OGH 7Ob289/00a

OGH7Ob289/00a14.2.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** W*****, vertreten durch Aichinger, Bucher & Partner, Rechtsanwälte in Villach, gegen die beklagte Partei T***** mbH & Co KG, ***** vertreten durch Dr. Erich Moser, Rechtsanwalt in Murau, wegen S 83.000,-- s.A. und Feststellung (Streitwert S 10.000,--, Gesamtstreitwert S 93.000,--), über die ordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Berufungsgericht vom 29. Mai 2000, GZ 3 R 19/00a-32, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Murau vom 16. September 1999, GZ 2 C 543/98f-27, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres unzulässigen Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Der Kläger, ein durchschnittlich guter Schifahrer, löste am 5. 1. 1998 bei der Beklagten eine auch für den Weitentalschlepplift und die Eisenhutabfahrt gültige Tageskarte. Die in ihrem mittleren Teil mittelsteile und 25 m breite Eisenhutpiste wird in Annäherung an die Zufahrt zum Weitentalschlepplift zunehmend flacher und verengt sich auf eine Breite von 10 m. Die Zufahrt zur Einstiegsstelle des Liftes erfolgt dabei über ein aufgeschüttetes, flaches Plateau, das an seiner Ostseite eine steile, etwa 8 m hohe Böschung zum daran anschließenden, abfallenden Hochwald aufweist. An der Böschungskante des Zufahrtsbereiches befindet sich ein hölzerner Begrenzungszaun, der anlässlich des Baues des Weitentalschleppliftes errichtet wurde. Die Holzpfähle mit einem Durchmesser von 8 bis 10 cm sind in die Erde gerammt und mit 4 m langen Brettern verbunden. Zwei dieser Holzpfähle ragen etwa 25 cm über die obersten Querbretter des Zaunes hervor. Der Zaun samt Holzpfähle war zum Unfallszeitpunkt nicht abgesichert. Die Piste der Eisenhutabfahrt war durchgehend präpariert, glatt und mit Eisplatten versehen. Die Sicht war nicht beeinträchtigt. Zum linken Pistenrand hin befanden sich ausgeschobene Schneehügel. Der Kläger kam im Zuge seiner letzten Abfahrt auf der Eisenhutpiste durch Verkanten zum Sturz, wonach er in der Folge gegen den Pfahl des hölzernen Begrenzungszaunes prallte. Der Kläger erlitt eine Schienbeinkopffraktur im rechten Kniegelenk.

Der Kläger begehrte zuletzt die Bezahlung von S 83.000 samt Anhang als Schmerzengeld und die Feststellung, dass die Beklagte für alle künftigen kausalen Folgen aus dem Schiunfall hafte. Auf Grund der Schneeanhäufungen und der Licht- und Sichtverhältnisse habe er den Zaun nicht gesehen. Auf Grund einer Bodenwelle sei er zu Sturz gekommen. Ein Verkanten sei auch bei überdurchschnittlichen Schifahrern nichts Ungewöhnliches. Die Beklagte treffe das Alleinverschulden, da sie die atypische Gefahrenquelle entweder entsprechend absichern oder wenigstens durch Hinweistafeln kennzeichnen hätte müssen.

Die Beklagte beantragte die Klagsabweisung im Wesentlichen mit der Begründung, dass jeder heranfahrende Schifahrer den Geländeabbruch und den Zaun schon aus weiter Entfernung rechtzeitig hätte wahrnehmen können. Der Kläger habe den Schiunfall allein verschuldet, indem er eine nicht den Pistenverhältnissen angepasste Fahrgeschwindigkeit eingehalten habe und eine vollkommen untypische Fahrlinie gewählt habe.

Das Erstgericht fällte nach Einschränkung des Verfahrens auf den Grund des Anspruches (ON 5 S 2 = AS 21) das angefochtene Zwischenurteil, in dem es die Haftung der Beklagten dem Kläger gegenüber zu 100 % aussprach. In rechtlicher Hinsicht gelangte es zu dem Ergebnis, dass die Beklagte als Pistenhalter verpflichtet gewesen sei, für die entsprechende Absicherung des Holzpfahles durch Pölster, Schaummatten, Strohballen oder Ähnliches zu sorgen. Die Beklagte sei ihrer Beweislast für ein die Mithaftung für die Unfallsfolgen begründendes Mitverschulden des Klägers nicht nachgekommen. Es entspreche der Erfahrung des täglichen Lebens, dass auch ein durchschnittlich guter Schifahrer stürzen könne, ohne dass man ihm den Vorwurf der Verantwortungslosigkeit oder Sorglosigkeit anlasten könne.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten teilweise Folge und änderte das angefochtene Urteil dahin ab, dass es zu lauten habe, die Klagsansprüche bestehen dem Grunde nach zur Hälfte zu Recht. Der Pistenhalter sei nur zur Ergreifung entsprechender Schutzmaßnahmen verpflichtet, wenn den Schifahrern atypische, also solche Gefahren drohen, die unter Bedachtnahme auf das Erscheinungsbild und den angekündigten Schwierigkeitsgrad der Piste auch für einen verantwortungsbewussten Schifahrer unerwartet aufträten oder schwer abwendbar seien. Die Beklagte habe zwar die Piste gegen die abfallende Böschung durch den Zaun richtig abgesichert, nicht jedoch den Befestigungspfosten, der eine neuerliche Gefahrenquelle für stürzende Schifahrer darstelle, wofür die Beklagte zu haften habe. Zum von der Beklagten zu behauptenden und beweisenden Mitverschulden des Klägers ergebe sich ein solches aus dem Zugeständnis des Klägers, sich verkantet zu haben. Ein Verkanten sei zumeist auf ein vorausgehendes vermeidbares Fehlverhalten zurückzuführen, das typischerweise ein Verschulden des Schiläufers indiziere. Der Kläger hätte Umstände dartun müssen, aus denen sich ergebe, dass sein Verkanten unvermeidbar oder unvorhersehbar gewesen wäre. Dies habe er nicht getan. Er habe daher ein Mitverschulden zu verantworten, wodurch eine Schadensteilung im Verhältnis 1 : 1 gerechtfertigt sei. Das Berufungsgericht änderte seinen ursprünglichen Ausspruch, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, auf Grund des gemäß § 508 Abs 1 ZPO gestellten Antrags des Klägers gemäß § 508 Abs 3 ZPO dahin ab, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil hier wesentliche Fragen der Beweislastverteilung zu lösen seien, die über den Einzelfall hinausgehend bedeutend seien.

Dagegen richtet sich die Revision des Klägers.

Eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet.

Entgegen den den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch ist die Revision des Klägers mangels erheblicher Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Zu der Frage der Beweislastverteilung beim Mitverschuldenseinwand und zur Frage, wie das Verkanten eines Schifahrers in diesem Zusammenhang zu beurteilen ist, kann auf gesicherte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zurückgegriffen werden. Nach ständiger Rechtsprechung hat der Schädiger die für seinen Standpunkt sprechenden Umstände wie die Mitverantwortung des Geschädigten zu beweisen. Es trifft ihn daher die Behauptungs- und Beweislast für das Mitverschulden des Geschädigten, somit auch dafür, dass sich der Geschädigte gegenüber eigenen Rechtsgütern sorglos verhalten hat, wobei verbleibende Unklarheiten des erhobenen Sachverhalts zu Lasten des Schädigers gehen (4 Ob 299/98v, 2 Ob 2264/96x, 1 Ob 520/93, RS 9922560 uva). Nach ständiger Rechtsprechung sind selbst auf fahrtechnische Fehler zurückzuführende Stürze von Schifahrern diesen zwar an sich noch nicht in jedem Fall als Verschulden vorwerfbar. Dem Schifahrer kann jedoch ein dem Sturz vorausgegangenes vermeidbares Fehlverhalten zur Last fallen, das den Sturz herbeigeführt hat und deshalb als einleitende Fahrlässigkeit zu beurteilen ist. Als solches vermeidbares Fahrverhalten kommen vor allem überhöhte Geschwindigkeit sowie unkontrolliertes Fahren in Betracht (10 Ob 170/00y, 5 Ob 182/99x uva). Das Verkanten ist ebenfalls ein fahrtechnischer Fehler (Kanten- und Belastungsfehler), der bei fortgeschrittenen Schiläufern, wie dies auch der Kläger war, zumeist auf ein vorangehendes vermeidbares Fehlverhalten (etwa relativ überhöhte Geschwindigkeit oder unkontrolliertes Fahren) zurückzuführen ist (6 Ob 220/00x, 5 Ob 182/99x, 1 Ob340/99b, 4 Ob 299/98v, 1 Ob 583/89). Der Revisionswerber übersieht, dass er bereits in der Klage als Ursache seines Sturzes ein Verkanten zugestanden hat. Durch das Verkanten ist aber typischerweise das Verschulden des Schiläufers indiziert (5 Ob 182/99x, 1 Ob 583/89). Beweist nun der Schädiger einen Verstoß des Geschädigten auf Grund eines fahrtechnischen Fehlers - also einen typischen, Sorglosigkeit gegenüber eigenen Rechtsgütern indizierenden Geschehnisablauf -, ist damit prima facie auch der für die Annahme eines Mitverschuldens erforderliche Sorgfaltsverstoß bewiesen (4 Ob 299/98v, 2 Ob 91/98s uva). Den Zwischenfall, der zum Sturz des Schifahrers geführt hat und der ihn möglicherweise entlasten könnte, kennt im Regelfall nur der Schifahrer selbst. Es muss daher der Schifahrer Umstände darlegen, die das Verkanten als unvermeidbar oder unvorhersehbar erkennen lassen und damit sein indiziertes Verschulden ausschließen (5 Ob 182/99x, 1 Ob 583/89). Dazu hat aber der Kläger, der wie dargestellt bereits in der Klage als Ursache für den Sturz Verkanten angegeben hat, kein Vorbringen erstattet. Er verwies nur auf eine Bodenwelle und darauf, dass Verkanten auch bei überdurchschnittlichen Schifahrern nichts Ungewöhnliches sei. Schon aus diesem Grund ist seiner Rüge der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens der Boden entzogen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 482 ZPO). Es ist daher dem Kläger nicht gelungen, die aus der Ursache des Sturzes (Verkanten) indizierte Fahrlässigkeit seines Verhaltens zu widerlegen. Bei der Verschuldensabwägung (dies beämpft der Revisionswerber auch nicht) ist das Berufungsgericht von der in ständiger Rechtsprechung anerkannten Ermessensübung nicht abgegangen, es handelt sich um eine Frage des Einzelfalls, der keine über den Rechtstreit hinausgehende Bedeutung zukommt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 40 ZPO.

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