OGH 7Ob189/98i

OGH7Ob189/98i14.4.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich, Hon-Prof. Dr. Danzl, Dr. Schenk und Dr. Schaumüller als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Mag. Franz Hafner und Dr. Karl Bergthaler, Rechtsanwälte in Altmünster, wider die beklagte Partei Firma K***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Nikolaus Kodolitsch ua Rechtsanwälte in Graz, wegen S 164.805,-- sA (Revisionsinteresse S 154.000,--), infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 23. März 1998, GZ 3 R 35/98m-49, womit das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 25. November 1997, GZ 18 Cg 9/96k-44, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten erster Instanz.

Text

Begründung

Die klagende Partei beauftragte im Jahre 1988 die Firma L***** GmbH mit der Herstellung eines Doppelkammerzementsilos. Dessen Errichtung besorgte die beklagte Partei als Erfüllungsgehilfin der Firma L*****. Dabei unterlief ihr der Fehler, eine in der Trennwand des Silos verbliebene Öffnung von 2 x 8 cm nicht zu verschließen. Dieser nicht erkannte Mangel blieb bis zum Jahre 1993 folgenlos.

Im Jahre 1993 füllte die klagende Partei in die eine der beiden durch die Trennwand gebildeten Kammern des Silos statt Zement, Flugasche. Diese vermengte sich durch die verbliebene Öffnung mit dem in der anderen Kammer gelagerten Zement, wodurch dessen Qualität wesentlich vermindert wurde. Mit diesem Zement stellte die klagende Partei Beton her, den sie dem Bauunternehmen O***** GmbH zur Verarbeitung in einem diesem Bauunternehmen von der Firma P***** GmbH in Auftrag gegebenen Bauwerk lieferte. Die - zunächst nicht erkannte - mindere Güte des Betons erforderte schließlich die Abtragung und Neuerrichtung der damit hergestellten Säulen. Die Aufwendungen hiefür wurden von der klagenden Partei getragen und dieser von ihrer Haftpflichtversicherung ersetzt. Nicht ersetzt wurde ihr jedoch ein von der Bauherrin der Firma O***** GmbH aufgrund des Bauwerkvertrages in Rechnung gestelltes und von dieser der klagenden Partei weiterverrechnetes Pönale von S 154.000,-- für die nach den Behauptungen der Bauherrin durch die Abtragung und Neuerrichtung der Säulen verursachte Überschreitung des vereinbarten Fertigstellungstermines. Die Klägerin wandte sich mit der Pönaleforderung an die L***** GesmbH, um sich an dieser zu regressieren, diese trat zur Erfüllung allfällig bestehender Verpflichtungen ihre Rückgriffsansprüche aus dem gegenständlichen Vorfall der Klägerin an Zahlungsstatt ab.

Die klagende Partei begehrt von der beklagten Partei im Revisionsverfahren nur mehr den Ersatz dieses ihr verrechneten Pönales "als Regreßforderung aus dem Titel des Schadenersatzes". Sie behauptet im wesentlichen, gegenüber der Firma O***** GmbH als ihrer Auftraggeberin für die durch die mangelhafte Betonqualität eingetretenen Folgeschäden, somit auch für das Pönale zu haften, diese an sie herangetragenen Schadenersatzansprüche gegenüber der Firma L***** GmbH geltend gemacht und von dieser insoferne an Zahlungs Statt deren Rückgriffsansprüche gegen die beklagte Partei abgetreten erhalten zu haben. Die beklagte Partei habe in Ansehung der mangelhaften "Versetzung" des Silos grobes Verschulden zu vertreten. An der verspäteten Fertigstellung des von der Firma P***** GmbH in Auftrag gegebenen Bauwerkes treffe die Bauunternehmung O***** GmbH ein - näher bezeichnetes - Verschulden.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie wendete im wesentlichen ein, daß die klagende Partei zur Klage nicht legitimiert sei, weil weder sie noch die Firma L***** GmbH bisher Pönalezahlungen geleistet hätten. Im übrigen sei nicht die mindere Qualität der Betonlieferung, sondern eine witterungsbedingte Durchfeuchtung des Mauerwerkes und eine verspätete Fertigstellung der Bedachung ursächlich für die Zeitüberschreitung gewesen. An der minderen Betonqualität treffe weder die O***** GmbH, die diese nicht hätte erkennen können, noch die klagende Partei, für die der Mangel des Silos gleichfalls nicht erkennbar gewesen sei, ein - für die Geltendmachung eines Pönales erforderliches - Verschulden. Schließlich liege die Pönaleforderung für die beklagte Partei als unvorhersehbar außerhalb jeden Adäquanzzusammenhanges.

Das Erstgericht wies mit Ausnahme eines in Rechtskraft erwachsenen Zuspruches von S 10.805,-- das Klagebegehren ab. Die beklagte Partei treffe zwar ein grobes Verschulden an der Mangelhaftigkeit des Silos, wodurch sie auch den der Firma O***** GesmbH durch die Pönalezahlung entstandenen Schaden verursacht habe, sie sei jedoch dafür nicht ersatzpflichtig, weil die Firma O***** die ihr gegenüber geltend gemachte Pönaleforderung im Hinblick auf ihr fehlendes Verschulden an der verspäteten Baufertigstellung abwehren hätte müssen.

Das Berufungsgericht hob mit der angefochtenen Entscheidung dieses Urteil auf und trug dem Erstgericht nach Verfahrensergänzung die Fällung einer neuerlichen Entscheidung auf. Es erklärte die Erhebung des Rekurses an den Obersten Gerichtshof für zulässig. Eine Konventionalstrafe sei, sofern sie nicht auch ausdrücklich für den Fall unverschuldeter Nichterfüllung vereinbart worden sei, nur bei Verschulden zu zahlen. Eine solche Vereinbarung liege nicht vor. Obwohl die Firma O***** GesmbH, sollte es zu einer Bauverzögerung gekommen sein, bewiesen habe, selbst daran schuldlos zu sein, habe die klagende Partei für das Verschulden ihrer Erfüllungsgehilfin, der beklagten Partei, einzustehen. Würden vor Vertragsabschluß bzw vor dem Entstehen des Schuldverhältnisses im Hinblick auf die Erfüllung künftiger Verträge Akte gesetzt, die der späteren Erfüllung dienen sollen, so seien die Handelnden als Erfüllungsgehilfen zu betrachten. Die Vorbereitungshandlung müsse einen Teil der Erfüllungshandlung bilden oder doch in einem engen Zusammenhang mit dieser stehen. Daß der künftige Vertragspartner noch nicht bekannt sei, spiele keine Rolle. Der von der klagenden Partei 1988 mit der Herstellung des Betonsilos beauftragten Werkunternehmerin und damit der beklagten Partei als deren Subunternehmerin habe als Erfüllungsgehilfin bekannt sein müssen, daß der Silo der Herstellung und dem Verkauf von Beton an Bauunternehmen dienen werde und daß nur die ordnungsgemäße Herstellung des Silos der mängelfreien Abwicklung der zu schließenden Kaufverträge dienen könne. Gleichfalls hätte erkennbar sein müssen, daß der zu liefernde Beton zur mängelfreien Herstellung von Bauwerken Verwendung finden werde. Die Sicherstellung dieser vorhersehbaren Erfüllungspflichten der klagenden Partei und ihrer Abnehmer habe daher in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem über den Silo geschlossenen Werkvertrag gedient und sei daher vom Schutzzweck des Vertrages umfaßt gewesen. Dementsprechend habe die beklagte Partei die aufgrund ihres rechtswidrigen schuldhaften Verhaltens verursachten Schäden, die durch die Verletzung der vom Werkvertrag geschützten Interessen eingetreten seien, zu vertreten. Daß hiezu auch das Interesse eines Bauherrn an der Vermeidung von Bauverzögerungen wegen Verwendung mangelhaften Betons zu zählen sei und daß die Absicherung dieses Interesses durch die Vereinbarung einer Konventionalstrafe üblich sei, sei naheliegend. Der durch eine Bauverzögerung eingetretene, und durch die zwischen der Bauherrin und dem Bauunternehmen durch eine Konventionalstrafe abgesicherte Schaden sei daher eine adäquate Folge der durch die beklagte Partei verschuldeten Vertragsverletzung. Das Erstgericht habe jedoch ausgehend von einer unzutreffenden Rechtsansicht die Einwendung der beklagten Partei übergangen, daß die Bauverzögerung nicht auf die mangelhafte Herstellung der betonierten Säulen zurückzuführen sei und den dafür angebotenen Sachverständigenbeweis aus dem Bauwesen nicht aufgenommen. Darüber hinaus sei die Einwendung der Beklagten unberücksichtigt geblieben, daß weder die Klägerin noch die Firma L***** bisher Schadenersatzleistungen (Regreßleistungen) erbracht hätten. Das Ersturteil sei daher wegen Übergehens dieser relevanten Einwendungen mangelhaft geblieben.

Rechtliche Beurteilung

Der von der beklagten Partei gegen diese Entscheidung erhobene Rekurs ist nicht berechtigt.

Wenn es auch zutrifft, daß sich die klagende Partei nicht ausdrücklich auf die Erfüllungsgehilfenhaftung nach § 1313a ABGB gestützt hat, ist dieser Haftungsgrund allein schon von der Schilderung des Geschehensablaufes und der daran beteiligten Firmen im Tatsächlichen geltend gemacht worden, weil sich dieser Schilderung klar entnehmen läßt, wer wem zu welchen Erfüllungshandlungen verpflichtet war, wer dagegen verstoßen hat und wem daraus ein Schaden erwuchs.

Die Ausführungen des Berufungsgerichtes über die Verschuldensabhängigkeit der Konventionalstrafe treffen zu (§ 510 Abs 3 ZPO).

Zutreffend hat das Berufungsgericht auch erkannt, daß aus dem Vertrag eines Erzeugers mit seinem ersten Abnehmer Schutzpflichten des Erzeugers gegenüber dem Letztabnehmer abgeleitet werden, sodaß auch die Haftung des Erzeugers gegenüber dem Letztabnehmer den §§ 1298 und 1313a ABGB unterliegt (vgl RZ 1992/76 mwN). Werden von einem Werkunternehmer wie hier der beklagten Partei bei der klagenden Partei Akte gesetzt, die erkennbar der Erfüllung künftiger Verträge durch die klagende Partei dienen sollen, so ist der Werkunternehmer als Erfüllungsgehilfe der Vertragspartner der klagenden Partei zu betrachten. Im Gegensatz zu der von der Rekurswerberin herangezogenen Entscheidung 7 Ob 516/88 (= JBl 1988, 650) war die beklagte Partei nicht bloßer Zulieferer, sondern Werkunternehmer, dem klar sein mußte, daß ein Loch in der Zwischenwand zu einer Vermengung der in die zwei Silos verschieden abgefüllten Materialien führen kann und daß dies zu einem mangelhaften bzw untauglichen Betongemisch führen wird. Durch das Verschulden der beklagten Partei kam es daher zu einer vorhersehbaren Verletzung der Schutz- und Sorgfaltspflichten gegenüber den Vertragspartnern der Klägerin. Die Berufung auf Reischauer in Rummel ABGB2 § 1313a Rz 5 durch das Berufungsgericht erfolgte daher im vorliegenden Fall durchaus zu Recht. In dieser Beurteilung ist auch keine abwegige Ausweitung der Haftungsverpflichtung eines Werkunternehmers zu erblicken.

Daher ist zu prüfen, ob die Beklagte wegen ihres vorschrifts- und vertragswidrigen Verhaltens für die geltend gemachten Schäden zu haften hat. Nach der Äquivalenztheorie hat jeder Schädiger nicht nur für den "nächsten" Schaden, sondern auch für Folgeschäden, also alle weiteren nachteiligen Auswirkungen beim Geschädigten einzustehen; dabei ist es gleichgültig, ob die Höhe des Schadens nur durch Hinzutreten außergewöhnlicher Umstände hervorgerufen wurde. Daß aber die Haftung nicht uferlos sein kann, sondern eine Begrenzung der Zurechnung stattzufinden hat, wird allgemein anerkannt. Der Haftungsbegrenzung dienen die Adäquanzlehre und die Lehre vom Schutzzweck der die Haftung begründenden Norm (Koziol, Haftpflichtrecht I3 Rz 8/1). Adäquität liegt - positiv umschrieben - vor, wenn das Schadensereignis die objektive Möglichkeit eines Erfolges von der Art des eingetretenen generell in nicht unerheblicher Weise erhöht (Koziol aaO Rz 8/8; ZVR 1983/13; ZVR 1984/93; SZ 60/147; JBl 1986, 101; JBl 1998/113); inadäquat ist ein Schaden, wenn nach allgemeiner Lebenserfahrung das schädigende Ereignis für den eingetretenen Schaden gleichgültig ist und nur durch eine außergewöhnliche Verkettung von Umständen eine Bedingung für den Schaden war (negative Umschreibung: Koziol aaO; SZ 29/84; SZ 54/108; SZ 69/147; JBl 1986, 98; JBl 1993, 396; JBl 1998, 113).

Auch derjenige, der eine Vertragspflicht verletzt, haftet seinem Vertragspartner gegenüber für daraus entstehende Schäden nur insoweit, als jene Interessen verletzt sind, deren Schutz die übernommene Vertragspflicht bezweckt (JBl 1984, 41; JBl 1986, 98). Welche die geschützten Interessen sind, ist aus dem Sinn und Zweck des Vertrags im Wege der Auslegung zu ermitteln; anstelle der verallgemeinerten schematisierenden Betrachtung im Sinne der Adäqanztheorie tritt eine am konkreten Vertrags- oder Normzweck ausgerichtete individualisierende Betrachtung (JBl 1986, 98 mwN). Da, wie bereits zuvor ausgeführt worden ist, es vorhersehbar war, daß die mangelhafte Erfüllung der Silotrennwand zu einer späteren mangelhaften Erfüllung der Kauf- bzw Werkverträge mit der diesem Silo entnommenen Betonmenge führen wird, ist der aus der Fehlleistung der Beklagten resultierende Schaden als adäquat zu beurteilen.

Richtig wäre nur, daß einem Vertrag zwischen einem Geschäftsherrn (=

Werkunternehmer = hier L*****) und seinem Erfüllungsgehilfen (= hier:

Beklagte) regelmäßig keine Schutzwirkungen zugunsten des Gläubigers des Geschäftsherrn (= Besteller = hier klagende Partei) zukommen. Dies gilt auch dann, wenn der Gehilfe selbständiger Unternehmer ist (vgl JBl 1994, 331 mit zustimmender Anmerkung von Karollus). Im vorliegenden Fall bestreitet aber die Rekurswerberin nicht die Zession der Ansprüche an die klagende Partei, die L***** bei Eintritt einer Bauverzögerung gegen sie hätte, sodaß deren Aktivlegitimation nicht in Frage steht. Da sich sohin die Rechtsansicht des Erstgerichtes als unzutreffend erwies, wird, wie das Rekursgericht zutreffend erkannte, zu prüfen sein, ob eine auf den Betonmangel zurückzuführende Bauverzögerung eingetreten ist, die tatsächlich zu einer Pönalezahlung durch die O***** GesmbH führte.

Dem Rekurs war daher ein Erfolg zu versagen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

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