OGH 7Ob46/15p

OGH7Ob46/15p9.4.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Hofrätin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. C***** W***** und 2. K***** W*****, beide *****, beide vertreten durch Dr. Gerald Haas und andere Rechtsanwälte in Wels, gegen die beklagte Partei S***** Gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Dr. Gerhard Schatzlmayr, Rechtsanwalt in Schwanenstadt, wegen 11.775,96 EUR sA, über den Revisionsrekurs der klagenden Parteien gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Rekursgericht vom 3. Dezember 2014, GZ 22 R 328/14p‑5, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Vöcklabruck vom 27. Oktober 2014, GZ 13 C 716/14s‑2, teilweise aufgehoben und teilweise bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0070OB00046.15P.0409.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien haben die Kosten ihres Revisionsrekurses selbst zu tragen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Kläger begehren von der Beklagten in der Hauptsache die Zahlung von 11.775,96 EUR sA (Hauptbegehren) mit der Behauptung, sie hätten die Beklagte im Frühjahr 2012 mit der Errichtung eines Wintergartenanbaus an ihrem Einfamilienhaus beauftragt und hiefür 30.122,89 EUR an Werklohn bezahlt. Die Fixverglasung des Wintergartens hätte vereinbarungsgemäß einen U‑Wert von 1,0 W/m² K aufweisen sollen und die Beklagte habe ihnen ausdrücklich zugesagt, die Temperatur im Wintergarten werde ohne Beheizung nicht unter 12 ‑ 14° C sinken. Entgegen dieser Zusage sei die Temperatur im Wintergarten auf deutlich unter 12° C, teilweise sogar unter 0° C gesunken, weshalb der Wintergarten nicht wie geplant als zusätzlicher Wohnraum benützt werden könne. Ein eingeholtes Gutachten habe ergeben, dass die Fixverglasung nur U‑Werte zwischen 1,77 W/m² K und 1,88 W/m² K aufweise. Die Beklagte verweigere die Mängelbehebung. Aus Gewährleistung und Schadenersatz stünden den Klägern die Verbesserungskosten von 11.775,96 EUR zu.

Die Kläger hätten nach Vertragsabschluss in Erfahrung gebracht, dass unter Umständen auch eine Fixverglasung mit einem U‑Wert von 1,0 W/m² K zu Temperaturen unter 12° C führen könnten, sodass selbst bei Einbau einer solchen Verglasung das Werk nicht die vertraglich ausdrücklich zugesicherte Eigenschaft (Temperatur über 12 ‑ 14° C ohne Beheizung) aufweise. Sollte sich dies bewahrheiten, läge ein nicht verbesserungsfähiger, wesentlicher Mangel vor und die Kläger hätten sich überdies in einem von der Beklagten veranlassten Geschäftsirrtum befunden. Für diesen Fall begehrten die Kläger Wandlung und stellten „in eventu“ das Begehren (1. Eventualbegehren):

„a. Der zwischen der klagenden Partei und der beklagten Partei abgeschlossene Werkvertrag ... über die Errichtung eines Wintergartens auf der Liegenschaft der klagenden Partei ... zu einem Werklohn von € 30.122,89 wird ex tunc aufgehoben.

b. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei den Betrag von € 30.122,89 samt 4 % Zinsen seit 11. 10. 2012 Zug um Zug gegen Rückstellung des Wintergartens und Wiederherstellung des vorigen Zustandes zu Handen des Klagevertreters binnen 14 Tagen, bei sonstiger Exekution zu bezahlen.“

Für den Fall, dass das Gericht zur Ansicht gelange, dass die Voraussetzungen für eine Aufhebung und Rückabwicklung des Vertrags nicht vorlägen, machen die Kläger Preisminderung geltend und begehren von der Beklagten „in eventu“ vorbehaltlich einer späteren Ausdehnung des Begehrens nach Vorliegen eines Sachverständigengutachtens die Zahlung von 16.686,13 EUR sA (2. Eventualbegehren).

Das Erstgericht wies die Klage a limine wegen sachlicher Unzuständigkeit mit der Begründung zurück, dass § 56 Abs 1 JN auf Eventualbegehren analog anzuwenden sei. Bei einem auf Geld lautenden Eventualbegehren sei deshalb die Höhe der Geldsumme der Bewertung zu Grunde zu legen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Kläger gegen die Zurückweisung des Hauptbegehrens dahin Folge, dass es den Beschluss des Erstgerichts aufhob und diesem die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund auftrug (Punkt 1.). Dem Rekurs gegen die Zurückweisung der Eventualbegehren gab das Rekursgericht dagegen nicht Folge (Punkt 2.). Bestehe der Streitgegenstand in einem Geldbetrag, so bestimme ausschließlich die begehrte Geldsumme den Streitwert.

Die Kläger hätten neben dem primär auf Mängelbehebungskosten gestützten Begehren weitere Eventualbegehren erhoben. Bei diesen Eventualbegehren handle es sich um den Fall einer objektiven Klagenhäufung. Eine solche sei nur zulässig, wenn dafür die Prozessvoraussetzungen vorlägen, also wenn das Gericht für jeden Anspruch sowohl sachlich als auch örtlich zuständig sei. Eine Unzuständigkeit nur wegen der Höhe des Streitwerts sei gemäß § 227 Abs 2 ZPO kein Verbindungshindernis, weshalb in die Wertzuständigkeit der Bezirksgerichte fallende Ansprüche mit solchen gemeinsam eingeklagt werden könnten, welche vor den Gerichtshof gehörten. In einem solchen Fall wäre allerdings der Gerichtshof zuständig. Durch eine objektive Klagenhäufung könnten daher Ansprüche, die in die Wertzuständigkeit des Gerichtshofs fallen, grundsätzlich nicht vor das Bezirksgericht gebracht werden. Sei die Anspruchshäufung in einer einzigen Klage wegen Unzuständigkeit unzulässig, das angerufene Gericht aber mindestens für einen der in einer Klage verbundenen Ansprüche zuständig, habe bei der Zuständigkeitsprüfung von Amts wegen eine Teilzurückweisung hinsichtlich jener Ansprüche zu erfolgen, die nicht in die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts fielen. Im vorliegenden Fall häuften die Kläger ein in die bezirksgerichtliche Wertzuständigkeit fallendes Hauptbegehren mit zwei in die Wertzuständigkeit des Gerichtshofs fallenden Eventualbegehren. Daraus ergebe sich die Unzulässigkeit einer objektiven Klagenhäufung vor dem angerufenen Bezirksgericht, die zur Zurückweisung jener Ansprüche führen müsse, die nicht in die Wertzuständigkeit des Bezirksgerichts fielen.

Das Rekursgericht sprach aus, dass in dem die Klagszurückweisung bestätigenden Umfang der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil keine höchstgerichtliche Judikatur zur Frage vorliege, ob gestellte Eventualbegehren bei der Zuständigkeitsprüfung außer Acht zu lassen seien.

Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs der Kläger wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung dahin, dass dem Rekurs gegen die erstgerichtliche Zurückweisung der Eventualbegehren Folge gegeben und dem Erstgericht auch insoweit die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen werde.

Der Revisionsrekurs ist infolge Zurückweisung der (Eventual‑)Klagebegehren aus formellen Gründen nicht absolut unzulässig (§ 528 Abs 2 Z 2 ZPO; RIS‑Justiz RS0044536), sondern gemäß § 528 Abs 1 ZPO zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, aber nicht berechtigt.

Nach der im Revisionsrekurs vertretenen Ansicht der Kläger sei es fraglich, ob der Zuständigkeitsprüfung das Sachvorbringen zu den Eventualbegehren zugrundezulegen sei. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs sei zwar bei der Zuständigkeitsprüfung ein nur eventualiter erhobenes Vorbringen grundsätzlich zu berücksichtigen. Ob dies auch für ein Eventualbegehren gelte, das aus einem anderen Sachverhalt abgeleitet werde als das damit verbundene Hauptbegehren, sei noch nicht entschieden. Folge man der Rechtsansicht des Rekursgerichts, müsste noch vor Ablauf der Gewährleistungsfrist und somit noch vor Beendigung des Verfahrens beim Erstgericht für die Eventualbegehren eine gesonderte Klage beim Gerichtshof eingebracht werden, wodurch neuerlich Gerichts- und Anwaltskosten anfallen würden.

Der Senat hat dazu Folgendes erwogen:

1. Das Rekursgericht hat die Zuständigkeit des Erstgerichts zur Erledigung des Hauptbegehrens bejaht. Diese Entscheidung ist nicht Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens und daher hier nicht zu beurteilen.

2. Das Eventualbegehren ist ein in der Klage oder während des Rechtsstreits gestelltes Begehren, dessen Verhandlung und Entscheidung von der Bedingung abhängig ist, dass dem unbedingt gestellten Hauptbegehren nicht stattgegeben wird (RIS‑Justiz RS0037585). Bei einem Eventualbegehren handelt es sich um eine Eventualklagenhäufung, bei der ein Klageanspruch erstrangig und ein anderer Klageanspruch nur für den Fall der Erfolglosigkeit des erstrangigen Anspruchs gestellt wird. Dabei kann es sich um gleiche, aber auch um in Widerspruch zueinander stehende oder einander sogar ausschließende Klagegründe handeln (RIS‑Justiz RS0074353). Die ZPO enthält zwar keine ausdrücklichen Vorschriften über die Zulässigkeit und die Behandlung von Eventualbegehren, doch besteht in Lehre und Rechtsprechung an der grundsätzlichen Zulässigkeit einer Eventualklagenhäufung kein Zweifel (6 Ob 543/91 mwN; RIS‑Justiz RS0037470).

3. Es darf stets nur eine innerprozessuale Bedingung sein, von deren Eintritt es abhängen soll, ob das Eventualbegehren überhaupt Gegenstand der Verhandlung und Entscheidung wird. Als solche kommt in erster Linie und praktisch am häufigsten der Fall der Abweisung des Hauptbegehrens in Betracht, doch kann das Eventualbegehren auch (oder nur) für den Fall der Zurückweisung des Hauptbegehrens erhoben werden (6 Ob 543/91; vgl RIS‑Justiz RS0037585 [T1]).

4. Im vorliegenden Fall hat das Erstgericht im Spruch seiner Entscheidung nicht ausdrücklich auch über die Eventualbegehren entschieden; allerdings sind das Rekursgericht und ‑ schon nach ihrem Rechtsmittelantrag ‑ auch die Kläger übereinstimmend davon ausgegangen, dass der Beschluss des Erstgerichts implizit auch die Zurückweisung der Eventualbegehren umfasst. Diese unstrittige Sachlage ist folgend zugrundezulegen.

5. Der Umstand, dass das Rekursgericht den erstgerichtlichen Beschluss auf Zurückweisung des Hauptbegehrens ersatzlos aufgehoben hat, somit derzeit keine (negative) Entscheidung über das Hauptbegehren vorliegt, steht einer Zurückweisung der Eventualbegehren nicht in jedem Fall entgegen. Auch wenn nämlich ein Eventualbegehren üblicherweise nur für den Fall der Abweisung, allenfalls der Zurückweisung erhoben wird, bedeutet dies nur, dass über das Eventualbegehren erst verhandelt und in der Sache entschieden werden darf, wenn das Hauptbegehren schon erledigt wurde. Ist aber das Eventualbegehren unzulässig oder sonst nicht geeignet, dass hierüber in der Sache entschieden wird, so besteht kein Grund, diese Entscheidung bis zur Erledigung des Hauptbegehrens aufzuschieben (3 Ob 512/95 mwN). Gerade letztgenannter Fall liegt hier vor:

6. Voraussetzung für eine objektive Klagenhäufung ist nämlich, dass das angerufene Gericht zur Entscheidung über jeden geltend gemachten Anspruch sowohl sachlich als auch örtlich zuständig und dieselbe Verfahrensart zulässig ist (§ 227 ZPO; 9 ObA 110/04y; 4 Ob 154/12v; RIS‑Justiz RS0037470 [T4]; Fasching, LB2 Rz 1119; Rechberger/Klicka in Rechberger 4, § 227 ZPO Rz 1; Rechberger/Simotta, ZPR8 Rz 583). Dies trifft hier aber für beide Eventualbegehren nicht zu, weil die damit erhobenen Begehren die für das bezirkgsgerichtliche Verfahren nach § 49 Abs 1 JN maßgebliche Wertgrenze von 15.000 EUR jeweils übersteigen. Zur Erledigung der Eventualbegehren fehlt dem Erstgericht demnach die Wertzuständigkeit (RIS‑Justiz RS0128366).

7. Die Kläger stützen sich in ihrem Revisionsrekurs auf die Rechtsansicht von Scheuer (in Fasching/Konecny 3 § 41 JN Rz 14) und jene des Oberlandesgerichts Wien (in RIS‑Justiz RS0000135; RS0000133) wonach dann, wenn in einer Klage ein Hauptbegehren mit einem aus einem anderen Sachverhalt abgeleiteten Eventualbegehren verbunden werde, der Zuständigkeitsprüfung nur das Sachvorbringen zum Hauptbegehren zugrunde zu legen sei. Diese Rechtsansicht, so sie sich überhaupt auf die Prüfung der Zuständigkeit für das Eventualbegehren und nicht etwa für das Hauptbegehren beziehen sollte, ist vorliegend schon deshalb nicht einschlägig, weil hier nicht ein bestimmtes Vorbringen (ein bestimmter Anspruchsgrund), sondern die Wertzuständigkeit maßgeblich ist, an der es dem Erstgericht für die Erledigung der Eventualbegehren aber mangelt.

8.1. Die Zurückweisung der Eventualbegehren erfolgte somit wegen Übersteigens der bezirksgerichtlichen Wertgrenze rechtsrichtig. Der Revisionsrekurs muss daher erfolglos bleiben.

8.2. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50, 40 ZPO.

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