OGH 7Ob2415/96i

OGH7Ob2415/96i2.4.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josef S*****, vertreten durch Dr.Ernst Muigg, Rechtsanwalt in Steyr, wider die beklagte Partei Sportklub "V*****", ***** vertreten durch Dr.Helfried Krainz und Dr.Bernhard Aschauer, Rechtsanwälte in Linz, wegen S 76.358,- sA und Feststellung (Gesamtstreitwert S 116.358,-), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Steyr als Berufungsgericht vom 16.September 1996, GZ 1 R 74/96t-25, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Steyr vom 3.Mai 1996, GZ 4 C 1593/94f-21, teilweise abgeändert wurde (Revisionsinteresse S 113.508,-), in nichtöffentlicher Sitzung, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 7.605,- bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin enthalten S 1.267,50 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung

Am 23.4.1994 besuchte der Kläger ein vom Beklagten veranstaltetes Fußballmeisterschaftsspiel der obersten Spielklasse Österreichs im Stadion von St*****. Der Kläger hielt sich während der ersten Halbzeit auf seinem Stammplatz auf der betonierten Stehplatztribüne hinter dem Nordtor auf.

Das Fußballfeld ist durch eine Umzäunung (Werbebanden mit einem darauf befindlichen Gitterzaun) von insgesamt 2,10 m Höhe vom Zuschauerraum getrennt, wobei die Umzäunung den Rasen des Spielfeldes abschließt. Sie verläuft hinter dem Nordtor zirka 3 m von der Torlinie entfernt. Die Stehplatztribüne verläuft - nach einem kurzen Abstand vom Zaun beginnend - durch betonierte Stufen aufsteigend.

Üblicherweise werden vor einem Meisterschaftsspiel und in der Pause zwischen den beiden Spielhälften Aufwärm- und Schußübungen durchgeführt. Als der Kläger während der Halbzeitpause von seinem Stammplatz aus (etwa 15 m entfernt zum Zaun und niveaugleich mit der oberen Kante des Gitterzauns) eine Treppe hinabtreten wollte, traf ihn im Bereich der rechten Schläfe ein Ball, welcher von einem Austauschspieler der Gastmannschaft über das Nordtor geschossen worden war. Der Kläger hatte zwar Kenntnis von den gerade ablaufenden Schußübungen, beobachtete diese aber nicht, weil er zur Toilette gehen wollte. Durch den Aufprall des Balls wurde ihm der rechte Bügel seiner Brille abgebrochen und in das rechte Auge gedrückt. Dadurch erlitt er schwere Augenverletzungen. Beim Kläger verbleiben Dauerfolgen. Auch könnte durch die Augenprellung grüner Star eintreten. Mit den Augenverletzungen ist auch eine mittelgradige Verunstaltung verbunden.

Über die Absicherung der hinter Fußballtoren gelegenen Zuschauerräume vor verschossenen Fußbällen bestehen weder Aufträge von in Betracht kommenden Sportverbänden noch Auflagen von Behörden.

Das Berufungsgericht gab dem auf Zahlung gerichteten Schadenersatzbegehren im wesentlichen, dem Feststellungsbegehren, daß der Beklagte dem Kläger für alle künftigen Schäden und Nachteile aus dem Unfall vom 23.4.1994 hafte, zur Gänze statt und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei.

Den Veranstalter von Fußballwettkämpfen treffe die vertragliche Nebenpflicht, die nach der Verkehrsauffassung erforderlichen und zumutbaren Schutzmaßnahmen zu treffen, um die - auf Grund der aktuellen Spieltechnik vorhersehbaren - Verletzungen von Zuschauern hintanzuhalten. Die Errichtung eines Gitterzauns hinter dem Nordtor in einer entsprechenden Höhe hätte die Verletzung von Zuschauern auf der dahinterliegenden Tribüne verhindern können. Der Aufwand für eine solche Schutzmaßnahme bewege sich im Rahmen des Zumutbaren. Ein Mitverschulden des Klägers liege nicht vor, weil er nicht habe erwarten müssen, daß er auf der Tribüne von einem Fußball getroffen und erheblich verletzt werde.

Die dagegen vom Beklagten erhobene Revision ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage unzulässig im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO.

Rechtliche Beurteilung

Die Pflicht des Veranstalters von Sportereignissen, für die Sicherheit der Teilnehmer und Zuschauer zu sorgen, beruht, wie das Berufungsgericht richtig ausgeführt hat, auf den zwischen diesen Beteiligten geschlossenen Vertrag. Der Oberste Gerichtshof hat dazu mehrfach ausgesprochen, daß es sich dabei um einen Fall einer vertraglichen Verkehrssicherungspflicht handelt (JBl 1992, 785; ZVR 1994/29; JBl 1994, 338 = ZfRV 1994, 249 = ZVR 1994/38). Daß das Berufungsgericht die Pflicht des Beklagten als vertragliche Nebenpflicht (Schutzpflicht) gewertet hat, macht keinen Unterschied, weil auch derartige Schutz- und Sorgfaltspflichten nach den gleichen Grundsätzen zu beurteilen sind (vgl dazu Kletecka, Die Haftung des Veranstalters internationaler Schirennen - eine Besprechung zum Fall Brian Stemle, ZfRV 1994, 232 ff, der der Qualifikation des Berufungsgerichts den Vorzug gibt). Dabei kommt es immer darauf an, welche Maßnahmen zur Abwehr vorsehbarer Gefahren notwendig und zumutbar sind (SZ 26/255; SZ 33/5, SZ 37/97; SZ 49/154; SZ 60/256;

ZVR 1985/164; JBl 1992, 785; ZVR 1994/29; 4 Ob 2072/96w). Die einschlägigen Richtlinien von Sportverbänden und allfällige behördliche Anordnungen sind dabei Sorgfaltsmaßstab (JBl 1983, 258;

EvBl 1987/21 und 171; SZ 60/133; JBl 1992, 785; ZVR 1994/29). Der Verkehrssicherungspflichtige ist aber auch im Fall langjähriger Übung bestimmter Vorkehrungen gehalten, deren Tauglichkeit - selbst im Fall der Erfüllung behördlicher Anordnungen - auch im Hinblick auf neue Erkenntnisse zu prüfen (ZVR 1985/164; SZ 60/256; JBl 1992, 785). Bei der Beurteilung der zu treffenden Sicherheitsvorkehrungen ist bei Kampfspielen von der jeweils aktuellen Spieltechnik auszugehen (SZ 57/57).

Welche Maßnahmen zumutbar und erforderlich sind, hängt immer nur von den Umständen des Einzelfalls ab. Derartige Einzelfallentscheidungen sind vom Obersten Gerichtshof nur dann überprüfbar, wenn im Interesse der Rechtssicherheit ein grober Fehler bei der Auslegung der anzuwendenden Rechtsnorm (hier konkret bei der Auslegung des unbestimmten Gesetzesbegriffs der Zumutbarkeit) korrigiert werden müßte (5 Ob 81/91; 1 Ob 504/93; 2 Ob 580/95; 7 Ob 2360/96a). Die Forderung des Berufungsgerichts, die auf der unmittelbar hinter einem Fußballtor liegende Zuschauertribüne durch einen ausreichend hohen Zaun vor verschossenen Bällen abzuschirmen, um vorhersehbare Verletzungen von Zuschauern hintanzuhalten, hält sich hier angesichts des Umstands, daß die Zuschauertribüne bereits knapp hinter dem Torraum beginnt und der vorhandene Zaun gar nicht geeignet ist, auch nur knapp über das Tor gehende Bälle abzuwehren, im Rahmen des Zumutbaren. Eine Zuschauertribüne, die sich nicht im unmittelbaren Schußfeld eines Fußballtores befindet, bei der diese Forderung als überzogen eingestuft werden könnte, liegt hier nicht vor.

Dem Kläger, der eine vom Beklagten eigens zu diesem Zweck errichtete Zuschauertribüne benützt hat, ist eine Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten nicht vorzuwerfen. Ein Mitverschulden kommt somit nicht in Betracht.

Ungeachtet des nicht bindenden Ausspruches des Berufungsgerichts, daß die ordentliche Revision zulässig sei, war die Revision der Beklagten mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des Revisionsrechts zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsbeantwortung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit der Revision des Beklagten aus dem Grunde des § 102 Abs 1 ZPO hingewiesen.

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