Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die Beklagte ist eine Gesellschaft nach belgischem Recht (societ anonyme) mit Sitz in B*****. Sie betreibt eine im Firmenbuch eingetragene Zweigniederlassung (nunmehr in Liquidation) in Wien und übt das Versicherungs- und Rückversicherungsgeschäft aus. Die A***** LIMITED, nunmehr A***** LIMITED (in der Folge: A*****), ist eine Gesellschaft nach englischem Recht (public company) mit Sitz in L*****. Sie ist im selben Geschäftsbereich tätig und betreibt in Wien eine im Firmenbuch eingetragene Zweigniederlassung.
Mit Wirksamkeit vom 1. 1. 2005 schloss die Beklagte mit der A***** einen Asset-Deal nach englischem Recht, mit dem sie der A***** ihren gesamten Bestand an Versicherungsverträgen, sämtliche übrigen Verträge sowie „ihr gesamtes Vermögen, die gesamten Aktiva und Passiva und ihre Mitarbeiter" übertrug. Es kann nicht festgestellt werden, dass in dem Asset-Deal auch Regelungen hinsichtlich Übernahme allfälliger Rechte und Pflichten für bereits aufgelöste oder gekündigte Versicherungsverträge getroffen wurden. Im Zuge „der Übertragung" wurde vom Verwaltungsrat der Beklagten die Schließung der österreichischen Zweigniederlassung beschlossen.
Der Übertragung des Gesamtbestands der Versicherungsverträge von der österreichischen Zweigniederlassung der Beklagten auf die österreichische Zweigniederlassung der A***** wurde von der österreichischen Finanzmarktaufsichtsbehörde die Genehmigung, die auch das Führen der Zweigniederlassung umfasst, erteilt. Es kann nicht festgestellt werden, dass die belgische oder die englische Versicherungsaufsichtsbehörde der Übertragung des Versicherungsbestands eine Genehmigung erteilt haben.
Die Beklagte informierte die Klägerin, die mit ihr einen Unfallversicherungsvertrag abgeschlossen hatte, vor Klagseinbringung über die Bestandübertragung nicht.
Die Klägerin begehrt nun den Klagsbetrag, weil sie am 9. 11. 2002 aufgrund eines Sturzes in der Badewanne wegen eines komplizierten Bruchs des linken Handgelenks eine Dauerinvalidität von 20 % erlitten habe. Zur Passivlegitimation der Beklagten führt sie aus, dass aufgekündigte Versicherungsverträge durch den Asset-Deal nicht übertragen worden seien. Sie sei von einer Bestandübertragung vor dem Gerichtsverfahren nicht verständigt worden. Die Beklagte existiere weiterhin und sei passivlegitimiert.
Die Beklagte beantragt die Klagsabweisung. Sie bestreitet vor allem ihre Passivlegitimation im Hinblick auf den Asset-Deal nach englischem Recht. Allfällige Ansprüche der Klägerin aus dem Versicherungsverhältnis seien auf die A***** übergegangen. Mit 9. 6. 2005 sei die Auflösung und Liquidation der Zweigniederlassung der Beklagten ins Firmenbuch eingetragen worden. Im Übrigen habe die Klägerin nur eine 5%ige Invalidität erlitten. Sie habe sich geweigert, sich von dem ihr von der Beklagten genannten Arzt untersuchen zu lassen, weshalb die Beklagte leistungsfrei sei. Der Anspruch sei verjährt.
Die Klägerin beantragte in einem Zwischenverfahren „lediglich für den Fall, dass das Gericht die Rechtsansicht der Beklagten teilen sollte", die Berichtigung der Parteienbezeichnung der Beklagten auf A*****. Das Erstgericht gab dem Antrag statt. Die A*****, vertreten durch den Beklagtenvertreter, bekämpfte diesen Beschluss mit der Begründung, dass die Vermögensübertragung im Wege der Einzelrechtsnachfolge erfolgt sei. Die Beklagte verfüge über eine eigene Rechtspersönlichkeit und sei unverändert im Firmenbuch eingetragen. Das Rekursgericht gab dem Rekurs mit Beschluss vom 14. 3. 2007 Folge und wies den Antrag auf Berichtigung der Parteienbezeichnung zurück, weil der Antrag der Klägerin von Vornherein eine unzulässige bedingte Prozesshandlung sei.
Das Erstgericht wies die Klage mangels Passivlegitimation der Beklagten ab. Sämtliche Versicherungsverträge seien übertragen worden. Zum Versicherungsbestand gehörten im Sinn der §§ 13 ff VAG in den Fällen der Gesamtrechtsnachfolge zwangsläufig auch bereits abgelaufene Versicherungsverträge. Es liege ein Fall des § 13b Abs 2 VAG vor, nämlich die Übertragung des Bestands der Versicherungsverträge von einer in Österreich ansässigen Zweigniederlassung auf eine andere in Österreich ansässige Zweigniederlassung, wobei es sich jeweils um Zweigniederlassungen von Versicherungsunternehmen in Mitgliedsstaaten der EU handle. In diesem Fall habe die Finanzmarktaufsicht, wenn sie gegen die Übertragung Einwände habe, diese der zuständigen Behörde des Sitzstaats innerhalb von drei Monaten ab Mitteilung über die Bestandübertragung bekannt zu geben. Es sei eine ausreichende „Genehmigung" der Finanzmarktaufsicht erteilt worden, weshalb die Passivlegitimation nicht vorliege.
Das Berufungsgericht gab der Berufung Folge, hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Die „Feststellung" des Erstgerichts, wonach „mit Wirksamkeit zum 1. 1. 2005 die Beklagte den Gesamtbestand der Versicherungsverträge übertragen" habe, sei keine Feststellung, sondern insofern rechtliche Beurteilung, als damit über formelle Voraussetzungen für die Bestandübertragung abgesprochen worden sei. Die Beurteilung der Frage der Rechtswirksamkeit des vereinbarten Asset-Deals sei der Rechtsrüge vorbehalten.
Die Beklagte bekämpfte in der Berufung die Nichtfeststellungen hinsichtlich der Genehmigungen der „zuständigen ausländischen Versicherungsaufsichtsbehörden" und beantragte die Feststellung, dass im Hinblick auf die Genehmigung der Übertragung des gesamten Bestands der Versicherungsverträge von der österreichischen Zweigniederlassung der Beklagten auf die österreichische Zweigniederlassung der A***** durch die österreichische Versicherungsaufsichtsbehörde feststehe, dass auch die erforderlichen Genehmigungen der „zuständigen ausländischen Versicherungsaufsichtsbehörden" erteilt worden seien. Denknotwendigerweise seien die Genehmigungen erteilt worden, weil die Zustimmung der Finanzmarktaufsicht gerade dann gegeben sei, wenn sie innerhalb der gesetzlichen Frist von drei Monaten nach Erhalt der Mitteilung über die Bestandübertragung keine Einwände äußere. Es wäre ansonsten keine Mitteilung der Herkunftslandbehörde gemäß § 13b VAG an die Finanzmarktaufsicht ergangen.
Das Berufungsgericht traf aus rechtlichen Erwägungen die begehrte Feststellung nicht. Es führte aus, dass bei einer Bestandübertragung im Sinn des VAG ein Versicherungsunternehmen seinen Bestand an Versicherungsverträgen ganz oder teilweise auf ein anderes Unternehmen übertrage. Dies sei ein Sonderfall des Asset-Deals (Bälz/Kuntz, Die grenzüberschreitende Bestandübertragung in der EU: Probleme der horizontalen Behördenkooperation im internationalen Verwaltungsrecht VersR 2005, 310 ff). Sowohl bei einer Gesamt- als auch bei einer Teilbestandübertragung handle es sich nicht um eine Übertragung einzelner Rechte und Pflichten, sondern um eine Übertragung vollständiger Verträge. Eines besonderen Verfügungsgeschäfts bedürfe dies nicht. Vielmehr sei der Bestandübertragungsvertrag selbst verfügender Natur. Der Versicherungsbestand könne nicht isoliert, sondern nur mit den auf ihn entfallenden Aktiva und Passiva, also den entsprechenden versicherungstechnischen Rückstellungen und die sie bedeckenden Kapitalanlagen übertragen werden (Präve in Prölss dVAG12 § 14 Rn 4 f). Das Versicherungsvertragsverhältnis werde von dem neuen Versicherungsunternehmen bei einer Bestandübertragung so fortgesetzt, als sei es von Anfang an zwischen den Beteiligten gegründet worden. In der Möglichkeit, den Versicherungsbestand ohne die sonst gemäß § 1405 ABGB erforderliche Zustimmung der Versicherungsnehmer zu übertragen, liege überhaupt der eigentliche Sinn der Bestimmung über die Bestandübertragung (Baran VAG³ § 13 Anm 3). Zum Versicherungsbestand gehörten in den Fällen der Gesamtrechtsnachfolge zwangsläufig, in anderen Fällen zumindest im Zweifel, auch die Rechte und Pflichten aus bereits abgelaufenen Versicherungsverträgen (Baran aaO Anm 5). Eine Bestandübertragung zerfalle in zwei Teile, nämlich in den privatrechtlichen Übertragungsvorgang und die öffentlich-rechtliche Genehmigung (Pachler, Die versicherungsrechtliche Bestandübertragung in Österreich, Dissertation 2005, 83). Die aufsichtsbehördlichen Genehmigungen seien Wirksamkeitsvoraussetzungen für den Bestandübertragungsvertrag (Kaulbach in Fahr/Kaulbach/Bähr dVAG4 § 14 Rn 8). Die europarechtlichen Grundlagen für Bestandübertragungen seien die 3. Richtlinie des Rats vom 18. 6. 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungs-Vorschriften für die Direktversicherung (mit Ausnahme der Lebensversicherung) sowie zur Änderung der Richtlinien 73/239/EWG und 88/357/EWG (3. Schadensrichtlinie, RL 92/49/EWG , kurz: RL-Sch) und die 6. Richtlinie des Rats vom 10. 11. 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungs-Vorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung) sowie zur Änderung der Richtlinien 79/267/EWG und 90/619/EWG (3. Richtlinie Lebensversicherung, RL 92/96/EWG , kurz: RL-L), mit denen das Herkunftslandprinzip verankert worden sei. Schon in den Erwägungsgründen sei festgehalten, dass notwendig sei, die Vorschriften über die Bestandübertragung an die durch die Richtlinie eingeführte rechtliche Regelung der einheitlichen Zulassung anzupassen (Erwägungsgrund 6 bis 11 RL-Sch). Herkunftsmitgliedstaat (Art 1 lit c RL-Sch) sei der Mitgliedstaat, in welchem sich der Sitz des Versicherungsunternehmens befinde, das das Risiko decke. Die behördliche Zulassung durch die Behörden des Herkunftsmitgliedstaats gelte für das gesamte Gemeinschaftsgebiet. Nach Art 12 RL-Sch bzw Art 11 RL-L gestatte jeder Mitgliedstaat nach Maßgabe des nationalen Rechts den Versicherungsunternehmen, die in seinem Staatsgebiet ihren Sitz haben, den Bestand ihrer im Rahmen der Niederlassungsfreiheit oder Dienstleistungsfreiheit abgeschlossenen Verträge ganz oder teilweise an ein übernehmendes Unternehmen in der Gemeinschaft zu übertragen, sofern die zuständigen Behörden des Herkunftsmitgliedstaats des übernehmenden Unternehmens bescheinigten, dass es unter Berücksichtigung der Übertragung über die erforderliche Solvabilitätsspanne verfüge. Der Mitgliedstaat der Zweigniederlassung müsse konsultiert werden, wenn eine Zweigniederlassung beabsichtige, den Bestand ihrer im Rahmen der Niederlassungsfreiheit oder der Dienstleistungsfreiheit abgeschlossenen Verträge ganz oder teilweise zu übertragen. Dann genehmigten nach Abs 4 die Behörden des Herkunftsmitgliedstaats der abtretenden Gesellschaft die Übertragung nach Zustimmung der zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten. Die zuständigen Behörden der konsultierten Mitgliedstaaten teilten gemäß Abs 5 den zuständigen Behörden des Herkunftsmitgliedstaats des übertragenden Versicherungsunternehmens innerhalb von drei Monaten nach Erhalt der entsprechenden Anfragen ihre Stellungnahme oder ihre Zustimmung mit; wenn sich die konsultierten Behörden bis zum Ablauf dieser Frist nicht äußerten, gelte dies als positive Stellungnahme oder als stillschweigende Zustimmung. Damit erfolge die Genehmigung der Aufsichtsbehörde des Herkunftslands, die die Wirksamkeit der Bestandübertragung bewirke, zeitlich nach der Konsultation der Behörden der Zweigniederlassungen.
Mit der VAG-Novelle 1992 habe die Transformation des Gemeinschaftsrechts, soweit dieses Bestandteil des EWR-Vertrags gewesen sei, in das österreichische Versicherungsaufsichtsrecht stattgefunden. Die noch erforderlichen Anpassungen des österreichischen Versicherungsaufsichtsrechts an das Gemeinschaftsrecht seien im Zuge des Beitritts Österreichs zur EU mit der 2. VAG-Novelle 1994 erfolgt. Weitere Novellen des VAG zur Bestandübertragung seien mit den VAG-Novellen 2000, 2002, 2003, 2004 und zuletzt 2007 erfolgt (BGBl 117/2000, 46/2002, 33/2002, 70/2004 und 56/2007). Die Bestimmungen des österreichischen VAG haben den Regelungsmechanismus der RL-L und RL-Sch beim Zusammenspiel der Behörden richtig übernommen. Im Hinblick auf § 13 Abs 2 und 3 VAG, die sich auf den Bestand eines inländischen Versicherungsunternehmens und auf den Bestand einer inländischen Zweigniederlassung eines Versicherungsunternehmens mit Sitz außerhalb der Vertragsstaaten bezögen, könnten die österreichischen Rechtsvorschriften über die Bestandübertragung demnach nicht für das inländische Geschäft von Versicherungsunternehmen mit Sitz in anderen Vertragsstaaten gelten (Baran aaO § 13 Anm 1). Nur wenn (ua) der Bestand einer inländischen Zweigniederlassung übertragen werde oder wenn der übertragene Bestand im Inland belegene Risken enthalte, werde die (österreichische) Versicherungsaufsichtsbehörde im Sinn einer Konsultation (wie sie in den Richtlinien vorgesehen sei) nach dem VAG tätig. Übertrage ein Versicherungsunternehmen mit Sitz in einem anderen Vertragsstaat den Bestand einer Zweigniederlassung im Inland, so habe gemäß § 13b Abs 2 VAG die Finanzmarktaufsicht innerhalb von drei Monaten ihre Einwände zu der geplanten Bestandübertragung gegenüber der zuständigen Behörde des Sitzstaats zu äußern, wenn sie dagegen Einwände habe. Mit § 13b VAG werde daher nur die Mitwirkung der österreichischen Versicherungsaufsichtsbehörden an Bestandübertragungen geregelt, die nicht in den Anwendungsbereich des österreichischen VAG fielen (RV 1692 BlgNR 18. GP 31). Die Übertragung des inländischen Bestands von Versicherungsunternehmen mit Sitz in einem anderen Vertragsstaat sei kein Gegenstand des österreichischen Versicherungsaufsichtsrechts (Baran, Österreichisches Versicherungsaufsichtsrecht 2008, 46). Dies entspreche dem Prinzip der Herkunftslandkontrolle (Pachler aaO 201). Das Herkunftslandprinzip führe in weiterer Folge zu einem Mechanismus der Anerkennung der Entscheidung des Sitzstaats in den übrigen Mitgliedstaaten (Pachler aaO 202). Nach der Verzahnung der Versicherungsaufsichtsbehörden bedürfe es vor der die Rechtswirksamkeit der Bestandübertragung bewirkenden Genehmigung durch die Herkunftslandbehörde der Zustimmung der ausländischen Aufsichtsbehörden, soweit die in ihren Staaten belegenen Risken betroffen seien. Dies ergebe sich daraus, dass die Behörde des Herkunftslands die Bestandübertragung der abtretenden Gesellschaft nach Zustimmung der zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten übergenehmigten (Art 11 Abs 4 RL-L und Art 12 Abs 4 RL-Sch; Pachler aaO 205).
Im vorliegenden Fall liege eine Bestandübertragung von Versicherungsverträgen durch einen Asset-Deal eines belgischen Unternehmens auf ein englisches Unternehmen vor, wobei beide Unternehmen im Inland Zweigniederlassungen errichtet haben und daher mit der Übertragung des Gesamtbestands an Versicherungsverträgen auch jene betroffen seien, die über die inländische Zweigniederlassung abgeschlossen worden seien und im Inland belegene Risken beträfen. Damit liege aber grundsätzlich ein Fall der Übertragung des gesamten Bestands von Versicherungsverträgen von einem Versicherungsunternehmen mit Sitz in einem Vertragsstaat (Belgien) auf ein Versicherungsunternehmen mit Sitz in einem anderen Vertragsstaat (England) vor. Die österreichischen Versicherungsaufsichtsbehörden seien daher schon nach den europarechtlichen Grundlagen und dem hier anzuwendenden österreichischen VAG nur insoweit betroffen, als es um die Erhebung von Einwänden bzw die Erteilung einer Zustimmung bezüglich der im Inland belegenen Risken gehe. Die Genehmigung habe in einem solchen Fall das Herkunftsland - hier die belgische Aufsichtsbehörde - erst nach dieser Konsultation zu erteilen. Der Regelungsmechanismus sei daher genau umgekehrt als die Beklagte meine. Nicht aus der „Genehmigung" durch die Finanzaufsichtsbehörde in Österreich sei im vorliegenden Fall die Zustimmung der Herkunftslandbehörde abzuleiten, sondern es könne umgekehrt nur bei Vorliegen der Zustimmung der österreichischen Versicherungsbehörden oder nach Fristablauf danach eine Genehmigung durch die belgischen Aufsichtsbehörden anschließen. Aus der behaupteten Tatsache, dass die Finanzmarktaufsicht keine Einwände erhoben oder ihre Zustimmung erteilt habe, sei daher nicht abzuleiten, dass die belgische Herkunftslandbehörde tatsächlich eine Genehmigung erteilt habe. Es sei daher der Beklagten nicht gelungen, die Negativfeststellung erfolgreich zu bekämpfen. Ausgehend davon könne nicht von einer wirksamen Bestandübertragung ausgegangen werden, sodass die Beklagte weiter passivlegitimiert sei.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage des behördlichen Genehmigungsverfahrens durch die Versicherungsaufsichtsbehörden bei der Übertragung von Versicherungsverträgen mit im Inland belegenen Risken, die über eine inländische Zweigniederlassung abgeschlossen worden seien, von einem Versicherungsunternehmen mit Sitz in einem Mitgliedstaat auf ein Versicherungsunternehmen mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaats und zur Frage, ob von einer solchen auch bereits davor aufgekündigte Verträge umfasst seien, fehle.
Dagegen richtet sich der Rekurs der Beklagten mit dem Antrag, das klagsabweisende Urteil des Erstgerichts wiederherzustellen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Klägerin beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist zulässig, er ist aber nicht berechtigt.
Der Rekurs macht geltend, dass das Berufungsgericht die Bestätigung der Negativfeststellung hinsichtlich der versicherungsaufsichtsbehördlichen Genehmigung durch die zuständigen Behörden des Herkunftsmitgliedstaats nicht logisch und rechtlich nachvollziehbar begründet habe.
Grundsätzlich ist die Beweiswürdigung der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof entzogen, außer das Berufungsgericht befasst sich mit der Beweisfrage überhaupt nicht (RIS-Justiz RS0043371, RS0043150). Anfechtbar sind hingegen Feststellungen unter dem Revisionsgrund nach § 503 Z 4 ZPO, wenn sie auf Schlussfolgerungen beruhen, die gegen Gesetze des Denkens und der Erfahrung verstoßen (RIS-Justiz RS0043307). Werden Feststellungen ausschließlich aufgrund rechtlicher Erwägungen getroffen, so sind diese wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung bekämpfbar.
Die „Beweiswürdigung" des Berufungsgerichts, dass aus der Zustimmung der Finanzmarktaufsichtsbehörde (oder Nichtabgabe einer Stellungnahme innerhalb einer Frist von drei Monaten) nicht auf eine Genehmigung der im Asset-Deal vereinbarten Bestandübertragung durch die nach dem Herkunftslandprinzip zuständigen Versicherungsaufsichtsbehörden am Sitz der abtretenden Beklagten in Belgien geschlossen werden könne, erfolgt ausschließlich aus rechtlichen Erwägungen. Die rechtliche Beurteilung ist durch den Obersten Gerichtshof überprüfbar.
Einleitend ist zunächst auf die umfassenden und zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO). Ergänzend ist der Revision Folgendes zu erwidern:
Herkunftsmitgliedstaat ist der Mitgliedstaat, in welchem sich der Sitz des Versicherungsunternehmens befindet, das das Risiko deckt (Art 1 lit c RL-Sch). Das Herkunftslandsprinzip ergibt sich sowohl aus den Erwägungen 6 und 7 RL-Sch als auch aus Art 9 RL-Sch. Danach liegt die Finanzaufsicht über ein Versicherungsunternehmen einschließlich der Tätigkeiten, die es über Zweigniederlassungen und im Dienstleistungsverkehr ausübt, in der alleinigen Zuständigkeit des Herkunftsmitgliedstaats. Sie umfasst die gesamte Geschäftstätigkeit. Auch aus § 13 VAG ergibt sich, dass die österreichischen Rechtsvorschriften zur Genehmigung nicht für das inländische Geschäft von Versicherungsunternehmen mit Sitz in anderen Vertragsstaaten gelten (vgl auch Baran, VAG³, § 13 Anm 1). Wenn eine Zweigniederlassung ihren Bestand überträgt, muss der Mitgliedstaat der Zweigniederlassung nur konsultiert werden (Art 12 Abs 3 RL-Sch, dem § 13b Abs 2 VAG entspricht). In diesem Fall genehmigen die zuständigen Behörden des Herkunftsmitgliedstaats der abtretenden Gesellschaft die Übertragung nach Zustimmung der zuständigen Behörden derjenigen Mitgliedstaaten, in denen die Risken belegen sind (Art 12 Abs 4 RL-Sch). Die zuständigen Behörden der konsultierten Mitgliedstaaten teilen den zuständigen Behörden der Herkunftsmitgliedstaaten des übertragenden Versicherungsunternehmens innerhalb von drei Monaten nach Erhalt der entsprechenden Anfrage ihre Stellungnahme oder ihre Zustimmung mit; wenn sich die konsultierten Behörden bis zum Ablauf dieser Frist nicht geäußert haben, gilt dies als positive Stellungnahme oder als stillschweigende Zustimmung (Art 12 Abs 5 RL-Sch). Die genehmigte Übertragung wird in dem Mitgliedstaat, in dem das Risiko belegen ist, nach Maßgabe des nationalen Rechts bekannt gemacht. Sie wirkt automatisch gegenüber den betroffenen Versicherungsunternehmen oder Versicherten sowie gegenüber allen anderen Personen, die Rechte oder Pflichten aus den übertragenen Verträgen haben (Art 12 Abs 6 RL-Sch). Durch die Genehmigung durch die Behörden des Herkunftsstaats also wird erst die Bestandübertragung wirksam (Art 12 Abs 6 RL-Sch; § 13 c Abs 1 VAG; Baran aaO, § 13c Anm 1; Braumüller, VAG 231; Präve in Prölss, dVAG12, § 14, RN 39; Kaulbach in Fahr/Kaulbach/Bähr, dVAG, § 14 RN 8).
Das Berufungsgericht hat richtig erkannt, dass der Asset-Deal, die privatrechtliche Vereinbarung zwischen der Beklagten und der A*****, im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Genehmigungsverfahrens von den Aufsichtsbehörden des Herkunftsmitgliedstaats der abtretenden Gesellschaft, das ist die Beklagte, nach Konsultation der Aufsichtsbehörde am Sitz der Zweigniederlassung (Finanzmarktaufsichtbehörde) genehmigt werden muss, um rechtswirksam zu sein (Art 12 Abs 4 RL-Sch). Die Genehmigung der belgischen Behörden ist der Abschluss des Genehmigungsverfahrens. Die Stellungnahme oder das Unterlassen der Stellungnahme der Finanzmarktaufsicht im Rahmen der Konsultation ist vorgeschaltet, sodass daraus nur hervorgeht, dass ein Verfahren bei der zuständigen Behörde des Herkunftsmitgliedstaats anhängig ist. Über den Ausgang des Verfahrens kann die Stellungnahme nichts aussagen. Es ist erstaunlich, dass die Beklagte nach entsprechender Einwendung durch die Klägerin nicht in der Lage war, die Genehmigung der zuständigen belgischen Behörden durch entsprechende Urkunden nachzuweisen. Sie bot nicht einmal einen Zeugen an, der zumindest aussagen hätte können, dass ihm bekannt sei, dass eine Genehmigung tatsächlich erfolgt sei. Unter diesen Umständen konnte das Berufungsgericht die Würdigung der betreffenden Negativfeststellung des Erstgerichts nur auf rechtliche Erwägungen stützen; diese sind zutreffend. Die von der Beklagten ins Treffen geführten Argumente, die Negativfeststellung widerspreche den logischen Denkgesetzen, man könne wohl nicht ernsthaft annehmen, dass seit dem 1. 1. 2005 weder die Beklagte (mangels Versicherungsbestands und Vermögens) noch die A***** (mangels Genehmigung durch die zuständige Behörde) in der Lage gewesen seien, das Versicherungsgeschäft in Europa auszuüben, und es widerspräche der Lebenserfahrung, wenn die Übertragung des gesamten Versicherungsbestands einer international tätigen Versicherungsgesellschaft ohne die nach gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften erforderliche Genehmigung der zuständigen Behörden erfolgt wäre, überzeugen nicht. Die gebrauchten Erwägungen könnten zwar Grundlage einer - vom Obersten Gerichtshof nicht überprüfbaren - Beweiswürdigung sein. Dass sie aber von den Tatsacheninstanzen nicht als überzeugend erkannt wurden, widerspricht weder den Denkgesetzen noch der Lebenserfahrung. Einen allgemein geltenden Erfahrungssatz, dass alles faktisch Bestehende immer auch den gesetzlichen Vorgaben entspricht, gibt es nicht.
Die Beklagte missversteht die Ausführungen des Berufungsgerichts über das anzuwendende Sachrecht. Soweit das Berufungsgericht von der Geltung österreichischen Rechts ausgeht (S 11 bis 12 des Berufungsurteils), legte es lediglich dar, dass österreichisches Recht auf den Versicherungsvertrag selbst anzuwenden sein wird. Das privatrechtliche Bestehen des Asset-Deals, der nach dem Vorbringen der Beklagten nach englischem Recht zu beurteilen ist, war nicht strittig und wurde auch vom Berufungsgericht nicht geprüft. Auf die Frage, ob in diesem Vertrag eine Gesamtrechtsnachfolge oder Einzelrechtsnachfolge vereinbart war, kommt es im Hinblick auf die nicht feststellbare Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde nicht an.
Die bekämpfte Feststellung bedeutet - entgegen der Ansicht der Beklagten - keine Nachprüfung eines von der belgischen Versicherungsaufsichtsbehörde durchgeführten Genehmigungsverfahrens durch ein österreichisches Gericht. Es wird ja nicht die inhaltliche Richtigkeit einer (allfälligen) Genehmigung überprüft, die Beklagte hätte lediglich die Tatsache der Genehmigung an sich zu beweisen gehabt.
Weiters ist nicht ersichtlich, worin durch die Entscheidung des Berufungsgerichts eine Verletzung der Niederlassungsfreiheit liegen soll. Die Beklagte hat sich selbst zuzuschreiben, dass sie im gesamten Verfahren nicht in der Lage war, ein Beweismittel anzubieten, das eine erfolgte Genehmigung auch nur indirekt bestätigen konnte. Sie hat nicht einmal substantiiert eine Genehmigung behauptet.
Die Beweislast für die Rechtswirksamkeit des Asset-Deals trifft die Beklagte. Sie bestreitet ihre Passivlegitimation, es handelt sich um eine rechtsvernichtende Tatsache. Da ihr der Beweis nicht gelungen ist, ist nun in der Sache zu verhandeln und zu entscheiden.
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