22. April 2016 ereignet. Die Kläger hätten spätestens Mitte des Jahres 2019 Kenntnis von der Fehlbehandlung gehabt und auch gewusst, dass eine Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen notwendig sei und sich damit kostenauslösende Maßnahmen abzeichneten. Dennoch hätten sie den Versicherungsfall gegenüber der Beklagten nicht gemeldet. Die erst fünf Jahre nach der fehlerhaften Heilbehandlung und über drei Jahre nach Vertragsende erfolgte Schadensmeldung sei nicht fristgerecht erfolgt.
[14] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kläger keine Folge. Der Risikoausschluss des Art 3.3. ARB 2014 enthalte keine absolute Ausschlussfrist und sei daher weder objektiv noch subjektiv ungewöhnlich iSd § 864a ABGB. Er sei auch weder gröblich benachteiligend noch intransparent, wie das Erstgericht bereits überzeugend dargelegt habe. Da der Zweitkläger bereits durch das intensivmedizinische Gutachten Kenntnis erlangt habe, dass die Behandlung der Erstklägerin nicht lege artis erfolgt sei, habe schon damals eine Meldepflicht an die Beklagte bestanden. Jedenfalls hätte sich der Zweitkläger spätestens nach der Information durch seinen derzeitigen Rechtsschutzversicherer, dass der Versicherungsfall vorvertraglich sei, unverzüglich an die Beklagte wenden und dieser den Versicherungsfall melden müssen. Weil er dies nicht getan habe, sei die Beklagte leistungsfrei, ohne dass es auf den Grad des Verschuldens oder die Frage der Kausalität der verspäteten Meldung ankomme.
[15] Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Kläger mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinn einer Klagsstattgebung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
[16] Die Beklagte beantragt in der ihr vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[17] Die Revision ist zulässig, da zu Art 3.3. ARB in der Fassung von 2014 keine Rechtsprechung besteht; sie ist jedoch nicht berechtigt.
[18] 1. Mit einem Risikoausschluss begrenzt der Versicherer von vornherein den Versicherungsschutz, ohne dass es dabei auf ein schuldhaftes, pflichtwidriges Verhalten des Versicherungsnehmers ankäme (RS0080166). Der Zweck von Ausschlussfristen in Versicherungsbedingungen liegt in der Herstellung von möglichst rascher Rechtssicherheit und Rechtsfrieden, also darin, den (verspätet in Anspruch genommenen) Versicherer vor Beweisschwierigkeiten infolge Zeitablaufs zu schützen (RS0082216 [T1, T6]) und eine alsbaldige Klärung der Ansprüche herbeizuführen. Es soll damit eine Ab- und Ausgrenzung schwer aufklärbarer und unübersehbarer (Spät‑)Schäden bewirkt werden (7 Ob 148/21x Rz 25;7 Ob 168/21p Rz 4). Ein für den Versicherer nicht überschaubares und kalkulierbares Teilrisiko soll ausgenommen und eine sichere Kalkulation der Prämie ermöglicht werden (RS0080166 [T10]).
[19] 2.1. Eine Bedingung, die eine Ausschlussfrist regelt und allein auf einen objektiven fristauslösenden Zeitpunkt abstellt, ist im Zusammenhang mit § 33 Abs 1 VersVG, wonach der Versicherungsnehmer den Eintritt des Versicherungsfalls, nachdem er von ihm Kenntnis erlangt hat, unverzüglich dem Versicherer anzuzeigen hat, ungewöhnlich, weil dadurch der Anspruch erlischt, auch wenn unverzüglich nach Kenntnis des Versicherungsfalls eine Schadensanzeige erstattet wurde. Hat der Versicherungsnehmer vor Ablauf der Ausschlussfrist keine wie immer gearteten Hinweise darauf, dass sich ein Versicherungsfall während der Vertragszeit ereignet haben könnte, so ist der Anspruchsverlust auch im Fall der unverzüglichen Meldung nach § 33 Abs 1 VersVG als objektiv und subjektiv ungewöhnlich nach § 864a ABGB zu beurteilen (7 Ob 31/20i; 7 Ob 213/20d; 7 Ob 170/21g).
[20] 2.2. Dies ist aber hier gerade nicht der Fall.Gemäß Art 3.3. ARB 2014 besteht nämlich kein Versicherungsschutz, wenn der Deckungsanspruch vom Versicherungsnehmer später als 2 Jahre nach Beendigung des Versicherungsvertrags geltend gemacht wird, es sei denn der Versicherungsnehmer würde den Deckungsanspruch nach Kenntnis des Versicherungsfalls iSv § 33 VersVG unverzüglich geltend machen. Der Risikoausschluss des Art 3.3. ARB 2014 ist daher nicht ungewöhnlich iSv § 864a ABGB.
[21] 2.3. Nach ständiger Rechtsprechung fehlt es an einer gesetzmäßigen Ausführung der Revision, wenn sich derRevisionswerber mit den Argumenten der Vorinstanzen gar nicht auseinandersetzt (vgl RS0043603 [insb T9, T12]). Daher ist auf die von den Klägern in der Revision ohne jegliche Begründungbehauptete gröbliche Benachteiligung (§ 879 Abs 3 ABGB) sowie mangelnde Transparenz (§ 6 Abs 3 KSchG) der Klausel nicht weiter einzugehen.
[22] 2.4. Es bleibt daher bei der Anwendbarkeit des Art 3.3. ARB 2014 in der vorliegenden Form.
[23] 3.1. Im vorliegenden Fall ist strittig, ob es der Zweitkläger gemäß Art 3.3. zweiter Satz ARB 2014 nach Kenntnis des Versicherungsfalls iSd § 33 VersVG seine Schadensmeldung unverzüglich an den Versicherer erstattet hat.
[24] 3.2. Nach der Rechtsprechung ist der Versicherungsnehmer (im Gegensatz zur laufenden Rechtsschutzversicherung – vgl 7 Ob 140/16p mwN) nach Ablauf des Vertrags und darüber hinaus nach Ablauf einer allfälligen im Vertrag vorgesehenen Ausschlussfrist grundsätzlich gehalten, den Versicherungsfall dem Versicherer unverzüglich zur Kenntnis zu bringen und nicht mit der Anspruchsverfolgung zu zögern oder zuzuwarten, bis sich kostenauslösende Maßnahmen abzeichnen (7 Ob 95/21b; vgl auch 7 Ob 206/19y). Andernfalls hätte er es nämlich durch das Zuwarten mit der Anspruchserhebung in der Hand, die in der Ausschlussklausel vereinbarte Nachhaftungsfrist nach Belieben hinauszuschieben, was mit dem Zweck einer Ausschlussklausel unvereinbar ist (7 Ob 206/19y; 7 Ob 31/20i).
[25] Wenn der Versicherungsnehmer aber erst innerhalb der Zweijahres-Frist gemäß Art 3.3. ARB 2014 vom Versicherungsfall Kenntnis erlangt, geht die Rechtsprechung zu seinen Gunsten wie bei aufrechtem Versicherungsvertrag davon aus, dass die in Art 8.1.1. ARB 2014 vereinbarte Obliegenheit zur unverzüglichen Anzeige des Versicherungsfalls erst dann entsteht, wenn sich die rechtliche Auseinandersetzung so weit konkretisiert hat, dass der Versicherungsnehmer mit der Aufwendung von Rechtskosten rechnen muss, also wenn sich kostenauslösende Maßnahmen abzeichnen (vgl 7 Ob 206/19y; 7 Ob 95/21b).
[26] 3.3. Das Erstgericht stellte fest, dass sich der Versicherungsfall (Fehlbehandlung der Erstklägerin) vor dem Laufzeitende des Vertrags (Kündigung per 1. Oktober 2017) ereignete und der Zweitkläger vom Versicherungsfall jedenfalls Mitte des Jahres 2019, also vor Ablauf der Zweijahres-Frist, Kenntnis davon erlangte und zwischen Ende des Jahres 2019 und 22. Juni 2020 den Versicherungsfall seinem derzeitigen Rechtsschutzversicherer meldete, der wegen Vorvertraglichkeit den Versicherungsschutz ablehnte. Daraus musste der Zweitkläger zwingend den Schluss ziehen, dass für eine Rechtsschutzdeckung nur die Beklagte in Frage kommt, bei der er unmittelbar davor rechtsschutzversichert war. Wenn der Zweitkläger unter diesen Umständen neuerlich (zumindest) mehr als 6 Monate verstreichen ließ, bis er die Meldung an die Beklagte erstattete, so ist die Anzeige jedenfalls nicht unverzüglich im Sinn von Art 3.3. zweiter Satz ARB 2014 erstattet worden.
[27] 3.4. Somit greift der Risikoausschluss des Art 3.3. ARB 2014. Es geht daher nicht um das Entstehen und die allfällige Verletzung der Obliegenheit zur Anzeige im engeren Sinn, sondern um das Vorliegen des vereinbarten Risikoausschlusses (vgl 7 Ob 31/20i). Damit stellt sich weder die Frage nach dem Grad des Verschuldens des Zweitklägers noch nach dem Kausalitätsgegenbeweis. Die von den Klägern gerügten sekundären Feststellungsmängel sind daher nicht rechtserheblich.
[28] 4. Die Revision ist daher zusammengefasst nicht berechtigt.
[29] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 41 ZPO.
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