Normen
ABGB §1304
ABGB §1325
JN §1
StPO §389 (3)
StPO §393 (4)
ABGB §1304
ABGB §1325
JN §1
StPO §389 (3)
StPO §393 (4)
Spruch:
Wird der Privatbeteiligte mit seinen Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen, so bilden die vollen, im Strafverfahren für die Privatbeteiligung aufgewendeten Kosten auch dann einen Teil der Kosten des Zivilprozesses, wenn der obsiegende Kläger Mitbeschuldigter ist; der auf die Privatbeteiligung entfallende Anteil ist nach Ermessen des Gerichtes festzustellen
Entscheidung vom 12. Jänner 1966, 7 Ob 377/65
I. Instanz: Bezirksgericht Rottenmann; II. Instanz: Kreisgericht Leoben
Text
Am 31. Jänner 1965 fand im Volksheim R. ein Maskenball statt, an dem der Kläger und die Beklagte in Begleitung Herbert L's teilnahmen. Nach der Demaskierung zog der Kläger der Beklagten ihr Kopftuch herunter, worauf es zu einem Streit kam, im Verlaufe dessen die Beklagte dem Kläger mehrere Ohrfeigen versetzte, wodurch dieser körperlich beschädigt wurde. Es wurde gegen die genannten Personen zu U .../65 des Bezirksgerichtes ein Strafverfahren eingeleitet. Am 12. März 1965 überreichte der Kläger einen Schriftsatz in dem die Vollmacht seines Anwaltes als Verteidiger vorgelegt und gleichzeitig die Erklärung abgegeben wurde, daß er sich dem Strafverfahren als Privatbeteiligter anschließe. Die Hauptverhandlung fand am 22. März und 6. April 1965 statt. Der nunmehrige Klagevertreter schritt für den heutigen Kläger ein. Im Kopf der Hauptverhandlungsprotokolle scheint er nur als Verteidiger auf, wogegen der Vordruck hinsichtlich des Vertreters des Privatbeteiligten unausgefüllt blieb. Ferner enthält das Protokoll keine Erklärung des Vertreters des Klägers betreffend einen Zuspruch eines Schadenersatzbetrages.
Die heutige Beklagte wurde der Übertretung nach § 411 StG. wegen körperlicher Beschädigung des Klägers schuldig erkannt und zu einer Strafe verurteilt. Hingegen wurden der Kläger und Herbert L. freigesprochen. Der Kläger wurde mit seinen Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen.
Später bezahlte die Beklagte dem Kläger auf dessen Verlangen ein Schmerzengeld von 100 S und einen Betrag von 50 S für das ärztliche Zeugnis. Hingegen lehnte ihr Vertreter das Verlangen des Klägers, ihm die Kosten seiner Beteiligung am Strafverfahren zu ersetzen, ab.
Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger Zuspruch des Betrages von 3171.50 S s. A. als Kosten seines Anwaltes im Strafverfahren. Die Beklagte wendet dagegen ein, sie habe, nur um den Rechtsstreit zu vermeiden, den Schadenersatzbetrag geleistet. Der Kläger könne keinen Ersatz verlangen, weil sein Vertreter in erster Linie als Verteidiger eingeschritten sei. Überdies treffe den Kläger ein erhebliches Mitverschulden, weil er durch sein Verhalten den Streit verursacht habe.
Das Erstgericht sprach dem Kläger drei Viertel des von ihm geforderten Betrages zu und wies das Mehrbegehren von 792.88 S ab. Es vertrat die Ansicht, daß der Kläger für seine Beteiligung am Strafverfahren Ersatz verlangen könne; da er mit seinen privatrechtlichen Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen wurde, könne er sie nunmehr gemäß § 393 (4) StPO. mit Klage geltend machen, weil die Hauptforderung bereits berichtigt wurde. Den Kläger treffe jedoch ein Mitverschulden, das mit einem Viertel zu bemessen sei, weshalb ihm nur drei Viertel des geforderten Betrages zuzusprechen seien.
Der Kläger erhob gegen dieses Urteil kein Rechtsmittel. Über Berufung der Beklagten wies das Berufungsgericht auch das Klagebegehren hinsichtlich des zugesprochenen Betrages von 2378.62 S s. A. ab. Es vertrat die Ansicht, daß der Anwalt des Klägers nur als Verteidiger eingeschritten sei. Er scheine in den Hauptverhandlungsprotokollen nicht in der Eigenschaft als Privatbeteiligtenvertreter auf. Ebensowenig habe er einen Antrag auf Zuspruch eines Geldbetrages gestellt, auch sei den Protokollen in keiner Weise zu entnehmen, daß er irgend etwas zur Durchsetzung der privatrechtlichen Ansprüche getan hätte. Er könne daher keinen Ersatz seiner Vertretungskosten verlangen.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers teilweise Folge, verurteilte die Beklagte zur Zahlung des Betrages von 792.88 S s. A. und wies das Begehren auf Zahlung weiterer 2378.52 S s. A. ab.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Das Berufungsgericht führt aus, nach dem Inhalt der Strafakten habe von seiten des Klägers überhaupt keine Rechtsverfolgung seiner Ansprüche als Privatbeteiligter stattgefunden. Die bloße Erklärung, sich dem Strafverfahren als Privatbeteiligter anzuschließen, sei für sich allein kein zur Durchsetzung dieser Ansprüche geeigneter Schritt. Der Oberste Gerichtshof kann sich dieser Meinung nicht anschließen. Gemäß § 47 (1) StPO. wird der durch die strafbare Handlung Verletzte schon durch die bloße Erklärung, sich dem Strafverfahren anzuschließen, Privatbeteiligter. Es ist hiezu nicht notwendig, irgendeinen bestimmten Anspruch auf Bezahlung zu erheben. Selbst wenn der Privatbeteiligte bis zum Schluß der Hauptverhandlung keinen solchen Anspruch geltend macht, verliert er seine Eigenschaft als Privatbeteiligter nicht (SSt. VI 31). Zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung ist es nicht unbedingt erforderlich, daß der Privatbeteiligte sich mit der Höhe seiner Ansprüche befaßt. Schon wenn sein Vertreter, der gleichzeitig sein Verteidiger ist, eine Tätigkeit entfaltet, die darauf abzielt, einem Mitangeklagten die Schuld zuzuschieben, schafft er dadurch Grundlagen für die Feststellung des privatrechtlichen Anspruches, sodaß er hiedurch die Entscheidung darüber vorbereitet (EvBl. 1957 Nr. 165).
Im vorliegenden Fall war es nun zur Feststellung der privatrechtlichen Ansprüche zweckmäßig, darzutun, daß die Verantwortung des Klägers als Beschuldigter richtig sei und die heutige Beklagte das alleinige oder überwiegende Verschulden an dem Vorfall treffe. Im Sinne der zuletzt angeführten Entscheidung des OGH. ist zu untersuchen, welche Leistungen auf die Verteidigung und welche auf die Privatbeteiligung entfallen. Kann eine solche Trennung nicht erfolgen, so ist zu entscheiden, welcher Anteil auf die Verteidigung und welcher auf die Privatbeteiligung entfällt. Der heutige Klagevertreter ist bei zwei Hauptverhandlungen eingeschritten. Ob er im Protokoll als Vertreter des Privatbeteiligten bezeichnet war oder nicht, ist ohne Belang. Maßgebend ist, daß er im Hinblick auf die Anschlußerklärung ein solcher war. Mit Rücksicht darauf, daß die heutige Beklagte als Beschuldigter geständig war, erachtet der Oberste Gerichtshof, daß die überwiegende Tätigkeit des Vertreters des Klägers auf dessen Verteidigung entfiel, und hält daher einen Anteil von einem Viertel als auf die Privatbeteiligung entfallend für angemessen.
Der Oberste Gerichtshof kann sich der Ansicht nicht anschließen, daß der Umstand, daß der Kläger am Vorfall teilweise schuldtragend ist, auf die Frage des Kostenersatzanspruches Einfluß habe. Es handelt sich hier nicht um eine Forderung, die auf § 1325 ABGB. gegrundet ist. Wird der Angeklagte verurteilt und zur Zahlung eines Ersatzbetrages an den Privatbeteiligten verhalten, so hat er gemäß § 389 StPO. die gesamten Kosten des Strafverfahrens, wozu auch die der Privatbeteiligung gehören, zu tragen. Sie werden ihm vom Strafgericht durch Beschluß aufgelegt. Hiebei macht es keinen Unterschied, ob der Privatbeteiligte etwa mitschuldig ist. Die Strafprozeßordnung läßt eine solche Einwendung gegen den Kostenersatzanspruch des Privatbeteiligten nicht zu. Nur bei teilweisem Freispruch hat der Angeklagte einen Anspruch, daß die diesbezüglichen Kosten ausgeschieden und im Falle einer Privatanklage dem Ankläger auferlegt werden. Daraus folgt, daß der Umstand, daß der Privatbeteiligte mit seinem Anspruch auf den Zivilrechtsweg verwiesen wird, keinen Grund dafür bieten kann, dessen Ansprüche auf Kostenersatz herabzusetzen.
Das gleiche gilt daher, wenn die Kosten der Privatbeteiligung gemäß § 393 (4) StPO. als Kosten des Zivilprozesses geltend gemacht werden. Ein Mitverschulden des Klägers hat gemäß §§ 41, 43 ZPO. nur dann Einfluß auf den Kostenausspruch, wenn aus diesem Gründe ein Teil des Klagebegehrens abgewiesen wird. Verlangt aber der Kläger nicht mehr, als ihm in Wirklichkeit zusteht, so hat der Beklagte die gesamtenKosten des Rechtsstreites, darunter auch die ganzen Kosten der Privatbeteiligung zu tragen.
Befriedigt der im Strafverfahren Verurteilte den Anspruch vor Einbringung der Klage, so kann der Beschädigte die Kosten der Privatbeteiligung selbständig im Rechtsstreit geltend machen (SZ. XV 12, VersRsch. 1955 S. 318 u. a.). Es liegt auf der Hand, daß der Umstand, daß der Verurteilte es nicht zum Rechtsstreit in der Hauptsache kommen läßt, nicht dazu führen kann, daß nun der Privatbeteiligte wegen eines Mitverschuldens einen Teil seiner Kostenersatzansprüche verliert. Das Erstgericht verwechselt in seinem Urteil den privatrechtlichen Schadenersatzanspruch, der bei Mitverschulden gemäß § 1304 ABGB. gemindert wird, mit der prozeßrechtlichen Kostenersatzforderung.
Der Umstand, daß der Kläger sich mit der teilweisen Aberkennung seines Anspruches wegen seines Mitverschuldens zufrieden gegeben hat, ist ohne Bedeutung. Rechtskräftig wurde nur die Abweisung des Klagebegehrens hinsichtlich des Teilbetrages von 792.88 S, nicht aber die Ansicht des Erstgerichtes, daß diese durch das Mitverschulden des Klägers begrundet sei.
Da der Kläger durch die Beklagte verletzt wurde, stand ihm ein Schmerzengeldanspruch, wie hoch immer er gewesen sein mag, zu. Die zur Durchsetzung dieser Forderung aufgewendeten Kosten müssen ihm daher zugesprochen werden.
Es war daher der Revision insoweit Folge zu geben, als dem Kläger ein Viertel seiner Kosten zuzuerkennen waren.
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