OGH 7Ob307/02a

OGH7Ob307/02a12.2.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K*****, vertreten durch Dr. Rainer Kurbos, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei Stadtgemeinde L*****, vertreten durch Dr. Gerald Hiebler, Rechtsanwalt in Leoben, wegen EUR 43.603,70 sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 17. September 2002, GZ 5 R 101/02s-14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Leoben vom 22. April 2002, GZ 4 Cg 94/01g-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei zu Handen ihres Vertreters binnen 14 Tagen die mit EUR 1.774,44 (darin enthalten EUR 295,74 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beklagte Gemeinde schrieb Tischlerarbeiten für ein Ausstellungsvorhaben aus, wobei ua auch die Klägerin schriftlich zur Anboterstellung eingeladen wurde; die Abgabefrist endete am 12. 1. 2001 (in der Klage und im Ersturteil mehrfach unrichtig: 2000), 10 Uhr. Innerhalb offener Abgabefrist legte die Klägerin rechtzeitig ein Angebot, das jedoch zufolge Zweitreihung hinter jenem der Firma A***** GmbH (im Folgenden kurz: Firma A*****) aus W***** nicht zum Zug kam. Im Zuge der Anboteeröffnung am 12. 1. 2001 stellte sich heraus, dass das an erster Stelle gereihte Anbot der Firma A***** zwar auf der ersten Seite - enthaltend ua die Summenwerte des Angebots sowie die im Einzelnen aufgelisteten Beilagen, darunter gleich als erste die Allgemeinen Bedingungen der ausschreibenden Stadtgemeinde - firmenmäßig gefertigt war, diese es jedoch versäumt hatte, auch die der Ausschreibung zu Grunde liegenden und auf S 1 genannten Allgemeinen Bedingungen auf deren letzter Seite p zu unterfertigen. Die Verpflichtung zur Unterfertigung auch dieser Seite ergibt sich aus Punkt L dieser Allgemeinen Bedingungen, welcher wie folgt lautet:

"L. ANGEBOTSFERTIGUNG

Durch die zu fertigende Angebotserklärung (Seite p) hat der Auftragnehmer sein volles Einverständnis mit dem gesamten vorliegenden Vertrags- und Leistungsrahmen, sowie sämtlichen anderen Unterlagen bekannt. Er bestätigt damit auch, sie genau studiert, überlegt und zweifelsfrei verstanden zu haben und über alle Fragen seiner Arbeiten und Lieferungen, Ausführungen und Verrechnungen der Leistungen und alle in Betracht kommenden örtlichen Verhältnisse vollständig informiert zu sein, sodass nachträgliche Einwendungen und Forderungen wegen mangelhafter Information ausgeschlossen sind."

Gemäß Punkt 11 derselben (Allgemeine rechtliche Bedingungen) wurden ua die Ö-Norm B 2110 "in der jeweils letzten Ausgabe" (di jene vom 1. 3. 2000) als Vertragsbestandteil vereinbart. Nach Punkt 6.2.5 Abs 8 dieser Ö-Norm muss jedes Angebot "Datum und rechtsgültige Unterfertigung des Bieters" enthalten. Punkt 7.3.5.1 der genannten Ö-Norm lautet:

"Vorgehen bei Mangelhaftigkeit der Angebote

Ergeben sich bei der Prüfung der Angebote Unklarheiten über das Angebot selbst, einschließlich etwaiger Varianten- oder Alternativangebote oder über die geplante Art der Durchführung, oder werden Mängel festgestellt, ist, sofern die Unklarheiten für die Beurteilung der Angebote von Bedeutung sind, vom Bieter verbindliche schriftliche Aufklärung zu verlangen, wozu ihm eine angemessene Frist zu gewähren ist; die vom Bieter erteilten schriftlichen Auskünfte sind der Niederschrift (7.3.7) beizuschließen."

Die beklagte Partei forderte nach Angebotsöffnung die Firma A***** auf, die fehlende Unterschrift auf Seite p nachzuholen, welcher diese am 16. 1. 2001 (im Ersturteil wiederum unrichtig: 2000) nachkam. Die beklagte Partei ging damit von einer Bindung der Firma A***** an sämtliche Ausschreibungsunterlagen aus, zumal auf der ersten Seite sämtliche Beilagen zur Ausschreibung angeführt waren (und diese Seite ja ordnungsgemäß gefertigt worden war). Da somit die Firma A***** für die beklagte Partei als Bestbieter feststand, erhielt sie den Zuschlag, ohne dass auch noch eine nähere Prüfung der übrigen Anbieter stattfand, insbesondere hinsichtlich der Handlungsvollmacht des das Angebot der klagenden Partei unterfertigenden Prokuristen (welcher mit Handlungsvollmacht vom 12. 4. 1999 vom Geschäftsführer der Klägerin zur Unterfertigung von Angeboten bevollmächtigt worden war).

Mit der am 31. 5. 2001 eingebrachten Klage begehrte die Klägerin die Verurteilung der beklagten Partei zur Zahlung ihres "in erster Linie zur Kostenminimierung und unter ausdrücklichem Ausdehnungsvorbehalt" mit S 600.000 bezifferten "vorläufigen" Schadens samt 6,5 % kontokorrentmäßiger Verzugszinsen seit 2. 4. 2001 als Teil des mit S 1,328.245,10 netto bezifferten Erfüllungsinteresses als übergangener Bestbieter. Die Beklagte hafte ihr für diesen Betrag "wegen Vergabeverstößen und Verletzung des vorvertraglichen Schuldverhältnisses (der eigenen Ausschreibungsunterlagen) sowie aus jedem sonstigen Rechtsgrund." Mangels - wegen Nichtunterfertigung auch der Seite p der Allgemeinen Bedingungen gegebener - Rechtsverbindlichkeit des Anbotes der Firma A***** hätte dieses (ohne Einräumung einer Verbesserungsmöglichkeit) ausgeschieden und der Klägerin der Zuschlag erteilt werden müssen.

Die beklagte Partei bestritt das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach. Allein schon die Unterfertigung der Seite 1 (Summenblatt) des Angebotes habe dieses rechtsverbindlich gemacht. Bei der fehlenden Unterfertigung auch der Allgemeinen Bedingungen habe es sich um einen verbesserungsfähigen Mangel gehandelt, der auch umgehend nach Aufforderung behoben worden sei. Vielmehr hätte das Angebot der Klägerin ausgeschieden werden müssen, weil dieses nicht rechtsgültig firmenmäßig, sondern bloß von einem Handlungsbevollmächtigten unterschrieben worden sei. Beide Parteien haben hiezu jeweils umfangreiches Replikvorbringen erstattet, dessen Wiedergabe gemäß § 510 Abs 3 erster Satz ZPO für die weitere Revisionsentscheidung nicht von Wesentlichkeit ist. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es beurteilte den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt rechtlich (zusammengefasst) dahin, dass es sich bei der fehlenden (zusätzlichen) Unterschrift auf dem letzten Blatt der Bedingungen um keinen unbehebbaren, sondern vielmehr um einen verbesserbaren Mangel gehandelt habe. Hiedurch habe die Beklagte als Auftraggeber nicht gegen das Verhandlungsverbot verstoßen und keine Änderung der Wettbewerbsstellung der Bieter (im Sinne einer Wettbewerbsverzerrung) herbeigeführt. Zufolge rechtsgültiger firmenmäßiger Fertigung auf Seite 1 der Ausschreibungsunterlagen habe ein verbindliches Angebot vorgelegen, welches zu berücksichtigen gewesen sei. Bereits mit der Unterschriftsleistung auf Seite 1 habe die Firma A***** auch die dort angeführten Allgemeinen Bedingungen anerkannt. Der für die Klägerin fertigende Prokurist seinerseits habe eine rechtsgültige Handlungsals Spezialvollmacht gehabt.

Das Berufungsgericht gab der von der klagenden Partei lediglich wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung nicht Folge und sprach weiter aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es schloss sich der Ansicht des Erstgerichtes an, dass durch die Unterfertigung auf Seite 1 der Ausschreibung bereits ein verbindliches Angebot vorgelegen habe, sodass die eingeräumte Verbesserung im Wesentlichen lediglich zu einer Klarstellung, aber nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung in dem Sinne, dass es die Firma A***** als Mitbieter bis zur Verbesserung in der Hand gehabt hätte (nach Kenntnis der übrigen Angebote oder auch unabhängig davon), durch Weigerung der Verbesserung ihr ursprüngliches Angebot als unverbindlich zu betrachten und zurückzuziehen. Die Bindung an ihr Anbot schon durch die Unterfertigung der ersten Seite folge auch aus der Regelung des § 39 Steiermärkisches Vergabegesetz (im Folgenden kurz: StVergG). Da die beklagte Partei sohin weder gegen Bestimmungen dieses Landesgesetzes noch der Ö-Norm verstoßen habe, bestehe das Klagebegehren bereits deshalb nicht zu Recht. Außerdem hätte das Angebot der Klägerin bei Einhaltung der vergaberechtlichen Bestimmungen nicht zum Zug kommen dürfen, weil die Unterfertigung bloß durch einen Handlungsbevollmächtigten nicht dem einer firmenmäßigen Unterfertigung entsprochen habe.

Die ordentliche Revision wurde für nicht zulässig erklärt, weil die Frage der Erfordernisse an die Rechtsgültigkeit einer Unterfertigung nicht streitentscheidend gewesen sei und es der Frage, an welcher Stelle ein Anbot unterfertigt sein muss, um als endgültig (rechtsverbindlich) zu gelten, eine Erheblichkeit im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO mangle.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte außerordentliche Revision der klagenden Partei mit dem Antrag, das bekämpfte Urteil im Sinne einer Klagestattgebung abzuändern; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei hat nach Freistellung eine Revisionsbeantwortung erstattet, in welcher primär die Zurückweisung des gegnerischen Rechtsmittels als unzulässig, in eventu diesem keine Folge zu geben, beantragt wird.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil die Frage, an welcher Stelle ein Bieteranbot unterfertigt sein muss, wenn diesem Beilagen beigefügt sind und an dieses ein bestimmtes Form(Unterfertigungs)erfordernis geknüpft ist, und ob ein Verstoß hiegegen Anlass zur Verbesserung sein kann, über den Anlassfall hinaus von grundsätzlicher und damit erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO ist. Eine Rechtsprechung seitens des Obersten Gerichtshofes liegt hiezu bisher nicht vor.

Der Revision kommt jedoch keine Berechtigung zu. Dies aus folgenden Erwägungen, welche den im Rechtsmittel im Wesentlichen nur ihren Standpunkt in den Vorinstanzen wiederholenden Argumenten entgegenzuhalten sind:

Nach § 13 Z 15 StVergG LGBl 1998/74 in der hier maßgeblichen Fassung ist Angebot "die Erklärung eines Bieters, eine bestimmte Leistung gegen Entgelt unter Einhaltung festgelegter Bedingungen erbringen zu wollen." Während der Zuschlagsfrist ist der Bieter an sein Angebot gebunden (§ 39 Abs 2 leg cit). Während des offenen oder des nicht offenen Verfahrens darf mit den Bietern über eine Angebotsänderung nicht verhandelt werden (§ 49 Abs 1 leg cit). Nach § 52 Abs 3 StVergG iVm § 1 der 1. Landesvergabeverordnung StLGBl 1995/87 ist bei der Vergabe von Aufträgen nach dem StVergG die Ö-Norm A 2050 anzuwenden, deren hier maßgebliche Bestimmungen bereits einleitend wiedergegeben wurden. Danach ist eine Verbesserung bei bestimmten Mangelhaftigkeiten eines Angebotes ausdrücklich zulässig und vorgesehen (Punkt 7.3.5.1).

Im maßgeblichen Fachschrifttum werden zur Beachtung der rechtsgültigen Unterschrift (samt Vorgehen bei Mangelhaftigkeit) keine für die vorliegende Fallbeurteilung tragenden Lösungen angeboten (Draxler/Petsche/Fuhrmann, ABC der Auftragsvergabe - Was der Unternehmer wissen muss [1998], 61; Brinker/Roniger/Punz/Vock, Österr Vergaberecht [1999] Rz 291; Elsner, Vergaberecht [1999] Rz A 108; Reinbacher, Schadenersatz im Vergaberecht [2002] 40 f). Nach der Rechtsprechung (6 Ob 69/99m; RIS-Justiz RS0113158) muss das Anbot grundsätzlich so abgefasst sein, dass die Leistungsbeschreibung und die sonstigen Bestimmungen in derselben Fassung mit der Auspreisung durch den Bieter ohne weitere Umgestaltung für den abschließenden Vertrag verwendet werden können. Nur solche Mängel eines Angebotes des Bieters sind verbesserungsfähig, die nicht nach Angebotseröffnung zu einer Änderung der Wettbewerbsstellung der Bieter führen können; (nur) Anbote mit gravierenden formalen und inhaltlichen Mängeln sind daher sofort auszuscheiden (6 Ob 564/91; 7 Ob 159/97a).

An diese Grundsätze haben sich die Vorinstanzen und speziell das Berufungsgericht gehalten. Das Angebot der Firma A***** enthielt auf der von ihrer firmenmäßigen Unterschrift abgedeckten ersten Seite bereits den ausdrücklichen Hinweis auf (ua) die der Ausschreibung zu Grunde liegenden Allgemeinen Bedingungen, welche allerdings noch gesondert (Punkt L) auf Seite p vom Auftragnehmer zur Erklärung seines vollen Einverständnisses zu fertigen gewesen wären. Das Anbot, dem diese (gesonderte, zweite) Fertigung fehlte, war daher zweifellos mangelhaft. Dieser Mangel war jedoch in angemessener Frist (hier weniger als eine Woche) verbesserbar und wurde dadurch behoben, dass diese Fertigung umgehend nachgereicht wurde. Eine (schwerwiegende) Wettbewerbsverzerrung konnte darin auch nach Auffassung des erkennenden Senates nicht gelegen sein, wäre doch dafür nach der Rechtsprechung (6 Ob 564/91) erforderlich gewesen, dass dem Anbotsteller noch nach Anbotseröffnung die faktische Möglichkeit eingeräumt worden wäre, sanktionslos ein ihn reuendes Anbot wieder ungeschehen machen zu lassen, indem er etwa durch nutzloses Verstreichen der Verbesserungsfrist das Ausscheiden seines Anbotes erreichen hätte können oder ihm dadurch nachträglich die Chance eröffnet worden wäre, seine Position (unzulässigerweise) im Nachhinein zu verbessern (Reinbacher, aaO). Bedenken in Richtung einer Vorschubleistung zu wettbewerbswidrigem (-verzerrenden) Verhalten durch Zulassung dieser nachträglichen Unterschrift im Zuge der eingeräumten Verbesserung oder sonstige mit dem Vergaberecht im Widerspruch stehende Motive bzw Aspekte bestehen sohin nicht - und können letztlich auch von der klagenden Partei selbst, die sich von Anfang an nur auf den Formalstandpunkt der fehlenden Unterschrift gestellt hatte, nicht stichhaltig ins Treffen geführt werden. Auch ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot im Vergaberecht (RIS-Justiz RS0070845, RS0030349, RS0030354) lag damit nicht vor. Dass die Offerte der Firma A***** inhaltlich ausreichend bestimmt und ihr grundsätzlicher Bindungswille (einschließlich der am Summenblatt ausgeworfenen und dort unterschriftenmäßig bereits abgedeckten AGB) bereits durch die firmenmäßige Fertigung dieses Summen- und Deckblattes dokumentiert war, vermag auch die Klägerin nicht ernsthaft zu bestreiten.

Damit wurde das Klagebegehren aber von den Vorinstanzen bereits aus diesen Erwägungen zutreffend abgewiesen. Auf die - sowohl in der Revision als auch in der Revisionsbeantwortung abermals relevierte - Frage der Gültigkeit der eigenen Unterschrift der Klägerin (mangelnde firmenmäßige Zeichnung bloß durch einen handlungsbevollmächtigten Prokuristen) kommt es damit nicht mehr entscheidend an. Die hiezu im Rechtsmittel entwickelten verfassungs- und europarechtlichen Bedenken - im Übrigen (fast) wortgleich übernommen aus einer als Beweisurkunde Beilage I im Akt erliegenden Empfehlung des 4. Senates der Bundes-Vergabekontrollkommission vom 26. 3. 1999 in einer ebenfalls die Klägerin betreffenden Vergabesache - müssen daher vom Obersten Gerichtshof nicht weiter inhaltlich untersucht, geschweige denn gelöst werden (vgl hiezu auch Elsner, aaO).

Der Revision war damit ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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