OGH 7Ob214/12i

OGH7Ob214/12i18.2.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** GmbH, *****, vertreten durch MMMag. Dr. Franz Josef Giesinger Rechtsanwalt GmbH in Götzis, gegen die beklagte Partei W***** AG *****, vertreten durch Dr. De Cillia ‑ Mag. Kalmann, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen 9.828,64 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 8. August 2012, GZ 3 R 121/12x‑19, womit das Urteil des Bezirksgerichts Spittal an der Drau vom 20. April 2012, GZ 2 C 769/11t‑15, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Zwischen den Parteien besteht ein Betriebshaftpflichtversicherungsvertrag, dem die Allgemeinen und Ergänzenden Allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHVB 2005, EHVB 2005) zugrunde liegen. Art 7 AHVB 2005 (in der Folge: AHVB) lautet:

„Was ist versichert (Risikoausschlüsse)?

1. Unter die Versicherung fallen insbesondere nicht

1.1. Ansprüche aus Gewährleistung für Mängel;

...

1.3. Die Erfüllung von Verträgen und die an die Stelle der Erfüllung tretende Ersatzleistung;

...

9. Die Versicherung erstreckt sich nicht auf Schadenersatzverpflichtungen wegen Schäden, die an den vom Versicherungsnehmer (oder in seinem Auftrag oder für seine Rechnung von Dritten) hergestellten oder gelieferten Arbeiten oder Sachen infolge einer in der Herstellung oder Lieferung liegenden Ursache entstehen;

10. Die Versicherung erstreckt sich nicht auf Schadenersatzverpflichtungen wegen Schäden an

...

10.4. beweglichen Sachen, die bei oder infolge ihrer Benützung, Beförderung, Bearbeitung oder einer sonstigen Tätigkeit an oder mit ihnen entstehen;

10.5. jenen Teilen von unbeweglichen Sachen, die unmittelbar Gegenstand der Bearbeitung, Benützung oder einer sonstigen Tätigkeit sind;

...“

Weiters vereinbarten die Parteien die MH1‑Beilage zur Betriebshaftpflichtversicherung‑Medium (in der Folge: MH1), die regelt:

„4.2.13.: Tätigkeiten an unbeweglichen Sachen:

Schadenersatzverpflichtungen wegen Schäden an jenen Teilen von unbeweglichen Sachen, die unmittelbar Gegenstand der Bearbeitung, Benützung oder einer sonstigen Tätigkeit sind, gelten abweichend von Artikel 7.10.5 AHVB mitversichert.“

Die H***** GmbH beauftragte die Klägerin anlässlich des Ausbaus der Thermalanlage ihres Hotels mit den notwendigen Installationsarbeiten für den Umbau der Heizungsanlage. Zwei Wärmepumpen bestellte die H***** GmbH direkt bei einem anderen Unternehmer, der diese auch aufzustellen und in Betrieb zu nehmen hatte. Die Klägerin hatte den Auftrag, die Wärmepumpen an das Heizungssystem anzuschließen und Frostschutzmaßnahmen zu setzen. Statt der dafür notwendigen Durchflussmengenwächter montierten die Arbeiter der Klägerin ungeeignete Strömungswächter, wodurch es in der Folge zu Frostschäden an den Wärmepumpen kam. Der Lieferant der Wärmepumpen behob die daran entstandenen Frostschäden, wofür Kosten von 6.952,80 EUR anfielen.

Die Wärmepumpen können komplikationslos ‑ wie Heizkörper ‑ vom Heizungssystem abgekoppelt und ausgetauscht werden. Es ist nur das in den Leitungen befindliche Wasser abzulassen.

Der Lieferant der Wärmepumpen klagte die Klägerin auf Zahlung des Reparaturaufwands. Die Klägerin wurde unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens des Lieferanten (dessen Arbeiter hätten anlässlich der Inbetriebnahme der Wärmepumpen die mangelnde Sicherung durch Strömungswächter bemerken müssen und es sei ihm eine Warnpflichtverletzung anzulasten) wurde die Klägerin zur Bezahlung von drei Viertel des Schadens sowie zum anteiligen Ersatz von Prozesskosten verpflichtet.

Die Klägerin begehrt nun die Deckung für den Schadensfall. Sie habe die Schadensbehebungskosten entsprechend dem vom Lieferanten erwirkten Urteil samt Zinsen und Kosten (soweit Rechtsschutzversicherungsdeckung bestanden habe, seien die Ansprüche abgetreten worden) getragen. Die Ansprüche seien Mangelfolgeschäden, die wegen des Einbaus ungeeigneten Frostschutzes an den Wärmepumpen entstanden seien. Die Ansprüche fielen nicht unter den Gewährleistungsausschluss. Der Ausschluss durch Artikel 7.10.4. AHVB komme nicht zum Tragen, weil die Wärmepumpen Zugehör zum Hotelbetrieb (zur Liegenschaft) und damit unbeweglich seien. Abweichend von Art 7.10.5. AHVB seien Schadenersatzverpflichtungen wegen Schäden an Teilen von unbeweglichen Sachen, die unmittelbar Gegenstand der Bearbeitung gewesen seien, mitversichert.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Die Klägerin habe ein mangelhaftes Werk hergestellt, sodass ein Gewährleistungsfall vorliege, der von der Haftpflichtversicherung nicht gedeckt sei. Die Versicherung erstrecke sich gemäß Art 7 AHVB nicht auf Schadenersatzverpflichtungen wegen Schäden an beweglichen Sachen (solche seien die Wärmepumpen) und auch nicht auf jene Teile von unbeweglichen Sachen, die unmittelbar Gegenstand der Bearbeitung oder einer sonstigen Tätigkeit gewesen seien.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Arbeiten der Klägerin hätten sich auf das gesamte Heizungssystem und damit zumindest indirekt auch auf die Wärmepumpen bezogen. Folge davon seien die Frostschäden gewesen. Es handle sich um einen „Gewährleistungsschaden“, der nicht gedeckt sei. Außerdem sei der Ausschlusstatbestand nach Art 7.10.4. AHVB gegeben, weil die Wärmepumpen bewegliche Sachen seien. Sie seien ohne besonderen Aufwand und ohne Beeinträchtigung ihrer Substanz gleich einem Heizkörper von der Gesamtanlage zu trennen.

Das Berufungsgericht bestätigte das angefochtene Urteil. Die Klägerin mache zwar kein Gewährleistungssurogat geltend, sondern einen von der Betriebshaftpflichtversicherung grundsätzlich gedeckten Mangelfolgeschaden, der mangels Einbaus geeigneter Frostwächter an den Wärmepumpen entstanden sei. Die Beklagte könne sich aber auf die Ausschlussklausel nach Art 7.10.4. AHVB stützen, weil die Wärmepumpen als bewegliche Sachen zu beurteilen seien. Die Frage der Zugehöreigenschaft der Wärmepumpen zur Thermalanlage/Heizungsanlage des Hotels könne bei der Frage des Eigentumserwerbs eine Rolle spielen, sei hier aber nicht von Belang. Der Anschluss an die Heizungsanlage sei unter bewusster und gewollter Einwirkung auf die Wärmepumpen als bewegliche Sachen erfolgt, sodass der Ausschlusstatbestand verwirklicht worden sei.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil oberstgerichtliche Judikatur zur Frage fehle, ob die Zugehöreigenschaft eines Bestandteils einer Heizungsanlage zu einer Gesamtsache (Thermalanlage) bei der Beurteilung der Tätigkeitsklausel gemäß Art 7.10.4. AHVB eine Rolle spiele, sodass eine an sich bewegliche Sache (Wärmepumpe) zur unbeweglichen werden könnte.

Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin mit einem Abänderungsantrag, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, sie ist auch im Sinn des Aufhebungsantrags berechtigt.

Nicht mehr strittig ist, dass Mangelfolgeschäden, also Schäden, die sich nicht unmittelbar auf die Erstellung des Werks beziehen, sondern daraus resultieren, dass die mangelhafte Leistung an anderen Vermögenswerten Schäden hervorruft, von der Haftpflichtversicherung gedeckt sind (7 Ob 60/00z, 7 Ob 114/08b; RIS‑Justiz RS0114204). Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Rechtsfrage, ob die Wärmepumpen im Sinn der Risikoausschlussklausel nach Art 7.10.4. AHVB als bewegliche Sache oder im Sinn des Art 7.10.5. AHVB und des dazu erfolgten Risikoeinschlusses durch die Klausel 4.2.13. MH1 als Teile von unbeweglichen Sachen zu beurteilen sind.

Zum Risikoausschluss durch Tätigkeitsklauseln besteht bereits Judikatur:

Der Risikoausschluss greift nur dann Platz, wenn die Schäden an jenen Teilen von unbeweglichen Sachen eintreten, die unmittelbar Gegenstand der Bearbeitung, Benützung oder einer sonstigen Tätigkeit sind. Dies hat zur Voraussetzung, dass die Teile der unbeweglichen Sache selbst Objekt dieser Tätigkeit sind (RIS‑Justiz RS0081507). Sie setzt ein bewusstes und gewolltes, auf einen bestimmten Zweck abgestelltes Verhalten voraus, bei dem sich auch der Handlungswille auf die unbewegliche Sache erstrecken muss (RIS‑Justiz RS0081482). Eine für den Einbau in ein Gebäude bestimmte Sanitärzeile ist schon vor dem Einbau als Gebäudeteil als Teil einer unbeweglichen Sache anzusehen. Die Einschätzung, ob eine Sache beweglich oder unbeweglich ist, kann nicht losgelöst vom Versicherungszweck betrachtet werden, sondern muss im Zusammenhang mit dem versicherten Risiko gesehen werden (RIS‑Justiz RS0118106). Ist in einer Ausschlussklausel von „Teilen“ einer unbeweglichen Sache die Rede, kommt es darauf an, welche Leistungen der Versicherungsnehmer zu erbringen hatte, ob sich seine Erfüllungshandlung auf einen abgrenzbaren Teil der unbeweglichen Sache zu erstrecken hatte, wie dieser nach der Verkehrsauffassung abzugrenzen war, sowie darauf, welche Teile der Sache durch die Haupttätigkeit zwangsläufig in Mitleidenschaft gezogen werden mussten (RIS‑Justiz RS0081542).

Zur insoweit vergleichbaren deutschen Rechtslage ist allgemein anerkannt, dass es sich bei dem Ausschluss („Teile von unbeweglichen Sachen“) um wesentliche oder unwesentliche Bestandteile nach den §§ 93 ff BGB handelt. Auf die selbständige rechtliche oder wirtschaftliche Bedeutung kommt es nicht an. Mehrere begrifflich durchaus voneinander zu trennende einzelne Bestandteile können als Einheit angesehen werden. Darüber entscheidet die Verkehrsanschauung ( Voit/Knappmann in Prölss/Martin , VVG 27 , § 4 AHB Rn 61; Littbarski , AHB, § 4 Rn 253; Späte , Haftpflichtversicherung, § 4 AHB Rn 136; Wussow , AHB 8 , S 474).

Auch Art 7.10.5. AHVB ist in diesem Sinn vom durchschnittlichen Versicherungsnehmer zu verstehen. Es kommt damit nicht auf die rechtliche Einordnung der Wärmepumpen als Zugehör zu einer unbeweglichen Sache oder als selbständige oder unselbständige Bestandteile einer unbeweglichen Sache an und auch nicht darauf, ob sie selbst als beweglich oder unbeweglich zu beurteilen sind. Vielmehr ist Folgendes auschlaggebend:

Die Klägerin hatte von dem Werkbesteller den Auftrag, den Umbau der Heizungsanlage vorzunehmen. Dazu gehörte auch die Einbindung der vom Werkbesteller beigestellten und von ihm zugekauften Wärmepumpen. Die Heizungsanlage als Gesamtheit ist mit dem Haus fix verbunden und auch zu seinem Gebrauch gewidmet und damit eine unbewegliche Sache (vgl RIS‑Justiz RS0081542). Die Wärmepumpen gehören nach der Verkehrsanschauung zum Betrieb der Heizungsanlage und sind damit im Sinn der AHVB Teile einer unbeweglichen Sache. Tritt der Mangelfolgeschaden an den Wärmepumpen als Teil einer unbeweglichen Sache ein, auf die sich die Tätigkeit der Klägerin unmittelbar bezog, so fällt er unter den Risikoausschluss nach Art 7.10.5. AHVB. Da durch die Klausel 4.2.13. MH1 wieder ein Risikoeinschluss erfolgt, ist dieser Mangelfolgeschaden gedeckt.

Auf Grund der vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht hat es das Erstgericht unterlassen, sich mit den übrigen Einwänden der Beklagten (im Klagsbetrag sei ein Erfüllungssurogat enthalten, zum Zinsenbegehren udgl) gegen den Klagsanspruch auseinanderzusetzen. Dies wird es im fortzusetzenden Verfahren nachzuholen haben.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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