OGH 7Ob229/16a

OGH7Ob229/16a25.1.2017

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M* R*, vertreten durch Kinberger‑Schuberth‑Fischer Rechtsanwälte GmbH in Zell am See, gegen die beklagte Partei A* M*, vertreten durch Mag. Michael Rettenwander, Rechtsanwalt in Saalfelden, wegen Leistungen, über die „außerordentliche“ Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 21. September 2016, GZ 22 R 164/16w‑26, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Zell am See vom 25. März 2016, GZ 20 C 827/14x‑20, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:E116994

 

Spruch:

Die Akten werden dem Berufungsgericht zur Ergänzung seiner Entscheidung durch einen gesonderten Bewertungsausspruch über das Begehren auf Reduktion des Baum- und Strauchbewuchses (Punkt 1. des Begehrens) einerseits und auf Herstellung sowie Erhaltung eines ortsüblichen Zaunes (Punkt 2. des Begehrens) andererseits zurückgestellt.

 

Begründung:

Der Kläger begehrt vom Beklagten,

1. auf dessen näher bezeichnetem Grundstück die im Bereich der Grenze zu einem Grundstück des Klägers befindlichen Bäume bzw den Strauchbewuchs auf eine Höhe von maximal 2,5 m zu reduzieren und

2. sein Grundstück an der Nord-, West- und Südseite mit einem ortsüblichen Zaun zu umgeben und diesen in Hinkunft auf eigene Kosten zu erhalten.

Der Kläger stützt seine Begehren im Wesentlichen auf folgende in Punkt XIII. des mit dem Rechtsvorgänger des Beklagten abgeschlossenen Kaufvertrags enthaltene, nicht verbücherte Verpflichtung des Käufers (des Rechtsvorgängers des Beklagten):

„Der Käufer verpflichtet sich hiemit für sich und seine Rechtsnachfolger im Besitz des Kaufobjektes den Verkäufern und deren Rechtsnachfolgern im Besitz der Liegenschaft ... gegenüber, dafür Sorge zu tragen, dass entlang der Grundgrenze des Kaufobjektes zur Liegenschaft der Verkäufer keine Bäume und kein Strauchbewuchs besteht, der höher als zwei einhalb Meter Wuchs aufweist. Weiters noch das Kaufobjekt an der Nord-, Ost- und Südseite mit einem ortsüblichen Zaun zu umgeben und diesen Zaun in Hinkunft auf eigene Kosten zu erhalten.“

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zu Punkt 1. statt und wies jenes zu Punkt 2. ab.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten gegen den klagsstattgebenden Teil des Ersturteils nicht Folge. Der Berufung des Klägers gab es teilweise, nämlich dahin Folge, dass es den Beklagten verpflichtete, sein Grundstück an der Nord- und Westseite mit einem ortsüblichen Zaun zu umgeben und diesen in Hinkunft auf eigene Kosten zu erhalten; im Umfang des Mehrbegehrens, nämlich den Zaun auch an der Südseite zu errichten und zu erhalten, bestätigte es die Klagsabweisung.

Das Berufungsgericht sprach unter Hinweis darauf, dass der Kläger seine Ansprüche aus einem Vertrag ableite, aus, dass der Wert seines Entscheidungsgegenstands (gemeint: insgesamt) 5.000 EUR, nicht jedoch 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass ein bestimmtes Verhalten des Beklagten (bzw seines Rechtsvorgängers) im Zusammenhang mit der strittigen Zaunerrichtung kein Widersetzen im Sinn des § 1488 ABGB dargestellt habe, solle einer Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof zugänglich gemacht werden.

Rechtliche Beurteilung

1. Gemäß § 502 Abs 2 ZPO ist die Revision jedenfalls unzulässig, wenn der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat, an Geld oder Geldeswert 5.000 EUR nicht übersteigt. In diesem Fall ist der Ausspruch des Gerichts zweiter Instanz über die Zulässigkeit der Revision wirkungslos.

2. Werden in einer Klage mehrere Forderungen geltend gemacht, so bilden sie nur dann einen einheitlichen Streitgegenstand, wenn die Voraussetzungen der Zusammenrechnung nach § 55 Abs 1 JN erfüllt sind. Diese Regelung gilt auch für Rechtsmittelverfahren (§ 55 Abs 4 JN) und damit für den Entscheidungsgegenstand (RIS‑Justiz RS0053096; RS0037838 [T38]).

3. Ein tatsächlicher Zusammenhang liegt vor, wenn die Ansprüche aus demselben Klagesachverhalt abgeleitet werden können, wenn also das für einen Anspruch erforderliche Sachvorbringen ausreicht, um auch über den anderen Anspruch ohne ergänzendes weiteres Sachvorbringen entscheiden zu können (RIS‑Justiz RS0042766). Ein rechtlicher Zusammenhang liegt etwa dann vor, wenn die Ansprüche aus demselben Vertrag oder derselben Rechtsnorm abgeleitet werden. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn jeder der mehreren Ansprüche ein ganz verschiedenes rechtliches und tatsächliches Schicksal haben kann (RIS‑Justiz RS0037648 [T11 und T20]); in einem solchen Fall ist jeder Anspruch gesondert zu beurteilen, ohne dass eine Zusammenrechnung stattfände.

4. Der Kläger beruft sich mit seinen beiden Begehren zwar im Grunde auf ein und denselben Vertrag, macht daraus aber völlig unterschiedliche Ansprüche geltend. Ob der Bewuchs mit Bäumen und Sträuchern die vereinbarte Höhe (nicht) übersteigt, hängt von anderen Tatfragen und damit von einem anderen Sachvortrag ab als die vertragsgemäße ortsübliche Umzäunung des Grundstücks. Dass die beiden Begehren ein unterschiedliches rechtliches Schicksal haben können, machen schon die Entscheidungen der Vorinstanzen deutlich, die diese aus rechtlichen Erwägungen unterschiedlich beurteilten. Auch die Zulassungsfrage des Berufungsgerichts bezieht sich lediglich auf das Begehren zu Punkt 2. Bei der Bewertung des Entscheidungsgegenstands hat daher keine Zusammenrechnung zu erfolgen.

5. Das Berufungsgericht wird aus den dargestellten Erwägungen gesonderte Bewertungsaussprüche nachzutragen und die Akten sodann neuerlich vorzulegen haben. Erst danach lässt sich die Zulässigkeit der Revision beurteilen.

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