OGH 7Ob308/99s

OGH7Ob308/99s14.12.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Tittel, Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller und Dr. Kuras als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DDr. Kurt B*****, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der Anton Z*****, vertreten durch Dr. Paul Doralt ua, Rechtsanwalts-Partnerschaft in Wien, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17-19, wegen (restlich) S 103.643,47 sA infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 25. Juni 1999, GZ 3 R 202/98t-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 7. September 1998, GZ 29 Cg 106/98b-12, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei zuhanden ihrem Vertreter binnen 14 Tagen die mit S 8.112 (hierin enthalten S 1.352 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht hat zwar in Abänderung seines zunächst gegenteiligen Ausspruches die Revision gegen sein Urteil gemäß § 508 Abs 3 ZPO für zulässig erklärt, doch liegen die in § 502 Abs 1 ZPO normierten Voraussetzungen für die Anrufung des Obersten Gerichtshofes nicht vor. An den Zulassungsausspruch ist der Oberste Gerichtshof nicht gebunden (6 Ob 222/99h). Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz kann sich die Erledigung des Rechtsmittels daher auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

Dass es sich bei den Forderungen der Finanzverwaltung (Steuerforderungen) einerseits und den Verbindlichkeiten der Post- und Telegrafendirektion jeweils gegenüber der (späteren) Gemeinschuldnerin andererseits um aufrechenbare Forderungen handelte, ist unstrittig (in diesem Sinne bereits WBl 1989, 254 bei Aufrechnung ebenfalls des Bundes gegen eine Entgeltforderung des Gemeinschuldners aus einem mit den ÖBB vor Konkurseröffnung abgeschlossenen Werkvertrag mit damals fälligen Steuerforderungen). Gegenstand des Revisionsverfahrens ist auch nicht mehr der in der Klage ebenfalls (freilich "nur vorsichtshalber": Berufung ON 13) herangezogene Anfechtungstatbestand des § 30 Abs 1 Z 1 KO (Gläubigerbegünstigung), weil die Herstellung der Aufrechnungslage durch die Vergabe der zugrunde liegenden Reparaturaufträge zufolge diesbezüglicher Einschränkung des Klagebegehrens gemäß § 483 Abs 3 ZPO im Berufungsverfahren aus dem weiteren Verfahren ausgeschieden ist. Einzig strittige Frage ist demgemäß nur mehr, ob der für die Beurteilung von Zulässigkeit und Anfechtbarkeit der vorgenommenen Aufrechnung gemäß dem verbleibenden Anfechtungstatbestand des § 31 Abs 1 Z 2 erster Fall KO maßgebliche Zeitpunkt die Fälligkeit der Werklohnforderung (laut Rechnung vom 23. 8. 1995 binnen 30 Tagen) oder das Entstehen derselben (nach Auffassung der Revisionswerberin im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses 20. 3. 1995) ist. Die hiezu auch vom Berufungsgericht in seinem geänderten Zulassungsausspruch formulierte Rechtsfrage stellt sich indes nicht, weil die auch von der beklagten Partei nicht mehr in Abrede gestellten Anfechtungsvoraussetzungen des § 31 Abs 1 Z 2 erster Fall KO für beide von ihr einander gegenüber gestellten Zeitpunkte gleichermaßen bejaht werden müssen. Gemäß § 31 Abs 4 KO ist eine Anfechtung nämlich ausgeschlossen, wenn die anfechtbaren Rechtshandlungen früher als sechs Monate vor der Konkurseröffnung vorgenommen worden sind, wobei hier als Beginn im Hinblick auf die vorangegangene Ausgleichseröffnung der 2. 10. 1995 anzusetzen ist. Nach den maßgeblichen Feststellungen der Vorinstanzen wurde zwar die spätere Gemeinschuldnerin laut deren Anbot vom 20. 3. 1995 mit der Reparatur der Außenjalousien am Gebäude ihrer Postdirektion in Wien beauftragt, allerdings dergestalt, dass es nur eine Rahmenvereinbarung bis zu einem gewissen Betrag (an Werklohn) der Höhe nach gab, innerhalb dessen die einzelnen Reparaturen erst abgerufen werden sollten und auch in der Folge tatsächlich wurden. Demgemäß wurde die erste Reparaturleistung am 11. 4. 1995, die letzte am 29. 6. 1995 abgerufen und über diese Leistungen mit Sammelrechnung vom 23. 8. 1995 insgesamt und gemeinsam abgerechnet. Wenn auch das genaue Datum der Annahme des Anbotes der späteren Gemeinschuldnerin durch die beklagte Partei nicht datummäßig exakt festgestellt wurde, so muss doch nach diesem vorliegenden und für den Obersten Gerichtshof maßgeblichen Tatsachensubstrat der Vorinstanzen eine datummäßige Rückbeziehung auf den 20. 3. 1995 (und damit außerhalb der Sechsmonatefrist des § 31 Abs 4 KO) schon an der Rechtsnatur einer solchen Rahmenvereinbarung scheitern.

Der Oberste Gerichtshof hat wohl - in Ableitung aus § 1170 ABGB einerseits und § 1168 ABGB andererseits - in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen, dass der Anspruch auf Werklohn schon mit Abschluss des Werkvertrages "existent" geworden, also entstanden ist (WBl 1989, 254; SZ 58/169, 64/23; 3 Ob 76/97s; ZVR 1999/56; RIS-Justiz RS0021897). Nach ebenfalls herrschender Rechtsprechung tritt die Tilgung (der Schuld durch Aufrechnung) mit Zugang der Aufrechnungserklärung rückwirkend in dem Zeitpunkt ein, in dem sich die Forderungen erstmals aufrechenbar gegenüberstanden (SZ 69/57; 3 Ob 76/97s). Dieser Zeitpunkt ist auch für das Anfechtungsrecht maßgebend (Rebernig, Konkursanfechtung des Kontokorrentkredites, Rz 204; Koziol, Entscheidungsbesprechung ÖBA 1988, 1116). Dies kann aber - wiederum die Feststellungen der Vorinstanzen in tatsächlicher Beziehung zu Grunde legend - frühestens mit dem Abruf der ersten Werkleistung, sohin am 11. 4. 1995, angenommen werden; damit hat aber die Beklagte durch die Herbeiführung der Aufrechnung ihrer Forderungen gegen die Gemeinschuldnerin mit einer Schuld, die durch den Abschluss eines nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit desselben abgewickelten Werkvertrages entstanden war, für ihre (Abgaben-)Forderung eine inkongruente Deckung erlangt. Wie der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 2 Ob 575/93 (ecolex 1994, 464 = HS 25.375) bereits ausgeführt hat, steckt ein "Rahmenvertrag" (jedenfalls üblicherweise; gegenteiliges ist auch hier nicht hervorgekommen) zwischen Parteien, vor allem Kaufleuten, die miteinander eine größere Anzahl gleichartiger oder ähnlicher Rechtsgeschäfte abschließen wollen, im Vorhinein den rechtlichen Rahmen ab, also bestimmte Bedingungen für künftige Einzelverträge. Davon ist auch hier auszugehen. Durch die "Rahmenvereinbarung" vom März 1995 wurde vorrangig die Art der Werkverträge (nämlich Reparatur des Direktionsgebäudes) und die Höhe des Gesamtwerklohns (für alle nachfolgenden Reparaturaufträge) festgelegt. Die Aufträge selbst erfolgten durch Einzelabrufe, wie dies auch aus den Eintragungen in der Sammelrechnung Blg./D iVm den Angaben des für die Vergabe zuständigen Beamten der beklagten Partei (ON 11) illustrativ hervorgeht. Damit steht aber fest, dass sowohl der Abschluss der Einzelverträge (innerhalb des Rahmenvertrages) als auch die mit Rechnungslegung sodann eingetretene Fälligkeit der aus sämtlichen Werklohnforderungen resultierenden Ansprüche der späteren Gemeinschuldnerin innerhalb der Sechsmonatefrist des § 31 Abs 4 KO gelegen sind. Dass die Beamten der beklagten Partei die Zahlungsunfähigkeit der nunmehrigen Gemeinschuldnerin zumindest bereits seit Anfang 1995 hätten erkennen müssen, steht ebenfalls (sachverhaltsmäßig) fest. Die Aufrechnung ist daher jedenfalls nach § 31 Abs 1 Z 2 erster Fall KO anfechtbar. Da anfechtungsgegenständlich die Befriedigung der Abgabenforderungen mittels Aufrechnung durch das Finanzamt für Körperschaften ist, kommt es auch auf die Kenntnis dessen Beamtenschaft als derjenigen Dienststelle der beklagten Partei, welche die Abgabenforderungen einzutreiben und durch Aufrechnung letztlich reduziert hatte, an. Auf die in der Revisionsbeantwortung in diesem Zusammenhang in den Vordergrund gestellte Kommunikation der Beamten der Post- und Telegrafendirektion mit jenen des Finanzamtes, wie sie der Zeuge Dipl. Ing. S***** (ON 11) deponierte, kommt es damit nicht mehr entscheidend an.

Aus diesen Erwägungen war daher die Revision mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO als unzulässig zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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