European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0070OB00031.23V.0419.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Versicherungsvertragsrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 626,52 EUR (darin enthalten 104,42 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Zwischen den Streitteilen besteht ein Rechtsschutzversicherungsvertrag, dem die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB 2012) zugrunde liegen. Diese lauten auszugsweise:
„ Artikel 9
Wann und wie hat der Versicherer zum Deckungsanspruch des Versicherungsnehmers Stellung zu nehmen? Was hat bei Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer über die Art der Vorgangsweise oder die Erfolgsaussichten zu geschehen? (Schiedsgutachterverfahren)
[...]
2. Davon unabhängig hat der Versicherer das Recht, jederzeit Erhebungen über den mutmaßlichen Erfolg der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung anzustellen. Kommt er nach Prüfung des Sachverhalts unter Berücksichtigung der Rechts‑ und Beweislage zum Ergebnis,
[...]
2.3 dass erfahrungsgemäß keine Aussicht auf Erfolg besteht, hat er das Recht, die Kostenübernahme zur Gänze abzulehnen.
[...]“
Zwischen dem Kläger und der A* SE bestand ein Rechtsschutzversicherungsvertrag, dem die Allgemeinen Rechtsschutzbedingungen (ARB 2003) zugrunde lagen. Diese lauteten auszugsweise:
„ Artikel 7
Was ist vom Versicherungsschutz ausgeschlossen?
1. Kein Versicherungsschutz besteht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen
[…]
1.9. im Zusammenhang mit
‑ der Errichtung oder baubehördlich genehmigungspflichtigen Veränderung von Gebäuden (Gebäudeteilen), Grundstücken oder Wohnungen, die sich im Eigentum oder Besitz des Versicherungsnehmers befinden oder von ihm erworben werden;
‑ der Planung derartiger Maßnahmen;
‑ der Finanzierung des Bauvorhabens einschließlich des Grundstückerwerbs.“
[2] Der Kläger finanzierte 1997 die Errichtung seines Hauses mit einem Kredit in Form eines festverzinslichen Bauspardarlehens. 2007 nahm er eine Umschuldung dahin vor, dass er einen Fremdwährungskredit bei einer anderen Bank aufnahm. Er beabsichtigt mit Rechtsschutzdeckung seines ehemaligen Rechtsschutzversicherers die klageweise Inanspruchnahme der Bank auf bereicherungsrechtliche Rückabwicklung seines Kreditvertrags. Er begründet dies mit der Nichtigkeit des Fremdwährungskreditvertrags infolge unzulässiger Klauseln zur Währungsumrechnung.
[3] Hier begehrt er die Feststellung der Deckungspflicht der Beklagten für eine Deckungsklage gegen seinen ehemaligen Rechtsschutzversicherer, mit der dieser zur Gewährung der Rechtsschutzdeckung für die vom Kläger gegen die Bank angestrebte Klagsführung verpflichtet werden soll.
[4] Entgegen dem – den Obersten Gerichtshofs nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts ist eine ordentliche Revision nicht zulässig, was nur einer kurzen Begründung bedarf (§ 510 Abs 3 ZPO).
Rechtliche Beurteilung
[5] 1. In der Rechtsschutzversicherung ist bei der Beurteilung der Erfolgsaussichten kein strenger Maßstab anzulegen (RS0081929). Bei der Erfolgsaussichtsprüfung nach den ARB können die zur Prozesskostenhilfe entwickelnden Grundsätze übernommen werden. Die vorzunehmende Beurteilung, ob „keine oder nicht hinreichende Aussicht auf Erfolg“ besteht, hat sich am Begriff „nicht als offenbar aussichtslos“ des die Bewilligung der Verfahrenshilfe regelnden § 63 ZPO zu orientieren. „Offenbar aussichtslos“ ist eine Prozessführung, die schon ohne nähere Prüfung der Angriffs‑ oder Verteidigungsmittel als erfolglos erkannt werden kann (insb bei Unschlüssigkeit, aber auch bei unbehebbarem Beweisnotstand, RS0116448, RS0117144). Der Grundsatz in der Rechtsschutzversicherung, dass im Deckungsprozess die Beweisaufnahmen und die Feststellungen zu im Haftpflichtprozess relevanten Tatfragen zu unterbleiben haben und daher dem Versicherer eine vorweg genommene Beweiswürdigung verwehrt ist, gilt allgemein und damit auch für die Prüfung der Frage, ob nach den ARB ein Unterliegen in einem Verfahren wahrscheinlicher ist als ein Obsiegen. Die Beurteilung der Erfolgsaussichten ist aufgrund einer Prognose – im Fall eines bereits laufenden Haftpflichtprozesses aufgrund einer nachträglichen Prognose – nach dem im Zeitpunkt vor Einleitung des Haftpflichtprozesses vorliegenden Erhebungsmaterial vorzunehmen, weil eine Beurteilung der Beweischancen durch antizipierte Beweiswürdigung nicht in Betracht kommt (RS0124256). Auch dann, wenn der Ausgang im zu deckenden Prozess bei Fehlen einer klaren Gesetzeslage von einer bisher nicht gelösten Rechtsfrage abhängt, rechtfertigt dies nicht die Annahme, dass keine oder keine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht (RS0124256 [T3]). Eine Vorwegnahme des Ergebnisses des zu deckenden Prozesses im Deckungsprozess durch Klärung der dort gegenständlichen – bisher noch nicht gelösten – Rechtsfragen zur Beurteilung der Erfolgsaussichten kommt ebenso wenig in Betracht, wie die Vorwegnahme der Klärung der Tatfragen (7 Ob 161/16a, 7 Ob 123/18s). Umgekehrt folgt daraus, dass eine klare Gesetzeslage oder bereits gelöste Rechtsfragen sehr wohl die Annahme rechtfertigen können, dass keine oder keine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.
[6] 2.1 Zu mit Art 7.1.9 ARB 2003 („Bauherrenklausel“) vergleichbaren Bestimmungen führte der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach aus, dass zur Finanzierung genehmigungspflichtiger Bauvorhaben regelmäßig Vereinbarungen mit dem Zweck, Fremdmittel für solche meist kostenintensiven Maßnahmen zu erhalten, geschlossen werden. Wirtschaftlicher Zweck des zu beurteilenden Risikoausschlusses ist daher erkennbar, die Rechtsschutzdeckung nicht nur für erfahrungsgemäß aufwändige und deshalb teure Bau‑(mängel-)Prozesse auszunehmen, sondern auch Streitigkeiten, die – wegen der häufigen Notwendigkeit, große Beträge fremdzufinanzieren – hohe Streitwerte zum Gegenstand haben und zwischen den Parteien der Finanzierungsvereinbarung auftreten, in der Regel also Streitfragen aus dem geschlossenen Kreditvertrag zwischen Kreditgeber und Kreditnehmer. Grund dafür ist, dass nur für einen verhältnismäßig kleinen Teil der in der Risikogemeinschaft zusammengeschlossenen Versicherungsnehmer ein solches Risiko entstehen kann. Selbstverständlich ist, dass nicht jeder auch noch so ferne Zusammenhang mit der Finanzierung ausreicht, sondern zumindest ein ursächlicher Zusammenhang im Sinn der conditio sine qua non-Formel zwischen der Finanzierung und jenen rechtlichen Interessen, die der Versicherungsnehmer mit Rechtsschutzdeckung wahrnehmen will, bestehen muss. Dabei bedarf es – wie im Schadenersatzrecht zur Haftungsbegrenzung – eines adäquaten Zusammenhangs zwischen Rechtsstreit und Baufinanzierung, es muss also der Rechtsstreit, für den Deckung gewährt werden soll, typische Folge der Finanzierung eines Bauvorhabens sein (7 Ob 130/10h, 7 Ob 110/16a je mwN).
[7] 2.2 Der Oberste Gerichtshof hat auch jüngst in seiner Entscheidung 7 Ob 172/21a zur „Bauherrenklausel“ (Art 7.1.2.2 ARB 2008 – zur Errichtung bzw baubehördlich genehmigungspflichtigen Veränderung von Grundstücken [Gebäudeteilen] und Wohnungen, die sich im Eigentum oder Besitz der Versicherungsnehmer befinden oder von ihnen erworben werden) schon dahin Stellung genommen:
[8] Zweck des Ausschlusses ist es, dass ein ganzer, durchaus überschaubarer und auch eingrenzbarer, im Grund erheblicher und typischerweise immer wiederkehrender Lebenssachverhalt vom Versicherungsschutz ausgenommen werden soll, der die allermeisten Versicherungsnehmer nicht, relativ wenige Bauwillige dafür mit erheblichem Kostenrisiko und in fast schon standardisierter Weise und Häufigkeit betrifft. Jedem Versicherungsnehmer kann das Wissen zugemutet werden, dass einem Versicherungsvertrag gewisse Begrenzungsnormen zugrunde liegen. Der durchschnittlich verständige Versicherungsnehmer hat daher grundsätzlich mit Risikoausschlüssen und ‑einschränkungen zu rechnen.
[9] Die Klausel ist nicht gröblich benachteiligend nach § 879 Abs 3 ABGB. Neben dem dargestellten Zweck der Klausel ist auch zu berücksichtigen, dass Allgemeine Rechtsschutzbedingungen wegen der schweren Überschaubarkeit und Kalkulierbarkeit sowie der Größe des Rechtskostenrisikos im gesamten Bereich des privaten wie auch öffentlichen Rechts nur Teilgebiete abdecken; eine universelle Gefahrenübernahme, bei der der Versicherer jeden beliebigen Bedarf des Versicherungsnehmers nach Rechtsschutz decken müsste, ist im österreichischen Recht nicht gebräuchlich. Auf die – im Übrigen auch nicht gegebene Intransparenz der Klausel nach § 6 Abs 3 KSchG – kommt die Revision zu Recht nicht zurück. Davon ausgehend, ergibt sich kein wie immer gearteter Anhaltspunkt für einen Rechtsmissbrauch.
[10] 3.1 Vor dem Hintergrund der eben dargestellten oberstgerichtlichen Rechtsprechung gingen die Vorinstanzen davon aus, dass die von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfragen – der Intransparenz der Klausel des Art 7.1.9 ARB 2003 nach § 6 Abs 3 KSchG und deren gröblichen Benachteiligung nach § 879 Abs 3 ABGB – bereits gelöst seien und damit eine eindeutige Rechtslage bestehe. Ausgehend von der oberstgerichtlichen Judikatur stünden auch Streitigkeiten aus dem – zur Umschuldung des ursprünglichen Kredits aufgenommenen – Fremdwährungskredit im Zusammenhang mit der Finanzierung des Bauvorhabens einschließlich des Grundstückserwerbs und seien daher dem Risikoausschluss des Art 7.1.9 ARB 2003 zu unterstellen. Der Annahme der Beklagten, dass für die beabsichtigte Klagsführung gegen den ehemaligen Rechtsschutzversicherer keine Aussicht auf Erfolg nach Art 9.2.3 ARB 2012 bestehe und die Beklagte daher leistungsfrei sei, komme daher Berechtigung zu.
[11] 3.2.1 Die Klägerin wendet sich ausschließlich gegen die – nicht korrekturbedürftigen Beurteilung – der Vorinstanzen, dass die Fragen der Intransparenz und der gröblichen Benachteiligung der Klausel aufgrund der bereits bestehenden oberstgerichtliche Rechtsprechung als gelöst anzusehen seien. Siehält dem nur mehrentgegen, dass erst- und zweitinstanzliche Entscheidungen, die Bedingungen der Rechtsschutzversicherung, wonach „kein Versicherungsschutz für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen im (ursächlichen oder unmittelbaren und mittelbaren) Zusammenhang mit hoheitlichen Anordnungen, die aufgrund einer Ausnahmesituation an eine Personenhoheit gerichtet sind (Hoheitsausschluss)“ als intransparent nach § 6 Abs 3 KSchG beurteilt hätten, von den Vorinstanzen nicht beachtet worden seien. Die Beurteilung könne aber aufgrund der wortgleichen Wendung „im Zusammenhang mit“ auf die „Bauherrenklausel“ übertragen werden.
[12] 3.2.2 Hier übersieht die Klägerin, dass der erkennende Fachsenat bereits in mehreren Entscheidungen die soeben genannte Begriffsfolge ausdrücklich als nicht intransparent nach § 6 Abs 3 KSchG qualifizierte (7 Ob 160/22p, 7 Ob 169/22m, 7 Ob 196/22g).
[13] 4. Dieser Beschluss bedarf keiner weiteren Begründung (§ 510 Abs 3 ZPO).
[14] 5. Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.
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