OGH 7Ob251/98g

OGH7Ob251/98g11.11.1998

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter, Dr. Schalich, Dr. Tittel und Dr. Huber als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Minderjährigen Philipp und Kristina P*****, beide in Obsorge ihrer Mutter Michaela I*****, hier vertreten durch den Magistrat der Stadt Wels als Unterhaltssachwalter, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Vaters Gerald S*****, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Wels als Rekursgericht vom 3. Juni 1998, GZ 21 R 220/98x-65, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Wels vom 12. Mai 1998, GZ 2 P 1269/95a-59, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen, die hinsichtlich der Herabsetzung der Unterhaltsbeiträge um S 300,-- je Kind ab 1. 4. 1998 als unangefochten unberührt bleiben, werden insoweit bestätigt, als damit das darüberhinaus gehende Begehren des Vaters, ihn in der Zeit vom 1. 4. 1998 bis 30. 9. 1998 zur Gänze, also auch hinsichtlich der verbleibenden S 3.100,-- monatlich je Kind von der Unterhaltsverpflichtung zu entheben, abgewiesen würde.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden insoweit aufgehoben, als das Unterhaltsenthebungsbegehren des Vaters für die Zeit vom 1. 10. 1998 bis 31. 3. 1999 - mit Ausnahme des Herabsetzungsbetrages von S 300,-- monatlich je Kind - abgewiesen wurde. In diesem Umfang wird dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung über den Enthebungsantrag nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Text

Begründung

Gerald S***** war zuletzt zu monatlichen Unterhaltszahlungen von S 3.400,-- für jedes seiner beiden unehelichen Kinder Philipp und Kristina P***** verpflichtet. Dieser Unterhaltsbemessung lag ein Einkommen des Gerald S***** von S 22.715,-- netto im Monatsdurchschnitt, das er als Polizeibeamter erzielte, zugrunde.

Gerald S***** beantragte die Enthebung von seiner Unterhaltsverpflichtung für die Zeit vom 1. 4. 1998 bis 31. 3. 1999, weil er in dieser Zeit einen einjährigen Karenzurlaub in Anspruch nehme. Seine Ehefrau werde nach der Geburt des gemeinsamen Kindes am 26. 3. 1997 und nach Inanspruchnahme einer einjährigen Karenzzeit wieder arbeiten gehen. Es stehe sonst niemand zur Verfügung, der das Kind betreuen könnte.

Das Erstgericht setzte die monatlichen Unterhaltsbeiträge ab 1. 4. 1998 auf S 3.100,-- je Kind infolge Berücksichtigung einer fiktiven weiteren Sorgepflicht des Gerald S***** für die Ehegattin herab und wies das Herabsetzungsmehrbegehren ab. Die unehelichen Kinder des Vaters dürften durch die Inanspruchnahme des Karenzurlaubes nicht benachteiligt werden. Die Kinder hätten daher Anspruch auf Unterhalt aufgrund des fiktiv vom Vater auch weiterhin erzielbaren Einkommens. Es sei lediglich zu berücksichtigen, daß seine Ehefrau nun ihm gegenüber einen fiktiven Unterhaltsanspruch habe, der mit einer Abzugspost von 3 % zu berücksichtigen sei.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte diesen Beschluß und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil eine Rechtsprechung zu den besonders berücksichtigungswürdigen Umständen fehle, die die Inanspruchnahme der Karenz seitens durch weitere Unterhaltspflichten belastete Elternteile rechtfertigten.

Der Revisionsrekurs des Vaters ist zulässig und teilweise im Sinn einer Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes bildet der Umstand, daß der unterhaltspflichtige Vater Karenzurlaub in Anspruch nimmt, keinen Grund für eine Herabsetzung seiner Unterhaltsverpflichtung gegenüber nicht in seinem Haushalt lebenden Kindern, soweit nicht besondere Gründe eine solche Maßnahme rechtfertigten. Der nicht durch besonders berücksichtigungswürdige Umstände erzwungene Verzicht auf Erzielung eines höheren Einkommens darf nicht zu Lasten eines anderen Unterhaltsberechtigten gehen (6 Ob 573/91; 7 Ob 615/91 = RZ 1992/24; 1 Ob 502/94; 6 Ob 2360/96v). Die nicht im Haushalt lebenden Kinder haben auch weiterhin Anspruch auf Unterhalt aufgrund der fiktiven Bemessungsgrundlage des vom Vater erzielbaren Einkommens, wobei der ebenfalls fiktive Unterhaltsanspruch der Ehefrau zu berücksichtigen ist (3 Ob 569/94; 8 Ob 207/96x mwN). Es läuft dem Gleichheitsgrundsatz zuwider, wenn der Unterhaltspflichtige seinen im Haushalt lebenden ehelichen Kindern die volle Unterhaltsleistung in Form der häuslichen Betreuung zuteil werden läßt, während er seinen unehelichen Kindern den Unterhalt unter Berufung auf seine Einkommenslosigkeit verwehrt (1 Ob 595/91; 4 Ob 2333/96p). Daß das Recht auf Karenzurlaub wegen bestehender weiterer Unterhaltsverpflichtungen tatsächlich nicht in Anspruch genommen werden kann, verstößt nicht gegen den Grundsatz der Gleichheit und der Gleichbehandlung von Mann und Frau in Bezug auf das Recht auf Karenzurlaub (JBl 1993, 243; RZ 1992/24; 1 Ob 502/94).

Hinsichtlich der besonderen Rechtfertigungsgründe für die Inanspruchnahme von Karenzzeiten durch Väter, die mit weiteren Sorgepflichten belastet sind, hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgeführt, daß umso strengere Anforderungen an die Anspannung des Unterhaltspflichtigen zu stellen sind, je umfangreicher die Sorgepflichten sind (RZ 1992/24; 1 Ob 502/94). Es ist der Maßstab eines pflichtbewußten Familienvaters in aufrechter Ehe heranzuziehen (1 Ob 502/94 mwN).

Der Vater behauptete erstmals in seinem Rekurs, daß der Aufgabenbereich am Arbeitsplatz seiner Ehefrau nur für ein Jahr freigehalten werden könne. In seinem Revisionsrekurs betont er, daß es nicht um den Arbeitsplatz seiner Ehefrau, sondern um deren Aufgabenbereich am Arbeitsplatz gehe. Eine drohende Arbeitserschwernis oder gar eine drohende Einkommenseinbuße für seine Ehefrau wurde demnach nicht einmal im Rechtsmittelverfahren geltend gemacht. In der Verneinung des Vorliegens besonderer, für eine Inanspruchnahme der Karenzmöglichkeit durch den Vater sprechende Umstände kann im Hinblick auf die weiteren Sorgepflichten für zwei Kinder, die dringend auf die Unterhaltszahlungen angewiesen sind und auch unter Berücksichtigung der offensichtlich mangelnden Bereitschaft des Vaters, auf sein neu errichtetes Eigenheim zu verzichten und sich der damit verbundenen Belastungen zu entledigen, keine dem pflichtgemäßen Ermessen widersprechende Entscheidung der Vorinstanzen erblickt werden.

Ungeachtet der Frage, ob die dargelegte Behauptung über den Aufgabenbereich seiner Ehefrau am Arbeitsplatz als Neuerung im Rechtsmittelverfahren überhaupt zu berücksichtigen ist, besteht daher für eine weitergehende Herabsetzung (Befreiung) der Unterhaltsbeiträge aus diesem Grund keine Veranlassung.

Der Vater weist in seinem Revisionsrekurs aber auch darauf hin, daß er mangels entsprechender Betreuungseinrichtungen und Betreuungspersonen für sein eheliches Kind zumindest nach dem Ablauf der "normalen" Karenzurlaubszeit seiner Ehefrau (18 Monate) ohnehin keine andere Möglichkeit gehabt hätte, den Karenzurlaub zu beanspruchen. Mit diesem Vorbringen werden keine neuen Tatsachen geltend gemacht, sondern es wird einerseits wiederholt, daß das Kind ansonsten unversorgt wäre, und es wird andererseits zumindest sinngemäß auf die Gesetzeslage betreffend den Karenzurlaub und das Karenzurlaubsgeld verwiesen, sodaß dieser letztere Einwand einer Prüfung zu unterziehen ist.

Gemäß § 15 Abs 1 MuttSchG ist Dienstnehmern auf Verlangen im Anschluß an die "Mutterschutzfrist" ein Urlaub gegen Entfall des Arbeitsentgeltes (Karenzurlaub) bis zum Ablauf des zweiten Lebensjahres des Kindes zu gewähren.

Gemäß § 2 Eltern-Karenzurlaubsgesetz (EKUG) steht grundsätzlich auch dem männlichen Arbeitnehmer auf sein Verlangen ein Urlaub gegen Entfall des Entgeltes (Karenzurlaub) bis zum Ablauf des zweiten Lebensjahres des Kindes zu, wobei der Karenzurlaub grundsätzlich nur für jenen Zeitraum gebührt, für den die Mutter keinen Karenzurlaub in Anspruch nimmt. Der Karenzurlaub kann auch geteilt werden, allerdings nur einmal. Ein Teil muß mindestens drei Monate betragen (§§ 2 und 3 EKUG).

Durch die gleichzeitig mit dem EKUG geschaffenen Novellen zum Arbeitslosenversicherungsgesetz (AlVG) enthält auch der Vater, wenn er die Anwartschaften erfüllt hat, Karenzurlaubsgeld.

Durch das Strukturanpassungsgesetz 1996 wurde das AlVG (und die betreffende Bestimmung des Karenzurlaubgesetzes) dahin novelliert, daß das Karenzurlaubsgeld bis zur Vollendung des 18. Lebensmonates des Kindes gewährt wird, wenn nur ein Elternteil Karenzurlaubsgeld in Anspruch nimmt. Das Karenzurlaubsgeld wird über diesen Zeitraum hinaus, höchstens bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres des Kindes (neben anderen, hier nicht in Betracht kommenden Voraussetzungen) gewährt, wenn der zweite Elternteil mindestens drei Monate lang das Karenzurlaubsgeld in Anspruch nimmt oder genommen hat (§ 31 AlVG idF BGBl Nr 201/1996). Diese Bestimmung trat mit 1. 7. 1997 in Kraft und gilt für Geburten nach dem 30. 6. 1996 (§ 79 Abs 26 AlVG).

Die im AlVG enthaltenen Regelungen für das Karenzurlaubsgeld wurden nunmehr im Karenzgeldgesetz (KGG), BGBl I 1996/47 zusammengefaßt. Der Regelung des § 31 AlVG entspricht § 11 KGG, der seit 1. 7. 1997 in Kraft steht und bei Geburten nach dem 30. 6. 1997 anzuwenden ist.

Aufgrund des Geburtstages des ehelichen Kindes des Vaters am 26. 3. 1997 findet hier daher § 31 AlVG Anwendung.

Aus den zitierten gesetzlichen Bestimmungen folgt, daß der Ehefrau des Rechtsmittelwerbers zwar nach wie vor die Möglichkeit offengestanden wäre, bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres ihres Kindes Karenzurlaub in Anspruch zu nehmen. In diesem Fall hätte sie aber nur bis zur Vollendung des 18. Lebensmonates des Kindes Karenzgeld beziehen können. Für die restlichen sechs Monate wäre sie zur Gänze ohne Einkommen gewesen.

Das Karenzurlaubsgeld wird grundsätzlich nur in dem Fall, daß der andere Elternteil einen zumindest sechsmonatigen Karenzurlaub in Anspruch nimmt, bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres des Kindes ausbezahlt (vgl auch ErlBem NR XX. GP, RV 72, 236). Wollen sich daher die Eltern eines Kindes das Karenzgeld zwischen dem 18. Lebensmonat und dem vollendeten zweiten Lebensjahr des Kindes nicht entgehen lassen, muß der andere Elternteil zumindest sechs Monate lang Karenzurlaub nehmen. In jenen Fällen, in denen die Mutter nicht wesentlich weniger als der Vater verdient, bedeutet daher die Entscheidung, daß die Mutter die gesamte zweijährige Karenzzeit absolviert, eine nicht unbeträchtliche Einbuße des Familieneinkommens, die durch die Berücksichtigung der vollen Sorgepflicht des Vaters für die Ehefrau bei der Bemessung seiner Unterhaltsverpflichtung gegenüber nicht in seinem Haushalt lebenden Kindern nicht aufgehoben wird. Wäre der Vater dessen ungeachtet anzuhalten, seinen Beruf auch während dieser sechs Monate auszuüben, um seinen nicht im gemeinsamen Haushalt lebenden Kindern weiterhin entsprechende finanzielle Beiträge leisten zu können, führte dies unter Umständen zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der finanziellen Situation innerhalb seines Familienverbandes und Benachteiligung jener unterhaltsberechtigten Angehörigen, mit denen er zusammenlebt. Aus diesen Gründen ist auch einem Vater, der für nicht in seinem Haushalt lebende Kinder sorgepflichtig ist, zuzubilligen, daß er sechs Monate lang anstelle der Mutter Karenzurlaub in Anspruch nimmt. Damit für diese Inanspruchnahme ein besonders berücksichtigungswürdiger Grund im Sinne der aufgezeigten Rechtsprechung erblickt werden kann, der für eine Herabsetzung oder gar Enthebung von der Unterhaltspflicht für nicht im Haushalt lebende Kinder hinreicht, muß aber die Einkommensrelation der Elternteile, die sich den Karenzurlaub aufteilen, für diese Aufteilung sprechen. Vor allem muß auch die bislang ungeprüfte Behauptung des Vaters, daß weder eine Betreuungsperson noch eine Betreuungseinrichtung für das Kind zur Verfügung steht, erwiesen werden. Das Kind muß uneingeschränkt auf die Betreuung durch einen Elternteil angewiesen sein, und dieser muß damit derart ausgelastet sein, daß ihm eine anderwärtige Berufstätigkeit nicht zumutbar wäre.

Im fortgesetzten Verfahren werden daher ergänzende Feststellungen über die Einkommensverhältnisse der Ehefrau des Rechtsmittelwerbers zu treffen und seine Behauptungen über die mangelnden sonstigen Betreuungsmöglichkeiten zu überprüfen sein. Weiters wird auch die aktuelle Höhe des vom Vater bezogenen Karenzgeldes einschließlich allfälliger Zuschläge zu erheben sein.

Eine Herabsetzung seiner Unterhaltspflichten gegenüber seinen beiden unehelichen Kindern oder eine Enthebung von dieser Unterhaltsverpflichtung aus den dargelegten Gründen kann aber nur für die Zeit von sechs Monaten in Betracht kommen. Die Entscheidungen der Vorinstanzen waren daher nur insoweit aufzuheben, als sie diesen Zeitraum betreffen. Im übrigen waren die Entscheidungen zu bestätigen.

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