OGH 10Ob43/17x

OGH10Ob43/17x13.9.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Schramm, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann sowie den Hofrat Mag. Ziegelbauer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P*, vertreten durch Dr. Paul Bauer und Dr. Anton Triendl, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei D*, vertreten durch Dr. Peter Bergt, Rechtsanwalt in Telfs, wegen Räumung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 14. April 2017, GZ 2 R 21/17b‑27, womit das Urteil des Bezirksgerichts Telfs vom 22. November 2016, GZ 2 C 104/16z‑23, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E119513

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 418,77 EUR (darin 69,79 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

 

Begründung:

Der Kläger begehrt mit seiner am 15. 2. 2016 bei Gericht eingebrachten Räumungsklage die Räumung einer Wohnung, die von ihm dem Beklagten vorerst von 1. 11. 2010 bis 31. 10. 2013 und dann verlängert bis 31. 10. 2016 vermietet worden war.

Der Beklagte beantragt Klageabweisung. Die gesetzliche dreijährige Mindestdauer im ersten (schriftlichem) Mietvertrag sei unterschritten worden, indem sich aus dessen Vertragspunkt XV eine Räumungsverpflichtung bis 12:00 Uhr mittags des letzten Tages des Bestandverhältnisses ergibt. Aus diesem Grund sei die Befristung unwirksam und nicht durchsetzbar.

Das Erstgericht verpflichtete den Beklagten, die Wohnung binnen 14 Tagen geräumt zu übergeben.

Es traf folgende wesentliche Feststellungen:

Die Streitteile errichteten am 10. 10. 2010 einen schriftlichen Mietvertrag. Gemäß dessen Punkt II. beginnt das Mietverhältnis am 1. 11. 2010 und ist auf eine bestimmte Dauer von drei Jahren abgeschlossen, sodass es ohne Aufkündigung und ohne sonstige Erklärung des Vermieters am 31. 10. 2013 endet. In Punkt XV. des Mietvertrags verpflichtete sich der Mieter dazu, den Bestandgegenstand am letzten Tag des Bestandverhältnisses bis 12:00 Uhr mittags zu räumen. Ist der letzte Tag ein Sonn- oder Feiertag, so gilt der vorhergehende Werktag.

Der Beklagte ging bei Vertragsunterfertigung von einer dreijährigen Vertragsdauer aus. Er hatte sich zuvor den Mietvertrag durchgelesen, ohne sich an Punkt XV. zu stoßen. Über Punkt XV. wurde zwischen den nunmehrigen Streitteilen auch nicht gesprochen.

Im Herbst 2013 kamen die Streitteile mündlich überein, den Mietvertrag um weitere drei Jahre zu verlängern.

Der Beklagte hat den Bestandgegenstand jedenfalls bis 7. 11. 2016 nach wie vor bewohnt und diesen bis dahin nicht geräumt übergeben.

Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, das gültig befristete Mietverhältnis sei wirksam um drei Jahre verlängert worden. Daran ändere auch Punkt XV. des Mietvertrags nichts. Es handle sich dabei lediglich um eine die wirksam (befristete) Bestanddauer nicht tangierende und für den Vermieter nicht durchsetzbare Klausel. Ungeachtet dieses Vertragspunkts sei der Kläger selbst von einer Bestanddauer von vollen drei Jahren ausgegangen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge. Punkt XV. ändere die vereinbarte dreijährige Bestandzeit nicht ab, weshalb das Mietverhältnis durch Zeitablauf zum 31. 10. 2016 geendet habe. Es sei zwischen Räumung und Übergabe des Bestandobjekts zu differenzieren. Im Vertragspunkt XV. sei nur von Räumung die Rede, nicht aber von der Zurückstellung oder Übergabe des Bestandobjekts, wie sie nach Beendigung der Bestandzeit gemäß § 1109 ABGB zu erfolgen habe. Punkt XV. beschränke daher lediglich die vertragliche Nutzungsmöglichkeit in den letzten zwölf Stunden der Vertragsdauer.

Das Berufungsgericht ließ die Revision wegen Fehlens höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Frage zu, ob eine vertraglich vereinbarte Räumungs-, aber nicht Übergabeverpflichtung vor Mitternacht des letzten Tages des genau auf drei Jahre befristeten Mietverhältnisses dazu führe, dass die Dreijahresfrist rechtserheblich unterschritten werde.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision nicht zulässig.

1. Gemäß § 29 Abs 1 Z 3 lit b MRG wird der Mietvertrag durch Ablauf der vereinbarten Vertragsdauer aufgelöst, allerdings nur, wenn bei Wohnungen die ursprünglich vereinbarte Vertragsdauer oder die Verlängerung der Vertragsdauer (§ 29 Abs 4 MRG) jeweils mindestens drei Jahre beträgt. Nach § 29 Abs 4 MRG können Mietverträge, die nach § 29 Abs 1 Z 3 MRG befristet sind, schriftlich beliebig oft um jede – bei Wohnungen jedoch drei Jahre jeweils nicht unterschreitende – Vertragsdauer erneuert werden. Wird die Mindestdauer im ersten Vertrag oder in der Verlängerung unterschritten, ist die Befristung nicht durchsetzbar und liegt ein unbefristeter Mietvertrag vor.

2. Betrachtet man die in Pkt II. des Mietvertrags vereinbarte dreijährige Befristung des Bestandvertrags vom 1. 11. 2010 bis 31. 10. 2013 isoliert für sich, so entspricht die Ansicht, diese Befristung sei zulässig, der bisherigen Rechtsprechung. Nach dieser muss entweder der Endtermin datumsmäßig angegeben sein oder durch die Angabe des Anfangszeitpunkts eindeutig festgelegt sein (RIS-Justiz RS0070201). Zur Berechnung der Dauer befristeter Mietverhältnisse besteht eine von Art 2 bis 4 des Europäischen Übereinkommens über die Berechnung von Fristen (BGBl 1983/254) abweichende – im Wesentlichen §§ 902 f ABGB entsprechende – Übung insofern, als diese bei Vereinbarung von Monats- oder Jahresfristen vom Monatsersten (0:00 Uhr) bis zum Monatsletzten (24:00 Uhr) laufen (RIS-Justiz RS0124840; siehe auch RS0090569), im vorliegenden Fall also bis 31. 10. 2013 24:00 Uhr.

3. Auch dass der befristete Mietvertrag (einmalig) auf drei Jahre erneuert gilt, wenn er gemäß § 29 Abs 3 lit b MRG nach Ablauf der wirksam vereinbarten und verlängerten Vertragsdauer weder vertraglich verlängert noch aufgelöst wurde, wird in der Revision nicht mehr in Zweifel gezogen.

4.1 Strittig geblieben ist die Frage der Durchsetzbarkeit der ersten (schriftlichen) Befristung als Voraussetzung für die Rechtswirksamkeit der neuerlichen Befristung im Hinblick auf die Vertragsklausel Punkt XV., die den Mieter verpflichtet, den Bestandgegenstand am letzten Tag des Bestandverhältnisses bis 12:00 Uhr zu räumen:

4.2 Rechtsprechung zu den den Vertragspunkten II. und XV. gleichlautenden Mietvertragsbestimmungen ist nicht vorhanden. Nur im Zusammenhang mit dem (formstrengen) Aufkündigungs- bzw Übergabsverfahren hatte sich der Oberste Gerichtshof bereits mit einer ähnlichen Situation zu befassen. Hat der Kläger im Übergabsauftrag neben dem – dem Tag nach richtig – angegebenen Übergabstermin eine Uhrzeit („12:00 Uhr mittags“) beigefügt, wurde eine Richtigstellung des Übergabsauftrags zur Vermeidung eines überspitzten Formalismus als zulässig angesehen, zumal unbekämpft feststand, dass der Kläger die Bestandzeit nicht verkürzen wollte und die beigesetzte Uhrzeit dem Beklagten nicht zum Nachteil gerät, weil der vereinbarte Übergabszeitpunkt zur Zeit der Erlassung des Ersturteils schon verstrichen war (8 Ob 647/93).

4.3 Ganz allgemein lässt sich die Frage, ob eine durchsetzbare Befristung erfolgt, durch Vertragsauslegung ermitteln (RIS-Justiz RS0090569 [T8]). Ungeachtet des Wortlauts der förmlichen Erklärung und ihres normativen Verständnisses ist auch eine formbedürftige Willenserklärung entsprechend dem tatsächlich übereinstimmenden Verständnis der Beteiligten gültig (RIS-Justiz RS0017280). Dieser Grundsatz wurde bereits mehrfach bei der Beurteilung mietrechtlicher Befristungsvereinbarungen angewandt (RIS‑Justiz RS0017280 [T3]). Selbst eine Falschbezeichnung in der Urkunde schadet nicht, wenn die Parteien ein übereinstimmendes Verständnis vom Ende der Frist hatten (1 Ob 22/08d).

4.4 Auch im vorliegenden Fall ist – ungeachtet des Punktes XV. des Mietvertrags – ein übereinstimmendes Verständnis der Befristungsvereinbarung durch die Streitteile für die Dauer von (vollen) drei Jahren bis 31. 10. 2013, 24:00 Uhr zu Grunde zu legen. Dass der Beklagte bei Vertragsunterfertigung von einer auf drei Jahre befristeten Vertragsdauer ausging, steht ausdrücklich fest. Auch später hat sich der Beklagte – ebenso wie auch der Kläger – an einer wirksamen dreijährigen Befristung bis 31. 10. 2013 orientiert, indem er mit dem Kläger eine (mündliche) Verlängerungsvereinbarung für den Zeitraum nach Ablauf dieser Befristung getroffen hat. Zudem wurde nach dem beidseitigen Vorbringen der Vertragspunkt XV. nur deshalb vereinbart, weil der Kläger eine Rückstellung der Wohnung außerhalb der Bürozeiten (oder am Wochenende) vermeiden wollte. Wenngleich als Räumungstermin (im Sinn eines Rückstellungstermins nach § 1109 ABGB) das Ende des letzten Tages des Bestandverhältnisses gilt und außer dem Zeitpunkt, zu dem ein Bestandvertrag enden soll, nicht noch ein besonderer Räumungs- (bzw Rückstellungstermin) angegeben werden muss (8 Ob 647/93), hat der Kläger offenbar darauf Wert gelegt, im Mietvertrag eine Räumungs- bzw Rückstellungsverpflichtung festzuhalten und dabei in Kauf genommen, dass diese für ihn mangels Ablauf der vollen Vertragszeit (bis 24:00 Uhr des 31. 10. 2013) nicht durchsetzbar war. Tatsächlich ist dieser Räumungstermin nicht zum Tragen gekommen und ist dem Beklagten daraus kein Nachteil entstanden, weil feststeht, dass er die Wohnung noch bis 7. 11. 2016 bewohnt hat. Im Hinblick auf diese Erwägungen stellt die Ansicht der Vorinstanzen, die Parteien hätten mit diesem Vertragspunkt nicht die in Punkt II. vereinbarte dreijährige gesetzliche Mindestdauer des Bestandvertrags (bis 31. 10. 2013 24:00) Uhr abändern und verkürzen wollen, sondern zusätzlich zum Endigungstag des Bestandverhältnisses noch einen besonderen (nicht durchsetzbaren) Räumungstermin bzw eine Rückstellungsverpflichtung festgelegt, ein jedenfalls vertretbares Auslegungsergebnis dar.

5. Wie das Berufungsgericht bereits ausgeführt hat, besteht bei unbeweglichen Sachen der Inhalt der Rückstellungsverpflichtung nach § 1109 ABGB nicht nur in der Räumung, sondern in der Regel auch in der Übergabe des Bestandgegenstands (RIS-Justiz RS0020765 [T2]), etwa bei Wohnungen durch Übergabe der Wohnungsschlüssel. Ob die Parteien mit dem Vertragspunkt XV. dennoch eine „bloße“ Räumungsverpflichtung vereinbaren wollten (wie das Berufungsgericht meint) oder zusätzlich auch eine Übergabeverpflichtung (wofür das Vorbringen spricht, der Kläger habe offensichtlich eine Übergabe außerhalb der Bürostunden vermeiden wollen), kann im Hinblick auf den im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen übereinstimmenden Parteiwillen, die bis 31. 10. 2013, 24:00 Uhr wirksam vereinbarte Bestanddauer unberührt zu lassen, dahingestellt bleiben.

6.1 Eine erhebliche Rechtsfrage wäre nur dann vorgelegen, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage bei der Vertragsauslegung ein unvertretbares Ergebnis erzielt worden wäre (RIS‑Justiz RS0042936). Dies ist hier nicht der Fall.

6.2 Auch die Beantwortung der Frage, ob eine im Berufungsverfahren unzulässige Neuerung (zur angeblich nicht gleichzeitigen Unterfertigung des schriftlichen Mietvertrags) vorliegt, geht in ihrer Bedeutung über den Einzelfall nicht hinaus (RIS-Justiz RS0042828 [T35]).

7. Mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung ist die Revision daher als unzulässig zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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