OGH 7Ob201/17k

OGH7Ob201/17k24.1.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und durch die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Höllwerth, Dr. E. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D* A*, vertreten durch Greindl & Köck Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei H* M*, vertreten durch Mag. Arno Pajek, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Berufungsgericht vom 19. September 2017, GZ 22 R 22/17s‑14, womit das Urteil des Bezirksgerichts Korneuburg vom 24. März 2017, GZ 2 C 169/16s‑8, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E120581

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts insgesamt wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 959,09 EUR (darin enthalten 157,85 EUR an USt und 214 EUR an Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Am 13. 5. 1995 schlossen die Klägerin und die Rechtsvorgänger der Beklagten einen Mietvertrag über die gegenständliche Wohnung mit einer Mietdauer vom 1. 6. 1995 bis 31. 5. 2000. Das Mietverhältnis wurde infolge mehrfach verlängert, zuletzt für den Zeitraum vom 1. 11. 2007 bis 31.10.2010.

2010 erwarb die Beklagte Wohnungseigentum am Bestandobjekt. Im August 2010 rief sie die Klägerin an, um einen Termin für eine Verlängerung des Mietvertrags zu vereinbaren. Die Klägerin meinte daraufhin, dass „das ja eh passe mit dem Mietvertrag“. Die Beklagte erkundigte sich in der Folge und war der Meinung, dass es in Ordnung sei, wenn man den Mietvertrag mündlich für weitere drei Jahre verlängere.

Im Jahr 2013 dachte die Beklagte jedoch, dass die Klägerin und sie, „doch etwas schriftlich machen sollten, damit sie beide etwas in der Hand haben“. Nach vorheriger Terminvereinbarung kam die Beklagte am 19. 3. 2013 mit einem (handschriftlichen) Mietvertrag zur Klägerin. Dieser lautete auszugsweise wie folgt:

„II. Mietdauer

Das Mietverhältnis beginnt am 1. März 2013 und wird auf die Dauer von drei Jahren abgeschlossen.“

Bezüglich der Mietdauer wollte die Klägerin, dass das Enddatum des Mietverhältnisses schriftlich festgehalten werde. Die Beklagte vermerkte daraufhin im Einvernehmen mit der Klägerin im Mietvertrag zu „Punkt II. Mietdauer“ handschriftlich: „Ende 28. Februar 2016“, woraufhin die Streitteile den Mietvertrag unterfertigten.

Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass zwischen ihr als Mieterin und der Beklagten als Vermieterin an der konkret angeführten Wohnung ein unbefristetes Mietverhältnis bestehe. Der Mietvertrag vom 19. 3. 2013 habe rückwirkend mit 1. 3. 2013 beginnend und befristet auf drei Jahre abgeschlossen werden sollen, wobei als Enddatum ausdrücklich der 28. 2. 2016 angeführt worden sei. Allerdings habe der Februar 2016 29 Tage gehabt. Durch die unzulässige Rückdatierung und die unrichtige Angabe des Endtermins sei die Befristung unwirksam.

Die Beklagte beantragt die Klagsabweisung. Sie habe mit der Klägerin am 19. 3. 2013 eine dreijährige Befristung des Mietverhältnisses vereinbaren wollen. Dass 2016 ein Schaltjahr gewesen sei, sei beiden Parteien nicht bewusst gewesen. Sie habe auch nicht die Rechtsunkenntnis der Klägerin ausgenutzt; diese sei im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses in keiner Weise unter Druck gestanden. Der rechtswirksam befristete Mietvertrag vom 19. 3. 2013 sei nach Ablauf der Vertragsdauer weder verlängert, noch aufgelöst worden. Zwischen den Streitteilen liege daher ein gesetzlich verlängerter befristeter Mietvertrag bis Ende Februar 2019 vor.

Das Erstgericht wies das Feststellungsbegehren ab. Nach Ablauf der (im Jahr 2007) wirksam vereinbarten Vertragsdauer bis zum 31. 10. 2010 sei der Mietvertrag weder verlängert noch aufgelöst worden, weshalb er gemäß § 29 Abs 3 lit b MRG auf drei Jahre (somit bis 31. 10. 2013) als erneuert gegolten habe. Hinsichtlich des Vertragsabschlusses im Jahr 2013 liege in der Anführung des 28. 2. 2016 als Endtermin eine unschädliche übereinstimmende Fehlbezeichnung durch die Parteien, sodass der Mietvertrag befristet bis 29. 2. 2016 zustande gekommen sei. Auch durch die Rückdatierung des Mietvertrags auf 1. 3. 2013 liege eine Unterschreitung der Mindestbefristung des § 29 Abs 1 Z 3 lit b MRG nicht vor. Schließlich habe sich die Klägerin in keiner Drucksituation befunden; genausowenig könne von einem Ausnutzen der Rechtsunkenntnis der Klägerin die Rede sein. Da der Mietvertrag vom 19. 3. 2013 nach Ablauf der wirksam verlängerten Vertragsdauer bis zum 29. 2. 2016 weder verlängert noch aufgelöst worden sei, gelte er wiederum als auf drei Jahre – also bis Ende Februar 2019 – erneuert. Zwischen den Parteien bestehe daher kein unbefristetes Mietverhältnis.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil im klagsstattgebenden Sinn ab. Die Vereinbarung vom 19. 3. 2013 widerspreche § 29 Abs 1 Z 3 lit b MRG insoweit, als der Beginn des verlängerten Vertragsverhältnisses auf den 1. 3. 2013 rückdatiert worden sei. Dies stelle einen Verstoß gegen zwingende Befristungsregeln dar. Die Parteien hätten daher einen nicht durchsetzbaren Endtermin vereinbart. Gemäß § 29 Abs 3 lit a MRG würden Mietverträge auf bestimmte Zeit, deren Ablauf wegen eines Verstoßes gegen die Regeln des Abs 1 Z 3 oder des Abs 4 nicht durchgesetzt werden könne, als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen und erneuert gelten. Das Feststellungsbegehren erweise sich daher als berechtigt.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision der Beklagten mit einem Abänderungsantrag. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin begehrt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen; hilfsweise ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, sie ist auch berechtigt.

1. Gemäß § 29 Abs 1 Z 3 lit b MRG wird der Mietvertrag durch Ablauf der vereinbarten Vertragsdauer aufgelöst, allerdings nur, wenn bei Wohnungen die ursprünglich vereinbarte Vertragsdauer oder die Verlängerung der Vertragsdauer (§ 29 Abs 4 MRG) jeweils mindestens drei Jahre beträgt. Nach § 29 Abs 4 MRG können Mietverträge, die nach § 29 Abs 1 Z 3 MRG befristet sind, schriftlich beliebig oft um jede – bei Wohnungen jedoch drei Jahre jeweils nicht unterschreitende – Vertragsdauer erneuert werden. Wird die Mindestdauer im ersten Vertrag oder in der Verlängerung unterschritten, ist die Befristung nicht durchsetzbar und es liegt ein unbefristeter Mietvertrag vor.

2. Nach ständiger Rechtsprechung ist die Befristung durchsetzbar, wenn der Vertrag schriftlich errichtet wurde und wenn von vornherein durch Datum oder Fristablauf ein Endtermin bestimmt ist (RIS‑Justiz RS0090569). Es genügt jede Formulierung, die der Absicht des Gesetzgebers entspricht, nämlich dass sich der Mieter von vornherein auf eine bestimmte Mietdauer einstellen kann. Dies ist der Fall, wenn entweder der Endtermin datumsmäßig angegeben oder wenn er durch die Angabe des Anfangszeitpunkts und der Mietdauer eindeutig festgelegt ist (RIS‑Justiz RS0070201). Der bedingte Endtermin muss aus der Urkunde selbst (2 Ob 196/11d; auch RIS‑Justiz RS0112243) hervorgehen.

Ganz allgemein lässt sich die Frage, ob eine durchsetzbare Befristung erfolgt, durch Vertragsauslegung ermitteln (RIS‑Justiz RS0090569 [T8]). Ungeachtet des Wortlauts der förmlichen Erklärung und ihres normativen Verständnisses ist auch eine formbedürftige Willenserklärung entsprechend dem tatsächlich übereinstimmenden Verständnis der Beteiligten gültig (RIS‑Justiz RS0017280). Dieser Grundsatz wurde auch bei der Beurteilung mietrechtlicher Befristungsvereinbarungen angewandt (RIS‑Justiz RS0017280 [T3]). Selbst eine Falschbezeichnung in der Urkunde schadet nicht, wenn die Parteien ein übereinstimmendes Verständnis vom Ende der Frist hatten (10 Ob 43/17x mwN).

3. Gegen das – diese Rechtsprechung berücksichtigende – Auslegungsergebnis des Berufungsgerichts, dass der letzte Tag im Februar 2016 der Endtermin sein sollte, wendet sich die Klägerin in der Revision nicht mehr.

4. Sie erachtet aber weiterhin die im Mietvertrag/der Verlängerungsvereinbarung vom 19. 3. 2013 enthaltene Befristung aufgrund der Vordatierung des Mietbeginns auf den 1. 3. 2013 als unzulässig.

4.1 Zu 4 Ob 601/95 sah der Oberste Gerichtshof den Abschluss des schriftlichen Mietvertrags am 28. 2. 1991 mit der Vereinbarung eines Mietverhältnisses ab 1. 1. 1991 auf die Dauer von einem Jahr somit bis 1. 1. 1992 als unbedenklich an.

In der Entscheidung 5 Ob 208/10i war die Präklusion eines Mietzinsüberprüfungsantrags des dortigen Antragstellers nach § 16 Abs 8 MRG zu beurteilen, was davon abhing, ob die Verlängerungsvereinbarung wirksam erfolgt war. Der Oberste Gerichtshof ging dort von der Zulässigkeit der Unterfertigung des Mietvertrags (18. 3. 2004) erst nach dem vereinbarten Mietbeginn (15. 3. 2004) aus.

In der Entscheidung 5 Ob 123/17z nahm der Oberste Gerichtshof dazu Stellung, dass es nicht grundsätzlich unzulässig sei, anlässlich der Unterfertigung des schriftlichen Mietvertrags festzuhalten, dass das Vertragsverhältnis bereits am – dort einige Tage davor liegenden – Monatsanfang beginne. Ein derartiges Verbot sei weder dem ABGB noch dem MRG zu entnehmen. Ob es sich um den erstmaligen Abschluss des Mietvertrags oder um die Verlängerung eines zuvor befristeten Mietverhältnisses handle, mache dabei keinen Unterschied.

4.2 Die vorliegende Befristungsvereinbarung wurde am 19. 3. 2013 – vor Ablauf der nach § 29 Abs 3 lit b MRG erfolgten Verlängerung – unterfertigt. Auch hier gilt, dass es nicht grundsätzlich unzulässig war, anlässlich der Unterfertigung dieser Vereinbarung festzuhalten, dass das Vertragsverhältnis am Monatsanfang beginnt. Eine unzulässige Verkürzung der Mindestbefristung ist daraus nicht ersichtlich, zumal der Klägerin die Nutzung der Wohnung in dem vor der Unterfertigung gelegenen Zeitraum auch tatsächlich zukam.

§ 29 MRG steht auch einer einverständlichen Auflösung des Mietverhältnisses nur entgegen, wenn der Mieter unter Druck steht; so ist ein Räumungsvergleich vor oder gleichzeitig mit dem Abschluss des Mietvertrags unwirksam. Im Übrigen ist aber die Vertragsfreiheit nicht aufgehoben, eine Einigung über die Auflösung des Mietverhältnisses und die Räumung ist während des Mietverhältnisses wirksam, auch wenn sie erst zu einem in der Zukunft liegenden Zeitpunkt realisiert werden soll. Die bloße Bekräftigung einer nicht durchsetzbaren Befristung reicht hiezu jedoch nicht aus (RIS-Justiz RS0113485). Aus dem Umstand allein, dass mit der Vereinbarung vom 19. 3. 2013 gleichzeitig das bereits bestehende (bis 31. 10. 2013 befristete) Mietverhältnis vorzeitig beendet wurde, ist damit – entgegen der Ansicht der Klägerin – gleichfalls keine Umgehung der Mindestbefristungsregelungen des MRG ersichtlich. Auf das allfällige Vorliegen einer Drucksituation kommt die Klägerin selbst in der Revision nicht mehr zurück.

5. Zusammengefasst folgt, dass die in der Vereinbarung vom 19. 3. 2013 enthaltene Befristung– entgegen der Ansicht der Klägerin – wirksam ist. Das auf Feststellung eines unbefristeten Mietverhältnisses gerichtete Klagebegehren war daher abzuweisen.

6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Nach der zwingenden Bestimmung des § 10 Abs 2 lit c RATG beträgt der Wert des Streitgegenstands in Bestandstreitigkeiten bei Wohnungen mit einer 60 m2 nicht übersteigenden Nutzfläche lediglich 1.000 EUR. Wenn – wie hier – weder behauptet noch bescheinigt wird, dass die Nutzfläche der Wohnung 60 m2 übersteigt, ist von dieser Bemessungsgrundlage auszugehen (RIS-Justiz RS0111015). Gemäß § 16 Abs 1 Z 1 lit c GGG beträgt die Bemessungsgrundlage 750 EUR.

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