OGH 3Ob569/94

OGH3Ob569/9430.11.1994

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Graf, Dr.Gerstenecker und Dr.Pimmer als weitere Richter in der Pflegschaftssache des am 28. Februar 1987 geborenen Michael M*****, vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Fürstenfeld, Fürstenfeld, Realschulstraße 1 als Sachwalter, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Kindes gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgerichtes vom 28.Juli 1994, GZ 1 R 41/94-47, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Fürstenfeld vom 20.Dezember 1993, GZ P 48/87-44, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie zu lauten haben:

"Gerhard B*****, ohne Beschäftigung, ***** ist als Vater des am 28.2.1987 geborenen Michael M***** schuldig, diesem ab 19.9.1993 einen monatlichen Unterhaltsbetrag von S 1.450, und zwar die bis zur Wirksamkeit dieses Beschlusses fällig gewordenen Beträge binnen 14 Tagen und die später fällig werdenden Beträge am Ersten eines jeden Monats im vorhinein, zu bezahlen.

Das Mehrbegehren des Kindes auf Zahlung eines weiteren Unterhaltsbetrages von S 350,-- im Monat wird abgewiesen."

Text

Begründung

Der Vater des am 28.2.1987 unehelich geborenen Kindes, das sich in Pflege und Obsorge der Mutter befindet, lebt in aufrechter Ehe mit einer von der Mutter des Kindes verschiedenen Frau. Dieser Ehe entstammen zwei Kinder, die am 19.4.1986 und am 18.9.1990 geboren wurden. Der Vater des hier pflegebefohlenen Kindes war zuletzt als Bauhilfsarbeiter mit einem monatlichen Nettoeinkommen ohne die Entlohnung für Überstunden in der Höhe von etwa S 10.500 beschäftigt. Seit November 1987 besorgt er die Pflege und Erziehung der beiden ehelichen Kinder. Er verfügt über kein Einkommen und Vermögen. Seine Ehefrau bezieht einschließlich der Sonderzahlungen durchschnittlich ein monatliches Einkommen von etwa S 18.500 netto.

Das Erstgericht erkannte den Vater schuldig, für das Kind ab 19.9.1993 einen monatlichen Unterhaltsbetrag von S 1.800 zu bezahlen. Der Unterhaltsschuldner habe gegen seine Ehefrau im Hinblick auf deren Einkommen einen Anspruch auf Geldunterhalt in der Höhe von etwa S 2.000 im Monat. Hievon könne er den begehrten monatlichen Unterhaltsbetrag von S 1.800 im Monat leisten. Dieser Betrag sei nicht überhöht, weil der Regelbedarf des Kindes S 2.900 betrage.

Das Rekursgericht erkannte den Vater infolge des von ihm erhobenen Rekurses schuldig, dem Kind einen monatlichen Unterhaltsbetrag von S

1.300 zu bezahlen, und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Da das am 18.9.1990 geborene eheliche Kind nunmehr sein drittes Lebensjahr vollendet habe, sei es möglich, es zumindest halbtags in einem Kindergarten unterzubringen. Der Vater könnte dann durch eine Teilzeitbeschäftigung ein monatliches Nettoeinkommen von zumindest S 6.500 erzielen. Dies bedeute einen Anspruch gegen seine Ehefrau auf einen monatlichen Unterhaltsbetrag in der Höhe von S 1.500. Von der daraus und dem fiktiven Einkommen des Vaters gebildeten Bemessungsgrundlage stünde dem Kind ein Unterhaltsanspruch von 16 % und somit S 1.300 im Monat zu.

Rechtliche Beurteilung

Der vom Kind gegen diesen Beschluß des Rekursgerichtes erhobene außerordentliche Revisionsrekurs ist zulässig, weil die Entscheidung des Rekursgerichtes von den Entscheidungen 3 Ob 528/92 (EF 67.899, 68.017 = JBl 1993, 243), 7 Ob 615/91 (EF 65.240 = RZ 1992/24) und 6 Ob 573/91 (EF 65.241 = ÖA 1992, 21) des Obersten Gerichtshofs abweicht; er ist auch teilweise berechtigt.

Vorauszuschicken ist, daß die Voraussetzungen für die Neufestsetzung des dem Kind gebührenden Unterhalts gegeben sind, weil sich seine Bedürfnisse seit dem Beschluß des Erstgerichtes vom 18.12.1991, mit dem sein Unterhalt zuletzt mit S 1.000,-- im Monat festgesetzt wurde, insbesonders wegen der in der Zwischenzeit eingetretenen Schulpflicht wesentlich verändert haben.

Die von den Vorinstanzen vertretene Ansicht, daß der Unterhaltsanspruch des Kindes, das nicht in dem vom Vater betreuten Haushalt lebt, nach dem Anspruch auf Geldunterhalt zu berechnen sei, den der Vater gegen seine Ehefrau hätte, wurde bereits in der dieselben Parteien betreffenden Entscheidung 3 Ob 528/92 (EF 67.899 = JBl 1993, 243) unter Hinweis auf zahlreiche Belegstellen abgelehnt. In dieser Entscheidung und in den Entscheidungen 6 Ob 573/91 (EF

65.241 = ÖA 1992, 21) und 7 Ob 615/91 (EF 65.240 = RZ 1992/24) hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, daß das uneheliche Kind, das Anspruch auf Geldunterhalt hat, nicht benachteiligt werden dürfe, wenn der Vater Karenzurlaub in Anspruch nimmt. Das Kind habe Anspruch auf Unterhalt auf Grund der fiktiven Bemessungsgrundlage des vom Vater erzielbaren Einkommens. Es müsse aber der (ebenfalls fiktive) Unterhaltsanspruch der Ehefrau berücksichtigt werden (7 Ob 615/91 EF

65.240 = RZ 1992/24).

Betreut der Vater des Kindes einen Haushalt, dem das Kind nicht angehört, so muß nach Ansicht des erkennenden Senates, welcher der angeführten Rechtsprechung folgt, unabhängig davon, ob dem Vater die Ausübung einer Vollbeschäftigung im Hinblick auf den für die Führung des Haushalts notwendigen Zeitaufwand zugemutet werden kann, in die Unterhaltsbemessungsgrundlage jenes Einkommen einbezogen werden, das er erzielen könnte, wenn er den Haushalt nicht führen würde. Es ist

daher auch in diesem Fall der Anspannungsgrundsatz (vgl SZ 63/74 = EF

62.022; EF 62.023 = ÖA 1991, 43; EF 62.023 = RZ 1991/25) voll

anzuwenden. Nur auf diese Weise wird nämlich eine Benachteiligung der außerhalb des Haushalts lebenden Kinder vermieden, weshalb der in der Entscheidung 1 Ob 595/91 (EF 65.248) vertretenen Auffassung, daß von einem durch eine Teilzeitbeschäftigung erzielbaren Einkommen auszugehen sei, wenn dem Unterhaltsschuldner eine Vollzeitbeschäftigung nicht zugemutet werden kann, umsomehr nicht zu folgen ist, weil dort angtragsgemäß der Unterhaltspflichtige gemäß dem Antrag nur auf die Erträgnisse einer Teilzeitbeschäftigung anzuspannen war. Bei der Bemessung des Unterhalts eines mit dem Unterhaltsschuldner nicht im gemeinsamen Haushalt lebenden Kindes ist daher immer von jenem Einkommen auszugehen, daß der Unterhaltsschuldner unabhängig von dem für die Betreuung anderer Kinder erforderlichen Zeitaufwand aus einer ihm zumutbaren Erwerbstätigkeit erzielen könnte. Soweit dies der mit der Führung des Haushalts verbundene Zeitsaufwand zuläßt, ist er verpflichtet, zumindest ein Einkommen zu erzielen, das zur Deckung des auf der angeführten Bemessungsgrundlage ermittelten Unterhaltsbetrages ausreicht. Er muß im Rahmen seiner Möglichkeiten eine Erwerbstätigkeit auch dann aufnehmen, wenn damit nur der Unterhaltsanspruch eines außerhalb des Haushalts lebenden Kindes gedeckt werden kann. Die Aufnahme einer solchen Erwerbstätigkeit ist hier dem Vater zuzumuten, weshalb auf die Frage, inwieweit der Unterhaltsschuldner den Unterhalt des Kindes durch Beschränkung auf den notwendigen bedarf und Abzweigung eines Betrages aus dem gegen den Ehepartner zumindest teilweise in Geld zu befriedigenden Unterhalts decken muß (vgl 3 Ob 528/92JBl 1993, 243), nicht eingegangen zu werden braucht.

Das Rekursgericht hat angenommen, daß hier der Vater auf Grund einer Halbtagsbeschäftigung ein Einkommen von zumindest S 6.500,-- im Monat erzielen könnte. Da diese Annahme im Revisionsrekurs nicht bekämpft wird und jedenfalls Interessen des Vaters nicht verletzt, hält es auch der Oberste Gerichtshof für gerechtfertigt, sie seiner Entscheidung zugrundezulegen und daher von einem durch eine Vollzeitbeschäftigung erzielbaren Einkommen von S 13.000,-- im Monat auszugehen, wobei allfällige Abweichungen infolge einer Änderung des Steuersatzes bei Verdoppelung des vom Rekursgericht angenommenen Betrages wegen des bloß geringfügigen Einflusses auf die Höhe des Unterhaltsbetrages vernachlässigt werden können. Nach der zur Erzielung gleicher Ergebnisse auch schon vom Obersten Gerichtshof (zB RZ 1992/24 mwN) als geeignet beurteilten Prozentmethode hätte das antragstellende Kind einen Unterhaltsanspruch von 16 % der Bemessungsgrundlage. Dieser Prozentsatz verringert sich wegen der (fiktiv zu berücksichtigenden; vgl RZ 1992/24) Sorgepflicht für die Ehefrau um 3 % und wegen der (ebenfalls fiktiv zu berücksichtigenden) Sorgepflicht für die beiden ehelichen Kinder um je 1 % (s hiezu Purtscheller/Salzmann, Unterhaltsbemessung Rz 14; Schlemmer/Schwimann in Schwimann Rz 13f zu § 140 ABGB) und somit auf 11 %. Dies ergibt einen Unterhaltsanspruch des Kindes S 1.450,-- im Monat, der ihm infolge seines Revisionsrekurses zuzusprechen war.

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