Spruch:
Die Revisionen beider Parteien sowie der Nebenintervenientin werden zurückgewiesen.
Text
Begründung
Die Kläger waren jeweils Hälfteeigentümer zweier Liegenschaften, hinsichtlich derer mit Beschluss des Bezirksgerichtes Purkersdorf vom 31. 7. 1995 zu 1 E 1820/95g die Zwangsversteigerung bewilligt wurde. Dem Zwangsversteigerungsverfahren lag das Schätzgutachten des Beklagten vom 31. 5. 1996 mit einem Schätzwert von insgesamt S 5,770.000 zugrunde. Die Liegenschaften wurden in der Versteigerungstagsatzung vom 17. 1. 1997 von dritter Seite zu einem Meistbot von S 3,750.000 erworben. Im Schätzgutachten des Beklagten war eine der beiden Liegenschaften als "Grünland" ausgewiesen; tatsächlich war sie bereits damals als "Bauland-Wohngebiet" gewidmet. Die Kläger begehren die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung ihres mit S 4,250.000 samt 4 % Zinsen seit 17. 1. 1997 bezifferten Schadens. Bei richtiger Bewertung hätte der Gesamtwert beider Liegenschaften mit S 8,000.000 festgesetzt werden müssen; dadurch wäre es zu einem höheren Rufpreis und damit auch höheren Meistbot gekommen. Der Beklagte hafte gemäß § 1299 ABGB, aber auch allen sonst erdenklichen Rechtsgründen.
Die beklagte Partei bestritt das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach. Darüber hinaus wurde auch Klagezurückweisung begehrt, weil es sich in Wahrheit um einen Amtshaftungsanspruch gegen ihn als Sachverständigen und damit Organ des Exekutionsgerichts handle. Über Streitverkündung der klagenden Partei trat die Marktgemeinde P*****, von der der für die Widmung maßgebliche (und im Gutachten des Beklagten zugrunde gelegte) Flächenwidmungsplan stammte, auf Seiten der klagenden Partei als Nebenintervenientin dem Verfahren bei. Das Erstgericht sprach mit Zwischenurteil aus, dass die beklagte Partei den Klägern für die Schäden aus dem Schätzwertgutachten vom 31. 5. 1996 im Verfahren 1 E 1820/95g des Bezirksgerichtes Purkersdorf im Ausmaß von vier Fünftel hafte.
Das lediglich von der beklagten Partei angerufene Berufungsgericht gab deren Rechtsmittel teilweise Folge und änderte das bekämpfte Urteil dahin ab, dass die Haftung des Beklagten bloß als zur Hälfte dem Grunde nach zu Recht bestehend ausgesprochen wurde. Das Berufungsgericht sprach weiters aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei - dies mit der Begründung, dass es von der Judikatur des Obersten Gerichtshofes, wonach es sich bei der Frage, welche Fähigkeiten und Kenntnisse von einem Sachverständigen zu erwarten sind, nur um eine Tatfrage handle, abgegangen sei und darin auch eine Rechtsfrage sehe, die nach einem objektiven Sorgfaltsmaßstab, bei Zumutbarkeit auch zu einer über das "Übliche" hinausgehenden Beurteilung führen könne.
Gegen dieses Urteil richten sich die allesamt auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützten Revisionen der klagenden Parteien, der beklagten Partei und der Nebenintervenientin (im Rahmen ihrer Rechtsrüge auch unter Relevierung des Revisionsgrundes der Aktenwidrigkeit), jeweils mit dem Begehren, die bekämpfte Entscheidung im Sinne einer Wiederherstellung des Ersturteils (so die Kläger und die Nebenintervenientin) bzw einer vollständigen Klageabweisung (so die beklagte Partei) abzuändern; lediglich die Kläger haben hilfsweise auch einen Aufhebungsantrag gestellt.
Sämtliche Parteien haben auch Revisionsbeantwortungen erstattet, in denen jeweils beantragt wird, dem Rechtsmittel des jeweiligen Gegners den Erfolg zu versagen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revisionen sind mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. An den gegenteiligen Ausspruch des Berufungsgerichtes ist der Oberste Gerichtshof nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO). Gemäß § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO kann sich der Oberste Gerichtshof bei Zurückweisung einer ordentlichen Revision auf die Zurückweisungsgründe beschränken; das Nichtvorliegen einer gerügten (und vom Obersten Gerichtshof geprüften, jedoch verneinten) Aktenwidrigkeit bedarf gemäß § 510 Abs 3 dritter Satz ZPO überhaupt keiner weitergehenden Begründung.
Im Sinne einer Klarstellung vorauszuschicken ist zunächst, dass der Oberste Gerichtshof erst jüngst mehrfach wiederholt hat, dass der in einem gerichtlichen (hier: Exekutions-)Verfahren bestellte Sachverständige nicht Organstellung hat, sondern aufgrund eigener deliktischer Haftung direkt belangt werden kann (RIS-Justiz
RS0026353, RS0026337; zuletzt 1 Ob 79/00z = EvBl 2000/206; 1 Ob 1/01f
= JBl 2001, 789; 3 Ob 284/01p). Die von der beklagten Partei dennoch
unter Hinweis auf ihre Organstellung (und damit das Vorliegen eines Amtshaftungsanspruches bloß gegen die Republik Österreich) in der Streitverhandlung vom 6. 3. 2001 (ON 30, Seite 10) implizite (nämlich zufolge ihres Antrages auf Klagezurückweisung) erhobene Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges wurde daher von den Vorinstanzen zutreffend - wenngleich anstelle einer erforderlichen spruchmäßigen Erledigung (§ 261 Abs 1 ZPO) ebenfalls nur implizite - verworfen. Dass der bestellte Sachverständige bei Vornahme einer Schätzung nicht nur dem Ersteher (so der Fall zu 1 Ob 79/00z), sondern "allen Beteiligten" (und damit auch, wie hier, dem - vormals - Verpflichteten: Angst in Angst, Kommentar zur EO, Rz 14 zu § 141) für sein Schätzungsgutachten zu haften hat, ergibt sich neuerdings ausdrücklich aus § 141 Abs 5 EO idF der EO-Novelle 2000 BGBl I 2000/59, welche Bestimmung nach den Übergangsbestimmungen freilich nur auf nach dem 30. 9. 2000 eingeleitete Exekutionsverfahren anwendbar ist (Art III Abs 1 leg cit), war jedoch schon vorher anerkannt (Angst, aaO mwN zu Judikatur und Schrifttum). Voraussetzung für diese Schadenersatzpflicht ist (und war bereits bisher) bloß, dass der Sachverständige den Schaden schuldhaft, also zumindest fahrlässig, verursacht hat, wobei dies auf der Grundlage des § 1299 ABGB zu beurteilen ist (Angst, aaO Rz 15). In diesem Sinne entspricht es jedoch der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, dass der Sorgfaltsmaßstab des § 1299 ABGB gegenüber jenem nach § 1297 ABGB, der grundsätzlich jedermann trifft, ab- und angehoben ist (Reischauer in Rummel, ABGB² Rz 2 zu § 1299; Harrer in Schwimann, ABGB² Rz 2 zu § 1299; Koziol/Welser II12 330, sämtliche mwN). Ob nun eine von den Vorinstanzen angenommene Fahrlässigkeitsbeurteilung zutreffend ist, ist ganz typisch und regelmäßig fallbezogen von der Kasuistik des jeweils zur Beurteilung anstehenden Einzelfalles abhängig, die sich zumeist nicht generalisieren lässt und demgemäß auch in der Regel keiner Lösung als erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO bedarf. Ob hiebei ein solcher haftungsbegründender "Kunstfehler" vorliegt, ist auch regelmäßig Tatfrage (RIS-Justiz RS0026418) und damit nicht revisibel. Entscheidend ist der Leistungsstandard der betreffenden Berufsgruppe (RIS-Justiz RS0026541).
Auch die Frage, ob eine bestimmte Verschuldensteilung (durch die Vorinstanzen) angemessen ist, begründet als bloße Ermessensentscheidung im Allgemeinen - von einer gravierenden Fehlbeurteilung und damit krassen Verkennung der Rechtslage abgesehen - keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne der zitierten Gesetzesstelle (Kodek in Rechberger, ZPO² Rz 3 zu § 502; RIS-Justiz RS0087606); Gleiches gilt letztlich für die Beurteilung der in einem konkreten Einzelfall zumutbaren Vorkehrungen zur Vermeidung (oder Minimierung) eines Schadensfalles (EvBl 1993/59), also was einem Geschädigten im Rahmen der Schadensminderungspflicht zumutbar ist (RIS-Justiz RS0027787). Dabei genügt im Allgemeinen bloße Sorglosigkeit gegenüber den eigenen Gütern (RIS-Justiz RS0032045). Dass die Kläger eine solche sich auch anspruchskürzend auswirkende Mithaftung trifft, haben sie im Übrigen bereits selbst dadurch zugestanden, dass sie den entsprechenden Ausspruch des Erstgerichtes, welches im Zwischenurteil die Haftung des Sachverständigen bloß mit vier Fünftel aussprach, das restliche Fünftel jedoch den Klägern überbürdete, unangefochten ließen und ja auch in ihrer Revision die Wiederherstellung des Ersturteils nur in dieser Quote begehren.
Das Berufungsgericht hat sich an diese Vorgaben gehalten und weder den Sorgfaltsmaßstab des beklagten Sachverständigen noch der klägerischen Geschädigten überspannt (vgl RIS-Justiz RS0026535). Das Gericht zweiter Instanz hat den ihm bei Beantwortung und Beurteilung dieser Frage eingeräumten Ermessens- und damit Beurteilungsspielraum weder über- noch unterschritten, wenn es für den Beklagten als durchaus zumutbar erachtete, der Diskrepanz zwischen der von ihm (nicht persönlich, sondern durch einen Boten) erhobenen Widmung im kopierten Flächenwidmungsplan und der im Grundbuch ausgeworfenen Nutzungsart näher nachzugehen (etwa durch schriftliche kontrollierende Nachfrage bei der Gemeinde, allenfalls beim Amt der Landesregierung), und andererseits die Kläger gemäß § 1304 ABGB zur (gegenüber dem Erstgericht quotenmäßig korrigierten) Schadensmittragung verpflichtete, weil ihnen die Bauland(um)widmung schon viele Jahre bekannt (wenn auch "nicht bewusst") war und sie sich im Exekutionsverfahren trotzdem "völlig passiv" verhielten anstatt das Sachverständigengutachten ihrerseits näher zu überprüfen und zu hinterfragen, geschweige denn mit den ihnen von der Verfahrensordnung eingeräumten Rechtsbehelfen und Rechtsmitteln auch einer kontrollierenden Überprüfung durch die dafür vorgesehenen Rechtsinstanzen zuzuführen. Wenn das Berufungsgericht dabei auf die Zweifelsregel des § 1304 letzter Halbsatz (Haftung zu gleichen Teilen) zurückgriff, ist dies somit nicht zu beanstanden. Hiegegen werden in sämtlichen Revisionen auch keine für den Obersten Gerichtshof stichhaltigen Argumente ins Treffen geführt. Insbesondere ist es hiebei völlig verfehlt, deshalb zu einer anderen Quotierung zu gelangen, weil die Kläger über keine den Schaden umfassende Versicherungsdeckung verfügten - wie dies in ihrer Revision sogar als "sekundärer Verfahrensmangel" abgeleitet wird; offenbar werden hier Gedanken des § 1310 ABGB, worin bei der Minderjährigenhaftung unter Umständen auf das Bestehen von Versicherungen als "Vermögen des Beschädigers und des Beschädigten" zurückzugreifen ist, vermengt, die jedoch schon vom Ansatz her verfehlt sind.
Sämtliche Revisionen waren daher als unzulässig zurückzuweisen. Da in den Revisionsbeantwortungen auf die Unzulässigkeit mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht hingewiesen ist, haben die Parteien die Kosten ihrer Revisionsbeantwortungen jeweils selbst zu tragen (RIS-Justiz RS0035979, RS0035962).
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