OGH 7Ob206/12p

OGH7Ob206/12p28.11.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und durch die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Minderjährigen J***** K*****, geboren am 1. März 1996, derzeit im Haushalt des Vaters (Antragsgegners) H***** K*****, dieser vertreten durch Mag. Susanne Hautzinger‑Darginidis, Rechtsanwältin in Wien, wegen Obsorgeübertragung, über den Revisionsrekurs der Mutter (Antragstellerin) E***** V*****, vertreten durch Prof. Dr. Walter Strigl und andere Rechtsanwälte in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 22. August 2012, GZ 16 R 248/12b-65, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 62 Abs 1 AußStrG ist gegen einen im Rahmen des Rekursverfahrens ergangenen Beschluss der Revisionsrekurs nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt. Eine solche Frage zeigt der Revisionsrekurs der Mutter nicht auf:

Die Zulassungsvorstellung des außerordentlichen Revisionsrekurses macht im Wesentlichen geltend, dass die Vorinstanzen von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung abgewichen seien, wonach der Wunsch des Kindes, den Pflegeplatz zu wechseln, nicht der einzige Grund für die mit dem angestrebten Obsorgewechsel verbundene Entziehung der Rechte des anderen Elternteils sein könne.

Demgegenüber entspricht es jedoch gesicherter Judikatur, dass der ernsthafte Wunsch eines Minderjährigen, künftig auf Dauer beim anderen Elternteil zu leben, einen wichtigen Grund für einen Obsorgewechsel im Sinn des § 176 ABGB darstellen kann (6 Ob 7/10p mwN; zuletzt auch 3 Ob 66/11v). Je älter ein bereits einsichts- und urteilsfähiges Kind ist, desto eher ist seinem Wunsch nach einem Obsorgewechsel zu entsprechen (RIS-Justiz RS0048820 [T4]). Ab dem zwölften Lebensjahr ist dabei jedenfalls von der Urteilsfähigkeit eines Kindes bezüglich einer Obsorgezuteilung auszugehen (RIS-Justiz RS0048820 [T9]).

Im vorliegenden Fall ist die Minderjährige bereits 16 Jahre alt und lebte die letzten eineinhalb Jahre bereits bei ihrem Vater, weil sie den ausdrücklichen, unbeeinflussten Wunsch auf Obsorgewechsel geäußert hat.

Demgemäß ist auch schon ein Antrag der Mutter nach § 146b ABGB unter anderem an der Feststellung gescheitert, dass eine (auch nur vorübergehende) Rückführung gegen den ausdrücklichen Willen der mündigen, gegenüber der Mutter „absolut negativ“ eingestellten Minderjährigen (in Anbetracht ihres langgehegten, reiflich überlegten und festen Wunsches nach einer Obsorgeübertragung an den Vater) das psychische Wohl der Minderjährigen „beeinträchtigen“ würde. Den dagegen erhobenen Revisionsrekurs hat der erkennende Senat mangels erheblicher Rechtsfragen zurückgewiesen (Beschluss vom 31. 8. 2011, GZ 7 Ob 91/11z-39).

Die Rechtsmittelwerberin ist daher nur noch ‑ wie auch im zitierten Beschluss ‑ auf Folgendes hinzuweisen:

Die Mangelhaftigkeit des Verfahrens wurde vom Rekursgericht bereits verneint, was ‑ auch im Verfahren außer Streitsachen ‑ einer neuerlichen Geltendmachung in dritter Instanz entgegensteht (RIS-Justiz RS0050037 [insb T7]; 7 Ob 91/11z mwN; jüngst: 6 Ob 150/12w) und die Fragen, ob eine Gefährdung des Kindeswohls im Sinn des § 176 Abs 1 ABGB vorliegt und welche Verfügungen zur Sicherung des Kindeswohls nötig sind, hängen von den besonderen Umständen des konkreten Falls ab. Wenn ‑ wie hier ‑ auf das Kindeswohl ausreichend Bedacht genommen wurde, kommt diesen Umständen keine erhebliche Bedeutung im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG zu (RIS-Justiz RS0115719; RS0114625 [T5]; RS0050037 [T11]; RS0007101 [T1]; 7 Ob 91/11z mwN).

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