OGH 7Ob248/55

OGH7Ob248/5518.5.1955

SZ 28/136

Normen

ABGB §543
ABGB §543

 

Spruch:

Keine Erbunwürdigkeit wegen Ehebruches (§ 543 ABGB.) auf Grund einer nach der Eheschließung der Ehebrecher von einem von ihnen errichteten letztwilligen Verfügung.

Entscheidung vom 18. Mai 1955, 7 Ob 248/55.

I. Instanz: Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien; II. Instanz:

Oberlandesgericht Wien.

Text

Der am 4. August 1953 verstorbene Kaufmann Franz X. L. war in erster Ehe mit Beatrix L. verheiratet; aus dieser Ehe stammen 9 Kinder; drei von ihnen sind die Kläger. In zweiter Ehe war Franz X. L. mit der Erstbeklagten Josefine L. verheiratet. Aus dieser Ehe ist ein Kind - die Drittbeklagte - am Leben. Franz X. L. hat am 5. Jänner 1949 ein schriftliches Testament errichtet und darin seine zweite Gattin Josefine L. zur Alleinerbin eingesetzt. Nach seinem Tode gaben Josefine L. auf Grund des Testamentes und die Nachkommen aus erster Ehe, unter ihnen auch die drei Kläger, auf Grund des Gesetzes die bedingte Erbserklärung ab. Mit der vorliegenden Erbrechtsklage begehren die Kläger die Feststellung, daß Josefine L. aus dem Gründe des § 543 ABGB. erbunfähig und das schriftliche Testament vom 5. Jänner 1949 wegen Geistesschwäche des Erblassers und dauernd auf ihn ausgeübten psychischen Zwanges ungültig sei.

Das Erstgericht hat das Begehren abgewiesen. Es war der Ansicht, daß letztwillige Verfügungen, die nach der Eheschließung zwischen den des Ehebruches überwiesenen Personen errichtet werden, nicht mehr aus dem Gesichtspunkte der Erbunwürdigkeit entkräftet werden können. Es lehnte aber auch auf Grund der Beweisergebnisse und aus rechtlichen Erwägungen die Behauptung der Kläger ab, daß das Testament deshalb ungültig sei, weil einerseits auf den Erblasser, insbesondere seitens der Erstbeklagten, ein andauernder psychischer Zwang ausgeübt worden sei und weil ihm andererseits zur Zeit der Errichtung des letzten Willens infolge Geistesschwäche der Vernunftgebrauch gefehlt habe.

Das Berufungsgericht hat infolge Berufung der Kläger das erstgerichtliche Urteil bestätigt. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und legte sie seiner Entscheidung zugrunde. In rechtlicher Hinsicht folgte es der Ansicht des Erstgerichtes, daß nach Abschluß der Ehe mit dem Ehebrecher die Bestimmung des § 543 ABGB. einer Testamentserrichtung zugunsten des Ehebrechers nicht mehr im Wege stehe.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Kläger nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Mit dem ganzen Schwergewicht ihrer Ausführungen wendet sich die Revision gegen die Anschauung der Untergerichte, daß die Bestimmung des § 543 ABGB. dann nicht anzuwenden sei, wenn zwischen den Personen, welche des Ehebruches überwiesen sind, in der Folge eine Ehe zustandegekommen ist und die letztwillige Verfügung erst nach der Eheschließung getroffen wurde, jedoch zu Unrecht. Denn im Gesetz fehlt eine ausdrückliche Vorschrift, was rechtens ist, wenn die Beteiligten einander geheiratet haben, und auch aus dem Wortlaut des Gesetzes kann ein Rechtssatz nicht abgeleitet werden. Es ist daher erforderlich, die Absicht des Gesetzgebers zu erforschen, und letztlich sind die natürlichen Rechtsgrundsätze (§ 7 ABGB.) zur Auslegung des Gesetzes heranzuziehen. Maßgebend ist nicht immer bloß die Absicht des Gesetzgebers zur Zeit der Erlassung des Gesetzes; es kommt vielmehr darauf an, was sich aus der gegenwärtig geltenden Rechtsordnung ergibt, mag auch die Bestimmung von einem früheren Gesetzgeber erlassen worden sein. Denn anzuwenden ist das gegenwärtig geltende Recht in seiner Gesamtheit, und daher muß dieses klar gelegt werden. Zur Eheschließung bedürfen die Ehebrecher in der Regel - von Sonderbestimmungen, die bei Änderung des Gesetzes getroffen werden, darf abgesehen werden - einer Dispens (altes Recht § 67 ABGB.; neues Recht § 9 Abs. 2 EheG.). Das Ehegesetz selbst schreibt vor, daß Befreiung von dem Ehehindernis des Ehebruches nur dann zu versagen ist, wenn schwerwiegende Gründe der Eingehung der neuen Ehe entgegenstehen (§ 9 Abs. 2 EheG.). Mag man zu dieser gesetzlichen Bestimmung Stellung nehmen wie man will (vgl. Schwind, Kommentar zum österreichischen Eherecht, S. 80), sie läßt doch mit eindeutiger Klarheit erkennen, daß es die Absicht des Gesetzgebers ist, eine solche Ehe eher zuzulassen; er gewährt auch dem überlebenden Ehegatten nach § 757 ABGB. (vgl. auch § 796 ABGB.) ohne Einschränkung für den Fall eines früheren Ehebruches ein gesetzliches Erbrecht. Wenn das Gesetz selbst mit der Eingehung der Ehe dem überlebenden Ehegatten gegenüber dem anderen ein Erbrecht gewährt, so wäre nicht einzusehen, warum eine Verbesserung der mit dem Eingehen der Ehe verbundenen erbrechtlichen Stellung durch eine letztwillige Verfügung nicht zuzulassen wäre. Für das geltende Recht darf demnach gesagt werden, daß nach Eingehung der Ehe, selbst wenn die Ehepartner einen Ehebruch begangen haben, letztwillige Verfügungen zugunsten des anderen Ehegatten gestattet sind und aus dem Gesichtspunkte der Erbunwürdigkeit nicht entkräftet werden können (Weiß in Klang 2. Aufl. III 112; im gleichen Sinne Ehrenzweig

1. Aufl. II/2 S. 343), dies jedenfalls dann nicht, wenn - wie im gegenwärtigen Falle - die letztwillige Verfügung erst nach der Eheschließung errichtet wurde. Ist einmal die neue Ehe gültig geschlossen und sind damit die Familienverhältnisse auf eine neue Grundlage gestellt, dann ist die Vermutung unsittlicher Motive einer letztwilligen Zuwendung, wie sie den früheren Gesetzgebern vorgeschwebt sein mögen, nicht mehr begrundet. Die in der Entscheidung SZ. IX 178 ausgesprochene gegenteilige Ansicht betrifft eine andere Sach- und Rechtslage. Die Ausführungen der Revision über die historische Entwicklung der Bestimmung des § 543 ABGB. gehen ins Leere, weil für die Entscheidung des Rechtsfalles - wie oben dargelegt - die Gesetzesstelle im Rahmen der gegenwärtig geltenden Rechtsordnung auszulegen ist. Wenn die Revision noch darauf verweist, daß die gewonnene Auslegung des § 543 ABGB. im gegenwärtigen Falle Folgen und Härten ergibt, so muß ihr entgegengehalten werden, daß die Gerichte das geltende Gesetz anzuwenden haben und bei seiner Anwendung nicht darauf Bedacht nehmen dürfen, welche Auswirkungen sie im einzelnen Falle nach sich zieht. Die Rechtsansicht der Untergerichte, daß durch die Bestimmung des § 543 ABGB. die Wirksamkeit der letztwilligen Erklärung vom 5. Jänner 1949 nicht aufgehoben und daß im vorliegenden Fall das Klagebegehren unbegrundet ist, weil die geltend gemachte Erbunwürdigkeit der Erstbeklagten nicht vorliegt, beruht somit auf keinem Rechtsirrtum.

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