OGH 7Ob236/08v

OGH7Ob236/08v8.7.2009

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Werner F*****, vertreten durch Dr. Gerhard Kornek, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei D***** AG, *****, vertreten durch Themmer, Toth & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 21.279,10 EUR sA und Feststellung, über die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. April 2008, GZ 4 R 197/07f-20, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 20. Juli 2007, GZ 26 Cg 24/06m-16, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichts wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger die mit 5.250,88 EUR (darin enthalten 680,48 EUR USt und 1.168 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist bei der Beklagten seit 28. 1. 1997 zur Polizze Nummer ***** rechtsschutzversichert. Der Versicherungsschutz umfasst unter der Kurzbezeichnung „S*****“ unter anderem Rechtsschutz aus Erb- und Familienrecht. Die Deckungssumme für den vorliegenden Versicherungsfall (Schaden Nr 30/30181/03) beträgt 32.703 EUR.

Grundlage dieser Verträge bilden die ARB1994 (im Folgenden: ARB).

Unter deren Art 2 Punkt 3 ist Folgendes festgehalten:

In den übrigen Fällen gilt als Versicherungsfall der tatsächliche oder behauptete Verstoß des Versicherungsnehmers, Gegners oder eines Dritten gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften; der Versicherungsfall gilt in dem Zeitpunkt als eingetreten, in dem eine der genannten Personen begonnen hat oder begonnen haben soll, gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften zu verstoßen.

Bei mehreren Verstößen ist der erste, adäquat ursächliche Verstoß maßgeblich, wobei Verstöße, die länger als ein Jahr vor Versicherungsbeginn zurückliegen, für die Feststellung des Versicherungsfalls außer Betracht bleiben. ...

Gemäß Art 7 Punkt 2.5 sind

vom Versicherungsschutz ausgeschlossen:

Versicherungsfälle, die der Versicherungsnehmer vorsätzlich und rechtswidrig herbeigeführt hat sowie solche, die im Zusammenhang mit der Begehung eines Verbrechens durch den Versicherungsnehmer eintreten;

Unter Art 8 ARB (Obliegenheiten) ist festgehalten:

1. Verlangt der Versicherungsnehmer Versicherungsschutz, ist er verpflichtet,

1.1. den Versicherer unverzüglich, vollständig und wahrheitsgemäß über die jeweilige Sachlage aufzuklären und ihm alle erforderlichen Unterlagen auf Verlangen vorzulegen;

...

2. Verletzt der Versicherungsnehmer eine der vorstehend genannten Obliegenheiten, ist der Versicherer gemäß § 6 Versicherungsvertragsgesetz (VersVG) von der Verpflichtung zur Leistung frei.

Art 9 ARB (Schiedsgutachterverfahren) lautet:

1. Der Versicherer hat binnen zwei Wochen nach Geltendmachung des Deckungsanspruchs durch den Versicherungsnehmer und Erhalt der zur Prüfung dieses Anspruchs notwendigen Unterlagen und Informationen dem Versicherungsnehmer gegenüber schriftlich den Versicherungsschutz grundsätzlich zu bestätigen oder begründet abzulehnen. ...

2. Davon unabhängig hat der Versicherer das Recht, jederzeit Erhebungen über den mutmaßlichen Erfolg der Rechtsverfolgung anzustellen. Kommt er nach Prüfung des Sachverhalts unter Berücksichtigung der Rechts- und Beweislage zum Ergebnis,

2.1. dass hinreichende Aussicht besteht, in einem Verfahren zu obsiegen, hat er sich zur Übernahme aller Kosten nach Maßgabe des Artikels 6 (Versicherungsleistung) bereit zu erklären;

2.2. dass diese Aussicht auf Erfolg nicht hinreichend, d.h. ein Unterliegen in einem Verfahren wahrscheinlicher ist als ein Obsiegen, ist er berechtigt, die Übernahme der an die Gegenseite zu zahlenden Kosten abzulehnen;

2.3. dass erfahrungsgemäß keine Aussicht auf Erfolg besteht, hat er das Recht, die Kostenübernahme zur Gänze abzulehnen.

...

4. Die gänzliche oder teilweise Ablehnung der Kostenübernahme wegen nicht hinreichender oder fehlender Aussicht auf Erfolg oder sonstiger Meinungsverschiedenheiten im Sinne des Punkts 3. ist dem Versicherungsnehmer unter Bekanntgabe der Gründe und Hinweis auf die Möglichkeit eines Schiedsgutachterverfahrens gemäß Punkt 5. schriftlich mitzuteilen. Die bis zu diesem Zeitpunkt aufgelaufenen Kosten sind vom Versicherer zu tragen, sofern die sonstigen Voraussetzungen des Versicherungsschutzes vorliegen.

Unterlässt der Versicherer den Hinweis gemäß Abs1, gilt der Versicherungsschutz für die begehrte Maßnahme als anerkannt. ...

Im Verfahren des Klägers gegen seine Halbschwester und die Witwe seines Vaters, das zu 23 Cg 18/04t des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Pflichtteilsergänzungsklage gemäß § 951 ABGB mit Schenkungsanrechnung gemäß § 785 ABGB geführt wurde, hat die Beklagte dem Kläger zur Geltendmachung seiner Ansprüche bereits einen Betrag in Höhe von 11.423,90 EUR (Pauschalgebühr 3.573,90 EUR und 7.850 EUR als Teilzahlung) überwiesen. Mit Schreiben vom 4. 1. 2008 forderte der Klagevertreter die Beklagte auf, der Gegenseite deren mit 14.377,91 EUR gerichtlich bestimmte Kosten zu ersetzen sowie ihm selbst restlich einen (weiteren) Betrag in Höhe von 7.854,72 EUR an Kosten für die Vertretung des Klägers in diesem Verfahren zu überweisen. Die Beklagte verweigerte jedoch die Übernahme dieser Kosten und begehrte auch die Rückerstattung der bereits beglichenen Kosten mit dem Hinweis auf Art 7 Punkt 2.5., Art 2 Punkt 3, Art 8 und Art 9 ARB.

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger aus dieser Rechtsschutzversicherung von der Beklagten 21.279,10 EUR sA und die Feststellung, dass der Rückforderungsanspruch der Beklagten in Höhe von 11.423,90 EUR zur Schaden Nummer 30/30181/03 nicht zu Recht bestehe. Der Kostenersatzanspruch in dem vom Kläger gegen die Tochter seines verstorbenen Vaters aus zweiter Ehe und dessen zweite Ehegattin (erfolglos) geführten Verfahren gemäß §§ 785, 951 ABGB (Pflichtteilsergänzungsklage und Schenkungsanrechnung) zur Deckung des Fehlbetrags auf den Pflichtteil wegen überschuldeten Nachlasses habe insgesamt 33.656,53 EUR betragen, also mehr als die Deckungssumme aus der Rechtsschutzversicherung von zuletzt 32.703 EUR. Nach Übermittlung des klagsabweisenden Urteils habe der Kläger mit der seinerzeitigen Referentin der Beklagten, Mag. Sigrid S*****, mehrfach telefoniert und mit ihr gemeinsam die Frage einer Berufung erörtert. Sie habe in diesem Telefonat gemeint, dass sich der Kläger die Berufungsfrage nochmals überlegen sollte, aber mit keinem Wort erwähnt, dass die Beklagte Leistungsfreiheit geltend machen würde, wenn das Urteil in Rechtskraft erwachsen sollte. Dennoch habe die Beklagte, nachdem das Urteil in Rechtskraft erwachsen sei, die Bezahlung der Kosten der Gegenseite von 14.377,91 EUR und die Bezahlung des zweiten Teils der Kosten des Klägers von 7.854,72 EUR abgelehnt und gleichzeitig den bereits bezahlten Betrag von 11.423,90 EUR zurückgefordert und dies damit begründet, dass der Kläger den Versicherungsfall vorsätzlich durch den Tatbestand der Nötigung herbeigeführt habe. Im Erbrecht sei der Versicherungsfall jedoch der Tod des Erblassers, woran die Vorfälle, die zu einer möglichen Erbunwürdigkeit des Klägers geführt hätten, nichts ändern könnten. Der Versicherungsfall könnte auch eingetreten sein, als sich die im Verfahren vor dem Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien Beklagten auf die Erbunwürdigkeit des Klägers berufen hätten. Zum Zeitpunkt der Ereignisse in den Jahren 1999 und 2001 sei noch gar nicht festgestanden, ob diese Ereignisse jemals im Sinn einer Erbunwürdigkeit zum Tragen kommen würden. Der Erblasser hätte dem Kläger ja auch verzeihen können. Dass der Kläger die Erbunwürdigkeit bzw die Enterbung bewusst herbeigeführt habe, könne nicht ernsthaft behauptet werden. Der Versicherungsfall sei nach 7 Ob 43/00z erst eingetreten, als sich die Beklagten im Verfahren des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien, 23 Cg 18/04t, auf diese Fakten berufen hätten. Die Nicht-Deckung und Rückforderung sei überraschend erfolgt. Hätte die Beklagte bereits nach Erhalt der Klagebeantwortung auf das mögliche Risiko hingewiesen, dann hätte der Kläger dies in seine Überlegungen und Entscheidungen einfließen lassen. Eine Obliegenheitsverletzung nach Art 8 ARB habe nicht stattgefunden, weil die Beklagte vom Kläger laufend informiert worden sei. Die in Art 9 Punkt 3 ARB geregelte Frage der Ablehnung der Kostenübernahme wegen mangelnder Erfolgsaussichten habe nur von der Beklagten überprüft werden können. Der Kläger habe ihr zur Prüfung dieser Frage sämtliche Informationen zuteil werden lassen. Trotz Kenntnis des Prozessstoffs habe die Beklagte die Prüfung der Erfolgsaussichten unterlassen.

Die Beklagte beantragte Klagsabweisung. Der Kläger habe im Jänner 2004 durch den Klagevertreter einen Klagsentwurf mit der Bitte um Bestätigung der Rechtsschutzdeckung vorgelegt, worauf die Beklagte mit Schreiben vom 28. 1. 2004 den Versicherungsschutz unter Vorbehalt der neuerlichen Prüfung der Erfolgsaussichten bestätigt habe. Der Kläger habe ihr vorsätzlich verschwiegen, dass er gegenüber seinem Vater erbunwürdig sei. Grundvoraussetzung einer Pflichtteilsergänzungsklage nach § 951 Abs 1 ABGB sowie der Schenkungsanrechnung nach § 785 Abs 3 ABGB sei aber, dass der Anrechnungsberechtigte im Schenkungszeitpunkt abstrakt und im Todeszeitpunkt konkret pflichtteilsberechtigt sei. Am 6. 12. 2005 sei der Beklagten das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien übermittelt worden, wonach der Kläger im Sinn des § 540 ABGB erbunwürdig sei. Damit sei ihr erstmals zur Kenntnis gelangt, dass der Kläger enterbt worden sei. Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien habe festgestellt, dass der Kläger den Tatbestand der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB in der Deliktsqualifikation des § 106 Abs 1 Z 1 StGB verwirklicht habe, weil er seinem Vater die Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz angedroht habe. Nach Art 7 Punkt 2.5. ARB seien Versicherungsfälle, die der Versicherungsnehmer vorsätzlich und rechtswidrig herbeigeführt habe sowie solche, die im Zusammenhang mit der Begehung eines Verbrechens durch den Versicherungsnehmer eintreten, vom Versicherungsschutz ausgeschlossen. Nach Art 8 ARB habe der Versicherungsnehmer, der Versicherungsschutz begehre, den Versicherer unverzüglich, vollständig und wahrheitsgemäß über sämtliche Umstände des Versicherungsfalls zu unterrichten sowie Beweismittel und Unterlagen anzugeben. Der Kläger habe diese Auskunftsobliegenheit verletzt. Die Beklagte sei auch nach Art 9 ARB leistungsfrei, weil erfahrungsgemäß keine hinreichenden Erfolgsaussichten für die beabsichtigte Rechtsverfolgung bestünden, wenn eine Erbunwürdigkeit vorliege und wenn Vorausempfänge in namhafter Höhe bestünden, sodass der Pflichtteilsanspruch ohnehin ausgeschöpft sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt. Dazu traf es noch folgende, vom Berufungsgericht übernommene Feststellungen:

Am 18. 12. 2001 verstarb Dr. Leo F*****, der Vater des Klägers. Der Verstorbene war Inhaber des Privatsanatoriums R*****. Der Kläger war von Oktober 1976 bis Mitte 2002 im Betrieb seines Vaters als Buchhalter und Lohnverrechner beschäftigt. Zwischen dem Kläger und dem Erblasser kam es vor allem ab 1997 vermehrt zu Streitigkeiten. Der Kläger hatte trotzdem auch weiterhin das Gefühl, dass er ein gutes Verhältnis zu seinem Vater habe.

Der Kläger brachte gegen den Erblasser 1997 beim Bezirksgericht Hietzing zu AZ 10 Nc 16/97g einen Antrag auf Ausstattung im Sinn des § 1231 ABGB ein. Dieser Rechtsstreit endete damit, dass der Erblasser sich in einem gerichtlichen Vergleich verpflichtete, 600.000 ATS an den Kläger zu bezahlen. Nach diesem Streit sahen der Kläger und sein Vater sich weiterhin regelmäßig auch außerhalb der Privatklinik.

Nicht festgestellt werden konnte, dass der Erblasser dem Kläger über die 600.000 ATS (Ausstattung) hinausgehend noch weitere größere Summen an Geld - über 10.000 ATS pro Jahr - schenkte.

Der Kläger vermietete seit langem zwei Räume im Keller seines Hauses in 1130 Wien an die Privatkrankenanstalt R*****. Obwohl diese Räume nur kurze Zeit tatsächlich für die Zwecke der Krankenanstalt benutzt wurden, bezahlte der Erblasser dem Kläger weiterhin einen Betrag in Höhe von 7.200 ATS an monatlicher Miete. Ab Mitte der 90er Jahre verschlechterte sich die wirtschaftliche Lage der Privatkrankenanstalt zusehends. Deshalb trat der Erblasser im Jahr 1999 mit der Bitte an den Kläger heran, den Mietvertrag zu kündigen. Der Kläger wollte von diesem Ansinnen seines Vaters nichts wissen, weil er der Meinung war, dass nicht bei ihm zu sparen begonnen werden solle.

Im Zuge einer Auseinandersetzung wegen des Mietvertrags im Jahr 1999 sagte der Kläger zu seinem Vater, dass er die Privatkrankenanstalt R***** „systematisch zerstören“ werde, wenn man nur einen einzigen Schilling bei ihm einspart, er werde ihm großen Schaden bis zum „wirtschaftlichen Ruin“ zufügen, ihn „fertig machen“, „vernichten“ und beim Finanzamt anzeigen.

Im August 1999 kam es in Anwesenheit von Gertrude F*****, der zweiten Ehefrau des Erblassers, zu einem Streit zwischen dem Kläger und seinem Vater. Im Zuge dessen warf der Kläger dem Erblasser an den Kopf, dass Letzterer nicht bei ihm einsparen solle, widrigenfalls er den Betrieb systematisch zerstören würde. Der Erblasser solle sich in Acht nehmen.

Der Vater des Klägers nahm diese Drohungen sehr ernst. Am 27. 6. 2001 errichtete er ein Testament mit auszugsweise folgendem Inhalt:

III.

Meinem Sohn Mag. Werner F*****, geboren am 1. 2. 1949, entziehe ich den Pflichtteil.

Ich rechne damit, dass mein Sohn Werner versuchen wird, dieses Testament anzufechten. Ich wünsche, dass ihm in keinem Fall ein Erb- oder Pflichtteil zukommt. Damit möchte ich auch einer Irrtumsanfechtung zuvorkommen, weil ich den Ausschluss von Werner von jedem Erb- und Pflichtteil in keinem Fall unterlassen hätte. Mein Sohn Mag. Werner F***** hat mir gegenüber ein Verhalten an den Tag gelegt, das ich nicht verziehen habe: Nicht nur, dass er zu einer Zeit als es mit meinem Sanatorium in R***** wirtschaftlich nicht gut ging, mich mit ungerechtfertigten und übermäßigen Geldforderungen verfolgte, hat er mir auch die Zeit meiner Krankheit noch schwerer gemacht, indem er mich mehrmals gröblichst beschimpft und mir - aber auch Angestellten des Sanatoriums gegenüber mehrmals - gesagt hat, er werde mich vernichten', weil ich ein schlechter Vater' gewesen sei. Ich war ihm aber kein schlechter Vater, im Gegenteil: Ich habe meinem Sohn Werner in meinem Sanatorium R***** ein Bruttogehalt von mehr als ATS 66.000,00 im Monat für eine Tätigkeit als Buchhalter bezahlt, mit der mein Sohn de facto nur halbtags ausgelastet war. Ich habe ihm jährlich rund acht Wochen Urlaub gewährt, ihm einen Dienstwagen (BMW 525) zur Verfügung gestellt und ihm mit einem Betrag von rund ATS 80.000,00 jedes Jahr zusätzlich seine Reisen finanziert. Ich habe für ihn zur Bezahlung seiner Schulden gegenüber seiner Ehefrau aufgrund der Scheidung seiner ersten Ehe einen Betrag in Höhe von ATS 350.000,00 und zur Bezahlung von Schulden, die er nach dem Tod seiner Mutter an das Finanzamt zu zahlen hatte, einen weiteren Betrag in Höhe von rund ATS 300.000,00 aufgewendet. Ich habe ihm durch Zahlung eines Betrags von ATS 1,2 Mio ermöglicht, dass er sein Wohnhaus in 1130 Wien, ***** (das heute rund ATS 25Mio wert ist) nun lastenfrei im Alleineigentum hat, und habe ihm schließlich als Ausstattung zu seiner Eheschließung einen Betrag in Höhe von ATS 600.000,00 bezahlt. Der Dank meines Sohnes Werner für meine Großzügigkeit ihm gegenüber war, dass er - abgesehen von Drohungen und Beschimpfungen - sich regelmäßig aus den Lebensmittelbeständen meines Sanatoriums selbst bediente und Lebensmittelvorräte im großen Stil entfernte. Ich habe dieses strafbare Verhalten meines Sohnes Werner nur deshalb nicht zur Anzeige gebracht, um ihm Vorstrafen zu ersparen. Mich hat der Vorwurf, ich wäre ein schlechter Vater zutiefst getroffen, und die Drohung er werde mich vernichten' sehr belastet.

Sollte mein Sohn Werner dennoch versuchen, Pflichtteilsansprüche geltend zu machen, so ist jedenfalls alles, was ich ihm zur Bezahlung seiner Schulden als Ausstattung und sonst als Vorschuss bereits bezahlt habe, anzurechnen.

Bevor das Testament in der Verhandlung vom 19. 11. 2004 im Verfahren vor dem Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien vorgelegt wurde, wusste der Kläger nichts von dessen Bestehen und sohin auch nichts von seiner Enterbung. Er kannte bis dahin nur das Testament seines Vaters vom 15. 10. 1992, in dem Letzterer seine Ehefrau Gertrude F***** zur Alleinerbin einsetzte sowie seine zwei Kinder aus erster Ehe [unter ihnen der Kläger] und seine zwei Kinder aus zweiter Ehe [unter ihnen Barbara S*****] auf den Pflichtteil setzte.

Über die Verlassenschaft des Dr. Leo F***** wurde mit Beschluss des Landesgerichts St. Pölten vom 15. 1. 2002 das Konkursverfahren eröffnet.

Am 4. 2. 2004 erhob der Kläger zu 23 Cg 18/04t des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien eine Klage gegen seine Halbschwester Barbara S***** und die zweite Frau seines Vaters, Gertrude F*****, mit folgendem Klagebegehren:

1) Die erstbeklagte Partei (Anm.: Barbara S*****) ist schuldig, der klagenden Partei den Betrag von Euro 77.686,42 samt 4 % Zinsen ab Klagstag bei sonstiger Exekution in die ihr gehörigen Liegenschaftshälften EZ 192, Grundbuch *****, BLNR 2, EZ 510 Grundbuch *****, BLNR 2 zu bezahlen.

2) Die zweitbeklagte Partei (Anm.: Gertrude F*****) ist schuldig, der klagenden Partei den Betrag von Euro 60.375,98 samt 4 % Zinsen ab Klagstag bei sonstiger Exekution in die Liegenschaftshälften EZ 675 (BLNR 1), 676 (BLNR 10), 1660 (BLNR 1) je Grundbuch *****, zu bezahlen.

3) Die zweitbeklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei Auskunft darüber zu erteilen, welche Wertgegenstände (Antiquitäten, Bilder, Schmuck) des Dr. Leo F***** am 1. Dezember bzw 18. Dezember 2001 vorhanden waren, soweit diese Wertgegenstände in der Aufstellung der Firma D***** KG gemäß der einen integrierenden Bestandteil des Urteilsbegehrens bildenden Produkt Übersicht mit einer Versicherungssumme von Euro 2.257.562,70 zusammengefasst sind und einen Eid dahingehend zu leisten, dass diese Angaben richtig und vollständig sind, weiters der klagenden Partei 1/15 tel des sich daraus ergebenden Betrages samt 4 % Zinsen seit Klagstag zu bezahlen.

4) Die beklagten Parteien sind schuldig, der klagenden Partei die Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Der Kläger stützte seine Klage auf §§ 785, 951 ABGB und begründete sein Begehren damit, dass sein Vater seiner Halbschwester Barbara S***** mit Schenkungsvertrag vom 10. 2. 1997 den Hälfteanteil der Liegenschaft EZ 192 Grundbuch *****, geschenkt habe. Die zweite Ehefrau seines Vaters habe mit Tauschvertrag vom 26. 6. 2000 je einen Hälfteanteil an den Liegenschaften EZ 1660, 675 und 676 jeweils Grundbuch *****, erworben.

Aufgrund des Testaments vom 15. 10. 1992 sei er pflichtteilsberechtigt. Da aber über die Verlassenschaft das Konkursverfahren eröffnet worden sei, könne sein Anspruch nicht mit dem vorhandenen Verlassenschaftsvermögen gedeckt werden, weshalb seine Halbschwester und die zweite Ehefrau seines Vaters zur Herausgabe ihrer Geschenke verpflichtet seien.

Vor Einbringung der Klage, nämlich mit Schreiben vom 9. 1. 2004, übersandte der Kläger der Beklagten den Klageentwurf und ersuchte sie zur Übernahme der Kosten des Verfahrens.

Die Beklagte antwortete mit Schreiben vom 28. 1. 2004 wie folgt:

Zu der uns vorgelegten Klageschrift bestätigen wir unter folgenden Voraussetzungen Versicherungsschutz:

... weiters behalten wir uns die neuerliche Prüfung der Erfolgsaussichten nach Vorliegen von Sachverständigengutachten vor.

Die Deckungssumme für diesen Versicherungsfall ist mit Euro 32.703,00 begrenzt.

Bereits in der Klagebeantwortung und dann immer wieder begehrten die im Verfahren vor dem Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien Beklagten die Abweisung des Klagebegehrens unter anderem mit der Begründung der Erbunwürdigkeit des Klägers. Zur Untermauerung dieses Begehrens wurden von den Beklagten auch die oben geschilderten Vorfälle (Drohungen) im Jahr 1999 dargetan. Es wurde seitens der Beklagten auch ausgeführt, dass der Kläger bereits größere Geldbeträge von seinem Vater, unter anderem 600.000 ATS aufgrund des Vergleichs im Verfahren AZ 10 Nc 16/97g des Bezirksgerichts Hietzing (Antrag auf Ausstattung), erhalten habe.

Sämtliche Schriftsätze und Verhandlungsprotokolle des Verfahrens 23 Cg 18/04t wurden vom Kläger an die Beklagte weitergeleitet.

Am 17. 9. 2004 verfasste der Klagevertreter ein Schreiben an die Beklagte, in dem er ausführte:

Bei der nächsten Verhandlung sind nur die Einvernahme der Parteien zur Frage der Erbunwürdigkeit sowie die Einsichtnahme in die beantragten Akten vorgesehen, bezüglich der Erbunwürdigkeit bestehen keine Bedenken, dass hier irgend etwas herauskommt.

Am 19. 11. 2004 fand vor dem Gericht eine Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung statt. Bei dieser legten die dort Beklagten das Testament des Erblassers vom 27. 6. 2001 vor.

Daraufhin informierte der Klagevertreter die Beklagte mit Schreiben vom 14. 12. 2004 wie folgt:

... Gleichzeitig hat die Gegenseite quasi als Joker ein angebliches Testament des Erblassers vom 27. 6. 2001 vorgelegt, das ich Ihnen zur Information ebenfalls übersende. Darin werden vom Vater meines Mandanten massive Vorwürfe gegen ihn erhoben.

Das Original des Testaments wurde nicht vorgelegt, auch nicht vorgezeigt. Dies erweckt zwangsläufig Bedenken hinsichtlich der Echtheit. ...

Ich erwäge daher - dies muss ich aber noch mit meinem Mandanten erörtern - die Echtheit des Testaments zu bestreiten. ...

Mit Schreiben vom 26. 4. 2005 teilte der Klagevertreter der Beklagten mit:

... Einvernommen wurden die Zeugen Bernd F*****, der Sohn des Erblassers aus 2. Ehe, Dir. K*****, ein entfernter Verwandter der Gegenseite und Theodor S*****, ehemals Küchenchef.

Die Aussagen sind zwar dem Ergebnis nach für meinen Mandanten nicht sonderlich erfreulich, allerdings hat der Richter durchblicken lassen, dass er die bewiesenen Tatsachen für eine Enterbung als nicht ausreichend ansieht. Dies ist natürlich mit entsprechendem Vorbehalt zu sehen. ...

Mit Schreiben vom 28. 4. 2005 teilte die Beklagte dem Kläger mit:

Wie bereits bekanntgegeben, beträgt die Deckungssumme für diesen Rechtsschutzfall Euro 32.703,00. Dieser Betrag kann voll ausgeschöpft werden. Darüber hinausgehende Kosten sind jedoch von unserem Versicherungsnehmer zu tragen.

Mit Schreiben vom 26. 9. 2005 informierte der Klagevertreter die Beklagte wie folgt:

... Über beiderseitigen Antrag, weil dies zweifellos zweckmäßig ist, hat der Richter das Verfahren zur Fällung eines Zwischenurteils geschlossen, d.h. er wird über den Grund der Klageforderung absprechen. Auf Grund seiner Äußerungen dürfte das Substrat für die geltend gemachte Erbunwürdigkeit zu dünn sein, sodass mit einem Obsiegen in dem Zwischenurteil zu rechnen ist. ...

Mit Urteil vom 25. 11. 2005 wies das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien das Klagebegehren gänzlich ab. Es ging davon aus, dass der Kläger aufgrund seines Verhaltens dem Erblasser gegenüber erbunwürdig sei. Der Kläger unterließ aus Kostengründen eine Berufung gegen dieses Urteil, weshalb am 30. 1. 2006 die Rechtskraft und Vollstreckbarkeit dieses Urteils bestätigt wurden. Die Gesamtkosten für die Vertretung des Klägers durch den Klagevertreter belaufen sich auf 15.704,72 EUR. Die Prozesskosten der Gegenseite wurden gerichtlich mit 14.377,91 EUR bestimmt (Anm: Die Pauschalgebühr betrug 3.573,90 EUR).

Die Beklagte forderte den Kläger während des gesamten Verfahrens und auch vor Einbringung der Klage niemals auf, ihr weitergehende Informationen zuteil werden zu lassen.

In rechtlicher Hinsicht beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt wie folgt:

Der Kläger begehre Rechtsschutzdeckung für eine Klage, mit der Schenkungen seines Vaters an die Halbschwester des Klägers und die zweite Ehefrau seines Vaters, sohin an potenziell Pflichtteilsberechtigte, in den Jahren 1997 und 2000 angefochten worden seien sowie deren Anrechnung auf den Pflichttteil begehrt worden sei. Der vom Kläger als verkürztem Noterben behauptete Gesetzesverstoß liege in der Nichtanrechnung dieser Geschenke im Rahmen des Verlassenschaftsverfahrens, obwohl die Beschenkten dazu gemäß § 785 ABGB zumindest potenziell verpflichtet gewesen wären. Die Fragen des Vorliegens der Voraussetzungen der §§ 784, 951 ABGB bzw der Erfolgsaussichten dieses Verfahrens seien für die Beurteilung eines Geschehens als Versicherungsfall aber nicht maßgeblich; ihnen komme allenfalls im Rahmen der Prüfung der Art 7 bis 9 ARB Bedeutung zu.

Art 7 Punkt 2.5. ARB 1994 schließe den Versicherungsschutz für Versicherungsfälle, die der Versicherungsnehmer vorsätzlich und rechtswidrig herbeigeführt habe sowie für solche, die im Zusammenhang mit der Begehung eines Verbrechens durch den Versicherungsnehmer eingetreten seien, aus. Vorsätzlich und rechtswidrig habe der Kläger die behauptete Nichtanrechnung von Geschenken jedenfalls nicht herbeigeführt. Da es für die zivilrechtliche Frage der Erbunwürdigkeit - wie bereits das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien zu 23 Cg 18/04t richtig ausgeführt habe - unbedeutend sei, ob die strafbare Handlung strafrechtlich bereits verjährt oder ob ein Strafverfahren eingeleitet worden sei, habe der Kläger durch die Verwirklichung des Tatbestands des § 107 Abs 1 und Abs 2 StGB gegen seinen Vater im Jahr 1999 einen Erbunwürdigkeitsgrund gesetzt. Dennoch sei das Verfahren, für das bei der Beklagten um Rechtsschutzdeckung angesucht worden sei - und in weiterer Folge der Versicherungsfall - nicht im Zusammenhang mit der Begehung eines Verbrechens durch den Versicherungsnehmer eingetreten. Vielmehr sei die Frage der „Straf- und Erbunwürdigkeit“ erst im Zuge dieses Verfahrens von der Gegenseite in das Verfahren 23 Cg 18/04t vor dem Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien hineingetragen worden. Die Beklagte sei daher nicht leistungsfrei nach Art 7 Punkt 2.5. ARB.

Gemäß Art 8 Punkt 1.1.1. ARB sei der Versicherungsnehmer verpflichtet, den Versicherer unverzüglich vollständig und wahrheitsgemäß über die jeweilige Sachlage aufzuklären und ihm alle erforderlichen Unterlagen auf Verlangen herauszugeben. Genau dies habe der Kläger aber dadurch getan, dass er der Beklagten von sich aus die Klage sowie sämtliche Schriftsätze und Verhandlungsprotokolle übersandt habe. Damit, dass die Streitigkeiten zwischen dem Kläger und seinem Vater vor allem im Jahr 1999 über das Thema Erbunwürdigkeit Eingang in das Verfahren finden würden, habe der Kläger nicht rechnen müssen, zumal er - wie festgestellt - das Gefühl gehabt habe, dass er sich bis zuletzt ganz gut mit seinem Vater verstanden habe. Es hätte daher durchaus sein können, dass der Erblasser ihm sein Verhalten aus dem Jahr 1999 verziehen hätte. Eine noch umfassendere Informationsaufbereitung dahin, dass der Kläger die Beklagte über alle Streitigkeiten mit seinem Vater informieren hätte müssen, würde eine Überspannung der in Art 8 ARB festgelegten Obliegenheiten bedeuten. Vom Testament vom 27. 6. 2001 habe der Kläger - wie ebenfalls feststehe - keine Kenntnis gehabt. Er habe unverzüglich die Beklagten informiert, als er davon Kenntnis erlangt habe. Dass er von seinem Vater im Jahr 1997 600.000 ATS als Ausstattung bekommen hatte, sei ebenfalls bereits der an die Beklagte übersandten Klagebeantwortung des dortigen Verfahrens zu entnehmen. Der Kläger habe die Beklagte daher in jedem Stand des Verfahrens ausführlich, umfassend und rechtzeitig über die Sachlage informiert und eine Obliegenheit im Sinn des Art 8 somit nicht verletzt.

Gemäß Art 9 ARB sei der Versicherer jederzeit berechtigt, die Erfolgsaussichten zu prüfen. Dem Sachverhalt sei aber kein Umstand zu entnehmen, wie oder womit der Kläger die Prüfung der Erfolgsaussichten durch die Beklagte verhindert oder erschwert haben könnte. Die Beklagte habe mit Schreiben vom 28. 1. 2004 die Deckung vorbehaltlich der neuen Prüfung der Erfolgsaussichten zugesagt. Aus Art 9 ARB ergebe sich zwar, dass der Versicherer jederzeit die Übernahme von Kosten wegen nicht hinreichender oder wegen fehlender Aussicht auf Erfolg ablehnen könne, gemäß Art 9 Punkt 4 ARB müssten aber die Kosten, die bis zum Zeitpunkt der Mitteilung der Ablehnung bereits aufgelaufen seien, jedenfalls vom Versicherer getragen werden, sofern die Voraussetzungen des Versicherungsschutzes vorlägen. Dass das Verfahren 23 Cg 18/04t des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien prinzipiell vom Versicherungsschutz umfasst sei, sei unbestritten. Andere Hindernisse für die Nichtübernahme der Kosten lägen nicht vor.

Da die Beklagte nach dem unbestritten gebliebenen Vorbringen des Klägers die Rückforderung der bereits ausbezahlten Beträge in Aussicht gestellt habe, sei auch ein berechtigtes Interesse des Klägers an der begehrten Feststellung zu bejahen.

Das Berufungsgericht änderte die Entscheidung des Erstgerichts dahin ab, dass es sowohl das Leistungs- als auch das Feststellungsbegehren abwies. Es erkannte der Beweisrüge des Klägers in der Berufungsbeantwortung keine Berechtigung zu und übernahm die Feststellungen des Erstgerichts als Ergebnis einer unbedenklichen Beweiswürdigung. Das Berufungsgericht widersprach jedoch der erstgerichtlichen Beurteilung, dass der vom Kläger behauptete Gesetzesverstoß weder im Tod des Erblassers noch in der Errichtung des Testaments durch den Erblasser, sondern in der Nicht-Anrechnung der Geschenke im Rahmen des Verlassenschaftsverfahrens durch die Beklagten im Verfahren 23 Cg 18/04t des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien zu erblicken sei, dass dieser Versicherungsfall vom Versicherungsnehmer weder vorsätzlich noch rechtswidrig noch im Zusammenhang mit der Begehung eines Verbrechens durch den Versicherungsnehmer eingetreten sei und dass der Ausschlussgrund nach Art 7 Punkt 2.5. ARB nicht vorliege.

Die Nicht-Anrechnung der Geschenke stelle einen Verstoß des Gegners des Versicherungsnehmers dar. Die Beklagte, die sich auf den Ausschlussgrund nach Art 7 Punkt 2.5. ARB berufe, könne aber nur einen Verstoß des Versicherungsnehmers meinen und erblicke daher zutreffend im vom Kläger gesetzten Verhalten (in den Drohungen und Beschimpfungen gegen den Erblasser) den Verstoß gegen Rechtspflichten, der den Keim eines Rechtskonflikts, der zur Aufwendung von Rechtskosten führe, in sich trage. Insoweit sei den Ausführungen des Erstgerichts zum Versicherungsfall hinzuzufügen, dass nach Art 2 Punkt 3 ARB bei mehreren Verstößen der erste adäquat ursächliche Verstoß maßgeblich sei. Die Nichtanrechnung durch die Beklagte sei daher zweifellos erst nach dem Tod des Erblassers im Verlassenschaftsverfahren erfolgt, während die Beschimpfungen und Drohungen zu Lebzeiten des Erblassers stattgefunden hätten, sodass der Versicherungsfall bereits 1999 durch diese Umstände, also im Zusammenhang mit der Begehung eines Verbrechens, eingetreten sei. Es liege daher der Ausschlussgrund nach Art 7 Punkt 2.5. ARB vor.

Was die Auskunftsobliegenheit des Art 8 Punkt 1.1.1 ARB betreffe, habe der Kläger zwar der Beklagten den Gang des Verfahrens 23 Cg 18/04t des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien durch Schriftsätze und Beilagen dokumentiert; er habe es aber geflissentlich unterlassen, ihr im Voraus den Sachverhalt mitzuteilen, der eine Enterbung begründen hätte können (und im Folgenden auch begründet habe). Entgegen der Ansicht des Erstgerichts sei es ohne Bedeutung für die Aufklärungspflicht des Klägers, ob er damit habe rechnen müssen, dass die Streitigkeiten aus dem Jahr 1999 Eingang in das Verfahren finden würden; unerheblich sei auch die Interpretation seiner eigenen Gefühle bzw derer des Erblassers durch den Kläger sowie die Möglichkeit, dass der Erblasser ihm hätte verzeihen können. Es mache nämlich einen bedeutenden Unterschied, ob der Kläger von sich aus der Beklagten den Sachverhalt mitteile, der eine Enterbung begründen könne oder ob die Beklagte lediglich aus Schriftsätzen des Prozessgegners davon Kenntnis erlange, wobei der Kläger die Richtigkeit dieses Vorbringens noch dazu bestritten oder „verniedlicht“ habe; könne sich doch der Versicherer bei insoweit unterlassenen Information „erst zum Zeitpunkt des rechtskräftigen Urteils“ ein Bild vom wahren Sachverhalt machen und die Erfolgsaussichten aufgrund zutreffender Sachverhaltsgrundlage prüfen. Dass die mangelnde Information zumindest grob fahrlässig nach Kenntnis der Klagebeantwortung im Verfahren 23 Cg 18/04t des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien erfolgt sei, bedürfe keiner weiteren Erörterung. Dazu habe der Kläger auch nichts vorgebracht.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil zur Frage des Eintritts des Versicherungsfalls im Erbrecht-Rechtsschutz „bisher kaum“ Judikatur bestehe.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision des Klägers wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Abänderungsantrag, das Urteil des Erstgerichts wiederherzustellen und dem Klagebegehren stattzugeben; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und auch berechtigt.

Für den Eintritt des Versicherungsfalls in der Rechtsschutzversicherung bedarf es nach ständiger Rechtsprechung eines gesetz- oder vertragswidrigen Verhaltens eines Beteiligten, das als solches nicht sofort und ohne weiteres nach außen zu dringen braucht. Ein Verstoß ist ein tatsächlicher, objektiv feststellbarer Vorgang, der immer dann, wenn er wirklich vorliegt oder ernsthaft behauptet wird, den Keim eines Rechtskonflikts in sich trägt, der zur Aufwendung von Rechtskosten führen kann. Damit beginnt sich die vom Rechtsschutzversicherer übernommene Gefahr konkret zu verwirklichen. Es kommt nicht darauf an, ob der Handelnde sich des Verstoßes bewusst oder infolge von Fahrlässigkeit oder auch unverschuldet nicht bewusst war. Es soll sich um einen möglichst eindeutig bestimmbaren Vorgang handeln, der in seiner Konflikt auslösenden Bedeutung für alle Beteiligten, wenn auch erst nachträglich, erkennbar ist. Es kommt weder auf den Zeitpunkt an, zu dem die Beteiligten vom Verstoß Kenntnis erlangten, noch darauf, wann aufgrund des Verstoßes Ansprüche geltend gemacht oder abgewehrt werden (RIS-Justiz RS0114001; zuletzt: 7 Ob 12/09d).

Ist kein einheitliches Verstoßverhalten des Schädigers erkennbar, handelt es sich bei den einzelnen schädigenden Verhaltensweisen jeweils um einen rechtlich selbständigen neuen Verstoß. Die Beweislast für den Eintritt des Versicherungsfalls im versicherten Zeitraum trifft den Versicherungsnehmer. War nach der Sachlage schon beim ersten Verstoß mit weiteren gleichartigen Verstößen zu rechnen, liegen in der Regel nicht mehrere selbständige Verstöße, sondern ein einheitlicher Verstoß im Rechtssinn vor. Dies kann sowohl bei vorsätzlichen Verstößen der Fall sein, bei denen der Wille des Handelnden von Vornherein den Gesamterfolg umfasst und auf dessen „stoßweise Verwirklichung“ durch mehrere gleichartige Einzelhandlungen gerichtet ist, wie auch bei Fällen gleichartiger fahrlässiger Verstöße, die unter wiederholter Außerachtlassung derselben Pflichtenlage begangen werden RIS-Justiz RS0111811; zu allem: 7 Ob 12/09d).

Von diesen Grundsätzen ausgehend wendet sich der Kläger zu Recht gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, für den Eintritt des Versicherungsfalls sei nicht der Verstoß des Gegners des Versicherungsnehmers (also die Nichtanrechnung der Geschenke im Verlassenschaftsverfahren) maßgebend, weil sich die Beklagte auf den Ausschlussgrund nach Art 7 Punkt 2.5. ARB berufe und daher nur das vom Kläger als Versicherungsnehmer gesetzte Verhalten, also seine Drohungen und Beschimpfungen, dafür entscheidend sein könnten; gilt doch auch nach dem hier anzuwendenden Art 2 Punkt 3 ARB, auf den sich die Revisionsbeantwortung zutreffend beruft, „der tatsächliche oder behauptete Verstoß des Versicherungsnehmers, Gegners oder Dritten gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften“ als Versicherungsfall. Dass von diesen Varianten vorliegend nur ein Verstoß des Gegners in Betracht kam, ergibt sich im Übrigen schon daraus, dass der Kläger die Rechtsschutzdeckung nicht zur Anspruchsabwehr begehrt, sondern zur Geltendmachung seiner Ansprüche gemäß §§ 785 Abs 1 und 951 Abs 1 ABGB in einem Aktivprozess. Der in diesem Verfahren geltend gemachte Verstoß des Gegners des Versicherungsnehmers trat aber - wie auch das Berufungsgericht erkennt - jedenfalls erst mit der Nichtanrechnung der Geschenke durch die Verwandten des Klägers im Rahmen des Verlassenschaftsverfahrens ein. Außerdem wurde dieser Verstoß (also der Versicherungsfall) nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig vom Kläger herbeigeführt und ist auch nicht „im Zusammenhang“ mit der Begehung eines Verbrechens durch den Versicherungsnehmer eingetreten. Die Revision verweist zutreffend auf die Rechtsprechung zur Rechtsschutzversicherung, wonach die Enterbung in der letztwilligen Verfügung noch nicht als Versicherungsfall zu qualifizieren ist, weil dadurch noch gar nicht feststeht, ob sie nach dem Tod des Erblassers überhaupt zum Tragen kommt (RIS-Justiz RS0114000 = 7 Ob 43/00z). Gleiches muss auch für die den Versicherungsnehmer im vorliegenden Fall angelasteten Verfehlungen gegenüber dem Erblasser gelten.

Die Revisionsbeantwortung beruft sich demgegenüber weiterhin im Wesentlichen darauf, durch die Verfahrensergebnisse des Verfahrens 23 Cg 18/04t des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien sei „objektiviert“, dass der Kläger erbunwürdig sei und weiters, dass er seinem Vater gedroht habe. Der Versicherungsfall sei daher im Sinn des Art 7 Punkt 2.5. ARB vorsätzlich herbeigeführt und die Beklagte sei entgegen der Obliegenheit des Art 8 ARB nicht wahrheitsgemäß darüber informiert worden. Dabei wird jedoch verkannt, dass es dem Rechtsschutzversicherer nach ständiger Rechtsprechung verwehrt ist, sich bei der Deckungsablehnung auf Argumente zu berufen, die erst im Haftpflichtprozess unter Beweis zu stellen sind. Es muss daher im Deckungsprozess, wenn im „Haftpflichtprozess“ (zu deckenden Prozess) reine Tatfragen strittig sein werden, grundsätzlich damit sein Bewenden haben, die im „Haftpflichtprozess“ (hier: zu deckender Vorprozess) anzubietenden Beweismittel einer Prüfung zu unterziehen, ob sie grundsätzlich geeignet sind, dem Kläger im „Haftpflichtprozess“ zum Erfolg zu verhelfen, wobei sie aber grundsätzlich nicht bereits im Deckungsprozess aufzunehmen sind. Dies gilt insbesondere für jene Beweismittel, die in einem hohen Maß der richterlichen Würdigung unterliegen, wie dies bei Zeugen- und Parteiaussagen und Sachverständigengutachten der Fall ist (RIS-Justiz RS0081927; jüngst: 7 Ob 103/08k). Demgemäß kam eine ex post Beurteilung der „Erfolgsaussichten“ [!] anhand von Umständen, die - wie die Beklagte selbst festhält - (erst) durch die Verfahrensergebnisse des Verfahrens 23 Cg 18/04t des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien „objektiviert“ wurden, jedenfalls nicht in Betracht. Das Erstgericht hat vielmehr zutreffend erkannt, dass der Versicherer zwar nach Art 9 Punkt 2 ARB jederzeit berechtigt ist, die Erfolgsaussichten zu prüfen, gemäß Art 9 Punkt 4 ARB aber die Kosten, die bis zum Zeitpunkt der Mitteilung der Deckungsablehnung bereits aufgelaufen sind, jedenfalls zu tragen hat, sofern die Voraussetzungen des Versicherungsschutzes vorliegen. Davon ist hier auszugehen; angesichts der umfassenden Informationserteilung durch den Kläger kann nämlich auch von einer Verletzung der Aufklärungsobliegenheit nach Art 8 Punkt 1.1.1. ARB keine Rede sein.

Die Beklagte ist daher zur Übernahme der (Gesamt-)Kosten des Klägers für das Verfahren 23 Cg 18/04t des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien bis zur Höhe der - unstrittigen - Deckungssumme verpflichtet, weshalb der Revision Folge zu geben und das Ersturteil wiederherzustellen ist.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO.

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