Spruch:
Die Revisionen werden zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.086,74 EUR (darin enthalten 347,79 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.315,52 EUR (darin enthalten 385,92 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung
Rechtliche Beurteilung
I. Wenn das Berufungsverfahren mit seiner Entscheidung einen Teil des erstgerichtlichen Urteils bestätigt, einen anderen Teil dieser Entscheidung aber aufhebt und die Rechtssache im letzteren Umfang an das Erstgericht zurückverweist, so ist gegen den aufhebenden Teil der Berufungsentscheidung ein Rekurs auch dann nicht zulässig, wenn er mit der Revision gegen den bestätigenden Teil der Berufungsentscheidung verbunden wird (§ 515 ZPO), es sei denn, das Berufungsgericht hätte den Rekurs gegen den aufhebenden Teil seiner Entscheidung ausdrücklich zugelassen (RIS‑Justiz RS0043854).
Soweit sich die Revision des Beklagten daher gegen den aufhebenden Teil der Berufungsentscheidung richtet, ist sie schon aus diesem Grund als unzulässig zurückzuweisen.
II. Im Übrigen sind die Revisionen ‑ entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 508a Abs 1 ZPO ‑ nicht zulässig. Gemäß § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist. Dies ist hier nicht der Fall. Die Zurückweisung der ordentlichen Revision kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).
1. Zur Revision der Klägerin:
1.1 Die Klägerin war beauftragt, eine 864 m lange Rohrleitung im „Microtunneling‑Verfahren“ zu verlegen. Sie argumentiert, auf Grund der ab lfm 800 unvorhergesehen aufgetretenen geologischen Erschwernisse vermehrt Material und Personal zur Herstellung weiterer lfm 32,5 eingesetzt zu haben, um das Gewerk vor irreparablen Beschädigungen zu retten und damit den Eintritt des Versicherungsfalls aus der mit der Beklagten bestehenden Bauleistungsversicherung zu verhindern. Dieser Mehraufwand von 82.638,50 EUR sei als Rettungskosten im Sinn der §§ 62, 63 VersVG anzusehen.
1.1.2 Die Bauwesenversicherung ist eine Sachversicherung, auch soweit die versicherten Bauleistungen, Hilfsbauten oder Baustoffe und Bauteile dem versicherten Bauunternehmen nicht gehören und dessen eigenes (Sachersatz‑)Interesse auf dem Bauvertrag beruht (RIS‑Justiz RS0080911). Sie wird in Deutschland nunmehr (seit dem Einschluss der Geräteversicherung in die Maschinenversicherung) als „Bauleistungsversicherung“ bezeichnet (RIS‑Justiz RS0080911 [T2]). Die Bauleistungsversicherung bietet Schutz gegen die Beschädigung oder Zerstörung von Bauleistungen während des Herstellungsprozesses. Für den Bauunternehmer hat sie den Zweck, ihn davor zu schützen, dass er bei unvorhergesehenen Schäden eine bereits ordnungsgemäß erbrachte Leistung oder Teilleistung auf seine Kosten noch einmal erbringen muss, um einen Anspruch auf Vergütung zu haben und um ihm zumindest das Risiko eines aus dem Schaden hergeleiteten Regresses abzunehmen (RIS‑Justiz RS0080911 [T2]).
Nach § 62 VersVG ist der Versicherungsnehmer verpflichtet, bei Eintritt des Versicherungsfalls, den Schaden möglichst abzuwenden oder zu mindern. Er hat unter gewissen Voraussetzungen Anspruch auf Ersatz des Rettungsaufwands durch den Versicherer. Mit dem Beginn eines Ereignisses, das in seiner Folge wahrscheinlich den Schaden herbeiführen wird, beginnt die Abwendungs‑ und Minderungspflicht (RIS‑Justiz RS0080451 [T3]). Die Rettungskosten müssen grundsätzlich objektiv dem Zweck dienen, den versicherten Schaden abzuwenden oder zu vermeiden. Ein „Rettungswille“ im Sinn der Absicht, die Rettungspflicht zu erfüllen, wird nicht verlangt (RIS‑Justiz RS0080425 [T2]). Unter die Rettungspflicht und demnach auch unter den Begriff Rettungskosten fallen daher nur Kosten, die der Abwehr jener Schäden dienen, die der Versicherer zu decken hätte (7 Ob 10/87). Von vornherein nicht unter den Begriff der Rettungskosten fallen all jene Ausgaben, die „sowieso“, das heißt ohne Rücksicht auf die Rettungsmaßnahme, erwachsen wären (7 Ob 14/89).
1.1.3 Bei den von der Klägerin geltend gemachten Kosten handelt es sich bereits nach ihren Behauptungen um einen bei Vertragsabschluss unvorhergesehenen Mehraufwand, der im Zuge der Arbeiten als zur Herbeiführung des geschuldeten Erfolgs erforderlich wurde. Sofern der Werkunternehmer keinen Pauschalpreis vereinbart und dem Vertrag keinen Kostenvoranschlag ohne Gewähr zugrunde legt, wobei eine derartige Vertragsgestaltung in sein unternehmerisches Risiko fiele, das ihm nicht von der Bauleistungsversicherung abgenommen würde, kann er sich einen Anspruch auf höheres Entgelt dadurch sichern, dass er den Besteller auf den unvermeidlichen „Mehraufwand“ hinweist und diesem die Möglichkeit dazu gibt, die Fortführung der Tätigkeiten ‑ gegen zusätzliches Entgelt ‑ anzuordnen oder unter angemessener Vergütung der bereits geleisteten Arbeiten vom Vertrag zurückzutreten (§ 1170a ABGB). In beiden Fällen hätte die Klägerin einen Anspruch auf Vergütung für die bereits erfolgte (bis lfm 800) Herstellung der Rohrleitungen nicht verloren. Der von ihr eingesetzte Mehraufwand an Material und Personal zur Durchführung der geschuldeten Rohrleitungen im Umfang von weiteren 32,5 m diente demnach nicht der Abwehr von Schäden, die der Bauleistungsversicherer zu decken gehabt hätte, sondern allein der nicht gedeckten Bergung ihrer Vortriebsmaschine.
1.1.4 Die Beurteilung des Berufungsgerichts, der von der Klägerin hier beanspruchte Mehraufwand stelle keinen Rettungsaufwand dar, weil er dazu diente, die von der Klägerin ohnedies („sowieso“) herzustellende Rohrverlegung voranzutreiben, ist nicht korrekturbedürftig.
1.2 Das Anerkenntnis ist ein Feststellungsvertrag, in dem eine Partei durch einseitiges Nachgeben das von ihr bezweifelte Recht in vollem Umfang zugesteht (RIS‑Justiz RS0032818). Ein konstitutives Schuldanerkenntnis schafft unabhängig von der Existenz des zweifelhaften Schuldgrundes einen neuen selbständigen Verpflichtungsgrund (RIS‑Justiz RS0032541). Das konstitutive Anerkenntnis muss als Feststellungsvertrag auf einer Willensübereinstimmung zwischen dem Anerkennenden und dem Begünstigten beruhen (RIS‑Justiz RS0032406 [T5]). Bei der Prüfung einer Handlung auf ihre konkludente Aussage ist Vorsicht geboten, weil die Gefahr besteht, dass dem Handelnden Äußerungen unterstellt werden, die nicht in seinem Sinn gelegen sind (RIS‑Justiz RS0014157).
Im vorliegenden Fall wurde bei der Besprechung am 15. März 2011 von der Klägerin die Auffassung vertreten, der Schadensfall sei gemäß Art III.5.9 des Vertrags von der Beklagten unbegrenzt zu decken. Ein Mitarbeiter der Beklagten lehnte dies dezidiert ab und argumentierte, den Schadensfall gemäß Art III.5.8 (mit einer Deckelung von 250.000 EUR) regulieren zu wollen. Die unterschiedlichen Standpunkte waren so festgefahren, dass sie auch nicht annähernd zusammengeführt werden konnten. Über eine konkrete Höhe der Versicherungsleistung diskutierten die Parteien bei dieser Besprechung nicht. So endete die Besprechung auch ohne konkretes Ergebnis. Daraufhin telefonierte der Makler der Klägerin mit einem weiteren Mitarbeiter der Beklagten und ersuchte diesen, eine Akontozahlung zu leisten. Der Mitarbeiter antwortete, nach seinem derzeitigen Informationsstand, eine Zahlung von 100.000 EUR freizugeben. Dies begründete er damit, dass eine Versicherungsdeckung mit Art III.5.8 argumentierbar sei und fürs Bergen der Vortriebsmaschine (bei lfm 832,5) laut Sachverständigem 88.806 EUR gerechtfertigt seien, sodass er einschließlich geschäftspolitischer Überlegungen insgesamt 100.000 EUR freigebe. Das auf Auszahlung eines höheren Betrags gerichtete Ersuchen der Klägerin lehnt er ausdrücklich ab.
Auf Basis dieser Erklärungen wurde die von der Klägerin geltend gemachte Forderung (Mehraufwand für die Herstellung weiterer 32,5 m Rohrverlegung) gerade nicht anerkannt.
2. Zur Revision der Beklagten:
Anders als den Anspruch auf Ersatz des Mehraufwands im Zusammenhang mit der Herstellung der weiteren Rohrverlegung beurteilte das Berufungsgericht die Ersatzfähigkeit der Kosten für die Errichtung einer zweiten Zielgrube und für die Bergung der Vortriebsmaschine in Höhe von 245.689,55 EUR (abzüglich Selbstbehalt und abzüglich Akontozahlung) bei lfm 832,5. Durch die von der Klägerin nicht rechtzeitig vorhergesehenen geologisch erschwerten Gegebenheiten habe eine Beschädigung/Zerstörung des bis dorthin hergestellten Werks der Klägerin gedroht, die nur durch die von der Vertragsleistung nicht umfasste Errichtung einer (weiteren) Zielgrube und die Bergung der Vortriebsmaschine bei lfm 832,5 abgewendet habe werden können. Die dafür getätigten Aufwendungen seien zur Rettung des Werks und zur Hintanhaltung des Eintritts des Versicherungsfalls notwendig gewesen; sie stellten Rettungskosten nach §§ 62, 63 VersVG dar.
Auch diese Beurteilung hält sich im Rahmen der bereits dargestellten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, wogegen die Beklagte keine stichhaltigen Argumente bringt.
2.2.1 So hält die Beklagte dieser Beurteilung unter Hinweis auf die „Außerstreitstellung Seite 24 des Ersturteils“ entgegen, dass als unvorhergesehene Schäden solche gelten, die der Versicherungsnehmer oder seine Repräsentanten weder rechtzeitig vorhergesehen hätten noch mit dem für die im Betrieb ausgeübte Tätigkeit erforderlichen Wissen hätten vorhersehen können. Es käme daher auf die Vorhersehbarkeit an, weshalb die unzureichende Erkundung der geologischen Verhältnisse der Klägerin schade.
Eine derartige Außerstreitstellung ist nicht erfolgt. Das Erstgericht gibt an der angegebenen Stelle lediglich den hier nicht interessierenden Text der Allgemeinen Bedingungen für die Maschinen‑ und Kaskoversicherung von fahrbaren und transportablen Geräten (ABMG 92) wieder.
2.2.2 Der für den vorliegenden Fall relevante Art III.2.1 der Bauleistungs/Montage-Jahresumsatz-Versicherung definiert unvorhergesehene Schäden, mit Schäden, die der Versicherungsnehmer oder Versicherer nicht rechtzeitig vorhergesehen hat, welche Voraussetzung auch ausdrücklich festgestellt wurde. Hingegen wird die Vorhersehbarkeit ‑ entgegen der Ansicht des Beklagten ‑ nicht gefordert.
2.3 Soweit die Beklagte argumentiert, dass das Werk weder zerstört worden noch verloren gegangen sei, übersieht sie einerseits, dass es hier nicht um den erfolgten Eintritt des Versicherungsfalls, sondern um die Frage der Ersatzfähigkeit von Rettungskosten, die diesen Eintritt verhinderten, geht und andererseits die festgestellte drohende Beschädigung/Zerstörung des Werks.
2.4 Wenn die Beklagte der Ersatzfähigkeit der Kosten für die Zielgrube entgegenhält, dass es sich hier nicht um Mehrkosten handle, weil eine Zielgrube ohnedies herzustellen gewesen wäre, entfernt sie sich vom festgestellten Sachverhalt, wonach eine weitere, ursprünglich nicht geplante Zielgrube bei lfm 832,5 hergestellt werden musste.
2.5 Da das Berufungsgericht seiner Entscheidung Art III.5.8 und Art III.5.9 nicht zugrunde legte, erübrigt sich ein Eingehen auf die Ausführungen der Beklagten, dass die Anwendung dieser Bestimmungen ausscheide.
3. Den Revisionen war daher der Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Die Streitteile wiesen jeweils auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels des Gegners hin.
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