OGH 7Ob209/11b

OGH7Ob209/11b30.11.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Ernst Eypeltauer und andere Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei V***** KG, *****, vertreten durch Dr. Peter Wagner und andere Rechtsanwälte in Linz, wegen 382.276,37 EUR (sA), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 12. September 2011, GZ 6 R 297/11b-15, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die im vorliegenden Rechtsstreit maßgebliche Bestimmung des Punktes 5.30.2 der Ö-Norm B 2110 ist - ebenso wie die im Wesentlichen gleiche Vorgängerbestimmung des Punktes 2.13.2 der Ö-Norm A 2060 - nach ständiger Rechtsprechung dahin zu verstehen, dass sie zwei verschiedene Tatbestände erfasst: 1. den Fall, dass der Auftragnehmer - bewusst oder unbewusst - in der Schlussrechnung nicht alle Forderungen geltend gemacht hat, wobei der Vorbehalt dann schon in die Schlussrechnung aufgenommen werden muss, und 2. jenen Fall, dass der Auftraggeber vom Schlussrechnungsbetrag Abzüge vornimmt und entsprechend weniger bezahlt (8 Ob 141/07d ua; vgl RIS-Justiz RS0070863). Die sachliche Rechtfertigung für diese Regelung liegt im Zweck der Bestimmung, die Rechtslage bei Bauprojekten mit zumeist hohen Auftragssummen möglichst innerhalb kurzer Zeit zu klären (8 Ob 141/07d ua; vgl RIS-Justiz RS0122419). Der Auftraggeber soll zu einem möglichst frühen Zeitpunkt das gesamte Ausmaß seiner Verpflichtungen überschauen und erfahren können (7 Ob 208/07z mwN ua).

Die angefochtene Entscheidung der zweiten Instanz folgt diesen in ständiger Judikatur vertretenen Grundsätzen. Die Frage, ob der Werkunternehmer einen ausreichenden Vorbehalt im Sinn der genannten Bestimmung in die Schlussrechnung aufgenommen hat, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und ist daher nur dann revisibel, wenn dem Berufungsgericht eine Fehlbeurteilung unterläuft, die aus Gründen der Rechtssicherheit vom Obersten Gerichtshof korrigiert werden muss. Das trifft im vorliegenden Fall nicht zu: Dass es sich, wie die Klägerin behauptet, beim Hinweis auf ein Schreiben vom 16. 12. 2008 um einen Schreibfehler handeln habe müssen und klar gewesen sei, dass das Schreiben vom 14. 11. 2008 gemeint gewesen sei, steht nicht fest. Damit müssen aber alle auf das Schreiben vom 14. 11. 2008 bezogenen Einwände der Revisionswerberin ins Leere gehen. Wie der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 1 Ob 67/08x klargestellt hat, können bereits vor Legung der Schlussrechnung oder vor Annahme der davon abweichenden Schlusszahlung abgegebene Erklärungen nach dem klaren Wortlaut der Bestimmung nicht ausreichend sein. Das Unterbleiben eines Vorbehalts in der Schlussrechnung ist nämlich als nachträgliche Abstandnahme von früher erklärten Vorbehalten zu werten. Die Bestimmung könnte ihre Zielsetzung, möglichst rasch Klarheit über die Abrechnung zu schaffen, nicht erreichen, wenn jeder irgendwann im Zuge des Bauvorhabens erklärte Vorbehalt geprüft werden müsste. Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin lässt sich auch aus der Entscheidung 9 Ob 111/06y für deren Standpunkt nichts gewinnen. Zwar wird dort ausgeführt, dass es reichen könne, wenn der schriftliche Vorbehalt in der Schlussrechnung auf frühere, dem Erklärungsempfänger bekannte schriftliche Unterlagen Bezug nimmt. Im vorliegenden Fall kann aber, wie bereits erwähnt, eben nicht davon ausgegangen werden, dass in der Schlussrechnung auf das Schreiben der Klägerin vom 14. 11. 2008 hingewiesen worden wäre.

Auch die Frage, ob aus der vom Auftraggeber vorgenommenen Korrektur der Schlussrechnung der Differenzbetrag nachvollziehbar hergeleitet werden kann, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Eine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung liegt auch diesbezüglich nicht vor.

Dass, wie die Revisionswerberin noch einwendet, eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einem vergleichbaren Sachverhalt fehlt, bedeutet keineswegs, dass die Entscheidung von der Lösung einer im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhinge. Besonderheiten der Fallgestaltung schließen vielmehr eine richtungsweisende Judikatur des Obersten Gerichtshofs sogar eher aus (RIS-Justiz RS0102181).

Insgesamt zeigt die Revisionswerberin keinen tauglichen Grund für die Zulassung ihres außerordentlichen Rechtsmittels auf, das daher als unzulässig zurückzuweisen ist. Dies bedarf nach § 510 Abs 3 ZPO keiner weiteren Begründung.

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