OGH 7Ob235/13d

OGH7Ob235/13d29.1.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. A***** GmbH & Co KG, 2. A***** GmbH, *****, beide vertreten durch Held Berdnik Astner & Partner Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei Ö***** ‑ Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch bpv Hügel Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Feststellung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. Oktober 2013, GZ 5 R 69/13y‑33, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Der Beklagten ist dahin zuzustimmen, dass nach der Rechtsprechung die in einem Berufungsurteil enthaltene unrichtige Wiedergabe der Feststellungen des Erstgerichts eine Aktenwidrigkeit begründen kann (RIS‑Justiz RS0116014). Diese wäre gegebenenfalls dadurch zu bereinigen, dass das Revisionsgericht die tatsächlichen Feststellungen seiner rechtlichen Beurteilung unterzieht. Überdies kann nur eine für das Urteil wesentliche Aktenwidrigkeit den Revisionsgrund nach § 503 Z 3 ZPO bilden (RIS‑Justiz RS0043265).

Das Berufungsgericht verwies auf die Feststellungen des Erstgerichts, die den wesentlichen Inhalt der Schreiben vom 28. 12. 2009 und 12. 2. 2010 wiedergeben. Im Schreiben vom 12. 2. 2010 wird unter anderem festgehalten, dass aufgrund des Verstreichens der Frist zur Vorlage einer Fortbestehensprognose gemäß Schreiben vom 28. 12. 2009 Fälligkeit der gesamten Obligi eingetreten sei. Das Schreiben enthält weiters die Aufforderung, die genannten Beträge bis längstens 3. 3. 2010 auf den jeweiligen Konten gutzuschreiben. Der Umstand, dass das Berufungsgericht in seiner rechtlichen Beurteilung verkürzt von der am 12. 2. 2010 erfolgten „Fälligstellung“ spricht, bedeutet keine Aktenwidrigkeit.

2. Die von der Beklagten als erheblich bezeichnete Frage, ob der Kreditgeber mehrerer endfälliger Kredite im Fall einer Verschlechterung oder Gefährdung der Vermögensverhältnisse des Kreditnehmers berechtigt sei, auf die Vorlage einer Fortbestehensprognose zu bestehen, stellt sich nicht, wie die folgenden Ausführungen zeigen.

2.1 Dauerschuldverhältnisse können durch einseitige Erklärung vorzeitig aufgelöst werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, der die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses für einen der Vertragsteile unzumutbar erscheinen lässt. Als wichtige Gründe kommen insbesondere Vertragsverletzungen, der Verlust des Vertrauens in die Person des Vertragspartners oder schwerwiegende Änderungen der Verhältnisse in Betracht, welche die Fortsetzung der vertraglichen Bedingungen nicht mehr zumutbar erscheinen lassen (RIS‑Justiz RS0018305, RS0018377, RS0027780, RS0019365). Maßgebend für die Beendigung der Geschäftsverbindung aus wichtigen Gründen, insbesondere wegen Eintritts einer wesentlichen Verschlechterung der Vermögenslage, und die sofortige Fälligstellung der Salden ist, dass dem Kreditinstitut nach Abschluss der einzelnen Darlehens‑ oder Kreditverträge Umstände bekannt wurden, die das Vertrauen erschüttern. Es kommt nicht gerade darauf an, dass sich die Entwicklung von einem ganz bestimmten Tag auf einen anderen bestimmten Tag ändert, sondern es ist die Gesamtentwicklung von Bedeutung (RIS‑Justiz RS0052565). Bei der die Vertrauenswürdigkeit des Bankkunden beeinträchtigenden beispielhaft aufgezählten Tatsachen der wesentlichen Verschlechterung des Vermögens und der erheblichen Vermögensgefährdung sind nicht so sehr streng juristische Maßstäbe, sondern wirtschaftliche Gesichtspunkte und die Verkehrsauffassung bestimmend (RIS‑Justiz RS0105348).

2.2 Das Berufungsgericht hat diese oberstgerichtliche Rechtsprechung richtig wiedergegeben. Welche schwerwiegenden Gründe im Einzelfall die Unzumutbarkeit der Fortsetzung eines Dauerschuld-verhältnisses bewirken und zu dessen Auflösung berechtigen, ist eine Frage der Abwägung im Anlassfall und kann nur aus einer umfassenden Sicht aller dafür und dagegen sprechenden Gegebenheiten des Einzelfalls beantwortet werden (RIS‑Justiz RS0018305, RS0042834, RS0111817).

2.3 Im zweiten Halbjahr 2009 kam es zu einer Verschlechterung der Vermögenslage der Klägerinnen, woraufhin umfangreiche Besprechungen folgten. Mit Schreiben vom 28. 12. 2009 forderte die Beklagte letztlich die Zahlung der zu diesem Zeitpunkt noch aushaftenden Beträge in Höhe von 3.100 EUR und die Beibringung eines Tilgungsträgers bis 15. 1. 2010, weiters die Vorlage einer Fortbestehensprognose bis 1. 2. 2010, andernfalls die Fälligstellung der gesamten aushaftenden Salden erfolgte. Die Zahlung der offenen Beträge und die Beibringung eines Tilgungsträgers erfolgten umgehend, auch die Fortbestehensprognose wurde unverzüglich in Auftrag gegeben. Mitte Jänner 2010 forderte die Beklagte weiters, dass in der Fortbestehensprognose auch die wirtschaftlichen Verflechtungen der Klägerinnen berücksichtigt würden. Dem von den Klägerinnen zu diesem Zeitpunkt bereits bestellten „Sanierungsmanager“ war es nicht möglich, bis 1. 2. 2010 eine abschließende Fortbestehensprognose zu erstellen, weshalb er die Beklagte unter Bekanntgabe, dass die Unternehmen nicht überschuldet seien und die Zahlungsfähigkeit bis mindestens 30. 6. 2010 gegeben sei, um eine Verlängerung der Frist bis 15. 2. 2010 ersuchte. Die Beklagte reagierte darauf mit Schreiben vom 12. 2. 2010, in dem sie darauf hinwies, dass auf Grund des ergebnislosen Verstreichens der Frist zur Vorlage der Fortbestehensprognose gemäß dem Schreiben vom 28. 12. 2009 Fälligkeit der gesamten Obligi eingetreten sei. Am 15. 2. 2010 wurde der Beklagten ‑ wie angekündigt ‑ eine positive Fortbestehensprognose übermittelt.

2.4 Die Vorinstanzen gestanden der Beklagten im Hinblick auf die im zweiten Halbjahr 2009 aufgetretenen Schwierigkeiten ohnedies zu, unter anderem die Vorlage einer Fortbestehensprognose verlangen zu können. Deren weitere Rechtsansicht, im vorliegenden Fall sei der Beklagten die Fortsetzung der Kreditverhältnisse trotz der ‑ geringen und angekündigten, unter anderem auf die zusätzlichen Anforderungen der Beklagten zurückgehenden -Überschreitung der Frist zur Vorlage der letztlich positiven Fortbestehensprognose, zumutbar, hält sich im Rahmen der oberstgerichtlichen Rechtsprechung.

3. Zusammenfassend zeigt die außerordentliche Revision keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf. Einer weiteren Begründung bedurfte dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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