European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0070OB00021.23Y.0516.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Bestandrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO und, soweit sie sich gegen die Kostenentscheidung richtet, als jedenfalls unzulässig zurückgewiesen.
Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Revisionsbeantwortung wird gemäß § 508a Abs 2 Satz 2 ZPO abgewiesen.
Begründung:
[1] Mit der am 22. September 2021 beim Erstgericht eingelangten Aufkündigung erklärte die Klägerin gegenüber der damals noch unvertretenen Verlassenschaft nach der verstorbenen Mutter der beiden Beklagten die Beendigung des Mietvertrags wegen § 30 Abs 2 Z 5 MRG unter Einhaltung einer einmonatigen Kündigungsfrist zum (richtig) 31. Oktober 2021.
[2] Die Beklagten hatten ihrerseits mit Einschreiben vom 21. September 2021 im Namen der Verlassenschaft das Bestandverhältnis zum 31. Oktober 2021 postalisch und zusätzlich am selben Tag per E‑Mail aufgekündigt. Das Einschreiben langte am 27. September 2021, die E-Mail am 22. September 2021 bei der Klägerin ein.
[3] Die Bewilligung der Aufkündigung durch das Erstgericht erfolgte am 11. Oktober 2021 nach Vorliegen der Amtsbestätigung über die Vertretungsbefugnis des Zweitbeklagten für die Verlassenschaft und wurde diesem am 18. Oktober 2021 zugestellt.
[4] Am 2. November 2021 wurde die Wohnung geräumt an die Klägerin übergeben.
[5] Mit Beschluss vom 28. Dezember 2021 wurde die Bezeichnung der beklagten Verlassenschaft auf die Beklagten als eingeantwortete Erben berichtigt.
[6] Das Erstgericht erklärte die Aufkündigung mit 30. November 2021 für rechtswirksam, das Berufungsgericht hob die Aufkündigung auf.
Rechtliche Beurteilung
[7] 1. Das Vorbringen der Klägerin, die Beklagten seien gemäß § 810 Abs 2 ABGB ohne Genehmigung des Gerichts gar nicht zur Kündigung des Bestandverhältnisses befugt gewesen, weil sie erst am 10. November 2021 ihre jeweilige bedingte Erbantrittserklärung abgegeben hätten, wurde in erster Instanz nicht erstattet und verstößt daher gegen das Neuerungsverbot.
[8] 2. Eine Kündigung ist dann für rechtsunwirksam zu erklären, wenn eine dasselbe Bestandverhältnis betreffende, zu einem früheren Kündigungstermin eingebrachte, Kündigung bereits rechtswirksam das Bestandverhältnis aufgelöst hat. Es fehlt in diesem Fall denknotwendig an der Möglichkeit, das Bestandverhältnis zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal aufzulösen (RS0020941).
[9] Gemäß § 33 Abs 1 erster Satz MRG idF der WRN 2006 können Mietverträge vom Mieter auch schriftlich gekündigt werden (vgl auch RV 1183 BlgNR 22. GP 43). Durch die der Klägerin Ende September 2019 zugegangene schriftliche Kündigung der Beklagten, die keiner Annahme bedurfte (RS0028555 [T2, T3]) und ihre Wirkung mit Zugang entfaltete (RS0028555 [T1]), war das Bestandverhältnis zum 31. Oktober 2021 beendet. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass aus diesem Grund die mit Beschluss des Erstgerichts vom 11. Oktober 2021 bewilligte Kündigung aufzuheben sei, ist daher nicht korrekturbedürftig (vgl 10 Ob 46/19s zur außergerichtlichen Auflösung gemäß § 1117 ABGB sowie 3 Ob 64/21i zur außergerichtlichen Auflösung gemäß § 1118 ABGB). Dass sowohl die außergerichtliche Auflösung des Bestandvertrags als auch die Beendigung des Bestandverhältnisses auf Grundlage dieser Auflösungserklärung vor dem Zeitpunkt der Einbringung der gerichtlichen Aufkündigung erfolgen müsste, ist der zitierten Rechtsprechung nicht zu entnehmen.
[10] Der Argumentation der Klägerin, sie müsse auch im Fall der außergerichtlichen Kündigung durch den Mieter jedenfalls das Recht haben, das Bestandverhältnis gerichtlich zu kündigen, weil sie damit ihren Räumungsanspruch unmittelbar exekutiv durchsetzen könne, ist hier schon deshalb nicht zu folgen, weil die geräumte Übergabe der Wohnung ohnehin bereits am 2. November 2021, also vor dem infolge der verspäteten Zustellung möglichen Wirksamwerden der gerichtlichen Kündigung (vgl § 563 Abs 2 ZPO), erfolgte.
[11] 3. Die Revision ist jedenfalls unzulässig, soweit sie sich gegen die Kostenentscheidung des Berufungsgerichts wendet (RS0044233 [T27]; RS0053407 [T10]).
[12] 4. Für die vor Freistellung durch den Obersten Gerichtshof eingebrachte Revisionsbeantwortung steht den Beklagten gemäß § 508a Abs 2 letzter Satz ZPO kein Kostenersatzanspruch zu.
[13] 5. Dieser Beschluss bedarf keiner weiteren Begründung (§ 510 Abs 3 ZPO).
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