OGH 7Ob213/13v

OGH7Ob213/13v26.2.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Erlagssache der Erlegerin W***** T***** GmbH, *****, gegen die Erlagsgegner 1. R***** B*****, und 2. Minderjähriger A***** J***** B*****, geboren am *****, beide: *****, vertreten durch Dr. Thomas Nirk, Rechtsanwalt in Wien, 3. L***** B*****, und 4. Minderjähriger L***** R***** B*****, geboren am *****, beide: *****, vertreten durch Dr. Thomas Romauch, Rechtsanwalt in Wien, und 5. I***** T***** Szolgaltato Zrt., *****, vertreten durch Singer Fössl Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Ausfolgung des Erlags von 881.426,62 EUR, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Fünfterlagsgegnerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 11. September 2013, GZ 42 R 84/13d‑39, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 25. Jänner 2013, GZ 9 Nc 33/11s‑31, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0070OB00213.13V.0226.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die Dritterlagsgegnerin und der Vierterlagsgegner sind zur ungeteilten Hand schuldig, der Fünfterlagsgegnerin die mit 7.735,47 EUR (darin enthalten 1.250,25 EUR an USt und 234 EUR an Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die Erst‑ und Zweiterlagsgegner haben die Kosten ihrer Rekursbeantwortung selbst zu tragen.

Begründung

Die Erst‑ bis Vierterlagsgegner sind die Erben nach R***** B*****. Er war bis zum Zeitpunkt seines Todes am 1. 4. 2007 Minderheitsgesellschafter einer Aktiengesellschaft (AG), deren Mehrheitsgesellschafterin die Fünfterlagsgegnerin war. Mit Hauptversammlungsbeschluss vom 18. 7. 2008 wurde der Ausschluss der Minderheitsgesellschafter sowie die Übertragung ihrer Aktien an die Fünfterlagsgegnerin gegen Gewährung einer angemessenen Barabfindung gemäß § 1 GesAusG beschlossen. Die Erlegerin wurde zur Treuhänderin bestellt, um die Barabfindung der Minderheitsaktionäre Zug um Zug gegen Übergabe der Aktien sicherzustellen.

Die Erlegerin beantragte, den Erlag wegen unklarer Sach‑ und Rechtslage gemäß § 1425 ABGB anzunehmen und brachte vor, die Fünfterlagsgegnerin habe sie angewiesen, die Abfindung auf Grund einer gegenüber den Erst‑ bis Vierterlagsgegnern erklärten Aufrechnung in gleicher Höhe einzubehalten und nicht auszuzahlen. Der Aufrechnungsbetrag ergebe sich aus einer behaupteten Forderung der AG gegenüber ihrem ehemaligen Dienstnehmer, dem Erblasser. Die AG habe die Forderung an die Fünfterlagsgegnerin abgetreten. Über die Forderung sei zwischen der AG und den Erst‑ bis Vierterlagsgegnern zu 3 Cg 227/08s des Landesgerichts St. Pölten ein Gerichtsverfahren anhängig, dessen Ausgang offen sei. Die Aufrechnung sei im Ergebnis für die Treuhänderin beachtlich.

Mit rechtskräftigem Beschluss vom 9. 2. 2011 nahm das Erstgericht den Erlag an und sprach aus, dass die Ausfolgung des Geldbetrags nur über einvernehmlichen Antrag der Erlagsgegner oder auf Grund einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung im Gerichtsverfahren zu 3 Cg 227/08s des Landesgerichts St. Pölten über die dort strittige Forderung von 881.426,62 EUR möglich sei.

Die Fünfterlagsgegnerin beantragt nun die Ausfolgung des erlegten Betrags unter Vorlage des rechtskräftigen Urteils des Landesgerichts St. Pölten vom 6. 2. 2012. Danach wurden die Erst‑ bis Vierterlagsgegner zur Zahlung an die AG in der Höhe von insgesamt 756.336,72 EUR samt 4 % Zinsen seit 21. 2. 2009 und zum Ersatz von Kosten in der Höhe von insgesamt 49.279,85 EUR verpflichtet.

Die Dritterlagsgegnerin und der Vierterlagsgegner wandten dagegen ein, dass derzeit diverse Verfahren beim zuständigen Pflegschaftsgericht, etwa im Zusammenhang mit der erforderlichen Pauschalgebühr für das Verfahren beim Obersten Gerichtshof sowie die Angelegenheit „Erlag eines Betrages von 10.000 EUR durch den Rechtsanwalt der Erst‑ und Zweiterlagsgegner“, noch nicht meritorisch erledigt seien.

Die Fünfterlagsgegnerin bestritt, dass derartige Verfahren anhängig seien und brachte vor, dass solche auch keinen Einfluss auf die Ausfolgung hätten.

Das Erstgericht ordnete die Ausfolgung des erlegten Betrags abzüglich Verwahrungskosten nach Rechtskraft des Beschlusses an die Fünfterlagsgegnerin an. Die Ausfolgungsbedingungen seien durch die Vorlage des rechtskräftigen Urteils erfüllt. Die Forderung samt Zinsen, Kosten und Barauslagen übersteige den Erlagsbetrag.

Das Rekursgericht änderte über Rekurs der Dritterlagsgegnerin und des Vierterlagsgegners den Beschluss dahin ab, dass der Ausfolgungsantrag der Fünfterlagsgegnerin abgewiesen werde. Erst‑ und Zweiterlagsgegner hatten Rekursbeantwortungen erstattet, in denen sie beantragten, dem Rekurs Folge zu geben. Das Rekursgericht erkannte die im Rekurs ausgeführten Einwendungen der Dritterlagsgegnerin und des Vierterlagsgegners als unberechtigt. Es habe keinen Einfluss auf das Ergebnis der Entscheidung, ob der minderjährige Vierterlagsgegner von der Pauschalgebühr für seine erfolglose Revision im Wege der Verfahrenshilfe befreit werde oder nicht. Ebensowenig hänge das Bestehen einer rechtskräftig titulierten Zahlungs‑ und einer daraus resultierenden Ausfolgungsverpflichtung davon ab, ob das Pflegschaftsgericht der Erfüllung einer derartigen Verpflichtung in Ansehung der minderjährigen Zahlungspflichtigen zugestimmt habe. Im Rahmen der umfassenden rechtlichen Überprüfung sei aber zu beachten, dass im Erlagsbeschluss nicht ohne weiteres ersichtlich sei, unter welchen Voraussetzungen eine Ausfolgung überhaupt als zulässig zu erachten sei. Die Ausfolgungsbedingungen stellten ohne nähere Konkretisierung ausdrücklich auf den Ausgang des Verfahrens vor dem Landesgericht St. Pölten ab, das jedoch nicht zwischen den Erst‑ bis Vierterlagsgegnern einerseits und der Fünfterlagsgegnerin andererseits anhängig sei und auch nicht auf Zustimmung zur Ausfolgung, sondern auf Zahlung laute. Die Frage der Forderungsabtretung sei Gegenstand des Verfahrens gewesen. Es sei einerseits die mangelnde Aktivlegitimation der Klägerin (AG) wegen der behaupteten Forderungsabtretung an die Fünfterlagsgegnerin, andererseits die Rechtsmissbräuchlichkeit dieser Abtretung eingewendet worden, weil diese ohne Rechtsgrund lediglich in dem Bestreben erfolgt sei, der Fünfterlagsgegnerin wider Treu und Glauben und gegen das Verbot der Einlagenrückgewährung eine Aufrechnung zu ermöglichen. Die Forderungsabtretung sei im rechtskräftigen Urteil gemäß § 234 ZPO im Sinn der Irrelevanztheorie außer Betracht geblieben, sodass auf die Fragen der Rechtswirksamkeit der Abtretung und/oder Aufrechnung nicht näher eingegangen worden sei. Nicht vorstellbar sei aber, dass die Erlegerin als Treuhänderin, hätte sie dies bedacht, auch dann mit einer Ausfolgung des hinterlegten Betrags einverstanden gewesen wäre, wenn die Forderungsabtretung und/oder Aufrechnung nicht rechtswirksam wäre. Dass weder sie noch die Erst‑ bis Vierterlagsgegner im Ausfolgungsverfahren die Rechtsunwirksamkeit der Abtretung und/oder Aufrechnung jemals eingewendet hätten, sei im Ausfolgungsverfahren unerheblich, weil dadurch die rechtskräftig festgesetzten Ausfolgungsbedingungen nicht nachträglich verändert werden könnten. Die Erfüllung der Ausfolgungsbedingungen sei im außerstreitigen Verfahren jedoch von Amts wegen zu prüfen. Zweifel gingen zu Lasten des Ausfolgungswerbers, weshalb der Ausfolgungsantrag der Fünfterlagsgegnerin derzeit abzuweisen sei. Nicht zu berücksichtigen sei, ob die mangels ausdrücklicher Einigung im streitigen Rechtsweg vorzunehmende Klärung der aufgezeigten Fragen mehr als eine ‑ wohl mit erheblichen Kosten verbundene ‑ weitere Verzögerung der Ausfolgung mit sich bringen könne.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage unzulässig sei.

Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Fünfterlagsgegnerin mit dem Antrag, den erstinstanzlichen Beschluss wiederherzustellen, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Oberste Gerichtshof stellte die Erstattung von Revisionsrekursbeantwortungen frei. Die Erst‑ bis Vierterlagsgegner beantragen (nur im Sinn der Argumentation des Rekursgerichts), den Revisionsrekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, er ist auch berechtigt.

Die Ausfolgung eines gemäß § 1425 ABGB erlegten Geldbetrags kann nur erfolgen, wenn der Erleger und der, zu dessen Gunsten erlegt wurde, zustimmen oder wenn die Bedingungen, die beim Erlag für die Ausfolgung gesetzt wurden, erfüllt sind (RIS‑Justiz RS0033517). Die Frage der Erfüllung der Ausfolgungsbedingungen ist von der ‑ allenfalls im streitigen Verfahren zu entscheidenden ‑ Frage zu unterscheiden, ob der Erleger die gestellten Bedingungen aufstellen durfte (7 Ob 43/01a mwN). Die Zustimmung des Erlegers zur Ausfolgung ist nicht erforderlich (6 Ob 153/08f mwN; RIS‑Justiz RS0033540, RS0033549; Reischauer in Rummel ³, § 1425 ABGB Rz 35). Der Erlagsgegner kann als Gläubiger den Rechtsgrund der Hinterlegung nicht einseitig abändern (RIS‑Justiz RS0033562; Heidinger aaO Rz 42).

Wie sich aus dem Erlagsantrag eindeutig ergibt, war Grund für den Erlag die unklare Sach‑ und Rechtslage hinsichtlich der Forderung der AG gegen den ehemaligen Dienstnehmer und Erblasser. Obwohl die Erlegerin auf die Abtretung der Forderung an die Fünfterlagsgegnerin und deren Aufrechnungserklärung verwies, nannte sie nicht auch die AG als Erlagsgegnerin, woraus sich unzweifelhaft ableiten lässt, dass die Rechtsfragen der Zession und Kompensation (dazu ausdrücklich) für sie als Schuldnerin nicht unklar waren. Insofern wurde auch sinnvoll als Bedingung formuliert, dass die Ausfolgung vom Ausgang des Verfahrens zwischen der AG und den Erst‑ bis Vierterlagsgegnern im genannten Verfahren vor dem Landesgericht St. Pölten abhängen sollte, dessen Gegenstand die Prüfung dieser Forderung war.

Einem rechtmäßigen Erlag nach § 1425 ABGB kommt grundsätzlich schuldbefreiende Wirkung zu (RIS‑Justiz RS0033636). Es obliegt also ‑ wie oben dargelegt ‑ dem Erleger, der sich von der Schuld befreien will, den Erlagszweck zu definieren und die Ausfolgungsbedingungen festzulegen. Dies ist hier auch geschehen. Die Rechtsansicht des Rekursgerichts läuft im Ergebnis aber auf eine ‑ noch dazu amtswegige ‑ Abänderung der eindeutigen Erlagsbedingungen hinaus.

Die Fünfterlagsgegnerin legt das rechtskräftige Urteil im genannten Verfahren vor dem Landesgericht St. Pölten vor, nach dem die Forderung der AG als berechtigt erkannt wurde. Damit sind die Ausfolgungsbedingungen erfüllt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 AußStrG.

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