Spruch:
Ein Eigentumserwerb durch Verschweigung der Löschungsklage kommt nur in Betracht, wenn die Verjährungszeit verstrichen ist.
Entscheidung vom 2. Februar 1955, 7 Ob 44/55.
I. Instanz: Bezirksgericht Villach; II. Instanz: Landesgericht Klagenfurt.
Text
Valentin Sch. war Eigentümer der EZ. 12 Katastralgemeinde F. (Wesek - Keusche). Mit den Kaufverträgen vom 26. November 1926 und 4. Jänner 1927 verkaufte Valentin Sch. durch seinen mit beglaubigter Vollmacht ausgestatteten Machthaber, den Kläger, die Wesek - Keusche mit einer Reihe von Parzellen an Lukas K., während auf Grund eines Nachtrages vom 1. Februar 1927 zu den genannten Verträgen für die verbliebenen Grundparzellen die neue Grundbuchseinlage EZ. 233 Katastralgemeinde F. eröffnet wurde, deren bücherlicher Eigentümer Valentin Sch. blieb. Valentin Sch. starb am 31. Juli 1936 in Amerika. Sein amerikanischer Grundbesitz wurde zu je einem Drittel an seine drei Kinder übertragen. Eine Verlassenschaftsabhandlung hinsichtlich des inländischen Vermögens hat nie stattgefunden. Erst jetzt wurde die Eröffnung eines inländischen Verlaßverfahrens beantragt.
Mit Kaufvertrag vom 3. April 1953 veräußerte eines der drei Kinder des Valentin Sch., nämlich sein Sohn Valentin C. Sch„ die Liegenschaft EZ. 233 Katastralgemeinde F. an den Beklagten. Die grundbücherliche Durchführung dieses Kaufvertrages wurde dadurch ermöglicht, daß Valentin C. Sch. sich in dem Kaufvertrag nur als Valentin Sch. unter Weglassung des Anfangsbuchstabens seines zweiten Vornamens bezeichnete, wodurch bei dem Grundbuchsgericht der Eindruck erweckt wurde, daß der im Grundbuch als Eigentümer eingetragene Valentin Sch. die Liegenschaft verkaufe.
Der Kläger behauptet nun, Valentin Sch. habe schon mit Kaufvertrag vom 11. Mai 1925 ihm die Liegenschaft EZ. 12. Katastralgemeinde F. mit allen Grundstücken verkauft. Die grundbücherliche Durchführung dieses Vertrages sei nur infolge Verlustes der Originalurkunde unterblieben. Eine beglaubigte Abschrift des Vertrages findet sich als Beilage in dem Akt 6 C 609/53 des Bezirksgerichtes Villach. In diesem Verfahren hatte der Kläger den Valentin Sch. zu Handen eines zu bestellenden Abwesenheitskurators auf Feststellung seines Eigentumsrechtes an der Liegenschaft EZ. 233 Katastralgemeinde F. und auf Zustimmung zur grundbücherlichen Einverleibung seines Eigentumsrechtes an der bezeichneten Liegenschaft geklagt, obwohl er schon zur Zeit der Klagseinbringung wußte, daß Valentin Sch., dessen Aufenthalt angeblich unbekannt sein sollte, schon gestorben war. Das Urteil erging im Sinne des Klagebegehrens und ist rechtskräftig.
Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger, der Beklagte sei schuldig, die grundbücherliche Löschung seiner Eigentumseintragung bei der Liegenschaft EZ. 233 Katastralgemeinde F. auf seine Kosten zu bewirken und in die Einverleibung des Eigentums zugunsten des Klägers zu willigen.
Das Erstgericht wies die Klage ab. In den Gründen sprach das Erstgericht aus, daß der Kläger nur die Stellung eines außerbücherlichen Erwerbers erlangt habe. Grundbücherlicher Eigentümer sei nach wie vor Valentin Sch. geblieben. Der Kläger habe sich selbst dadurch, daß er nach Abschluß seines angeblichen Kaufvertrages mit Valentin Sch. den Abverkauf von Teilen der Liegenschaft EZ. 12 zuließ und nichts gegen die Einverleibung des Eigentumsrechtes an der neuen EZ. 233 für Valentin Sch. unternahm, jede Möglichkeit zur Einverleibung seines Eigentumsrechtes genommen. Der Kläger habe weder aus dem Titel des Eigentums noch aus dem Titel des Kaufvertrages gegen den Beklagten einen Anspruch, denn dieser sei nicht Universalsukzessor des Valentin Sch. und daher zur Erfüllung des von diesem geschlossenen Vertrages nicht verpflichtet. Eine Verdrängung des bücherlichen Einzelnachfolgers des Veräußerers durch den außerbücherlichen Erwerber wäre nur dann möglich, wenn der Einzelnachfolger in Kenntnis oder in fahrlässiger Unkenntnis der Übergabe an den außerbücherlichen Erwerber handelte. Diese Voraussetzung sei im vorliegenden Fall nicht gegeben.
Der gegen dieses Urteil vom Kläger erhobenen Berufung gab das Landesgericht Klagenfurt Folge, hob das erstgerichtliche Urteil im angefochtenen Teile unter Rechtskraftvorbehalt auf und wies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Das Berufungsgericht nimmt den Standpunkt ein, daß der Beklagte mangels Titels überhaupt niemals Eigentum erworben habe und daß es daher gar nicht darauf ankomme, ob er gut oder schlechtgläubig gehandelt habe. Auch auf den öffentlichen Glauben des Grundbuches könne er sich nicht berufen, denn sein Irrtum sei nicht durch den Buchstand veranlaßt worden, sondern er habe darüber geirrt, ob der Veräußerer mit dem als Eigentümer im Grundbuch Eingetragenen wesensgleich sei. Dem Urteil 6 C 609/53 legt das Berufungsgericht für die Entscheidung der Frage, ob der Kläger zur Klage berechtigt sei, keine Bedeutung bei und begrundet diesen Standpunkt damit, daß das Urteil 6 C 609/53 materielle Rechtskraft nur für das Verhältnis zwischen den damaligen Streitteilen, nämlich dem Kläger und Valentin Sch. sen., erlangt habe. Das Berufungsgericht bejaht jedoch das Recht des Klägers auf Einräumung des Buchbesitzes unter der Voraussetzung, daß seine Behauptung, er habe den Besitz auf rechtmäßige, echte und redliche Art erworben, richtig sei. Das Berufungsgericht trägt daher dem Erstgerichte auf, festzustellen, ob der Kläger mit Valentin Sch. sen. einen Kaufvertrag über die fraglichen Grundstücke abgeschlossen hat. Und ob dieser Kaufvertrag allenfalls in der Folge aufgehoben wurde.
Dieser Beschluß wird von beiden Streitteilen mit Rekurs angefochten.
Der Oberste Gerichtshof gab beiden Rekursen nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Mit Recht ist das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung davon ausgegangen, daß dem außerbücherlichen Erwerber einer Liegenschaft, dem sogenannten Naturalbesitzer, die Klage nach § 372 ABGB. gegen den Tabularbesitzer zusteht, wobei es gleichgültig ist, welcher Art der Titel ist, durch den der Kläger in den Besitz der Liegenschaft gelangte, wenn er nur zum Eigentumserwerb tauglich ist.
Der Rekurs des Beklagten geht auch fehl, wenn er aus der durch den Kläger als Bevollmächtigten des Sch. selbst veranlaßten Eröffnung der neuen Grundbuchseinlage EZ. 233 folgern will, daß dem Kläger keinesfalls das Recht zustehe, die Übertragung dieses Grundstückes, das er nie gekauft habe, in sein bücherliches Eigentum zu verlangen. Welchen Einfluß die Tatsache der Eröffnung dieser neuen Einlage unter Belassung des Valentin Sch. als Eigentümers der Grundstücke für die Beweiswürdigung bei Prüfung der Frage, ob der zwischen Valentin Sch. und dem Kläger abgeschlossene Kaufvertrag in der Folge aufgehoben wurde, haben könnte, ist hier nicht zu untersuchen. Ist aber eine solche Aufhebung nicht erfolgt, muß die Tatsache, daß für die an Lukas K. nicht verkauften Teile der Liegenschaft EZ. 12 Katastralgemeinde F. eine neue Grundbuchseinlage eröffnet wurde und nicht gleichzeitig das Eigentumsrecht an dieser neuen Einlage an den Kläger übertragen wurde, nicht die rechtliche Möglichkeit ausschließen, daß der Kläger seine aus dem Kaufvertrag vom 11. Mai 1925 abgeleiteten Rechte nunmehr hinsichtlich der EZ. 233 als des Restbestandes der ihm verkauften Liegenschaft EZ. 12 Katastralgemeinde F. geltend macht.
Das Recht des außerbücherlichen Erwerbers zur Erhebung der Klage nach § 372 ABGB. findet allerdings seine Schranke in der Bestimmung des § 440 ABGB. Jeder, der eine Liegenschaft auf Grund eines tauglichen Titels erworben hat, ist, sobald die Einverleibung seines Eigentumsrechtes erfolgte, gegen die Klage desjenigen, der sich ebenfalls auf einen sogar älteren Erwerbstitel berufen kann, selbst dann geschützt, wenn er von dem Erwerb durch den anderen Kenntnis hatte. Seine Herausgabepflicht besteht nur im Falle der Arglist (SpR. 59, JBl. 1952 S. 158, 2 Ob 848/52 und die dort angeführte Judikatur).
Mit Recht hat aber das Berufungsgericht darauf hingewiesen, daß der Beklagte trotz des für sein Eigentumsrecht sprechenden Grundbuchsstandes an der Liegenschaft mangels eines Titels niemals Eigentum erworben hat. Die Berufung des Beklagten auf die Bestimmung des § 547 ABGB. geht hier fehl. Nach dieser Gesetzesbestimmung stellt der Erbe in Rücksicht auf die Erbschaft den Erblasser erst dann vor, wenn er die Erbschaft angenommen hat. Die in Amerika geführte Abhandlung, die übrigens eine förmliche Erbserklärung gar nicht enthält und die klagsgegenständlichen Liegenschaften überhaupt nicht erwähnt, muß hier außer Betracht bleiben, weil gemäß § 22 AußStrG. die Abhandlung über die innerhalb Österreichs gelegenen Güter den österreichischen Gerichten zusteht und nach österreichischen Gesetzen zu pflegen ist. Es ist also zur Erzeugung von Rechtswirkungen im Sinne des § 547 ABGB. hinsichtlich inländischer Liegenschaften die im Rahmen eines inländischen Abhandlungsverfahrens abgegebene Erbserklärung notwendig. Aber auch der erbserklärte Erbe ist zur Veräußerung von Nachlaßstücken nur mit Genehmigung des Gerichtes berechtigt (§ 145 AußStrG.). Die Genehmigung des Gerichtes kann aber bei einer Mehrheit von Erben nur dann erfolgen, wenn alle Erben der Veräußerung zustimmen (GlUNF. 1843). Verfügungen eines Miterben über einzelne Nachlaßstücke sind solche eines Nichteigentümers (Weiß bei Klang, Kommentar zu § 550 ABGB.). Von einem Nichteigentümer hat auch im vorliegenden Falle der Beklagte die Liegenschaft erworben, wenn er einen Kaufvertrag mit einem Manne abschloß, der nur einer von drei Erben des Liegenschaftseigentümers war und zur Veräußerung keine abhandlungsbehördliche Genehmigung, ja nicht einmal die Erbserklärung abgegeben hatte. Die Einverleibung des Eigentumsrechtes für den Beklagten konnte überhaupt nur dadurch erwirkt werden, daß das Grundbuchsgericht irregeführt wurde, wobei es zivilrechtlich ohne Belang ist, ob der Beklagte oder sein Bruder die Irreführung wider besseres Wissen veranlaßten. Ein Eigentumserwerb durch Verschweigung der Löschungsklage käme im Sinne des § 62 GBG. nur in Betracht, wenn die Verjährungszeit verstrichen wäre (vgl. Ehrenzweig 2. Aufl. I/2 S. 256). Es kommt dem Beklagten daher der Schutz des § 440 ABGB. nicht zu und er müßte im Sinne der §§ 372, 373 ABGB. dem Kläger weichen, wenn diesem der Nachweis gelingt, daß er die Liegenschaft mit einem gültigen Titel und auf eine echte Art erworben hat.
Mit Recht hat daher das Berufungsgericht dem Erstgericht die Feststellung aufgetragen, ob der Kläger mit Valentin Sch. sen. einen Kaufvertrag über die fraglichen Grundstücke abgeschlossen hat und ob allenfalls dieser Kaufvertrag in der Folge aufgehoben wurde.
Es bleibt noch die vom Kläger in seinem Rekurs angeschnittene Frage zu untersuchen, ob nicht die neuerliche Prüfung des Bestandes und der Rechtsgültigkeit der Vereinbarung vom 11. Mai 1925 im Hinblick auf die rechtskräftige Entscheidung vom 5. Dezember 1953, 6 C 609/53, entbehrlich sei. Auch diese Frage ist zu verneinen. Die Wirkung der materiellen Rechtskraft eines Urteiles auf einen anderen Prozeß setzt voraus, daß dieser Rechtsstreit zwischen denselben Streitteilen geführt wird wie der Vorprozeß (SZ. V 159). Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall nicht gegeben. Es läßt sich auch nicht sagen, daß die Rechtskraft des Urteiles 6 C 609/53 gegen den Beklagten als Rechtsnachfolger des im Rechtsstreit 6 C 609/53 geklagten Valentin Sch. wirke. Denn der Beklagte ist nicht Rechtsnachfolger des Valentin Sch., da er die Liegenschaft nicht von der Verlassenschaft nach Valentin Sch., sondern vom Nichteigentümer Valentin C. Sch. gekauft hat. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob die Rechtskraft eines Urteiles auch gegenüber den Einzelnachfolgern der Prozeßparteien wirkt.
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